Über das Leben meiner Mama

  • Hallo zusammen. Ich möchte gerne mal Eure ehrliche Meinung höre, lesen.
    Schreibe ja zu Zeit über das Leben meiner Mama. Dies ist nun ein Auszug. Bitte ganz ehrlich.


    Einleitung


    Geboren am 25. Januar 1923 in Essen- Stoppenberg, zog meine Mama mit ihren Eltern und ihrer Schwester, Selma, 1927, nach Hückelhoven.
    Das war eine Zeit der großen Aufbrüche. Eine Schwester meines Opas, die Tante Anna, wanderte 1926 nach Amerika aus. Sie war verheiratet und bekam dort zwei Kinder.
    Die anderen Geschwister vom Opa, Tante Klara zog nach Mönchengladbach. Die Brüder, Otto und Adolf fielen im Krieg.
    Otto hatte keine Kinder, war nie verheiratet. Adolf hinterlies 4 Kinder. Aber der Verblieb dieses Familienzweiges blieb lange im Dunkeln. Dazu später mehr.


    Oma Berta hatte viele Geschwister, Maria, Richard, Peter, Franko, Josef, Franz, Konstantin.


    Opa Richard fand Arbeit bei der Zeche Sophia Jacoba. Oma Berta kümmerte sich stets ums Haus, die Hundezucht und die Kinder.
    1929 kamen Muttis Brüder Heinz und 1937 noch Manfred zur Welt. Damit war die Familie komplett.
    Die Schulzeit verlief in ruhigen Bahnen.
    Hausaufgaben waren ihr immer ein Graus. Die wurden meist am späten Abend und schnell vor der Schule erledigt. Oma war da nicht so der große Aufpasser.
    Mit 14 verließ sie die Schule und arbeitet bei verschieden Fabriken.
    Später als Manfred geboren wurde, musste Mama erst einmal aufhören zu arbeiten und Oma zur Hand gehen.
    Mama hatte einige Freundinnen, leider leben da nicht mehr viele von. Aber eine Freundschaft hält bis heute. Elsbeth Psyl- Reuleaux.
    Der Nationalsozialismus hielt seinen Einzug. Aber in die „Partei“ ist aus der Familie keiner gewesen. Im Hause Rupönus wurden Soldaten einquartiert. Man lachte und hat viele Spaß- alles in Grenzen.
    Dann fand Mama eine Anstellung in Essen, wo sie 1942 unseren Vater kennen lernte.
    In einem Hotel, „Halber Hahn“ arbeitete Mama als Stubenmädchen. Die Besitzer waren die Familie Förste.
    Eine kleine Kammer unterm Dach teilte sie sich mit einem anderen Mädchen.
    Mama hat oft erzählt, dass wenn Fliegeralarm war, alle in den Keller mussten. Bei Entwarnung, ist sie schnell die Treppen hoch und hat einmal in eine Zigarrenkiste gegriffen. Dort bewahrte der Herr des Hauses die Abschnitte für die Zigaretten auf. Es gab ja alles nur auf Karte.
    Dann ist Mama auf ihr Zimmer um ein paar Minuten später locker und leicht diese Karten in Zigaretten zu tauschen.
    Schließlich war ihre Chefin ja Schuld daran, dass Mama überhaupt rauchte.
    Weil, ....als das Lokal mal für einen Tag geschlossen war, hat die Familie mit dem Personal einen Ausflug gemacht.
    Mama hatte an dem Tag schreckliches Heimweh nach Hückelhoven und viel geweint.
    Frau Förste meinte eine oder zwei Zigaretten würden Mama schon trösten. So kam sie ans rauchen.
    Wegen des Krieges haben sich unsere Eltern am 27.11.1942 recht schnell verlobt und am 26.06.1943 in Hückelhoven geheiratet.
    Es war eine kleine Hochzeit, eben eine Kriegshochzeit.
    Neun Monate später wurde Karin geboren. Am 25.03.44 erblickte sie das Licht der Welt.
    Im Herbst wurde meine Mama und ihr Kind evakuiert. Sie konnte nicht mit ihrer Mutter nach Paderborn, sonder musste, wegen des Ehemanns aus Essen, nach Hürben, an der Brenz. Mama bewohnte mit ihrer Schwiegermutter und
    Karin eine kleine 2 Zimmerwohnung.
    Es müssen harte Monate gewesen sein. Mit der Schwiegermutter auf so engem Raum zu leben. Die paar Lebensmittelkarten reichten nicht wirklich. Sie waren auf die Gunst der Hausleute angewiesen. Die Verbindung zu diesen Leuten riss erst nach deren Tod in den 90ern ab. Einmal haben wir sie noch besucht.
    Zwei Schwägerinnen lebten ebenfalls in dem kleinen Ort.
    Mein Vater hatte ein paar Monate vor Kriegsende eine Verletzung davon getragen und er war dann auch in Hüben.
    Als er dann wieder an die Front sollte, .........kurz, er ist nicht gegangen.


    Nach Kriegsende sind meine Eltern mit Karin auf einem LKW, Zug, usw. auf abenteuerlichen Wegen wieder zurück nach Hückelhoven gekommen.
    Hier angekommen, lief ihnen sofort eine Bekannte über den Weg mit den Worten:
    Wilma, Euer Haus steht nicht mehr, das ist ausgebrannt. Deinen Eltern geht es aber gut.
    ( In dem Nachbarhaus hatte damals ein Hitlergetreuer gewohnt. Bevor diese Familie auch in die Evakuierung musste, hat der den Herd mit der Hitlerfahne beschmückt. Ein großes Bild von Hitler dazu, usw. Die anrückenden Russen, die eigentlich „nur“ plündern wollten, haben vor Wut die Fahne angezündet und so ist diese Wohnung samt der Nachbarwohnung, eben die meiner Großeltern, ausgebrannt.)


    Die sind schon hier und wohnen jetzt auf der selben Straße nur in einem anderen Haus.
    Meine Mama schlug das Herz bis zum Hals.. Sie gingen in das Haus, es standen damals einfach alle Türe auf, man hatte ja nicht was gestohlen werden konnte, sah ihre Eltern im Garten. Neun Monate hatte Mama ihre Eltern nicht gesehen.
    Da hat sie Karin raus geschickt, mit den Worten: Hallo Oma. Ich bin die Karin.


    Meine Oma hatte ihr Enkelkind ja die ganze Zeit der Evakuierung nicht gesehen. Fotos, keiner hatte eine Kamera, auch nicht.
    Das war eine tränenreiche Begrüßung.
    Unsere Familie hat den Krieg unbeschadet überstanden. Bis auf einen Cousin meiner Mama. Der starb in einem U-Boot.


    Zuerst wohnten meine Eltern bei ihren Eltern. Später bekamen sie eine kleine Wohnung auf der van Deckenstraße. Dort wohnten sie unten. Oben eine Familie mit 4 Personen.
    Zu dieser Familie besteht bis heute eine freundschaftliche Verbindung. Das heißt, mit dem Rest der noch lebt.


    Dann wieder eine andere Wohnung auf der van Dechenstraße. Bis 1952 der größte Wunsch von Mutti in Erfüllung ging und sie ein Haus auf der Klosestraße beziehen konnten. In dem Haus wohnte seiner Zeit eine Frau mit ihren fast erwachsenen Kindern. Die mussten die Wohnung mit meinen Eltern tauschen. Denn unsere Familie war um eine Tochter reicher geworden. 1950 war Lydia- Anita geboren.


    Das Haus, oder die ganze Klosestraße war deshalb Mamas Traum, weil, als Kind, lag die Straße auf ihrem Schulweg.
    Da haben ihr die kleinen Zechenhäuser mit ihren Vorgärten so gut gefallen, dass sie damals schon davon geträumt , hier zu wohnen.
    1951 kam mein Vater eines Tages von der Schicht und meinte sie sollten sich eine andere Wohnung ansehen.
    Wo denn? Auf der Klosestraße. Mutti wollte erst gar nicht mit gehen. Sie glaubte an einen Irrtum. Das konnte doch nicht sein, dass ihr Traum in Erfüllung geht.
    Aber es war dem so!!
    Am 03. Januar 1952 war der Umzug. Von zwei Zimmer auf nun vier. Das war natürlich eine Umstellung. Möbel Mangelware,. Es waren nur einige Küchenutensilien und ein Schlafzimmer vorhanden. Aber mit der Zeit kamen auch die Möbel. Aber wir hatten jetzt Wasser im Haus. Die anderen Bewohner unserer Straße mussten noch raus an die Pumpe. Die Sache war nur die, als meine Eltern gerade hier wohnten kam ein Installateur und wollte die Rechnung bezahlt haben. Die Leute, welche bis dato hier wohnten, hatten die Wasserleitung von sich aus ins Haus legen lassen, aber wohl vergessen zu bezahlen. Auf die Art sind meine Eltern in den Genuss gekommen, Wasser im Haus zu haben- und das ganz ohne was dafür zu bezahlen. Im Winter waren die Pumpen oft zu gefroren. Da sind die Frauen erst einmal mit heißem Wasser dort hin um die Pumpe vom Eis zu befreien, damit sie wieder frisches Wasser fürs Haus hatten.


    Meine Eltern hielten Hühner und Kaninchen. Vater versorgte den Garten und Mama kochte dann das Gemüse ein, für den Winter. Ein paar Obstbäume hatten wir auch.
    Einmal, Mama war im Krankenhaus hab ich mit Papa ein Wettkirchenessen gemacht. Natürlich hab ich gewonnen.
    Ich kann mich noch gut an unseren dunklen Keller erinnern. Da lagen in einer Ecke die Kohlen, dann gab es da eine Kiste mit Kartoffeln. Selbstgezimmerte Regale auf denen die Einmachgläser standen.
    Dann war auch noch der Waschzuber da. Mama hat im Keller die Wäsche gewaschen und das Wasser musste sie Eimer für Eimer aus dem Fenster heben und auf den Hof schütten.
    Später stand diese „Maschine“ dann im ehemaligen Stall. Vieh hatten wir da keins mehr.
    Noch später, nämlich 1967 wurde dort unser erstes Badezimmer draus.

    Die Zeit verging, die Nachkriegsjahre vergingen.
    1960 wurde der erster Fernseher gekauft. Rechtzeitig zu den olympischen Spielen. Sonst wurde, wenn etwas besonderes zu sehen war, in der Nachbarschaft oder bei Oma geguckt. Aber da Mama da wieder schwanger war, wollte und konnte sie nicht so viel stehen oder zu anderen Leuten gehen.
    1961 kam ich, die dritte Tochter, Susanne, zu Welt. Damit war die Familie dann komplett.



    .

    Eine Stimme die so vertraut war, schweigt.


    Ein Mensch, der immer da war, ist nicht mehr


    Was bleibt, sind dankbare Erinnerungen,


    die niemand nehmen kann.




    Susanne

  • Liebe Susanne,
    Danke für Deine Zeilen. Deine Mama hat sehr schwere Zeiten erlebt. Ich denke wir können uns gar nicht vorstellen was es bedeutet im Krieg zu leben. Hoffen wir, dass wir nie einen Krieg miterleben müssen.
    Es ist sicher eine gute Verarbeitungsstrategie Deine Gedanken um das Leben Deiner Mutter niederzuschreiben. Für mich wäre das keine Option weil ich zu wenig weiss über meine Mutter ihr Leben bzw. was sie erlebt hat.
    Bin schon neugierig auf die nächsten Zeilen.
    Wünsche Dir einen schönen Tag,
    Katrien

    Alles wird gut. Es gibt viel Trauriges auf der Welt und viel Schönes. Manchmal scheint das Traurige mehr Gewalt zu haben, als man ertragen kann, doch dann stärkt sich indessen das Schöne und berührt wieder unsere Seele. (Hugo von Hofmannsthal)

  • Liebe Susanne,


    das hast du gut gemacht! Schön chronologisch und gut strukturiert! :)
    Ich finde das Alltagsleben der Frauen der Kriegsgeneration schon sehr spannend und wenn man dann liest, wie schwer sie es hatten, dann sieht man wieder mal, wie gut wir es doch haben ...
    AL
    Christine

  • Hallo Christina. Da bin ich jetzt aber froh. Auf Dein Urteil lege ich großen Wert. ( Germanistik ) :whistling:
    Hast Du schon was gehört von.
    http://www.bod.de/bod-fun.html


    Du meinst ich könnte das "Buch" so schreiben?
    Das sind alles in sich kleine Geschichten über oder mit meiner Mama.

    Eine Stimme die so vertraut war, schweigt.


    Ein Mensch, der immer da war, ist nicht mehr


    Was bleibt, sind dankbare Erinnerungen,


    die niemand nehmen kann.




    Susanne

  • Liebe Susanne,
    vergiss die Germanistik, ist - wie gesagt - schon ur-lange her!
    Ich finde es super, dass du die Geschichte deiner Mutter aufschreibst, aber mache es zunächst für dich - für einen "Roman", der sich als "book on demand" auch verkaufen lässt, fehlt deinem Stil das Erzählerische: Du schreibst die trockenen Fakten im Stile eines "Lebenslaufes", indem die Stationen deiner Mutter gut strukturiert und chronologisch eine Abfolge bilden. jeder kann folgen und sich ein Bild machen. Was für einen biographischen Roman oder für eine Biographie aber fehlt, sind mehr Details in den einzelnen Lebensphasen und Spannungsbögen. Gehe es locker an, schreibe zunächst für dich oder für uns und vielleicht kommen dann die kleinen Details und Geschichtchen von alleine dazu!
    AL
    Christine

  • Guten morgen Christina und an alles anderen natürlich.
    Das hier ist nur die Einleitung. Ein Umriss.
    Die folgenden Geschichen sind schon etwas anders geschrieben.


    Mama und mein Mofa.
    Also, als ich 1978 ins Berufsleben eintrat und bei Sophia Jacoba anfing zu arbeiten, bekam ich ein Mofa. Das war kein neues Teil, nur ein gebrauchtes. Aber egal. Ich war nun motorisiert.
    Leider hatte das Ding ein paar Macken. Es sprang öfter mal nicht an.
    Wenn ich morgens versucht habe das Mofa an zutreten und das mal wieder nicht gelang, bin ich bis zur Glück auf Strasse getrampelt und dann Berg ab versucht es an zukriegen. Oft vergeblich. Hab die Karre dann einfach wo abgesellt und Mama später angerufen, damit sie das blöde Ding abgeholt.


    Wenn Papa dann da war, hat er an die Zündkerze gereinigt und so lange versucht, bis das Mofa wieder ansprang.
    Einmal hat Mama dann die Gunst der Stunde genutzt und ist mal schnell zum Friedhof gefahren um die Blumen zu gießen. Vor lauter Angst, es könnte wieder nicht anspringen, hat sie mein Mofa mit laufendem Motor am Tor abgestellt, ist zu den Gräbern gehastet und immer gehört, ob der Motor noch läuft und das Ding keiner klaut.


    Bei ihrer ersten Probefahrt ist Mama hier vor dem Haus abgefahren. Die Klosestraße ganz runter. Glück auf Straße rauf, durch die Van Wördenstraße und wieder unsere Straße runter.
    Dann wollte sie eigentlich halten- aber wie???
    Also noch eine Runde.!!! Bei der nächsten Runde stand Papa und der Herr Ormanns am Törchen.
    Mama hat von weitem gerufen: Hilfe, ich kann nicht halten.
    Die Männer haben sie nicht verstanden, also noch ne Runde.
    Dann haben die es wohl kapiert und mit vereinten Kräften haben die Männer Mama samt Mofa zum halten gekriegt.
    Das war vielleicht ein Gelächter. Als sie mir das später erzählt hat, hab ich Bauchschmerzen vor lauter lachen gehabt.


    Aber einmal, das was dann auch ihre letzte Mofafahrt hat Mama die Kurve an der Gladbacher- Straße nicht gekriegt und um Haaresbreite wäre sie gegen die Mauer gefahren.
    Sie fuhr leider immer ohne Helm.

    Eine Stimme die so vertraut war, schweigt.


    Ein Mensch, der immer da war, ist nicht mehr


    Was bleibt, sind dankbare Erinnerungen,


    die niemand nehmen kann.




    Susanne