Ich fange einfach ganz am Anfang an.
Damals war ich gerade 19 Jahre alt als ich meinen ersten langjährigen Partner
kennenlernte, wir waren 11 Jahre zusammen, unsere Tochter wurde
1998 geboren. Dann 2002 erlag er einem Herzinfarkt mit nur 41 Jahren, der Tod kam
sehr überraschend für mich.
Für meine Kleine musste ich aber leben und vorallen ich wollte mich trotz des Verlustes
schnell wieder binden. Ich war gerade erst 30 Jahre alt.
Nur wenige Monate später lernte ich meinen heutigen Ehemann kennen
er ist schon ein schwieriger Mensch, teilweise etwas unsensibel aber sehr ehrlich und
direkt. Es war nicht immer leicht mit ihm, aber er ist eine treue Seele,
sehr gutmütig und er kann auch sehr liebevoll sein, auch wenn er es nicht so zeigen kann.
2003 und 2007 habe ich seine beiden Töchter geboren.
Aufgrund unserer Sturheit hatten wir immer viel Streit, er hat mich nie geschlagen, ist
mit den Worten aber sehr verletzend. 2011 habe ich eine Fortbildung begonnen und
lernte dort einen jungen Mann kennen. Ich weiss nicht ob er mich damals auch schon
so wahr genommen hatte wie ich ihn auf jedenfall habe ich ihn seitdem nicht mehr aus
den Kopf gekriegt, da ich aber verheiratet war fand die Beziehung zu ihm für ganze
drei Jahre nur in meinen Kopf statt. 2014 hat er mich dann über ein öffentliches Netzwerk
kontaktiert, wir haben uns dann auch getroffen. Die Gefühle beruhten die ganze Zeit auf
Gegenseitigkeit obwohl wir das beide vorher nicht wussten.
Er hatte vor mir noch nie eine Freundin, seine Mutter lebte direkt neben ihn und hat
auch alles für ihn erledigt. Er hatte viel erleben müssen in seinem doch kurzen Leben
mit drei Jahren trennte sich sein Vater von der Mutter, er bekam daraufhin eine schwere
Epilepsie mit 10 Jahren noch Diabetes Typ 1 dazu. Sein Bruder starb mit 24 Jahren nach kurzer,
schwerer Krankheit, da war er 14, seine Mutter starb kurz nachdem ich ihn persönlich kennenlernte.
Er hat sehr darunter gelitten, da er sehr sensibel war. Wir waren seitdem mehr oder weniger
zusammen, ich habe ihn geholfen wie es vorher seine Mutter für ihn tat. Wir hatten aber auch
eine sexuelle Beziehung. Er war bisher der liebenswerteste Mensch den ich je kennen lernen
durfte, auch wenn er durch seine Krankheiten sehr eingeschränkt war. Er liebte mich
wirklich sehr, er sagte immer, ich möchte für immer mit dir zusammen sein. Das hat
sehr gut getan. Fekalsprache oder böse Wörter kamen so in seinem Wortschatz nicht vor. Aber
er konnte auch sehr böse werden, wenn man ihm seinen Willen nicht gab, ich habe es ihm aber immer
wieder verziehen, da er psychisch bedingt nichts dafür konnte, er litt auch unter Paranoia.
Aber so richtig gut habe ich mich trotzdem nicht gefühlt, denn ich habe meinen Mann
hintergangen, denn trennen konnte ich mich auch nicht, irgendwie hatte ich das Gefühl,
dass es nicht richtig ist sich zu trennen so habe ich ganze drei Jahre von 2014 bis jetzt
diese Beziehung vor allen geheim gehalten. Er, mein Geliebter konnte damit relativ gut umgehen,
da er sich in seinem Umfeld immer sehr wohl gefühlt hatet. Er sagte zwar immer, dass er mit mir
und meinen Kindern zusammen leben möchte, aber das hätte nie funktioniert, er wäre
damit komplett überfordert gewesen, mein Mann wäre ausgerastet und hätte mir und ihm
das Leben zur Hölle gemacht, so dachte ich zumindest immer.
In den letzten drei Jahren habe ich eigentlich nur noch zwischen den Welten gelebt, zerissen
zwischen meiner Familie und ihm, ich habe alles versucht um sein Leben so angenehm
wie möglich zu gestalten, hatte zwischendurch auch eine Lungenembolie, die ich so halbwegs gut überstanden habe.
Bin mit ihn zu den Ämtern gerannt weil er es nicht schaffte seine Anträge selbst
auszufüllen, habe im Haushalt geholfen, ihm zugehört. Er hörte mir auch immer zu
hat mich getröstet wenn es mir schlecht ging, wir waren wie zwei verlorenen Seelen die
sich gefunden haben um sich gegenseitig halt zugegeben. Die Gefühle waren sehr intensiv
von beiden Seiten aus. Sowas habe ich in dieser Form noch nie erlebt.
Die Gefühle für meinen Mann habe ich mit der Zeit immer mehr
verloren, mehr noch alles was er tat habe ich nur noch negativ gesehen. Ich habe
nur noch funktioniert und habe abends wie eine Maschine vorm Computer gesessen. Gespräche
gab es nicht mehr nur noch wenn es nötig war. Für meine Kinder war ich aber immer da.
Am 21.08.2017 habe ich versucht ihn zu erreichen, er ging immer sofort ans Telefon
aber dieses Mal nicht, ich habe erst gedacht, dass er einfach unterwegs ist. Habe es um 21.00
Uhr noch mal versucht, da hatte ich schon so ein komisches Gefühl, in der Nacht träumte ich davon
dass ich ihn anrief, er sagte mit einer ganz verzerrten Stimme; es ist alles in Ordnung, so wie er es immer
sagte. Als ich morgends zu ihm ging habe ich es fast schon erwartet, ich klingelte zunächst bei ihn
aber es machte keiner auf, instinktiv klingelte ich bei der Nachbarin, die den Schlüssel
für seine Wohnung hat, ich ging in sein Schlafzimmer und fand in bereits verstorben vor.
Er schlief ganz friedlich und war aber ganz blau im Gesicht. Die Rettungskräft haben natürlich
vergebens versucht ihn wiederzubeleben.
Er wurde nur 47 Jahre alt. Ich stand nur noch unter Schock konnte nicht weinen nicht richtig
denken es tut so weh...
Ich habe meinen Kindern und meinen Mann davon erzählt, mein Mann ist verständlicher Weise
total verletzt, er möchte mir aber noch eine Chance geben, es wird schwer für uns werden.
Ich kann diese tiefen Gefühle für diesen Menschen natürlich nicht sofort ablegen, es wird dauern, aber
ich merke langsam wieder, dass mein Mann kein schlechter Mensch ist, das da mal was war, das wir
uns mal liebten. Er liebt mich immer noch, ich werde es hoffentlich wieder lernen. Der
Schmerz über diesen Verlust wird natürlich eine riesige Wunde hinterlassen. Ich habe es nicht
anders verdient. Ich kann natürlich mit niemanden darüber reden, ausser mit meinen Kindern
Ich habe ihm zu seinen Lebzeiten immer gesagt, ich bin egoistisch und feige, weil ich nichts an
der Situation ändern kann. Er hat mich dann immer in den Arm genommen und gesagt du bist mein absoluter Lieblingsmensch und
die liebe meines Lebens du bist nicht egoistisch, du willst es nur allen recht machen. Er sagte auch immer
wieder, das er bis zu seinem Lebensende nur mit mir zusammensein möchte. Wenigstens konnte ich ihm diesen
Wunsch erfüllen.
Nun gut es sollte wohl so kommen, ich habe es nicht anders verdient. Ich wünsche mir nur so sehr,
dass es ihn drüben wieder richtig gut geht, keine Epilepsie mehr, keine Medikamente,
keine körperlichen Einschränkungen mehr, die er zu Lebzeiten immer hatte. Er kann jetzt rennen,
schwimmen, vielleicht etwas erleben was er bedingt durch seine Krankheiten hier nie konnte.
Er sieht seine Mama, seine Hunde, seinen Bruder, er ist frei und hört mir dennoch zu wenn
ich mit ihm rede.
Ich weiss, dass ich ihn irgendwann los lassen muss, ich möchte ihn nicht am weiter kommen hindern.
Die abendlichen Gespräche mit ihm tuen mir gut auch wenn er nicht mehr antwortet, ich habe
das Gefühl, dass er mir zuhört. Er ist bestimmt nicht sauer, dass ich einen neustart
mit meinem Mann versuche. Er war zu seinen Lebzeiten natürlich sehr eifersüchtig auf ihn.
Aber er ist jetzt bestimmt erhaben über derartiges menschliches Verhalten. Eines Tages werden
wir uns wieder sehen, wenn auch nicht mehr so wie hier, aber ich weiss er wird auf mich
warten wie auch mein verstorbener Partner davor. Er war für mich etwas besonderes, sowas habe
ich bisher nicht fühlen dürfen, aber mein Leben geht hier weiter und irgendwann werde ich
vielleicht mit ein wenig Sehnsucht an ihn zurück denken aber der Schmerz wird weniger werden.
Ich erwarte hier kein Bedauern oder mitleid, ich wollte mir das nur von der Seele schreiben
das tut gut. Ich werde jetzt neu beginnen noch mal ganz von vorne mit meinem Mann und meinen
Kindern. Er fängt jetzt auch wieder von vorne an; drüben mit seiner Mama, seineim Brunder und den Hunden
gesund, stark und voller Liebe...
Vielen Dank fürs zuhören...