Oh weia ...

  • Liebe Claudia Amitola, liebe Christine,


    dann antworte oder reagiere ich hier - mit leiser Irritation und Bestürzung...


    1. War meine Antwort auf Christine absolut und rein menschlicher Natur und hatte sonst überhaupt gar keinen Hintergrund oder Hintergedanken außer dem, Mitfühlen und Sympathie für

    eine der beiden Forenbetreiberinnen zu bekunden.


    2. Spüre ich natürlich schon für mich stets einen kurzen Ateminnehalter, wenn ich "unterschreibe" mit einem Namen, der mit mir viel zu tun hat, aber eben nicht der ist, auf den ich standesamtlich

    eingetragen bin und auf den ich in der Regel höre. Ich kann einfach nur sagen, dass hinter dem Schutzschild "Hayat" eine gerade sehr traurige Frau aus Fleisch und Blut sitzt, die vielleicht nicht

    im Mainstream trauert und nicht von geliebten Eltern schreibt und dennoch bis zu den Haarwurzeln dicht ist mit Trauer, von der allenfalls ein Bruchteil zu ihr gehört. Ich kann nicht mehr sagen

    als dass es "mich real gibt". Ich habe eine Telefon-Nr., eine Postanschrift, einen im Melderegister eingetragenen Namen und außer diesem Namen gebe ich hier schon durchaus viel preis von
    mir.


    3. Kreise ich etwa wie ein defekter Schwank-Satellit um die diversen Trauerforen des www und fand dieses hier für mich so stimmig. Hier habe ich zumindest mal eine Ahnung, dass ein guter

    und freier Geist über allem liegt, mich berühren die vielen Videos, Buchtipps usw. Einige kenne ich und sind mir vertraut und ich mag einfach den Klang und Ton, der hier zu Hause ist -

    auch dazu meinen herzlichen Dank an die Menschen, die etwas so Wunderbares initiiert haben.


    4. Liebe Claudia Amitola, klar, ich bin neu hier - das ganze Forum rührt mich sehr an und es ist doch völlig normal, dass langjährige Mitglieder, die schon sehr viel miteinander geteilt haben und

    vielleicht auch reale, private Kontakte geschlossen haben, einander näher sind! Ich möchte in gar nichts reindrängen! Ich bin einfach nur sehr dankbar um diese Möglichkeit, zu schreiben,

    weil für mein Umfeld diese gewaltige Trauer nur schwer zu ertragen ist und ich ansonsten einfach nicht mehr weiß, wohin damit. Ich will die Traurigkeit erforschen, kennenlernen und

    benennen dürfen. Es ist ein Prozess, durch den ich gerade einigermaßen bewußt und hoffentlich sehend gehe und der mich sehr anstrengt und (über-)fordert. Und bei allem

    Traurigsein und Schwere sehe ich und bin dankbar um viel Buntes und Lichtes um mich. Es ist mir auch hupe, wer in diesem Forum mit wem privat kommuniziert und sich real trifft - ich bin

    einfach nur froh um diesen Ort hier und dankbar um ein paar Rückmeldungen, die mich vielleicht weiterbringen oder wenigstens zum Nachdenken anregen - und natürlich den Austausch

    mit anderen Menschen in vergleichbaren oder ganz anderen Situationen der Trauer.

    Das, was ich bei Dir vielleicht auslöse/antriggere, belasse ich bei Dir und wenn es dran ist, magst Du mir vielleicht schreiben, was es war oder ist oder es eben in Dir ruhen lassen. Schau

    einfach.


    Ansonsten Herzensgrüße, auch in die Runde von


    Hayat

  • liebe Hayat<3


    "frohen " Herzens kann ich dieses <3 hinter deinen Namen jetzt setzen...DANKE , das du mir und uns einen Einblick in dein Leben MIT der Trauer geschenkt hast.


    Ja, ganz klar

    Das, was ich bei Dir vielleicht auslöse/antriggere, belasse ich bei Dir und wenn es dran ist, magst Du mir vielleicht schreiben, was es war oder ist oder es eben in Dir ruhen lassen. Schau

    einfach.

    Ich bin mir "bewusst" , was ich glaube auch so geschrieben habe , das ICH NUR für dieses Gefühl zuständig bin... Gerne wieder schreibend

    leider...leider ...leider hatte ich eben das Gefühl....und werde es mir wie alles "anschauen"....

    wie schon geschrieben ... Du <3 bist für MICH :!: zu einem unglücklichen Zeitpunkt ins Forum gekommen...

    Das konnest du aber ja nicht wissen<3


    Ja, das Forum <3

    es war für "uns " alle DAS Forum , was uns ALLE am meisten angesprochen hat, aus vermutlich sehr ähnlichen Gründen , die dich auch hierhergeführt haben...

    Mich und Katarina und VIELE hier , hat damals auch der FREIE Geist sehr angesprochen... und ich denke er bleibt hier, weil wir alle , die hier schreiben, das Forum prägen... WIR ALLE... auf unsere persönliche Art und Weise


    Wenn du die einzelnen Beiträge liest , wirst du sehr schnell feststellen, dass ganz, ganz viele eine etwas "anders geartete Art der Trauer haben"...

    Ich mag nicht sooooo das Wort positiv und negativ...

    Die Waldbrände hier in Schweden zerstören ungemein viel, bringen aber auch neues , bis dahin unterdrücktes Leben zum Vorschein...


    Für mich ein ähnlicher Vorgang , wie in der Trauer...


    Liebe Hayat<3 und alle <3<3<3<3<3<3<3<3


    ich / wir sind gerade wirklich sehr erschöpft, weil diese extreme Lebenssituation uns sehr viel abverlangt...

    Aus diesem Grunde

    lassen wir uns ALLE es so GUT gehen , wie irgend möglich

    und

    noch einmal

    DANKE , liebe Hayat <3

    für dein sehr sensibles Schreiben an mich

    deine Claudia Amitola

  • Liebe Amitola,

    genau diese Verunsicherung meinte Christine, als sie in "Organisatorisches" auf Amitolas Eintrag in unser beiden Namen reagiert hat.


    Warum müssen neu angekommene neben dem Schmerz auch noch dafür sorgen, dass sie für real gesehen werden? Und wenn es eben dein momentanes Problem ist, liebe Amitola, dann bitte lass es bei dir und schüre nicht die Unsicherheit, die doch von sich aus in der Trauer schon so groß ist.


    Sei lieb gegrüßt

    Astrid.

  • Liebe Hayat,


    es tut mir leid, dass du da in was rein gezogen wurdest, was so gar nicht dem Wesen dieses Forums entspricht. Es sollte genau das sein:

    Hier habe ich zumindest mal eine Ahnung, dass ein guter

    und freier Geist über allem liegt, mich berühren die vielen Videos, Buchtipps usw. Einige kenne ich und sind mir vertraut und ich mag einfach den Klang und Ton, der hier zu Hause ist -

    Und jetzt liebe Hayat,

    schreibe, wie es dir beliebt - du musst keine realen Namen bekannt geben, du musst keinen Auszug aus dem Standesamtregister schicken und auch sonst keine Beweise vorlegen.

    Und Christine und ich bedanken uns auch für deinen lieben Gruß in Organisatorisches. Wir haben es sehr wohl so verstanden, wie du es hier nochmal geschrieben hast.


    So und jetzt auf jeden Fall noch zu dem Punkt, der mich sehr berührt hat:

    Ich kann einfach nur sagen, dass hinter dem Schutzschild "Hayat" eine gerade sehr traurige Frau aus Fleisch und Blut sitzt, die vielleicht nicht


    im Mainstream trauert und nicht von geliebten Eltern schreibt und dennoch bis zu den Haarwurzeln dicht ist mit Trauer, von der allenfalls ein Bruchteil zu ihr gehört.

    Warum gehört nur ein Bruchteil deiner Trauer zu dir? Trauerst du stellvertretend? Wenn du damit die Kriegserlebnisse meinst, wie wirken die sich bei dir in deiner Trauer aus?


    Trauer ist nie das, was der Mainstream ist. Von außen betrachtet ist Trauer viel weinen, vielleicht noch mit Einsamkeit und Traurigkeit verbunden. Wie Facettenreich die Trauer ist, spüren Menschen meist erst, wenn sie selber trauern oder einen Menschen wahrlich begleiten, der durch die Trauer muss.

    Und in der Trauer gibt es auch keinen Mainstream, es gibt anerkannte und aberkannte Trauer, es gibt schwierige Geschichten, die hinter der Trauer stehen und es gibt, wie bei dir, Eltern, die eben nicht die liebevolle Beziehung zu ihren Kindern lebten, die diese sich gewünscht hätten. Es gibt ganz vieles, was nicht so "gerne" gesehen wird. Doch ich bin mir ganz sicher, dass auch dir lieber wäre, es wäre anders. Deshalb - es gibt in der Trauer so viel und wer sich wirklich damit auseinandersetzen möchte, wer sich wirklich einlassen möchte auf die Trauer und auch die Trauer anderer, wird schnell erkennen, dass es keinen Mainstream in der Trauer gibt.


    Ich möchte dir nochmal schreiben, dass du hier richtig bist, mit all den Gefühlen und der ganzen Trauer bis zu den Haarwurzeln. Ich wünsche mir, ein bisschen mehr von den Gefühlen deiner Trauer zu lesen und ich wünsche dir für heute einen erträglichen Tag mit Sonnenstrahlen, die deine Haarwurzeln ein bisschen zu kitzeln vermögen, damit sie Wärme abbekommen (ohne Sonnenstich versteht sich ;)

    Seid lieb gegrüßt

    Astrid.


    Ps. Wenn du möchtest, können wir das auch in deinen anderen Thread verschieben. Bin mir beim Abschicken gar nicht so sicher, wo es hin gehört. Doch eigentlich antworte ich ja auf deinen Beitrag hier - also lass ich es mal da ;)

  • Liebe Astrid - und liebe Menschen hier im Forum,


    es gibt keine Zufälle - all das Geschriebene seit gestern passt und ist heilsam für mich, weil es mir viel spiegelt, viel zeigt über MICH.


    Bei Dir, Astrid, und Christine möchte ich mich von ganzem Herzen bedanken für Euren schützenden Einsatz und bei Dir, Claudia Amitola für Deine Offenheit, Dein Aussprechen.


    Astrid, Trauer ist in der Tat komplex und nein, keine Trauer ist "Mainstream", auch wenn es mich traurig macht, über so viele Trauer über Verluste von Menschen zu lesen, wo ich bei meiner Familie so sehr unterschiedlich fühle. Das Schlagwort gerade "Fühlen". Das Fühlen ist gerade riesengroßes Therapiethema und in der abgelaufenen Woche habe ich extrem viel gefühlt:

    • Trauer um meine todkranke Freundin im Hospiz - und auch Wut: Ich mache mir einen Kopf und Gedanken, ob es gut, richtig, stimmig und nicht zuviel ist, sie zu besuchen, bereite mich vor usw. und ich sitze da, grüße von allen möglichen Menschen, bei einem Namen strahlt sie übers ganze Gesicht - oh - XY, och die soll mich doch bitte besuchen!... und ich sitze daneben und fühle mich überflüssig. Ich hoffe, die Wut gilt nicht als pietätlos. Sie ist einfach nur ein Gefühl und die weiter unten benannte Wahrheit und Klarheit beinhaltet alle Anteile in mir und wenn ich angesichts eines geliebten Menschens Wut spüre, dann ist da einfach nur erstmal MEIN Gefühl und hat primär mit mir und meinem Leben zu tun.
    • Wut, Trauer, Berührung nach der Therapiesitzung am vergangenen Freitag - wir haben per Screentechnik ein eigentlich relativ "harmloses" Bild aus meiner frühen Kindheit an die Wand geworfen und selten ist mir etwas so lang, so quälend und so zäh vorgekommen, doch es war mein Wunsch, durchzugehen. Anschließend habe ich ganze Bergbäche verheult - Tränenausbruch heißt bei mir, dass vielleicht mal drei, vier Tränen kullern und hier saß ich eine Stunde lang auf einer Bank und heulte Rotz und Wasser.
    • Ärger: Ich hatte den Hospizbesuch, der mich doch sehr durchschüttelte, an eine What'sApp-Gruppe geschickt, die quasi bestens vertraut ist mit dem Thema und die Rückmeldungen waren spärlich. Auch Begleitende schrecken offensichtlich vor dem Tod zurück.
    • Befreiung, Erleichterung: Ich sitze beruflich gerade an einem ätzend-langwierigen Projekt, das sehr arbeitsaufwendig und stellenweise zum Einschlafen langweilig ist, aber gemacht werden muss. Ich bin eigentlich ein Action-Typ und fahre dann zur Höchstform auf, wenn mir entweder das Wasser bis zur Nase steht oder wirklich den ganzen Tag lang Katastrophenstimmung und High-Noon herrschen, das Telefon bimmelt und ich von einem Außentermin zum anderen sause. Das ist Leben, das liebe ich! Nun habe ich im Rahmen des zähen, langweiligen Projektes das Herzstück in der Rohfassung fertig und zur Prüfung abgegeben. Der Tisch ist davon jetzt erstmal leer, dann habe ich meinen Finanzbedarf für das kommende Jahr ermittelt und weitergeleitet - auch das eine doofe Arbeit und aus den Füßen...
    • Freude, Inspiration: Heute ließen wir in der Therapie die letzte Sitzung Revue passieren bzw. deren Auswirkungen. Ich war sehr viel näher bei mir dran. Die Begegnung im Screen mit einer-meiner Fünfjährigen war sehr bewegend und für mich geht gerade die Marschroute an, zu einem Teil von mir hinzufinden bzw. ihn zu leben, der da heißt "Wahrheit und Klarheit". Ich bin ein klarer Mensch und brauche ganz unbedingt Wahrheit und Klarheit um mich und wieder und wieder rassele ich in Situationen oder Gruppierungen hinein, wo irgendwas verschwimmt, irritiert oder eben unklar ist und ich komme damit regelmäßig in Not. Als Hausaufgabe habe ich mir mitgenommen zu schauen, was ich im Hier und Jetzt und meine wirren inneren Kinder brauchen, um Wahrheit und Klarheit gut und geschützt leben zu können - und was ich von meinem Umfeld im Hier und Jetzt dazu brauche. Da habe ich jetzt erstmal wieder was zu nagen und zu denken...

      Astrid und Christine (und bitte fühle Dich nicht verletzt, liebe Claudia-Amitola!) - es war so wichtig für meine inneren Kleinen, dass sich da jemand schützend vor uns stellt und für Klarheit sorgt, gerade jetzt.

    Die Trauer der anderen... Ich trage an der Trauer meiner Mutter um ihre verlorene Kindheit, Trauer der Familie, vielleicht meiner Großmutter, um einen verstorbenen Sohn, unausgesprochene Wut und Verbitterung. Momentan bin ich erstmal dabei zu sortieren, zu sichten und zu verstehen...


    Gerade den heutigen Nachmittag habe ich als ein großes Geschenk und Wunder erlebt und erfahren. Ich finde mein Leben so spannend zur Zeit. Schwer, ja, traurig auch - und bunt. Es ist ein Kaleidoskop, ein Bilderreigen aus Licht und Schatten, der sich da vor mir ausbreitet, weiter und weiter.


    Der Krieg... Meine Mutter war die älteste Tochter von insgesamt 6 Kindern. Sie ist auf dem Dorf aufgewachsen, ist Jahrgang 1934 und bekam die Geschehnsse in der Endphase sehr bewusst mit. Das Dorf wurde sehr stark bombardiert, da am Rhein gelegen mit Brückenanbindungen. Während ihre Mutter kilometerweit lief für Nahrung und Arbeit, hatte sie die Geschwister zu beaufsichtigen - mit Bombenalarm und Gerenne zum Bunker - da war sie gerade mal 11 Jahre alt und hat so viel Leid erfahren und gesehen... Großmutter und Mutter haben mir in einem Alter vom Krieg erzählt, in dem ich das alles noch gar nicht verstehen konnte - und mir Bilder eingesät. Ich habe das alles aufgesogen wie ein Schwamm, dankbar um die Aufmerksamkeit und scheinbare Liebe. Intellektuell habe ich großes Verständnis für meine Mutter - doch das Kind versteht eben nicht und es geht ja jetzt genau darum, dieses kleine, lebendige und liebenswerte Kind zu verstehen und nicht primär die Erwachsenen.


    Soweit jetzt fürs Erste. Ja, ich fühle mich hier richtig.


    Euch allen ein schönes Wochenende!


    Hayat

  • Liebe Hayat - und möglicherweise auch andere "neu hinzugekommene"... <3


    bitte lasst euch nicht verunsichern, bestimmt hat auch Claudia Amitola das nicht so gemeint.


    Ich denke Aspetos als Forum ist immer im Wandel, es kommen und gehen Leute. Ich bin nun fast 3 Jahre hier, es hat sich viel getan. Andere schreiben noch länger, und ich persönlich finde das auch schön, dass es Menschen gibt die so viel langen Atem haben, Trost zu spenden und zu teilen.

    Als ich hierher kam gingen gerade einige Schreiber einer Gruppe, es tat mir leid, ich hätte gerne mit ihnen geschrieben... aber bald kamen neue dazu...das genau ist Aspetos, immer die Menschen die gerade schreiben, die sich auch gegenseitig begleiten und stützen.


    Anfangs war für mich die Anonymität sehr hilfreich...einfach als Gefühl...ich konnte mich sehr öffnen, behielt aber auch etwas für mich. Auch das öffentlich schreiben, für mich einfach das Gefühl nicht so alleine zu sein mit meinen Gedanken wie z.B. in einem Tagebuch zu Hause. Alleine dieser Gedanke, das es gelesen werden könnte, hat mir schon so geholfen.


    Mit der Zeit hat sich das dann etwas verändert..es gibt ja eine Erklärung das wir (Menschen) im Internet besonders offen sind, weil wir die fehlenden Sinnenreize wie Gesicht, Mimik etc. kompensieren. Ich denke das ist eine ganz gute Erklärung.

    Man öffnet sich also doch sehr...und denkt plötzlich - kenne ich das Gegenüber überhaupt ?

    Wer ist das? Menschen können verschwinden, einem genommen werden, und man hat weitaus weniger Chance dann zu wissen wer das war, wie die Person sie angefühlt hat, etc.


    Das kann natürlich auch in einer face-to-face Trauergruppe passieren, aber Online zu sein hat eben Vor- und Nachteile.


    "Die Sprache ist die Quelle aller Missverständnisse" sagte Exuperie.

    Und auch hier gibt esviel Raum für Missverständnisse.


    Was aber wichtiger ist, es gibt viel Raum das zu sagen, was einen bewegt, Trost zu finden, begleitet zu werden.


    Bei mir war es dann so dass ich nach längerem Schreiben hier, also nach zwei Jahren weniger das Bedürfnis habe "öffentlich" zu schreiben, und dass ich es auch schön finde etwas persönlicher zu kommunizieren (zB über Whats App).


    Das ist aber nicht Bedingung hier, und das wollte auch niemand sagen.

    Jeder findet hier seinen Weg, davon bin ich überzeugt.



    Lass dich also nicht abhalten,

    es ist schön dass du da bist



    so wie jeder der seinen Weg hierher findet

    hier genau richtig ist

    und hier zu dem beiträgt, was hilft,

    die Krise der tiefen Trauer gemeinsam zu tragen...


    dass das immer wieder wechselnde Gruppen sind heißt zu keinem Zeitpunkt dass eine Gruppe einer anderen Überlegen ist, oder dass diese Gruppen in "Stein gemeißelt" sind oder was auch immer.

    Auch nicht dass man sich "beweisen" muss.



    Bestimmt wollte niemand hier einen Anderen verunsichern

    oder das Gefühl geben, "nicht richtig zu sein"

    das geht auch gar nicht.


    Jeder hier hat einen anderen Kontakt zu seinen Gefühlen, geht unterschiedlich damit um, und hat unterschiedliche Bedürfnisse diese zu artikulieren. Das ist im Schriftlichen vielleicht manchmal noch prägnanter als im "gegenüber sein".


    Ich persönlich finde es sehr spannend, wie unterschiedlich die Menschen hier sind

    und jede Begegnung hier ist etwas Besonderes.


    Mit liebem Gruß,

    und Kraft dir in deiner Trauer


    m.

    Die Wahrheit triumphiert nie, nur ihre Gegner sterben aus (Max Planck)


    rilke.de/briefe/160703.htm


    VORÜBUNG FÜR EIN WUNDER


    Vor dem leeren Baugrund
    mit geschlossenen Augen warten
    bis das alte Haus
    wieder dasteht und offen ist

    Die stillstehende Uhr
    so lange ansehen
    bis der Sekundenzeiger
    sich wieder bewegt

    An dich denken
    bis die Liebe
    zu dir
    wieder glücklich sein darf

    Das Wiedererwecken
    von Toten
    ist dann
    ganz einfach

    (Erich Fried)

  • Liebe Nebelfrau,


    herzlichen Dank für Deine Rückmeldung. Tut gerade wohl.


    Ich bin schon so ein bisschen her und hin. Vor vielen Jahren war ich eine eifrige Mailinglisten- und Forenschreiberin und habe das Ganze irgendwann drastisch aufgegeben, weil ich lernen musste und wollte, dass "reale" Kontakte, also face to face, für mich und meine Kontakt- bzw. Menschenscheu gesünder und förderlicher sind. Andererseits ist das Schreiben das Medium, das mir mehr oder weniger das Leben erträglich gemacht und lange Zeit Kontakte zu Menschen überhaupt stressfrei möglich gemacht hat. Und mir ist das Schreiben an ein Du immer noch sehr wichtig, um das übervolle Hirn von Zeit zu Zeit zu entlasten.

    Auch ich kenne das, wenn in ein Forum/Mailingliste neue Menschen kommen mit der gleichen Berechtigung, Inspiration, Not, Bedürftigkeit, Freude, Inspiration usw. wie alle Altvorderen auch und ich glaube, es ist auch ein völlig normaler Prozess im Rahmen einer Gruppe, wenn die "Alten" erstmal etwas zusammenrücken und schauen.


    Jetzt bin ich eben eine Neue und es ist für mich alles okay, wie es ist.


    Fühlen, mein großes, großes Thema gerade, das ordentlich Feuer bekommt zur Zeit, vor allem heute. Heute früh ein ganz wunderbarer Morgenlauf, anschließend ein "mantrisches Schwimmen" - ich zog meine Bahnen durchs Wasser und hatte ständig ein buddhistisches Mantra im Hinterkopf, das irgendwann den Ton und den Takt vorgab - pro Wort ein Schwimmzug - und ich wurde langsamer und langsamer, am Ende ganz ruhig, ganz friedlich, also die Freude. Mittags dann die Todesnachricht - da die Trauer und Tränen und was sonst dazugehört - ein bisschen Scham, natürlich, weil ich vergangenen Sonntag auch einen Kieks Eifersuchtswut empfand - und das bei einer Sterbenden. Doch wie meine Therapeutin so weise sagt - es ist ein Gefühl und ein Gefühl geht vorbei und macht dem nächsten Gefühl Platz... Abends dann entdeckte ich im Zuge einer drängend nötigen Aufräumaktion in einer wahren Dreckecke meines Schlafzimmers in einer verschämten, ollen Papiertüte zwei eigens für mich gebatikte T-Shirts, die mir viel bedeutet haben und die ich seit gut drei Jahren verloren wähne. Normalerweise ist es ja so, dass irgendwann verlorene Dinge eben losgelassen und vergessen werden, doch diese Shirts habe ich nie zu vermissen aufgehört - und da finde ich sie wieder! Freude spontan und intensiv! Ich bin durchs Zimmer getanzt!


    Nachmittags war ich in der Innenstadt und traf ansatzweise spontan auf eine gute Bekannte, mit der es ein für mich bislang nicht zu erklärendes und schleichendes Zerwürfnis gegeben hat - da war plötzlich sehr viel Angst von jetzt auf gleich, das Herz raste und die Knie wurden weich... Ich atmete tief ein und wieder aus, sprach sie an, bedankte mich für die Trauerkarte, die sie mir dennoch geschickt hatte, wechselte ein paar Worte mit ihr und ging meiner Wege.


    Eben machte ich noch einen kleinen Fastdunkelweg und ließ den Tag Revue passieren - und schon liefen die Tränen. Ich mag diese besondere Abendstimmung im Sommer. Es ist gerade Erntezeit, die Mähdrescher sind bis in die Nacht im Einsatz und nach einem kurzen Gewitter ist die Luft auch wieder erträglicher geworden, die letzten Vögel sangen ihr Lied, es raschelte im Gras - und dann dieser so besondere Duft des Sommers... Da spürte ich Anrührung, Kontakt mit meinen inneren Kindern, den Abendfrieden...


    Und ich gewinne gerade einen neuen Freund! Ich habe ein Faible für Narren und närrische Menschen. Mullah Nasruddin ist einer dieser - und heute spürte ich den Impuls, den irgendwann mal gekauften Simplicius Simplicissimus von Grimmelshausen aus dem Regal zu ziehen. Seinerzeit ließ mich die altertümliche Sprache das Buch schnell wieder wegstellen und heute habe ich mich durch die ersten Kapitel gebissen, fürwahr und konnte plötzlich den doch sehr eigenen Humor verstehen und hatte bereits auf der allerersten Seite die helle Freude und bin jetzt dabei, das Sprachproblem zu ignorieren und mitzunehmen. Das Buch ist so schrecklich, so göttlich und so verrückt wie die Menschen selbst! Ein For(r?)est Gump gepaart mit Papa RamDas des Barock...


    Und nun bin ich reichlich müde nach einem solch emotionsgeladenen Tag. Danke fürs Zulesen in die Runde, gut Nacht John Boy, gute Nacht Jim-Bob, Lizabeth und alle anderen Waltons dieser Welt :19::*

  • Liebe Hayat,

    danke für dein ausführliches Schreiben, mir scheint ich lerne dich gerade kennen und das freut mich sehr.


    mantrisches Schwimmen - das probiere ich auch mal, erzähle dir dann, ob es geklappt hat ;)



    Gerade den heutigen Nachmittag habe ich als ein großes Geschenk und Wunder erlebt und erfahren. Ich finde mein Leben so spannend zur Zeit. Schwer, ja, traurig auch - und bunt. Es ist ein Kaleidoskop, ein Bilderreigen aus Licht und Schatten, der sich da vor mir ausbreitet, weiter und weiter.

    Ich freue mich für dich, dass du dein Leben so spüren kannst.

    Trotz oder auch wegen dem Traurigen wird das Kaleidoskop ein Bilderreigen aus Licht und Schatten und diesen Bilderreigen tanzt du ganz bewusst mit.


    Dein Gefühlstag am Samstag, die Todesnachricht, die Freude über die T-Shirts die doch nicht verloren sind, die Begegnung in der Innenstadt,... dass so viel in einen Tag passt und soviel wirklich gefühlt werden kann, sortiert und aufgeschrieben, das zeugt von Reflexion.


    Ich wünsche dir für die kommende Zeit ein passendes Abschied nehmen von deiner Freundin.

    Da fällt mir noch ein - ja auch wir professionell mit dem Tod und der Trauer beschäftigten Menschen haben immer wieder Angst, dass es auch uns (wieder) treffen könnte. Und du erzählst in der WhatsApp Gruppe von deiner Freundin, die im Sterben liegt. Du schreibst wahrscheinlich nicht von einer dir fremden Person. Und kratzt so an den Ängsten.

    Auch wenn es schwer vorstellbar ist - es gibt auch dann die Momente in denen wir Professionellen uns so gar nicht professionell verhalten.

    Mir ist es gerade so gegangen: Der Bruder eines Freundes ist plötzlich verstorben - und ich rief bei den Freunden an und ging zum Rosenkranz. Der Nachbar und Vater unserer Nachbarn ist plötzlich verstorben - ich schrieb eine Karte und ging zur Beerdigung. Dann erfuhr ich, dass von einer ehemals guten Freundin, zu der ich keinen wirklichen Kontakt mehr habe (so spielt das Leben eben manchmal) die Mama gestorben ist. Ich brauchte ein bisschen Zeit vor ich mich entschied. Und ich habe gestern eine Karte geschrieben, die ich morgen abschicken werde.

    Wenn es nahe kommt, dann sind wir eben selbst betroffen und manchmal auf Grund der Anzahl der Geschichten auch verunsichert, was jetzt wohl passend sein kann.

    Und ich verstehe deine Sehnsucht, mehr Resonanz auf dein Schreiben bekommen zu haben. Vielleicht magst du das in dieser Gruppe einmal kommunizieren?


    Liebe Hayat

    ich wünsche dir viele bunte Gefühle, die alle ihren Ausdruck fordern und bekommen (wie auf der Bank deine Tränen)

    Lg. Astrid.

  • Danke... liebe Astrid,


    Du erlebst mich gerade mittelschwer errötend... Ist mir jedoch gerade mit dem Blick auf neu und so wichtig:


    Ich freue mich NATÜRLICH über Resonanz, doch ich erwarte sie nicht. Viele von uns sind noch frisch und wund in ihrer jeweiligen Trauer und auch ich traue mich noch nicht so recht zu den Menschen hier hin. Auch das braucht seine Zeit .


    Von daher erscheint es mir gerade ein bisschen vermessen, Rückmeldungen zu erwarten. Anders würde ich vielleicht empfinden , wenn ich ausdrücklich um Unterstützung oder Resonanz gebeten hätte .


    Das Schreiben ist bei mir immer beides: Fluch und Segen. Ich komme mir immer vor, wie ein orientalischer Lagerfeuererzähler in seiner epischen Breite und Tiefe und wo die Menschen bereits bei der Einleitung schon wegdösen, weil's zu lang wird...


    Um es abzukürzen ;-), ich freue mich natürlich über einen Austausch, doch erwarte ihn nicht und bin dankbar für all das, was mir in der kurzen Zeit hier schon zuteil geworden ist.


    Hayat:2: