Meine Mutter ist gestorben - Keine Trauer

  • Hallo an alle!


    Ich habe mir lange überlegt ob ich mich überhaupt registrieren soll und schreiben soll, denn eigentlich "schäme" ich mich für meine Gefühle und Gedanken und habe auch ein wenig Angst von Euch "verurteilt" zu werden.


    Meine Geschichte:
    Ich hatte nie ein gutes Verhältnis zu meiner Mutter. Ich bin schon früh von zu Hause ausgezogen, weil sie sehr gemein zu mir war - eigentlich hatte ich immer das Gefühl, dass sie mich hasst (sie schlug mich, sperrte mich ein, terrorisierte mich, usw. - es war wirklich furchtbar). Meine Brüder liebte sie über alles, da war sie die Supermutti. Mein Stiefvater verstarb 1996, mein anderer Bruder 2001. Also gibt es nur noch meine Mutter, meinen Bruder und mich.
    Meine Mutter war 2009 an BSD Krebs erkrankt. Sie hatte sehr viele Chemos zu ertragen, hatte sie auch alle sehr gut weggesteckt. Sie war eine sehr starke aber auch harte Frau.
    Heuer im Jänner kam noch Bestrahlung dazu und das packte sie dann nicht mehr. Vor einigen Wochen sagte ihr dann der Arzt, dass sie noch ein paar Wochen - max. 2-3 Monate zu leben hat.
    Die letzten beiden Wochen war sie schon sehr schwach, lag den ganzen Tag im Bett, es kamen Pflegedienste/mobiles Hospiz, mein Bruder und an den Wochenenden ich, weil sie auf keinen Fall ins stationäre Hospiz wollte. Am Mittwoch war es aber ganz schlimm (mein Bruder fand sie morgens blutend im Bett liegend) und verständigte sofort die Rettung - sie kam dann ins Hospiz. Am Vormittag besuchte ich sie noch, sie war sehr schwach und schickte mich aber nach Hause und meinte ich soll sie morgen wieder besuchen. Am Abend um 2200 Uhr verstarb sie. (Ich bin dann noch sofort ins Hospiz gefahren und konnte sie noch ein letztes Mal sehen.)


    Ich hatte seit der Diagnose Krebs wieder regelmäßig Kontakt zu ihr und ich hoffte, dass ich dadurch wenigstens noch ein bisschen "Nähe" aufbauen könnte, so wie es eigentlich für Mutter-Tochter-Beziehungen sein sollte - aber mehr als Mitleid kam bei mir nicht auf. Es tat mir sehr leid für sie, dass sie diese furchtbare Krankheit hatte und es tat mir unendlich leid, mitansehen zu müssen, dass es ihr immer schlechter ging, sie immer schwächer und hilfloser wurde - aber wie gesagt mehr als Mitleid hatte ich nicht.


    Sogar an ihrem Sterbetag schickte sie mich weg, so, wie sie es ihr ganzes Leben lang getan hat!


    Vor einigen Monaten lernte ich zufällig eine Bekannte meiner Mutter kennen und bekam zu hören: "Deine Mama hat mir nie erzählt, dass es eine Tochter gibt" - Ich bin aus allen Wolken gefallen. Sogar während ihrer Krankheit hat sie so getan als würde ich gar nicht existieren.


    Ihr werdet es schrecklich finden, was ich da schreibe und ich glaube auch gar nicht, dass es in dieses Forum passt, aber mich erschrecken meine Gefühle so sehr, dass ich das einfach los werden muss.
    Warum kann ich nicht traurig sein, so wie es sich für eine Tochter gehören würde - wie es angemessen und passend wäre??


    Ich emfinde keine Trauer. Eigentlich fühle ich gar nichts. Sie ist einfach nicht mehr da. Das erschreckt mich - bin ich so gefühlskalt und warum??
    Man sagt schließlich eine Mutter ist eine Mutter, egal was im Leben auch immer vorgefallen ist. Ich habe dieses Gefühl nicht.


    LG
    Sabrina2011

  • Liebe Sabrina !


    Ich möchte Dir "trotzdem mein Mitgefühl aussprechen über den Verlust Deiner Mutter !Zunächst Du brauchst Dich hier weder zu schämen und verurteilt wirst Du hier auch nicht.


    Du hattest mitgefühl mit Deiner Mutter,die trotz allem Deine Mutter war,es kann und will Dir auch niemand sagen wie die Gefühle zu Ihr sein müssen oder sollten. Es war deine eigene Art einer Mutter Tochter "Beziehung,die Dir als Kind wahrscheinlich schon grosse Wunden zugefügt hat.


    ES ist natürlich sehr schmerzlich von seiner Mutter abgelehnt oder verleugnet zu werden,du musst Dich nicht schämen,du empfindest eben das was Du empfindest.


    Hast Du Deiner Mutter innerlich verziehen ?Wie ist das Verhältniss zu Deinem Bruder ?


    Du hast müssen schon sehr viel Schicksalsschläge einstecken,der Verlust Deines Bruders,Deine Kindheit,den Tod Deines Stiefvaters,normal denke ich das Deine Mutter durch das Leben so hart geworden ist,aber sie war ja immer so zu Dir ?


    Es tut mir so leid für Dich,vielleicht kannst Du nur versuchen eine Art inneren Frieden mit Ihr zu schliessen,um Deine Trauer die im Verborgenen sicher schlummert zuzulassen,alle anderen Gefühle zu der auch Kälte gehört oder gar nichts zu fühlen,kommt auch mitunter während einer "normalen Trauerphase genauso vor.


    Mach Dich nicht verrückt was sich so gehört oder nicht,oder was andere sagen könnten,Du alleine weisst was Du fühlst.


    Alles Liebe Chrisu :24:

  • Liebe Sabrina!
    Willkommen hier bei uns.Ich denke schon,das dein Thread zu uns passt.Du empfindest keine Trauer im üblichen Sinne, du empfindest Mitleid mit deiner Mutter.
    Dir tut es leid, das sie Krebs hatte, Schmerzen und nun gestorben ist.Ich kann verstehen, das du zu mehr nicht in der Lage bist,zumal sie dich ja offensichtlich verleugnet hat.
    Aber,ich möchte mich Chisu anschließen.Vielleicht schließt du ja deinen inneren Frieden mit ihr-irgendwann.Wer weiß,warum sie sich so verhalten hat?
    Wenn du möchtest,dann schreib gerne hier.Wir hören dir zu.
    Liebe Grüße
    Karla

    Mein Kind Juliane,
    Mein Bruder Rene,
    Mein lieber Vati,
    Ihr seid mir nur einen Schritt voraus-tief in meinem Herzen lebt ihr weiter :005:

  • Liebe Sabrina,
    herzlich willkommen hier!
    Ich schließe mich den anderen hier an: Natürlich passt deine Geschichte hier her und du brauchst dich gar nicht zu schämen.


    Trauer kann ja nur entstehen, wenn da eine Beziehung zwischen dem Verstorbenen und dem Angehörigen da war. Jetzt war da zwar eine biologische Beziehung zwischen euch - sie war deine Mutter, aber diese Beziehung war geprägt von Gefühlskälte deiner Mutter zu dir und zwar dein Leben lang. Ich verstehe sehr gut, dass du da nichts empfinden kannst - außer Mitleid und auch Enttäuschung bzw. Wut darüber, dass du im Leben deiner Mutter so gar nicht vorgekommen bist. Ich denke, deine Reaktion ist natürlich und gerechtfertigt.

    Welche Gefühle hast du denn genau, wenn du an deine Mutter denkst bzw. an ihren Tod und dass sie nicht mehr ist?


    AL
    Christine

  • Zitat


    Hast Du Deiner Mutter innerlich verziehen ?Wie ist das Verhältniss zu Deinem Bruder ?


    Vielen Dank für Eure Antworten.


    chrisu : ich habe kein gutes Verhältnis zu meinem Bruder. Es gab schon vor einiger Zeit Streit wegen der zu erwartenden Kosten. Da meinte er "Nach dem Begräbnis werden wir uns nicht wiedersehen".


    Ich glaube dass ich meiner Mutter verziehen habe - klingt blöd gell - aber es ist kein Zorn und keine Wut da - nur momentan kommen alle Erlebnisse mit ihr und was sie mir so angetan hat, wieder hoch. Ich weine grad wieder, aber ich weine nicht weil sie tot ist, sie fehlt mir auch nicht - ich weine weil ich nicht verstehen kann, warum sie mich nicht geliebt hat. Sie hat bestimmt gespürt, dass es ihr Todestag ist und sogar da schickte sich mich noch weg.


    Zitat

    Vielleicht schließt du ja deinen inneren Frieden mit ihr-irgendwann.


    karla : Ich versuche seit meinem Auszug (damals war ich 16), also vor 24 Jahren das alles zu vergessen. Einige Jahre, das war die Zeit in der ich mit ihr keinen Kontakt hatte, gelang es auch, aber jetzt kommt grad alles wieder hoch.


    Zitat

    Welche Gefühle hast du denn genau, wenn du an deine Mutter denkst bzw. an ihren Tod und dass sie nicht mehr ist?


    Christine : Gefühle? - mmh ich weiß es nicht so genau. Ich habe nur momentan das Bild meiner Mutter im Kopf, als ich sie tot im Bett liegen sah, die Augen halb offen, der Mund auch leicht offen, aber trotzdem milde und friedlich lag sie da. Ich nahm ihre Hand, sie war warm, weich, eben so als wäre sie gerade von einem Nickerchen erwacht. Eigentlich ein schönes friedliches Bild (klingt für Euch wahrscheinlich richtig krass) - aber ich hatte sie selten so entspannt gesehen. Ich glaube daher, dass sie ganz leicht gestorben ist (Gott sei Dank!!!) Ich hoffe dass ich mir dieses Bild in meinem geistigen Auge noch lange bewahren kann, denn ihr Gesichtsaudruck war mild, wenn sie nur mich in meiner Kindheit gelegentlich so mild angeschaut hätte. Aber in ihren Augen stand immer nur Haß, wenn sie mich ansah.


    Ich wohne nicht weit weg vom Hospiz - sie war also gerade mal ca. 20 Minuten tot.
    Es tut mir leid für sie, dass sie nicht mehr am Leben ist.



    Tut mir leid das mit dem zitieren funktioniert nicht. Ich schreibe sonst im keinem Forum. :-)

  • Liebe Sabrina,
    ich glaube, da ist - mit Recht - eine tiefe Trauer darüber, dass deine Mutter dich so abgelehnt hat. Weißt du eigentlich, warum das so war?


    Die Beschreibung des friedlichen Abschieds ist für mich gar nicht krass. Ich begleite ja solche Abschiede von Verstorbenen und Familienmitglieder finden das immer schön und friedlich. Ich glaube, dass das ganz wichtig war für dich, sie so zu sehen. Ja, behalte dieses Bild für dich!


    Man meint ja immer, dass eine innige Beziehung zwischen Kindern und Müttern naturgegeben ist, aber es gibt sie eben auch, die Mütter, die keine Liebe geben können, warum auch immer. Aber, das ist ein ziemliches Tabu. Hast du selber Kinder?


    AL
    Christine

  • ich glaube, da ist - mit Recht - eine tiefe Trauer darüber, dass deine Mutter dich so abgelehnt hat. Weißt du eigentlich, warum das so war?


    Man meint ja immer, dass eine innige Beziehung zwischen Kindern und Müttern naturgegeben ist, aber es gibt sie eben auch, die Mütter, die keine Liebe geben können, warum auch immer. Aber, das ist ein ziemliches Tabu. Hast du selber Kinder?


    Hallo!
    christina : Vielen Dank. Warum mich meine Mutter so abelehnt hat, weiß ich bis heute nicht. Sie war zu meinen Brüdern sehr liebevoll. Ich weiß nicht was sie in mir gesehen hat um so lieblos zu sein.


    Kinder habe ich keine. Wollte auch nie welche.


    Morgen ist die Veranschiedung. Ich habe gerade einen Brief an meine Mutter geschrieben und möchte den morgen nach der Urnenbeisetzung verbrennen.
    Lieber wäre mir ich könnte ihn in die Urne geben, aber das wird wohl nicht möglich sein. Die ist sicher richtig verschlossen.
    Ich werde auch warten bis alle gegangen sind, denn das würde sicher blöd ausschauen, wenn ich da einen Brief "abfackle".
    Ich brauche dieses Ritual um abschließen zu können. Mit diesem Brief möchte ich mich auch von meiner lieblosen Kindheit befreien, meiner Mutter aber auch noch sagen, wie leid es mir für sie tut, dass sie so leiden hat müssen.


    Ich möchte nun einfach vergessen was war und LOSLASSEN.

  • Liebe Sabrina,
    das ist schlimm, wenn dann solche Fragen noch offen bleiben ... oft tut man sich leichter, wenn man verstehen kann, warum jemand so ist, wie er ist.


    Das mit dem Brief ist eine sehr gute Idee! Wenn ihr eine Urne gekauft habt, dann ist in dieser Urne eine Aschenkapsel drinnen. Nur die Aschenkapsel selbst ist fest verschlossen, die Urne selbst kriegt man relativ leicht auf, da könntest du den Brief noch reingeben.
    Ansonsten kannst du ja den Brief in einer Feuerschale oder in einem Teller verbrennen.


    Alles Liebe
    Christine

  • Liebe Sabrina,


    auch von mir noch ein liebes Willkommen bei uns. Natürlich paßt deine Geschichte hier ins Forum.


    Wie geht es dir denn jetzt, möchtest du uns erzählen, wie es dir bei der Verabschiedung ergangen ist? Konntest du deinen Brief in die Urne mitgeben, oder hast du ihn doch "in Ruhe" verbrannt?


    Viel Kraft für deinen Weg und alles Liebe
    Jutta

    Der Tod eines geliebten Menschen ist wie
    das Zurückgeben einer Kostbarkeit,
    die uns Gott geliehen hat.