Partnerschaft in Zeiten der Trauer

  • Liebe Manuela,
    Google hat mich nun hierher geführt und mit großem Interesse und Mitgefühl lese ich deine Berichte über deine Trauerbewältigung.
    Ich sehe, dass du nun seit 4 Jahren in diesem Forum aktiv bist und es sicherlich auf eine Art sehr helfen kann seinen Kummer zu teilen.
    Deine Geschichte ist sehr bewegend, und lässt mich den Schmerz erahnen, den einen erwartet, wenn geliebte Eltern eines Tages nicht mehr da sind.


    Ich bin hier gelandet, weil ich auch Kummer habe - allerdings Liebeskummer.


    Ich habe meinen Freund kurz nach dem Tod seiner geliebten Mutter kennengelernt - wir haben uns beide (unverhofft) total in einander verliebt.
    Ich war sein Glück im Unglück, oder wie er selbst mal sagte sein "Rettungsengel". Zu Anfang gab es sehr viel Emotionalität, Nähe, Ausdruck von Liebe. Wir konnten unser Glück kaum fassen. Er erzählte mir viel über seine Mutter, trauerte, weinte und grinste mich im nächsten Moment wieder schwer verliebt an. Alles fühlte sich gut an, und das Päckchen trugen wir gemeinsam.


    Ich schreibe dir, da du in einer Art über den Verlust deiner geliebten Mutter schreibst, wie er es auch tun würde. Er ist auch Einzelkind, sie hatte keinen Partner. Die beiden waren sehr eng, unternahmen viel zusammen, teilten alles. Sie starb durch einen Autounfall, ganz plötzlich. Morgens noch gesehen und gesprochen, abends totund "weg". Schock, verzewiflung, er funktionierte nur noch. Rückkehr ins "normale Leben", Ablenkung....


    Er bekam viel Unterstützung durch Freunde und Angehörige, einen Monat später lernten wir uns kennen. 2 Monate später wurden wir ein Paar


    Heute, 6 Monate später, ist seine emotionale Gefühlswelt völlig zerüttet. Er nimmt weiterhin am Leben teil, anscheinlich ganz "normal". Doch ich denke, dass es ihm so ergeht wie du es auch beschreibst, Manuela, dass er doch innerlich vollkommen leer ist und sich einsam und verlassen fühlt.


    Meine Frage nun an dich: Wie muss ich mich als Partner in dieser Situation verhalten? Was erwartet er von mir...?


    Seine Emotionalität hat sich so verändert in den letzten Wochen, am Anfang war ich noch sein Lichtblick, mitlerweile fühlt er sich von mir unter Druck gesetzt, kann körperliche und emotionale Nähe kaum mehr ertragen. Er wehrt sich regelrecht gegen Gefühle der Nähe, denn es scheint er hat Angst wieder einen Menschen so zu lieben (den man ja auch wieder verlieren könnte). Er kann sich nicht mehr in mich fallen lassen, will meine Hilfe nicht, begegnet mir teilweise mit Aggression und Zurückweisung. Und doch soll ich bei ihm sein, da sein... doch er behandelt mich teilweise wie Luft.


    Gerade weil die Beziehung noch so jung ist, ist das alles sehr schwer für mich zu ertragen. Ich habe schon alles auf "Sparflamme" zurück gedreht, doch auf Dauer ist das wohl kein Zustand.


    Wie hat deine Trauer deine Partnerschaft belastet? Was hast du dir in dieser Zeit von deinem Partner gewünscht? Hattest du auch Schwierigkeiten mit emotionaler und körperlicher Nähe?


    Ich bin mir unsicher über die Rolle, die ich nun annehmen muss. Es fühlt sich so an, als wären wir 20 Jahre verheiratet, leben nebeneinander her, und nun machen wir eine schwere Zeit durch. Man lässt sich in Ruhe.


    Vielleicht hast du eine ähnliche Erfahrung mit deinem Partner gemacht in der schweren Zeit, und kannst sie mit mir teilen.


    Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.


    Alles Liebe,
    Anna
    .

  • Liebe Anna,


    Manuela wird dir sicher auch noch antworten und einiges hinzufügen - oder vielleicht auch anders sehen?


    Ein Mensch der trauert, ist meist kein "einfacher" Partner. (Mein Vater ist vor gut zwei Jahren gestorben, und ich weiß, daß ich manchmal richtig "ekelig" bin ;) ) Auch jetzt noch habe ich Momente, in denen mir eine auch noch so lieb gemeinte Umarmung "zuviel" ist, ich einfach nur meine Ruhe haben und "alleine" sein möchte - alleine im Raum, nicht unbedingt in der Wohnung, im Leben. Denn es kann durchaus sein, daß ich relativ kurze Zeit später genau diese Umarmung "einfordere". Es ist mir bewußt, daß das für den Partner schwierig ist, weil er nicht nachvollziehen kann - warum jetzt, und vor einer halben Stunde nicht! Nur - ich kann dann einfach nicht anders.
    Ich persönlich würde mir wünschen, daß mein Partner "spürt" was ich gerade möchte und entsprechend reagiert. Wobei mir natürlich klar ist, daß das in den meisten Fällen zuviel verlangt ist - unsere Partner sind schließlich keine Hellseher und haben ja auch eigene Gefühle.


    Dein Freund ist wahrscheinlich gerade in der Phase wo ihm erst wirklich bewußt ist, daß seine Mutter "nicht mehr wiederkommt". Sicher "weiß" man es von Anfang an, doch die Gefühle sagen etwas ganz anderes, man will es nicht wahrhaben.
    Dann kommt alles nocheinmal mit voller Wucht zurück und man hat das Gefühl, wieder ganz am Anfang zu stehen. Und das ist nur schlimm. Der Großteil der Umwelt meint, es sei doch schon soo lange her, es muß doch schon gut sein, doch das ist es nicht.
    Es kann durchaus sein, daß er Angst hat, zuviel Nähe zuzulassen, um dadurch einen solchen Schmerz nie mehr spüren zu müssen. Es kann sein daß er denkt, er "darf" nicht glücklich sein, denn Mama ist ja tot. Es kann sein, daß er sich Vorwürfe macht, "viel zu schnell" wieder ein "normales" Leben geführt zu haben. ....
    Natürlich stimmt das alles nicht, aber wenn man in dieser Gedankenspirale ist, kann man das nicht erkennen.


    Gibt es Zeiten, in denen ihr "normal" miteinander reden könnt? Dann würde ich ihn in einem guten Moment darauf ansprechen, ob ihm bewußt ist, wie sehr er dich mit seinem Verhalten verunsichert. Ohne Vorwürfe, möglichst sachlich. Sag ihm, daß du ihn liebst, aber halt verunsichert bist. Daß du ihm weiterhin helfen möchtest, dieses Päckchen zu tragen. Daß es keine "Schande" ist, wenn er noch unter dem Tod seiner Mutter leidet, sondern ganz natürlich.
    Aber wirklich nur, wenn du das Gefühl hast, daß er bereit ist, darüber zu reden.


    Und sonst - versuche Geduld zu haben. Sei da, ohne zu viel präsent zu sein. Gib ihm Zeit, wieder zu sich selbst zu finden. Dieses halbe Jahr war dazu noch viel zu kurz. Gerade wenn eine so enge Bindung bestand, wie du sie beschrieben hast.
    Solange du die "Sparflamme" durchhältst, ohne dich selbst zu verlieren. Denn - trotz aller Liebe, allem Mitgefühl - gib dich nicht selbst auf.


    Ich hoffe, ich habe dich jetzt nicht "zugetextet".
    Dir und deinem Freund alles Liebe
    Jutta

    Der Tod eines geliebten Menschen ist wie
    das Zurückgeben einer Kostbarkeit,
    die uns Gott geliehen hat.

  • Memento
    Vor meinem eigenen Tod ist mir nicht bang,
    nur vor dem Tode derer, die mir nah sind.
    Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind?
    Allein im Nebel tast ich todentlang
    und lass mich willig in das Dunkel treiben.
    Das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben.
    Der weiß es wohl, dem Gleiches widerfuhr -
    und die es trugen, mögen mir vergeben.
    Bedenkt: Den eignen Tod, den stirbt man nur;
    doch mit dem Tod der anderen muss man leben.

  • huhu anna,


    jutta hat dir schon viel über den ersten teil deiner frage geschrieben: Wie muss ich mich als Partner in dieser Situation verhalten?
    als wenn die antwort nicht schon schwer genug wäre, halte ich den zweiten teil der frage für mindestens ebenso schwer. die ballance zu finden wird zur echten herausforderung für euch


    Was erwartet er von mir...?
    dreh den satz mal rum. was erwartest du von dir bzw. was erwartest du von ihm? es kann sein das du völlig in der aufgabe aufgehst zu erkunden was dein freund braucht und du kommst zu kurz. auch in solch schwierigen situationen ist ein gesunder egoismus gut für die eigene psychohygiene.
    gerade wenn man so kurz zusammen ist wie ihr, das feuer der ersten liebe noch lodert kommt einem, im ersten augenblick ablehnendes verhalten, spanisch vor.


    trauer vollzieht sich nicht bei jeden menschen gleich und nach plan. jeder hat seine erfahrungen damit. es kann sein, dass dein freund erst jetzt richtig versteht das seine mutter nicht mehr da ist. es ist schwer mit daneben zu stehen und scheinbar hilflos zu sein.


    lass ihm und dir zeit. redet miteinander und schau gut auf dich.


    lieben gruß
    burkhard