Ihr Lieben,
am "Alten" weiterschreiben oder ein neues Thema beginnen? Die Sonntag beendete Reise war wundervoll, doch jetzt legt sich wieder dieses bleierne Etwas über mich. Der erste Arbeitstag war anstrengend, obwohl mir nichts richtig von den Händen ging. Ich bin mit dem unangenehmen Gefühl nach Hause gefahren, nichts produktiv in die Reihe gebracht zu haben.
Eure Rückmeldungen auf die Ahnenkette machten mich teils sehr nachdenklich und irgendwie bin ich noch gar nicht dazu gekommen, mal wirklich nachzudenken, hinzuspüren. Ich weiß nicht, ob das "Trauer" ist, was ich da fühle. Es ist irgendwas dazwischen. Nicht so, nicht so. Hier flattern all die "letzten Dinge" rein: die vorletzte Energiekostenabrechnung, Einstellung der Telefon-Nummer, von der Beisetzung warten wir noch auf zwei Rechnungen, den Steinmetz müsste ich mal kontaktieren und irgendwie will ich nicht.
Gestern räumte ich die wenigen Habseligkeiten aus dem Bestand meiner Eltern in ihre vorübergehenden Regalflächen, bis ich eine andere Idee habe. In all dem Zeug der Geldbeutel meines Vaters, den ich gar nicht anrühren mag - diese banalen, alltäglichen Dinge halt. Eine Lücke klafft, mein Tagesablauf reguliert sich von Pflege auf "normal" und ich vermisse es auch keineswegs, nach der Arbeit noch schnell bei meinem Vater für die Abendprozedur vorbeizusausen. Es gibt Dinge, die fand ich ganz furchtbar und schrecklich und die muss ich auch nie wieder haben. Doch die Lücke ist einfach da. Diese Lücke mag ich noch nicht mal "Trauer" nennen. Es ist ein schwarzes Loch da, das schon seit Jahrzehnten lauert und das ich früher zudröhnte, zuknallte, zukaufte, zuräumte oder vor dem ich schlicht und ergreifend wegrannte. Zeit meines bewussten Lebens immer wieder Kommentare getrennt voneinander und von unterschiedlichen Menschen, die einander nicht kennen "So lach doch mal, Du wirkst immer so ernst und traurig..." Ich glaube, dieses schwarze Loch oder Nichts ist eine riesengroße Trauer um irgendwas. Mich beschleicht auch ein Gefühl, dass es vielleicht noch nicht mal meine eigene Trauer ist, die ich da wahrnehme. Eigentlich müsste ich eher explodieren vor unterdrückter Wut.
Ende Oktober werde ich voraussichtlich in Berlin sein und einen Mutsprung wagen - ich folge der Empfehlung einer wirklich sehr vertrauten Person und mich auf eine Einzelsitzung Familienstellen einlassen und mir diese Traurigkeit anschauen.
Als ich gestern Fotoalben, Dokumente, Pflegeutensilien, die wir noch verwerten können etc. in den Händen hielt, wurde es mir doch seltsam zumute. Die Wurzeln sind gekappt und weg. Nie habe ich mich irgendwo wirklich zu Hause gefühlt, auch nicht an dem Ort und in dem Haus, wo ich jetzt wohne - doch dass jetzt alles weg ist, was ich wenigstens kenne mein Leben lang, ist schon etwas eigenartig.
Soweit mein etwas sentimentales Geschreibe für heute.
Kommt alle gut durch die Nacht!
Küsschen von Hayat