Liebe Kathrin
Meine Erfahrung ist es, dass ich in den ersten 6-8 Wochen überhaupt nicht einschätzen konnte wo ich stand und wie es mir ging. Da war nur dieses riesige Loch, Dunkeheit, sehr viel Schmerz und wie bei dir auch: sehr viel Angst. Wie geht es denn jetzt nur weiter? Ich hatte doch so einen ganz anderen Plan von meinem Leben! Wir hatten ihn, wir wollten eine Familie gründen, vielleicht bald mal ein Haus bauen und eben - miteinander alt werden. Und auf einen Schlag war das alles vorbei. Mein ganzes Leben war vorbei, so habe ich gefühlt. Alles war in Frage gestellt. Marco und ich waren 13 Jahre ein Paar, etwas mehr als 3 Jahre davon verheiratet. Wir haben alles miteinander gemacht, uns blind verstanden und vertraut. Er war (und ist es immer noch) das Liebste was ich in meinem Leben habe, oder eben gehabt habe. Und nun? Bin ich alleine. Du kennst dieses Gefühl sicher... :13:
Ich habe nach ca. 4 Wochen versucht, wieder zu arbeiten. Aber es ging nicht. Insgesamt bin ich etwas mehr als drei Monate zu Hause geblieben. Gott sei Dank habe ich einen sehr verständnisvollen Vorgesetzten und ein super Team um mich herum auf der Arbeit. Lange konnte ich mir überhaupt nicht mehr vorstellen, arbeiten zu gehen und das hat mir enorm Angst gemacht. Ganz langsam, in winzigen Schritten sind jetzt meine Kräfte wieder daran zurückzukehren. Seit einem Monat arbeite ich zu 25% wieder und habe ab und zu wieder sowas wie Spass daran. Aber es nicht mehr das Gleiche... Das wird es nie mehr sein...
Du schreibst vom Verhalten der Personen in deinem Umfeld. Auch dort habe ich die Erfahrung gemacht, dass bei allen, die noch nie in unserem Ausmass vom Verlust eines geliebten Menschen betroffen waren, eine grosse Unsicherheit vorhanden ist. Natürlich wollen alle nur das Beste und für uns da sein. Aber sie haben Angst davor, wie wir in verschiedenen Situationen reagieren. Viele können schlecht damit umgehen, wenn jemand vor ihren Augen zu weinen beginnt. Sie befürchten wohl, dass sie Schuld am Gefühlsausbruch haben könnten, dabei überkommt es einem ja oft einfach so, ohne das jemand "Schuld" hat. Und es ist in meinen Augen halt schon eine Tatsache, dass die Trauer in unserer leistungsorientierten Gesellschaft keinen Platz hat. Viele denken wohl, dass es mit ein wenig Therapie schon getan ist, es gibt schliesslich für jedes Gebrechen ein Medikament, oder?! :wacko:
Dem ist eben nicht so. Trauern kann man nicht mit Tabletten heilen, sondern nur mit viel Zeit und liebevoller Begleitung durch Mitmenschen, die einem so nehmen, wie es einem halt gerade geht, einem zuhören und einfach für einen da sind.
Es ist schön, dass dein Sohn findet, dass es dir besser geht. Vielleicht möchte er dich damit ja etwas trösten? Ich kenne das Gefühl, dass es in einem drinnen ganz anders aussieht, als das was wir gegen aussen ausstrahlen. Zum Thema der therapeutischen Begleitung ist es schwierig für mich, dir einen Tipp zu geben. Bei mir war es so, dass ich mir unbedingt psychologische Hilfe holen wollte und habe ca. 1 Monat nach Marco's Tod damit begonnen. Es war mir selber ein Bedürfnis, professionelle Unterstützung zu bekommen. Ich gehe immer noch dorthin und es tut mir sehr gut.
Hast du Begleitung in irgendeiner Art und Weise? z.B. durch den Pfarrer, einer Trauerbegleitung oder jemand anderem mit seelsorgerischen Hintergrund? Ich habe auch das als sehr hilfreich empfunden.
Was macht den dein Sohn für eine Lehre? Ich selber arbeite ja in Aarau im Kantonsspital... Ich wünsche deinem Sohn, dass er am kommenden Montag einen guten Start in der Schule hat.
Liebe Kathrin, falls dir in den nächsten Wochen die Decke auf den Kopf fällt wenn du alleine zu Hause bist, und du mit jemanden, der die gleichen Sorgen hat, sprechen möchtest, kannst du dich gerne bei mir melden. Ich werde dir eine private Nachricht (PN) über dieses Forum mit meiner Telefonnummer schicken. Wir machen ja schliesslich das Gleiche durch.... :24:
Liebe Grüsse Sandra