Hallo ihr Lieben!
Man wird doch immer wieder überrascht!
Das habe ich von einer Bekannten aus Deutschland geschickt bekommen, von der ich es niieee erwartet hätte. Außer einem „Mein Beileid“ kam nichts – und jetzt nach diesen „vielen“ Monaten dies:
Der Rucksack
Es hat einmal jemand gesagt, daß die Trauer um einen geliebten Menschen wie ein Rucksack ist, den man für immer am Rücken trägt. Nur irgendwann passt er besser und dann kann man ihn leichter tragen.
Aber in der Zwischenzeit?
Zu Beginn ist er einfach viel zu schwer, man meint, ihn gar nicht heben zu können.
Man kann kaum atmen, weil er den Brustkorb zusammenpresst und er drückt auf den Schultern. Weil er so schwer ist, kann man nicht gerade gehen, man schwankt und verliert das Gleichgewicht. Und stürzt immer wieder zu Boden.
Am liebsten würde man dann dort liegenbleiben, aber auch das ist gar nicht so einfach. Irgendetwas treibt einen immer wieder hoch. Vielleicht ist es die Hoffnung darauf, doch bald am Gipfel angekommen zu sein, wo man den Rucksack endlich abnehmen kann und mit einer schönen Aussicht belohnt wird, vielleicht ist es der Überlebenstrieb, weil man im Wasser gelandet ist, und zu ertrinken droht. Dieser Überlebenstrieb übernimmt einfach die Regie, er fragt nicht, ob man mit dieser Last das Leben überhaupt noch will.
So stolpert man durch das Leben, begegnet immer wieder anderen Menschen. Etliche haben nur ein leichtes Daypack am Rücken, andere sind schon so gut an ihren Rucksack gewöhnt, dass man ihnen die Last nicht gleich ansieht.
Manchmal schafft man ein paar Schritte, dann wieder läßt man keine Wurzel, keinen Stein aus, um darüber zu stolpern.
Wenn man dann am Boden liegt, kommen manchmal Menschen, die einem aufhelfen möchten. Sie meinen, ein kleiner Schubser genügt und man kann wieder aufstehen. Aber man ist ja völlig kraftlos unter der Last zusammengebrochen. Doch leider gibt es den Rucksack nur als Gesamtpaket, und niemand kann einem ihn abnehmen.
Es hilft auch nicht, daß sie von anderen mit schwerem Gepäck erzählen, die es schon viel früher geschafft haben, wieder auf die Beine zu kommen. Die eigene Kraft wird trotzdem nicht mehr, ja im Gegenteil fühlt man sich oft sogar schlechter, weil man seiner Aufgabe anscheinend nicht gewachsen ist. Und wenn sie einen mit Gewalt hochziehen, dann fällt man nur umso schmerzhafter wieder auf die Schnauze.
Doch manchmal gibt es Menschen, die setzen sich zu dir auf den Boden. Das tut so gut, denn man fühlt sich nicht so alleine inmitten des Trubels rundherum. Sie können einen Schutzwall bauen, damit man nicht von der fröhlichen Masse überrannt wird, bringen Essen und Trinken, damit man allmählich zu Kräften kommen kann, warten ab, bis man aus eigener Kraft wieder hochkommt.
Irgendwann schafft man es, ein kurzes Stück halbwegs aufrecht zu gehen. Da freuen sich die Menschen um einen herum, denn sie sind schon schön langsam ungeduldig geworden, weil man nicht so recht weiter kommt. Und meinen gleich, daß man jetzt doch noch ein wenig schneller gehen kann.
Doch dafür reicht die Kraft noch lange nicht. Auch sind die Schultern wundgescheuert und die Schmerzen werden wieder unerträglich.
Manche schultern auch den Rucksack voller Wut und stürmen davon. Und alle staunen, wie schnell sie unterwegs sind. Doch dann klappen sie plötzlich völlig entkräftet zusammen.
Andere glauben, sie können einfach davonlaufen und den Rucksack stehen lassen. Doch dann merken sie, daß im Rucksack auch alles Lebensnotwendige war – Essen, Trinken und Kleidung für schlechtes Wetter. Sie kommen in ein Gewitter und sind ihm schutzlos ausgeliefert. Sie müssen durch die Wüste und verdursten. Oder sie werden einfach immer schwächer, weil sie nichts mehr zu essen haben.
Und manche können den Rucksack einfach nicht tragen. Er ist zu schwer. Sie bleiben liegen und kommen nicht mehr von der Stelle. Und niemand kann erklären, warum sie diesen für sie viel zu schweren Rucksack bekommen haben.
Die meisten aber haben nur eine lange Zeit vor sich, bis sie gelernt haben mit der schweren Last am Rücken zu gehen. Sicher langsamer und vorsichtiger als vorher. Aber sie kommen voran. Aber bis es soweit ist, sind sie verzweifelt, weil die Last so schwer ist und wütend, weil sie nicht verstehen, warum sie sie tragen müssen. Und sie fühlen sich oft sehr allein, wenn rundherum alle so viel schneller unterwegs sind. Aber irgendwann haben sie es geschafft.
Ich weiß, daß du zu dieser letzten Gruppe gehörst, DU WIRST ES SCHAFFEN.
Es ist so schön, wenn jemand ab und zu für ein Weilchen sein Tempo anpaßt und mitgeht, darum möchte ich dich damit ein paar Schritte begleiten.
Draußen ist es noch immer trüb und grau – aber in meinem Herzen scheint heute die Sonne.
Liebe Grüße
Jutta