Beiträge von Anne

    Ich habe das Lied heute zum zweiten Mal im Radio gehört und schon beim ersten Mal habe ich gedacht, dass es so passend ist. Vor allem der Satz "Du hast mir gezeigt, wie wertvoll Leben ist". Das ist mir auch erst klar geworden nachdem Milan von mir gegangen ist.


    Danke, dass du dazu geschrieben hast von wem der Song ist, das wusste ich nämlich bisher nicht.

    Hallo Ihr Lieben,


    erst einmal vielen Dank für eure lieben Geburtstagsgrüße. Ich habe den gestrigen Tag sehr ruhig verbracht, nach feiern war mir nicht zumute und das hat mein Mann auch akzeptiert. Er hat mir einen schönen und ruhigen Tag beschert und dafür bin ich sehr dankbar.


    Ansonsten geht es mir zur Zeit nicht sehr gut. Dies hat unter anderem auch gesundheitliche Gründe. Seit mehreren Wochen renne ich den Orthopäden die Türen ein weil ich starke Schmerzen in der linken Schulter habe und den Arm nur noch sehr eingeschränkt nutzen kann. Dann hat sich auch noch eine schwere Bronchitis eingeschlichen, die trotz Antibiotika nicht wirklich besser wird.


    Daher konnte ich in der letzten Woche auch nur drei Tage ins Büro. Am vierten gings dann nicht mehr. Ich bin sehr gut von den Kollegen aufgenommen worden und fast alle haben sich an meinen Wunsch gehalten, mich nicht auf den Tod meines Sohnes anzusprechen. So ließ es sich einigermaßen gut aushalten. Was die Arbeit selbst betrifft, merke ich, dass meine Konzentration noch sehr zu wünschen übrig lässt und mein Blick sehr oft zum Fenster hinausschweift. Wir hatten im Sommer diesen Jahres eine komplette Datenbankumstellung und ich ich hatte das Gefühl, mich wieder ganz neu einarbeiten zu müssen. Selbst meine Passwörter wusste ich nicht mehr auf Anhieb. Teilweise frustriert mich das richtig, so dass ich schnell die Geduld verliere und am liebsten alles hinschmeißen würde. Ich hoffe aber, dass sich das noch legen wird. Zur Zeit arbeite ich nur zwei Stunden täglich und ich bin sehr froh darüber. Mehr könnte ich im Moment nämlich noch nicht bewältigen. Es ist, als wäre es eine total neue Welt, die ich betreten habe, obwohl ich doch schon 17 Jahre in der Firma tätig bin. Auch dort merke ich, dass sich mein Leben geändert hat und ich einen neuen Weg für mich finden muss.


    Durch die Wiedereingliederung und auch durch die Krankheit habe ich das erste Mal nicht soviel an Milan gedacht und ihn auch möglichst aus meinen Gedanken verdrängt. Dies hat zum ersten Mal ganz gut funktioniert. Allerdings hat dies auch zur Folge, dass ich mir Bilder von ihm wieder ganz schlecht anschauen kann. Ich merke einfach, dass ich mich auf ganz dünnem Eis befinde und es ganz schnell wieder brechen könnte.


    Gestern Abend war es wieder etwas schlimmer, weil ich ständig daran denken musste, dass es das erste Mal ist, dass er mich an meinem Geburtstag nicht angerufen hat. Das war teilweise so schlimm, dass ich am liebsten gar nicht ans Telefon gegangen wäre, wenn ein anderer Gratulant angerufen hat.
    Weihnachten steht vor der Tür und mir graut auch davor, weil meine Schwiegertochter nun allein mit den Kindern kommen wird und Milan nicht dabei ist. Das kreist auch die ganze Zeit in meinem Kopf herum.

    Hallo Ihr Lieben,


    vielen Dank für Eure lieben Worte und die "Stärkungen", die darin enthalten sind.


    Mir ging und geht es seit einer Woche sehr schlecht.


    Es fing eigentlich damit an, dass ich nur "kurz" zu meiner Nachbarin rüber wollte um ihr zu berichten, wie es bei der Heilprakterin war, die sie mir empfohlen hatte, da ich seit Milans Gehen sehr starke Schmerzen im Oberarm bzw. der Schulter habe.
    Aus dem kurzen Bericht wurden dann vier Stunden, in denen ich mich "gehen lassen" konnte, weil sie mir einfach die Möglichkeit dazu gegeben hat. Sie hielt meine Hände, wenn sie gemerkt hat, dass ich ins Stocken kam. Sie nahm mich in den Arm und weinte mit mir. Es war ein unglaubliches Erlebnis mit ihr, weil ich das erste Mal das Gefühl hatte, wirklich und wahrhaftig über Milan sprechen zu können und dabei von ihr aufgefangen zu werden. Ich bin ihr unendlich dankbar dafür.


    Als ich nach Hause kam, merkte ich plötzlich wie mein Körper nicht mehr wollte. Es war im Prinzip genau wie an dem Tag als ich von Milans Gehen erfuhr. Dieser totale Erschöpfungszustand, sowohl körperlich als auch seelisch trat wieder ein. Ich war nicht einmal mehr in der Lage zu sprechen. Ich habe mich dann auch sehr frühzeitig ins Bett verzogen, weil ich einfach nicht in der Lage war, meinem Mann Antworten zu geben, noch die Geräusche um mich herum zu ertragen.


    Leider kam Milan in dieser Nacht nicht um mir über den Kopf zu streichen, so dass ich mich entspannen und einschlafen konnte. Dies ist in der ersten Nacht nach seinem Gehen nämlich geschehen. Ich weiß heute nicht mehr, ob ich mir das vor zwei Monaten nur eingebildet habe aber es war definitiv so, dass ich in meiner totalen Erschöpfung gespürt und auch gesehen habe, dass plötzlich ein Schattenkopf auftauchte und eine Schattenhand mir ganz sacht über den Kopf gestreichelt hat, was ich auch gespürt habe. Danach bin ich dann sofort eingeschlafen.
    In dieser Nacht musste ich mich wie gesagt, allerdings in den Schlaf quälen. Am nächsten Morgen (Dienstag) habe ich mich auf's Sofa gesetzt und habe das Gespräch mit meiner Nachbarin noch einmal Revue passieren lassen. Viele Dinge sind mir dabei wieder eingefallen. So unter anderem auch die Antwort darauf, warum ich Milan nicht loslassen, ihn nicht gehen lassen kann. Dies jetzt aber alles zu berichten, würde den Rahmen sprengen und ich kann es ehrlich gesagt, auch noch nicht so richtig in Worte fassen.


    Was meinen Arbeitsbeginn am Montag angeht: Habe ich mich letzte Woche noch so "mutig" gefühlt, ist es jetzt genau anders herum. Die Angst davor wird immer größer und vielleicht ist dies auch einer der Gründe, warum es mir zur Zeit so schlecht geht. Vielleicht verbinde ich damit auch die Tatsache, dass nun alles wieder seinen gewohnten Gang zu gehen hat und ich mich wieder in das Leben hier draußen zu gewöhnen habe. Ich schreibe absichtlich in der "Muss-Form", denn freiwillig geschieht dies von meiner Seite aus nicht. Ich fühle mich dazu nicht in der Lage und muss mich dazu zwingen, dem Alltag zu begegnen. Ich weiß nicht, wie ich das verkraften werde. Vielleicht hilft es, vielleicht auch nicht. Ich habe keine Ahnung.
    Mich zu verkriechen, mich ganz klein zu machen, mich davonzustehlen ist momentan meine Gefühlsstimmung.

    Hallo Christine,


    ich fange Anfang Dezember wieder an zu arbeiten, weil ich merke, dass es jetzt langsam wieder "losgehen" kann und muss. Die Zeit davor habe ich aber einfach gebraucht. Eine meiner Ängste war auch, dass ich während der Arbeitszeit unkontrollierte Weinanfälle bekomme und mir das unangenehm gewesen wäre. Mittlerweile denke ich ein bisschen anders darüber. Wenn es wirklich so sein sollte, dass mich eine Welle während der Arbeitszeit erwischt, dann ist das eben so. Zur Not kann ich mich immer noch in einen leeren Büroraum oder in die Damentoilette flüchten. Oder die KollegInnen müssen es eben aushalten. Und so wie ich die meisten kenne, werden sie schon Verständnis dafür aufbringen.


    Puh, im Moment fühle ich mich ganz mutig, ich hoffe das wird auch Anfang Dezember der Fall sein.

    Liebe Juttap,


    das mit dem "funktionieren MÜSSEN" funktioniert sowieso nicht. Es macht alles nur noch schlimmer. Das ist ja auch das Merkwürdige daran: Ich versuche, meinem Mann und David gerecht zu werden, indem ich mich in deren Trauerbild einklinke und die starke Frau markiere. Auf der anderen Seite stehe ich mit meinen ureigenen Bedürfnissen und das kollidiert unweigerlich miteinander und führt noch zusätzlich zu Frust und schlechtem Gewissen; und zwar beiden Parteien gegenüber: Milan und der Familie. Ich merke, dass ich dabei auf der Strecke bleibe.


    Noch ein Satz zu einer Begebenheit, in der ich sehr bewusst erlebt habe, dass ich eigentlich nur dem entspreche, was andere meinen, für mich entscheiden zu müssen:
    Meine Hausärztin hat vor einer Woche gesagt, dass es jetzt mal an der Zeit wäre, die Arbeit wieder aufzunehmen. Sie fing dann an, einen Wiedereingliederungsplan mit mir zu besprechen. Ich saß die ganze Zeit nur da und habe mich gefragt, was ich da eigentlich mache. Ich hatte nämlich das Gefühl, dass ich noch gar nicht in der Lage war, mich meinen Arbeitskollegen zu stellen. Ihre Fragen zu beantworten, ihre Beileidsbekundungen entgegenzunehmen und das Mitleid in ihren Augen zu sehen. Allein der Gedanke daran ließ mich erschaudern und rief regelrecht Angst in mir hervor. Zudem leide ich nach wie vor unter sehr starken Konzentrationsmangel. Ich bin zur Zeit einfach nicht in der Lage, mich auf längere Gespräche oder gar Telefonate zu konzentrieren und dachte, dass die Wiederaufnahme der Arbeit in einem Desaster enden wird.
    Aber ich ließ es einfach geschehen und die Ärztin schickte mich dann mit dem Wiedereingliederungsplan nach Hause. Ich musste ins Büro fahren und diesen Plan mit meiner direkten Vorgesetzten besprechen. Allein schon der Weg dorthin hat Panikattacken bei mir hervorgerufen. Als ich ins Bürogebäude ging, war es wie ein Spießrutenlauf. Die ganze Zeit dachte ich nur: "Hoffentlich kommt mir jetzt niemand entgegen".


    Gottseidank habe ich es dann ohne weitere Probleme ins Büro meiner Vorgesetzten geschafft. Ich arbeite schon seit 17 Jahren dort und kenne meine Vorgesetzte sehr gut. Ich habe ihr in der Vergangenheit auch viel über Milan erzählt.
    Sie war wunderbar. Als ich reinkam, hat sie mich erstmal nur schweigend in den Arm genommen und mit mir geweint. Später konnte ich erzählen, wie es mir geht und wie ich mich fühle. Sie hat einfach nur toll reagiert. Sie war eigentlich nach der langen Zeit die Erste, bei der ich mich richtig aufgehoben und verstanden gefühlt habe.
    Und prompt kam natürlich von ihr auch die Frage, ob ich mich überhaupt in der Lage fühle, jetzt schon wieder zu arbeiten und ob ich mir das nicht nochmal überlegen wolle. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie dankbar ich ihr war. Zumal ich auch hier ständig Gewissensbisse wegen meiner Kolleginnen hatte, die in den letzten Wochen die Arbeit für mich mitmachen mussten. Aber auch hierfür hat meine Vorgesetzte sofort Abhilfe geschaffen. Für den Rest des Jahres hat sie eine zusätzliche Kraft eingestellt, die mich während meiner Abwesenheit vertritt.
    Ihr glaubt gar nicht, was mir da für ein Riesenballast von der Seele gefallen ist. Letztendlich hat sie den Wiedereingliederungsplan zerrissen und mich nach Hause geschickt. Am nächsten Tag bin ich sofort zu meiner Ärztin gegangen und habe ihr unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass für mich die Zeit noch nicht gekommen ist um den "normalen" Arbeitsalltag wieder aufzunehmen. Seitdem hat sie mich nicht mehr auf eine Wiedereingliederung angesprochen. Das werde ich nun selbst bestimmen.


    Liebe Maki,


    vielen Dank auch dir nocheinmal für deine tröstenden und aufbauenden Worte. Es tut immer sehr gut, zu wissen, dass man mit genau diesem Problem nicht allein da steht und dass es andere gibt, denen es genau so ergangen ist oder gerade geht.
    Natürlich hast du vollkommen Recht damit, dass ich das Problem ansprechen muss, denn sonst wird es irgendwann einen Keil zwischen meinen Mann und mich treiben. Darüber bin ich mir schon bewusst.
    Es ist eigentlich auch gar kein Problem, mit ihm über Milan zu sprechen, solange dies auf einer sachlichen Ebene geschieht. Dann kann er sehr viel erzählen. Aber die emotionale Seite bleibt einfach auf der Strecke und ich spüre manchmal förmlich, wie er da steht und innerlich hofft, dass ich vor ihm nicht gleich wieder in Tränen ausbreche. Ich glaube, er kann damit zur Zeit nicht mehr so gut umgehen.
    Ganz am Anfang war er unglaublich liebevoll. Hat mit mir geweint und mir jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Er hat geholfen, wo er nur konnte und in den ersten drei Wochen den Haushalt und alle Formalitäten ganz allein bewerkstelligt. Dazu wäre ich gar nicht in der Lage gewesen. Ich denke, er hat in der Zeit auch sehr viel an Kraft eingebüßt und braucht für seine innere Ausgeglichenheit jetzt einfach den emotionalen Abstand. Anders kann ich mir das nicht erklären.

    Sorry, ich bin im Moment ziemlich durch den Wind.


    Ich weiß ja, dass sie mich nur ablenken wollen aber das funktioniert irgendwie nicht. Ich bin seit kurzem bei einem Therapeuten in Behandlung und ich hoffe, durch seine Hilfe irgendwie wieder aus diesem Loch aus Schuld, Selbstvorwürfen und angehender Depression herauszukommen.


    Linda
    Das Foto von Milan habe ich im letzten Jahr aufgenommen. Ja, er hat gern und viel gelacht. Auf dem Avatar sieht man es nicht so deutlich aber seine Augen waren immer mit das Schönste an ihm.


    Wilma
    Vielen Dank für dein Feedback zu meiner Homepage. Seit Milans Tod habe ich die Kamera nicht mehr angefasst. Vorher war ich fast täglich mit ihr unterwegs.


    Christine
    Wenn es mal solche kurzen Momente gibt, in denen ich nicht an Milan denke überkommt mich sehr schnell das schlechte Gewissen so nach dem Motto: Wie konntest du gerade nicht an ihn denken? Ich weiß, dass es falsch ist aber ich habe dann sofort ein schlechtes Gewissen. Es ist so, als ob er hinter mir steht, mich anschubst und sagt: "Hallo, hier bin ich, denk' an mich". Ich kann mir das nicht erklären. Im Prinzip müsste ich doch dankbar über jede Minute sein, in der ich mal meinen Kummer vergessen kann. Aber es ist genau anders herum.

    Das Schlimmste ist, dass ich ständig das Gefühl habe, dass ich es Milan schuldig bin, um ihn zu trauern, dass er ein Recht darauf hat und ich mir diese Zeit selbst auch wünsche und sie brauche. Und andauernd werde ich rausgerissen aus meinen Gedanken. Meine Schwiegermutter rief mich letztens an und fragte, ob wir dieses Jahr Weihnachten wieder bei ihr feiern. Himmelherrgott, mir ist überhaupt nicht nach feiern zumute. Warum nimmt denn niemand darauf Rücksicht, dass ich gerade erst mein Kind verloren habe? Warum muss ich nach so kurzer Zeit schon wieder so funktionieren? Ich kann das einfach nicht.

    Liebe Wilma, liebe Christine, lieber Josef,


    auch Euch dreien meinen allerherzlichsten Dank für Euer Willkommen heißen und die Anteilnahme.


    Christine
    Natürlich war ich mehr als geschockt als ich von der Nachricht erfuhr, dass meine Schwiegertochter den Abbruch hat vornehmen lassen. Glücklicherweise hat mein Mann die Nachricht entgegengenommen, so dass ich nicht direkt damit konfrontiert wurde. Später habe ich noch einmal mit meiner Schwiegertochter telefoniert, das Thema aber tunlichst vermieden.
    Wie schon geschrieben, kann ich ihre Beweggründe nachvollziehen aber es ist halt sehr schwer für mich, diese Tatsache zu akzeptieren. Vielleicht ergibt sich eines Tages die Gelegenheit, noch einmal in Ruhe mit ihr darüber zu sprechen. Für mich ist es unheimlich wichtig, den Kontakt zu meinen anderen Enkeln zu behalten und eine Auseinandersetzung möchte ich nicht riskieren, da ich Angst habe, dass sie sich dann zurückzieht und ich die beiden nicht mehr sehen kann.
    Milan war bisher immer derjenige, der den Kontakt größtenteils hergestellt hat. Er war es, der immer mal wieder für ein paar Tage mit den Kindern oder auch nur mit Kilian zu Besuch kam. Jetzt muss ich selbst dafür sorgen, dass der Kontakt bestehen bleibt und eine Auseinandersetzung gleich welcher Art auch immer, könnte meine Schwiegertochter vielleicht dazu veranlassen, die Besuche drastisch einzuschränken oder gar ganz abzubrechen.
    Also bewahren wir Stillschweigen der beiden Enkel zuliebe. Meinen Schmerz um den Verlust des dritten Enkels muss ich zumindest vor ihr runterschlucken.


    Mein Mann war übrigens "nur" der Ziehvater von Milan und mein Jüngster ist sein Halbbruder. Meinen Mann hat der Verlust von Milan zwar auch sehr schwer getroffen aber anders als ich, geht er nun schon wieder den alltäglichen Dingen nach. Genau wie David, der Milan eigentlich nicht so richtig kennt. Zwischen den beiden liegen 14 Jahre Altersunterschied und hinzu kommt noch, dass Milan ein Jahr nach Davids Geburt unbedingt zu seinem leiblichen Vater ziehen wollte. Ich habe zwar versucht, dies mit allen Mitteln zu verhindern (bis vor's Familiengericht bin ich gegangen), aber auf Grund der Tatsache, dass Milan damals schon15 Jahre alt war, waren mir die Hände gebunden. Milan ist dann ein paar Jahre bei seinem Vater geblieben (auch hier war die räumliche Entfernung sehr groß), so dass David ihn gar nicht mehr richtig hat kennen lernen können.


    Beide, sowohl mein Mann als auch David sind also mit dem Schmerz und der Trauer nicht so belastet wie ich. Dies ist für mich oft sehr schwierig, weil ich manchmal das Gefühl habe, die Einzige zu sein, die um Milan trauert. Ich fühle mich dann immer sehr allein. Zumal verstärkt es bei mir auch oft den Druck, nun endlich mal wieder ins "normale" Leben zurück zu müssen. Die anderen haben dies ja auch gekonnt. Und unterschwellig habe ich immer öfter das Gefühl, dass mein Mann dies auch von mir erwartet.
    Also bin ich dazu übergegangen, mich zu teilen. Wenn die beiden da sind (oder auch nur einer von ihnen) gebe ich mich immer ganz "normal". Die Trauer kommt erst dann, wenn ich allein zu Hause bin. Dadurch fühle ich mich, als würde ich mich zwischen zwei verschiedenen Welten hin- und herbewegen. Es ist so unglaublich anstrengend, diese "Teilung" meines Selbst aufrecht zu erhalten, dass ich manchmal nur noch schreien könnte. Und ich fühle mich so unglaublich alleingelassen mit meiner Trauer und den Schmerz um Milan.

    Linda
    In mehr als 50% der Fälle ist die Erkrankung durch bestimmte Viren verursacht, die insbesondere im Rahmen von zunächst harmlosen Erkältungskrankheiten den Herzmuskel schädigen können. Typische, aber unspezifische Symptome der Herzmuskelentzündung (Myokarditis) sind neben leichter Erschöpfbarkeit, Kurzatmigkeit und Schwächegefühl vor allem Missempfindungen des Herzens (Herzrasen, -stolpern, -klopfen, -schmerzen). Handelt es sich um eine virale Myokarditis, treten die genannten Symptome oft zusammen mit allgemeinen Symptomen der Virusinfektion (Halsschmerzen, Husten, Gliederschmerzen) auf.
    Milan hat in den Wochen vor seinem Tod oft über die oben genannten Beschwerden geklagt und eine vorangegangene Grippe hat er nicht richtig auskuriert. Es wurde vom Arzt vermutet, dass dies unter anderem zu der massiven Herzschädigung geführt hat. Eine Obduktion haben wir abgelehnt weil es uns sinnlos erschien.
    Natürlich mache ich mir im Nachhinein schwere Vorwürfe weil ich Milan zwar öfters gebeten hatte, zum Arzt zu gehen, da man ihm seine Krankheit deutlich angesehen hat und er meistens sehr müde und schlapp war. Aber er hat es immer verharmlost. Menschen seines Alters glauben leider nur allzu oft, dass sie unsterblich seien und der Tod nur etwas ist, das alte Menschen heimsucht.
    Wäre er nur zum Arzt gegangen, könnte er heute noch leben. Hätte ich mehr Druck auf ihn ausgeübt, müsste ich nun nicht hier sitzen und diese Worte schreiben.


    KarlaG
    Danke erst einmal für deine lieben Worte.
    Meine Schwiegertochter ist ein sehr praktisch veranlagter Mensch. Da sie noch sehr jung ist (23) hat sie sich mit der Aussicht, demnächst mit drei Kindern ganz allein dazustehen, wohl überfordert gefühlt. Sie muss für zwei Kinder sorgen, hat ihren Haushalt und arbeitet auch noch als Krankenschwester im Schichtdienst. Sie wohnt übrigens in Siegen, wir in Münster (ca. zweieinhalb Autostunden entfernt), so dass eine zeittechnische Unterstützung unsererseits kaum in Frage kommt. Zumal mein Mann und ich auch beide berufstätig sind und wir noch unseren jüngsten Sohn David haben, der mit seinen zwölf Jahren auch einiges von uns fordert, zumal er jetzt langsam in die Pubertät kommt. Für das ungeborene Kind hätte ich meinen Job an den Nagel gehängt. Aber das wäre es mir auch wert gewesen.
    Ich weiß nicht, ob meine Schwiegertochter es eines Tages vielleicht bitter bereuen wird, dass sie diesen Weg des Abbruches gegangen ist. Zumal ihre Familie sie wohl auch ein wenig dazu gedrängt hat und ihr vor Augen gehalten hat, was da noch auf sie zukommt.
    Ihre Schwester hat mir z.B. am Tag von Milans Tod noch gesagt, dass sie es für besser hält, das Kind nicht auszutragen. Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Wie kann man so reden, wenn der werdende Vater erst ein paar Stunden vorher diese Welt verlassen hat?


    Juttap
    Auch dir vielen lieben Dank für deine einfühlsamen Worte.
    Ich werde sicherlich noch einiges über Milan erzählen. Als bodenständig kann ich Milan eigentlich nicht beschreiben. Er entsprach eigentlich mehr seinem Namen. Jemand, der immer seine Schwingen ausgebreitet hatte und nach dem Sinn seines Lebens gesucht hat. Aber das ist eine lange, lange Geschichte, die so nach und nach ihren Weg hierher finden wird.

    Hallo Maki, hallo Linda,


    ich danke Euch für die liebe Begrüssung und Eure mitfühlenden Worte.


    Mein leiblicher Enkel Kilian wird nächsten Monat drei Jahre alt. Dustin wurde von meiner Schwiegertochter mit in die Ehe gebracht und ist sechs Jahre alt. Aber ich kenne ihn schon, seit er ein Baby war und er ist mir wie ein eigener Enkel ans Herz gewachsen. Er hat wohl von den beiden am meisten mit dem Verlust seines "Vaters" zu kämpfen, weil er mit Milan aufgewachsen ist. Meinen dritten Enkel werde ich leider nicht mehr kennen lernen, da meine Schwiegertochter zwei Wochen nach Milans Tod einen Abbruch hat vornehmen lassen. Obwohl mein Mann und ich ihr angeboten haben, das Kind in Pflege zu nehmen, wenn es da ist, hat sie sich von dieser Entscheidung nicht abbringen lassen.


    Für mich war das ein zweiter herber Verlust. War es doch ein lebendiges Band, dass Milan uns hinterlassen hatte. Aber es war ihre Entscheidung und die muss ich akzeptieren, auch wenn es noch so weh tut.

    Ein Gedicht, dass ich für unsere Danksagungskarten geschrieben habe:


    Das Leben geht weiter - so sagen sie
    und ich weiß wohl, was sie meinen.
    Doch mein Herz sagt etwas anderes
    und möchte nur noch weinen.


    Er lebt in dir fort - so rufen sie
    und ich weiß wohl, was sie meinen.
    Doch mein Herz ruft etwas anderes;
    Möchte meine Seele mit Deiner vereinen.


    Lass' ihn gehen - so raten sie
    und ich weiß wohl, was sie meinen.
    Manchmal - ganz weit am Horizont
    da sehe ich Dein Licht hell scheinen.


    Wir brauchen dich hier - so drängen sie
    und ich geh' langsam zu ihnen hinein.
    Im Herzen ganz sanft - da spüre ich Dich
    denn du wirst immer bei mir sein.

    Hallo zusammen,


    ich sitze nun schon seit Stunden hier und versuche in Worte zu fassen, was für mich doch eigentlich noch unfassbar ist: Mein Sohn Milan ist am 11. September völlig unerwartet von uns gegangen. Er hat sich abends hingelegt und am frühen Morgen des nächsten Tages hörte sein Herz einfach auf zu schlagen. Der Notarzt diagnostizierte auf Grund der Angaben meiner Schwiegertochter eine Herzmuskelentzündung.


    Milan hatte erst elf Tage vorher seinen 27. Geburtstag gefeiert und mir noch am gleichen Tag freudestrahlend mitgeteilt, dass ich wieder Oma werde.
    Der Anruf meiner Schwiegertochter am 11. September morgens um 8.00 Uhr hat seitdem mein Leben völlig aus der Bahn geworfen.


    Es tut mir Leid, aber ich kann grad nicht mehr schreiben. Die Worte und Gedanken schwirren mir gerade völlig wirr durch den Kopf, so dass ich keinen anständigen Satz mehr zustande bringe.


    Noch kurz zu mir: Ich heiße Anne, bin 50 Jahre alt und lebe mit meinem Mann und meinem jüngeren Sohn David (12 Jahre) in Münster.


    Es fällt mir so unsagbar schwer, über Milan zu schreiben und vielleicht kann ich das, was ich loswerden möchte, nur häppchenweise überbringen. Es ist alles einfach noch zu frisch und zu schmerzhaft.


    Liebe Güße Anne