Beiträge von Kiara

    Liebe Sabiene,


    Am Sonntag war ich doch noch in der Kirche und ich habe sie in der Stunde die ich dort war reichlich unter Wasser gesetzt.;(

    Aber es hat ein wenig geholfen. Ich habe Gott und seine gesamte Engelschar angefleht mir zu helfen meine seelische Not und meine körperlichen Beschwerden, die mir ungelogen richtig Angst machten, zu lindern.


    Gott schnipst nach meiner Erfahrung nicht mit den Fingern und alles ist gut, aber ich habe schon sehr oft erlebt, dass ich zu Dingen hingeführt werde, die mir helfen. So war es auch und ab da wurde es langsam besser. Dieses Forum, ein Video von einem jungen Atemtherapeuten, ein Telefonat mir einer netten Internistin, sogar an einem Sonntag, die genau die richtigen Worte fand.


    Gestern ging es mir dann gut genug, dass ich es geschafft habe rauszugehen und mit dem Bus meine Eltern zu besuchen. Wir haben geplaudert, Brettspiele gespielt, waren auf einem Erdbeerfeld und es war unbeschwert und einfach schön einander nah zu sein. Das hat meine Batterien ein wenig aufgeladen.


    Alles Liebe, Ingrid

    Hallo liebe Kerstin,


    danke und ganz ehrlich, was meine Selbstwahrnehmung anbelangt habe ich anscheinend die falsche Brille auf.:) Ich sehe an mir vorwiegend das was ich nicht kann oder nicht schaffe. Da muss ich echt dran arbeiten.


    Es geht dir nicht gut. Ich fühle mit dir und wünschte ich könnte dir helfen. Deine Trauer, dein Leid zeigt sich in körperlichen Symptomen? Wie äußert sich das bei dir wenn ich fragen darf? Wir können auch privat schreiben wenn dir das lieber ist.


    Bei mir ist es eine allgemeine Lebensangst, die mich nicht zur Ruhe kommen lässt. Einsamkeit. Am liebsten möchte ich dass alles sofort wieder im Gleichgewicht ist. Bluthochdruck, zuviel Stresshormone, die es mir sauschwer machen herunterzufahren. Herzklopfen, Kopfweh, Tinnitus vom feinsten. Ich werde dünnhäutig, ziehe mich zurück. Das eskaliert, so wie die vergangenen 4 - 5 Tagen, wenn ich mich selbst in eine Sackgasse manövriert habe, durch Unachtsamkeit, wenn ich versuche mich zuviel abzulenken und zuwenig hier im jetzt bleibe. Ängstlich bin, weil ich zuwenig Kontakt mit anderen Menschen habe, mich sozial ungeschickt und ungeschliffen fühle, zuviel grüble, weil mir alles zu langsam geht, ich mir Sorgen mache wegen der Wohnung, dem Umzug, wenn ich mir wieder einmal insgeheim wünsche, dass doch jemand da wäre der mir mein Leben abnimmt und Dinge für mich regelt, oder zumindest jemand den ich um Hilfe bitten kann. Was ich auch oft nicht kann, es geht einfach nicht. Gerade dann wenn ich im Loch sitze bin ich wie blockiert und kann sehr schwer auf andere zugehen und direkt um Hilfe bitten. Dann stürmt alles auf mich ein und überfordert mich.


    Vor einigen Jahren war ich ziemlich krank und musste lange Zeit einen Berg an Medis nehmen. Was mir damals geholfen hat mich wieder aufzubauen habe ich einfach beibehalten.


    Was mir hilft ist eine relativ gesunde Ernährung, bzw. Essen das mir gut bekommt viel Gemüse, Obst, Nüsse, wenig Zuckerzeug, Ayurveda, regelmäßig ...ähem "Sport" , morgens spätestens um 8 aufstehen, tagsüber keine durchgehende TV- Berieselung, kein Alkohol. Klingt nach einem spaßfreien Leben ;) , ist es komischerweise nicht, währen der guten Zeiten macht mich das sogar glücklich. Wenn es mir schlecht geht ist das ein Gerüst an dem ich mich festhalte, aber es verliert die positive Bedeutung, es ist keine Freude dabei. In den letzten Tagen habe ich wieder Autogenes Training, Atemübungen und Akupressur angewendet, hab gebetet, mit euch geschrieben, fast pausenlos. Ich wollte um keinen Preis ins Krankenhaus.




    Dafür gönne ich mir zwischendrin kleine Belohnungen wie Schokolade, mal ein Stückchen Kuchen, oder wie heute mit meinem lieben Sohn Essen beim Italiener.



    Mit unserem Verlust Frieden zu machen und ein sinnvolles Leben zu führen wird eine Lebensaufgabe, und das ist etwas was ich unterschätzt habe, dass es nie völlig "erledigt" sein wird. Ich hoffe und bete, dass wir irgendwann an den Punkt kommen an dem wir zurückschauen und auf unseren eigenen Weg voll Mitgefühl für uns selbst blicken.


    Theroretisch bin ich vielleicht reflektiert, naja mehr oder weniger, aber in der Umsetzung hapert es. Ich kämpfe, anders kann ich es nicht sagen, besonders im Moment. Dann bin ich wie in einem Wirbelsturm und kann emotional nur mit Mühe und Not den Kopf über Wasser halten.


    Schreib mir doch bitte, es tut mir so Leid, dass du solche Probleme hast.


    Ganz liebe Grüße, Ingrid

    Danke liebe Sabiene,


    das mit den Wellen kann ich bestätigen. An manchen Tagen fühle ich mich gefestigt und stabil, also "normal" und komischerweise kann ich dann selber kaum nachfühlen, wie sehr und warum ich an manchen Tagen so kämpfe. Jedenfalls hab ich offensichtlich zu lange damit gewartet um Hilfe zu bitten, alles mit mir selbst ausgemacht und zu wenig Wege gesucht meine Trauer auszudrücken und zu reflektieren. Kein Wunder dass mich das überfordert. Langsam verstehe ich, dass meine Art damit umzugehen ungesund ist/war und es mir unter anderem deshalb so schlecht geht. Nur wusste ich es nicht besser. Von euch kann ich noch viel lernen.


    Kirchen sind für mich persönlich Orte der Ruhe und des stillen Gebets. Allein mich aufzuraffen und hinzugehen wäre schon ein kleiner Erfolg. Mein Glaube daran, dass es Rafael gut geht, dass ich ( nicht jeder ist religiös, das weiß ich - ich spreche nur für meine ganz persönliche Sichtweise) mir um ihn keine Sorgen machen muss und wir uns irgendwann wiedersehen werden, hilft mir.


    Liebe Grüße von ganzem Herzen, Ingrid




    Hallo zusammen,


    Danke für eure Antworten. Noch bin ich es nicht gewohnt mit Menschen zu kommunizieren, die so gut verstehen können wie schwierig es für mich ist und wie wenig sich Trauer steuern lässt. Es geht mir ja nicht immer so mies wie in den vergangenen Tagen, aber wenn es mich so erwischt, dann krieg ich es manchmal ehrlich mit der Angst. Angst dass es mich komplett übermannt und ich es nicht allein bewältigen kann. Dass ihr mir zugehört und geantwortet habt, das Wissen, das ihr wisst wie das ist, hat gestern viele, viele Tränen ausgelöst und das war gut. Früher konnte ich gut allein sein, mich beschäftigen, denn mein Mann war ja da, immer präsent auch wenn wir nicht im gleichen Raum waren. Jetzt bin ich oft richtig einsam das ist deprimierend. Vielleicht waren die letzten Tage wieder ein Punkt in meinem Trauerprozess an dem eine Veränderung eingeleitet wurde. Allein schon durch den Kontakt hier sehe ich ein wenig klarer was mir fehlt um nicht in einem zerstörerischen Kreislauf hängen zu bleiben. Den Mut dazu zu stehen wie verletzlich ich mich fühle. Geduld und viel Liebe für mich selbst. Ein Hobby, dass ich vielleicht mit anderen zusammen ausüben kann. Ein Umzug in einen Ort mit guter Infrastruktur und zuverlässiger Bus- oder Zugverbindung was mir hilft unabhängiger zu werden.


    Was Antidepressiva angeht: Manchmal möchte ich einfach nur abschalten um nicht mehr zu leiden. Da kam mir medikametöse Unterstützung in den Sinn. Einige Leute in meinem Bekanntenkreis, die selber welche nahmen haben mir erzähhlt wie es bei ihnen gewirkt hat. Es ging ihnen nicht mehr so schlecht aber alle hatten das Gefühl irgendwie von sich selbst abgeschnitten zu sein. Sie erlebten weder das Leid aber auch keine richtige Freude mehr. Das ist sicher nicht immer und bei jedem so, aber bin ich mir nicht sicher ob es das richtige für mich ist. Ein guter Arzt dem ich vertraue wäre da die Voraussetzung und da wird es schon schwierig.


    Hier habe ich leider keinen Hausarzt gefunden. Viele Ärzte hören auf und finden keinen Nachfolger. Die Praxen in der Umgebung nehmen keine Patienten mehr auf. Das ist ein weiterer Grund weshalb ich nicht hier bleiben werde. Fehlt nur noch die Wohnung. Die sind knapp wie überall. Naja, ne superteure würde ich bestimmt finden;)


    Und Pia, du hast recht, ich habe generell zu hohe Erwartungen an mich. Es fällt mir auch schwer vor anderen zu weinen, bis auf wenige Ausnahmen. In meiner Familie stelle ich fest, dass sie sich hilflos fühlen, so ginge es mir wahrscheinlich auch wenn jemand vor mir sitzt und untröstlich schluchzt und gar nicht mehr aufhören will. :( Ich habe dann das Gefühl sie zu belasten was mich wiederum belastet. Bei meiner Trauerbegleiterin fühle ich mich weniger gehemmt und mit euch zu reden ist fast wie eine Therapie.


    Hallo Sabiene, eine Kirche ist zu Fuß gut für mich erreichbar, aber da komme ich noch an meine Grenzen. Sobald ich in einer Kirche bin steigt bei mir die Anspannung und ich kann die Tränen nicht zurückhalten. Während des Gottesdienstes umgeben von Fremden fühle ich mich deshalb nicht wohl. Ich merk schon, da gibt es wirklich noch viel aufzuarbeiten. Die Kirche hat neuerdings auch wochentags wieder geöffnet, dann sind evt. weniger Besucher dort und ich kann so ein wenig Ruhe finden. Habe mir vorgenommen es nächste Woche zu probieren ... vielleicht.


    Heute geht es mir zum Glück ein wenig besser. Finde den geeigneten Smiley nicht aber ich fühle mich ruhiger. Gestern habe ich mich hauptsächlich mit Atemtraining zum Stressabbau, Melissentee, CBD Tee, Akupressur und Baldrian über den Tag gebracht. Das waren heftige Tage die mich ehrlich wieder an meine Grenzen gebracht haben. :(


    Als Aufgabe des Tages werde ich mir um mein 9 € Ticket zu nutzen, die Buspläne für die Strecke von hier zum Wohnort meiner Eltern heraussuchen. Während der Ferien hier in Bayern fahren zwar kaum Busse, aber ein paar finde ich sicher. Das wird mich eine Zeitlang beschäftigen.


    Alles Liebe, Ingrid

    Liebe Pia, liebes Bettinalein,


    Mein Herz ist so schwer aber ich muss daran glauben, dass es einen Weg gibt, dass diese Erinnerungen nicht mehr quälen, das ich das Leben trotzdem zu schätzen weiß und wieder schönes zu erleben vermag. Ich hatte ja erwähnt, dass ich was das angeht gläubig bin. Unsere Liebsten leiden nicht mehr, was für mich ein Trost ist. Wie lässt man los als derjenige der zurück bleibt.


    ist es euch schon passiert, dass jemand meinte du hättest genug getrauert? Solltest doch jetzt wieder leben?


    Was würde man darauf antworten?


    Die Mama einer Bekannten ist vor einem halben Jahr gestorben. Sie waren wie beste Freundinnen. Im Moment nimmt sie Medikamente um genug Abstand zu ihren Gefühlen zu bekommen, und überhaupt weiter funktionieren zu können. Ist das nicht schrecklich? Verständlich, ich hatte es tatsächlich auch schon erwogen, aber kommt dann nicht alles trotzdem hoch, nur verspätet und vielleicht noch schlimmer als wenn man den bitteren Weg gleich gegangen wäre?

    Liebe Pia,


    Ach, ich wünschte ich könnte euch trösten. Nein, du brauchst das doch nicht löschen. Solche Erinnerungen kommen bei mir auch aus dem Nichts wieder hoch. Manchmal mit Wut, manchmal machen sie mich nur verzweifelt hilflos.


    Die Zeit hilft schon ein wenig aber ich hätte mir nicht vorstellen können, dass es ein so harter Weg ist. Wie auch. Deshalb bin ich froh, dass hier im Forum Menschen sind die ähnliches erlebt haben und wenn es auch jeder individuell erlebt und verarbeitet und auf eigene Weise damit umgeht, weiß ich dass ich hier genauso sein kann wie es mir eben im Moment geht und ihr Verständnis habt. Danke, ich kann gar nicht ausdrücken wie gut mir das tut.


    Bettinalein, meine Mama lebt ja noch aber mich graut schon jetzt davor wenn es soweit ist, dass sie gehen wird. Sie ist immer für mich da und einer der wenigen Menschen, die mir sehr nahe stehen, mich einfach lieben und die schon selber so viele ihrer Lieben verloren hat. Sie ist die letzte von 9 Geschwistern und mein jüngerer Bruder starb vor 17 Jahren ganz plötzlich. Sie trauert auch um Rafael, meinen lieben Mann. Sie weiß wie es sich anfühlt und sie nimmt mich eben an. Ich möchte ihr auch nicht zuviel zumuten von meinem Leid, deshalb rede ich nur ab und zu darüber wie es mir geht, aber ich weiß, dass sie mich auch so versteht.


    Und schon weine ich wieder. Muss wohl raus, ich kann die Tränen eh nicht steuern.<3

    Bettinalein das ist so süß von dir<3 Danke.


    ich freue mich, dass mein Schreiben so bei dir ankommt. Ich habe gefühlt im Moment vorwiegend Schwächen und Mängel. :| Naja, einmal gibts eine deutliche Tendenz die Dinge kontrollieren zu wollen. Meine regelmäßige Tagesstruktur für die ich heute dankbar bin, weil sie mich über Wasser gehalten hat, hat auch Nachteile. Aber sie war für mich ein Gerüst um mich zu beschäftigen, denn die Wucht des Trauerns konnte und kann ich nur häppchenweise packen. Vielleicht ein Selbstschutz? Aber das funktioniert leider in letzter Zeit nicht mehr, als ob meine Schonfrist langsam abläuft. Irgendwie steck ich fest und muss mich damit konfrontieren wohin mein Leben gehen soll. Wie Sabiene, die sich mit dem beschäftigt was sie schon früher interessiert hat, überlege ich auch was mir Freude bereiten könnte. Wo ich Gleichgesinnte treffen kann. Etwas finden bei dem ich mich lebendig fühle, nicht hohl.


    Ich selber finde ja, dass es mir schwer fällt, meinen Emotionen Ausdruck zu verleihen, zumindest wenn ich andere Beiträge so lese. Vielleicht täusche ich mich da auch und mein Anspruch ist einfach zu hoch. Oft fühle ich mich auf der ganzen Linie unzulänglich. Durchschnitt halt, kann nix besonderes bin nix besonderes. Meine Selbstwahrnehmung, mein Selbstbild erlebt gerade einen drastischen Wandel. Wenn man sich jung kennen lernt, gemeinsam altert und dann so unerwartet plötzlich allein ist. Ich bin ja nicht alt aber auch nicht mehr jung. Meine eigene Sterblichkeit wird mir immer deutlicher, die Zeichen des Alterns sind da, die Fältchen und silbernen Fäden im Haar.


    Was ich versuche ist mir gegenüber milde zu sein. Es ist so wie du sagst, ich bin ja nicht schuld, aber wird dauern damit meinen Frieden zu machen.


    Alles Liebe, Ingrid

    Hallo Bettinalein,


    Danke dir. Es hilft mir das von der Seele zu schreiben. Meine Hoffnung ist, mich damit vom vorwiegend gefühlsmäßigen Erleben etwas zu distanzieren. Ich stecke oft noch so tief drin, begreife inzwischen aber so langsam welche Punkte mir die meisten Probleme bereiten. Die Erinnerungen, das Gefühl, dass ein riesiges Stück aus mir herausgerissen wurde, Schuldgefühle und die Frage wie ich mein zukünftiges Leben angehen kann. Das ist wie ein Hamsterrad aus dem ich bisher noch nicht aussteigen kann. Jetzt bin ich immerhin an dem Punkt an dem mir klar ist dass ich selbst handeln muss. Nichts überstürzen aber auch nicht abwarten, dass jemand anderes mein Leben für mich in die Hand nimmt. Mit ganz kleinen Schrittchen voran.


    Das ist schwierig für mich. Wir sind jung zusammengekommen, haben während der langen Jahre natürlich viel miteinander erlebt und ich wusste immer ganz fest, dass er da ist wenn es schwierig wird, egal was es ist. Jetzt fühl ich mich wie ein verunsichertes kleines Kind und würde es fast als Identitätskrise bezeichnen.


    Mir ist bewusst, dass es vielen anderen ebenso geht und dass ich mich wegen meiner empfundenen Unfähigkeit mit der Situation konstruktiver umzugehen nicht zu schämen brauche. Wenn Trauer linear ablaufen würde, wäre es einfacher, so ist es aber nicht, eher ein quälendes Chaos.


    Die Berichte über eure Verluste erinnern mich sehr an meinen Schmerz in unterschiedlichen Phasen meiner Trauer. Und ich könnte jedesmal heulen weil es mir so Leid tut dass ein Mensch das durchmachen muss. Auch wenn wir alle wissen, dass fast immer einer zuerst geht ist es unglaublich schwer.


    Liebe Grüße, Ingrid

    Liebe Sanne,


    ich bin erst seit gestern hier im Forum und möchte die von hier aus ganz viel Liebe schicken. Im Moment kann ich nicht mehr bieten kann als dir zu sagen, dass ich nachfühlen kann wie es dir gehen muss. Alles Gute für heute und viel Kraft und Liebe.

    Ingrid

    Hallo Bettinalein, Hedi und Sabiene,


    meinen Dank an euch für die nette Begrüßung.


    Dass ich die Bilder und Erinnerungen an die letzten schweren Woche nicht richtig verarbeiten kann setzt mir sehr zu. Es gab noch mehr Situationen z.B. im Krankenhaus. Wegen Corona musste mein Mann einen Tag auf die Isolierstation. Normal, aber dort wurde nicht berücksichtigt, dass er kein rein körperliches Leiden hat. Er konnte sich in vielen Dingen nicht mehr selbst behelfen, vor allem abends wenn der Hirndruck stieg. Dann funktionierte er nur noch, ich weiß gar nicht wie ich es beschreiben soll. Dinge, die er schon sehr lange macht, eben automatisch, wie essen, daran hat er sich zum Glück noch erinnert. Waschen, Körperpflege, selbst umziehen ging da aber oft nicht mehr. Er saß also allein da, keiner vom Personal hat ihm beim An- oder Auskleiden, Zähneputzen unterstützt. Gar nichts. Am nächsten Morgen erhielt ich vom Pfleger einen Anruf, dass mein Mann heim will. Ich habe ihn zusammen mit meinem Schwiegersohn abgeholt. Mein Mann war wieder wie meist morgens und vormittags, klarer. Aber er konnte kaum laufen und der Pfleger hat ihn die schwere Reisetasche selber tragen lassen. Auf Station waren sie wohl der Meinung mein Mann wäre ein widerspenstiger Patient. Solche Idioten: mein Mann war todkrank.


    Er war so froh, dass er übers Wochenende mit heim konnte. Daheim hab ich ihn erstmal gewaschen. Er trug noch die gleichen Sachen wie bei der Aufnahme ins KH. Dann gab es Pommes die er so gern mochte auch wenn er nicht mehr viel essen konnte. Dann ruhte er sich etwas aus. Leider konnte er kaum schlafen, da er, damit der Hirndruck bis zur OP nicht zu sehr stieg, hochdosiertes Kortison einnahm. Er war daheim aber es ging ihm nicht gut. Ihr könnt euch vorstellen wie schlimm es für ihn gewesen sein muss, morgens wieder klarer denken zu können und genau zu merken was mit ihm passiert, dass er sich im Lauf des Tages immer mehr verliert. Das hat doch niemand verdient und das quält mich noch heute unbeschreiblich.


    Ich bin davon überzeugt, dass es ihm jetzt gut geht, dass er sogar zu mir kommt wenn ich ihn brauche, dass er das Leid hinter sich gelassen hat und er sich das Gleiche für mich wünschen würde. Aber ich weiß nicht wie ich das machen soll. Ich fühle mich regelrecht schuldig, weil ich nicht mehr getan habe oder tun konnte.


    Ihr glaubt gar nicht wie gut es mir tut, das einfach einmal loszuwerden. Bisher habe ich das niemandem erzählt.


    Ingrid

    Liebe Dolore,


    es tut mir sehr Leid für deinen Verlust. Auch bei deinem Mann gab es eine Fehldiagnose. Er hatte wenn ich dich richtig verstehe eine gute Prognose und die neue Krebsdiagnose kam ganz unerwartet?


    Womit beschäftigst du dich, hast du irgendetwas, was dir Freude macht? Du schreibst von deinem Garten. Ich verstehe, dass du nicht weg willst und war mir anfangs selber nicht sicher. Aber ich wollte nicht dort bleiben. Mein Mann ist Anfang November gegangen und der erste Winter allein im Haus war ein Kampf.


    Wir haben zwei ganz liebe Katzen, eine davon, " sein" Kater, Miko, der absolut immer in seiner Nähe war, hat sein Tod auch sehr mitgenommen. Er war die ersten Wochen sehr verunsichert weil mein Mann einfach nicht mehr da war und hat sich viel verkrochen. Danach hat er glücklicherweise mich akzeptiert und beschmust nun mich. Ich bin froh, dass die beiden bei mir sind. Ihnen muss ich nichts erklären, die trösten mich auf ihre Art.


    Du kannst mich sehr gern in den Arm nehmen , natürlich.


    Mir fehlen mir die Umarmungen und die körperliche Nähe zu meinem Mann enorm. Einfach in den Arm genommen werden ist etwas tolles. Sollten wir öfter machen in diesem kurzen Leben.



    Ingrid

    Liebe Pia, liebe Kikiro, danke für eure freundlichen Worte.


    seit einigen Wochen habe ich über den Hospizverein eine Trauerbegleitung. Wir haben uns bisher zweimal getroffen. Die Dame ist sehr nett, aber ich steh vor dem großen Thema wie ich mein Leben zukünftig gestalten könnte. Alles scheint mir leer, nur Ablenkung, es gibt nichts, bisher zumindest, wo es mich richtig hinzieht. Vor knapp einem Jahr bin ich aus unserem Haus in eine Wohnung in die Nähe unseres Sohnes gezogen. Er hat mich die gesamte Zeit regelmäßig besucht, ging mir mir einkaufen und bot mir eine Anlaufstelle, damit ich nicht ausschließlich daheim rumsitze. Zu mehr war ich nicht fähig. Er hat mich ungelogen gerettet, seine Zeit, seine Anwesenheit, seine Beständigkeit. Das Haus übergab ich an unsere Tochter und Schwiegersohn. Sie und ihr äußerst süßer Nachwuchs haben definitiv bessere Verwendung für so viel Platz als ich.


    Eine Zeit lang hatte ich das Gefühl, dass ich tatsächlich ein wenig zur Ruhe komme, aber ich habe nun kein Auto mehr, wohne ländlich, bin selber krank und das was mich während der ersten Monate gerettet hat, ist der Realität gewichen. Es ist fast so, als ob ich die ganze Zeit in einer Blase gelebt habe und ich mich jetzt dem Leben stellen muss. Ich kann nicht mehr ausweichen oder flüchten.


    Es gibt so etwas wie einen ganz unscharfen Plan. Ich werde höchstwahrscheinlich wieder umziehen müssen in einen Ort mit besserer Infrastruktur und Verkehrsanbindung. Meine Eltern, die bereits in ihren 80ern sind, wohnen nicht allzu weit davon entfernt. Was ich gelernt ist, dass man die Zeit mit Menschen die einem nahestehen so gut wie möglich nutzen muss, denn man weiß nicht wie lange sie noch da sein werden. Rafael und ich lebten ja relativ ruhig und zurückgezogen und ich stehe vor der für mich wirklich beängstigenden Herausforderung neue Menschen in mein Leben zu lassen. Trauergruppen, Volkshochschule, keine Ahnung... es sind winzige Schritte die ich zustande bringe. Mein Körper reagiert zunehmend negativ auf den inneren Dauerstress und die Anspannung die sich durch dieses in der Luft hängen aufgebaut hat. In euren eigenen Berichten finde ich sicher Trost, einfach zu wissen, dass nicht alles immer nur schwarz und voller Verzweiflung bleibt, sondern es ein Leben "danach", wie auch immer es aussehen mag, geben kann.

    Liebe Pia, danke dass du dich meldest. Ich heul schon wieder wie ein Schlosshund.


    Ich bin hier weil ich weiß, dass hier Menschen sind die mir nachfühlen können wir schlimm es ist einen geliebten Menschen zu verlieren. Unsere Kinder trauern auf Ihre Weise, aber ich hätte mir selber nie vorstellen können, dass mich etwas im Leben derart mitnimmt und aus der Kurve wirft. Hier zu sein ist für mich ein wichtiger Schritt, den ich schlon viel länger hätte gehen sollen. Die Menschen in meinem persönlichen Umfeld meinen es gut, aber ich wüsste nicht wie ich ihnen erklären kann wie tiefgreifend dieses Trauma ist. Ich kann oft auch gar nicht darüber reden,

    Ich erzähl ein wenig von uns. Mein Mann, Rafael, starb mit 56. Ich selbst bin nun 58. Unsere Geburtstage lagen nur 10 Tage auseinander. Schon vor jahren war bei ihm ein Hirntumor festgestellt worden. Gutartig, laut Histologie, damit hätte er 100 werden können. Es war aber ein anderer Tumor. Die Ärzte hatten sich geirrt. Ein halbes Jahr vor seinem Tod begannen ganz schleichend Veränderungen. Wir haben, zumindest ich habe mir nichts weiter dabei gedacht. Heute glaube ich, dass er gemerkt hat, dass etwas nicht stimmt, es aber gar nicht wissen wollte. Wenige Monate zuvor war sein Bruder verstorben, er hatte nun fast keine Famile von "seiner " Seite mehr. Als die Beschwerden deutlicher wurden, wollte ich dass er zum Arzt ging. Er hat es hinausgezögert. es wurde schlimmer. Ihm sind Wörter nicht mehr eingefallen, manchmal haben wir über etwas gesprochen und er meinte etwas ganz anderes, fand das Wort einfach nicht mehr. Dann ging alles fürchterlich schnell. Ein MRT- Termin hätten wir erst nach 8 Wochen bekommen. Ich habe den Arzt gebeten sich für uns einzusetzen und konnten am Tag danach zur Untersuchung. Was für ein Schock, der angeblich harmlose Tumor war riesig geworden. Mein armer Rafi. Er hatte solche Angst und ich durfte meine Angst nicht zeigen. Sein Gedächtnis, seine geistige Leistungsfähigkeit, alles ging verloren. Er war immer weniger er selbst und das innerhalb weniger Wochen. Am Tag nach dem MRT hatten wir bereits eine Besprechung im KH zur Operation. Mit dem Sch... Corona durfte ich ihn nur eine Stunde pro Tag besuchen. Während unserer Ehe habe ich ihn vorher nur ein einziges Mal weinen sehen, und nun seine Verzweiflung und Angst zu sehen war einfach schrecklich. Ich konnte ihm ja nicht wirklich helfen, nur beistehen. Er wurde operiert, es lief nicht gut, aber er lebte. Der Tumor war ins Gehirn gewachsen und konnte nur zum Teil entfernt werden. Nach zwei Tagen erlitt er multiple Infarkte und starb. Am Tag der Op hätten wir uns eigentlich noch gesehen, aber bevor ich eingelassen wurde, hatte man ihn bereits in den OP gebracht. Er hat auf mich gewartet. Der Arzt erzählte mir noch, dass er nach mir gefragt hat. Er hat sich so sehr auf mich verlassen. Er hat so vieles vergessen innerhalb dieser wenigen Wochen. Wie man schreibt, oder ein Telefon bedient. Ich kann diese Bilder, sein Leid einfach nicht abschütteln. Das verfolgt mich. Dass ich ihm nicht mehr helfen konnte in seiner Not außer da zu sein und zu organisieren was getan werden musste, ihn zu waschen, für ihn die Sachen zu kochen, die er gerne aß. Mensch Leute, wie komme ich wieder ins Leben zurück?

    Hallo Steffi,


    danke, dass du dich meldest. Heute ist, so wie die letzten drei Tage einfach alles beschissen und es geht mir einfach schlecht. Mein Mann Rafael und ich waren 32 Jahre verheiratet und haben nachdem unsere Kinder aus dem Haus war relativ ruhig gelebt und auch viel Zeit miteinander verbracht. Meine innere Sicherheit ist weg, meine Perspektive für die Zukunft absolut unklar. Ich fühle mich emotional gerade wieder mal durch den Wind. Er war eben mein Mensch und ich hab keine Ahnung wie ich diese Lücke auch nur annähernd füllen kann oder ein erfülltes Leben aufbauen kann.


    Natürlich sind für mich nicht alle Tage so schlimm. Trotzdem merke ich, dass ich mich die letzten eineinhalb Jahre mit praktischen Dingen, Tagesstruktur etc. über Wasser gehalten habe. Alles scheint mir nur Ablenkung vom Schmerz damit mich das nicht überwältigt. Das ist so saumäßig schwer.