Liebe Mimon,
herzlich willkommen bei uns und mein herzliches Beileid zum plötzlichen Tod deines Bruders!
Du reagierst auf dieses traumatische Ereignis ganz normal mit Schock und den typischen Belastungsreaktionen. Ich glaube aber herauszulesen, dass sich die ganz akuten Reaktionen schon etwas abmildern und du dazu übergehst hin- und her zu pendeln zwischen Schmerz und Betäubung. Das sind Wellen oder wir vergleichen es auch mit Wehen, wie bei der Geburt: Es kommt eine Schmerzwehe und dazwischen schaltet der Organismus in einen Betäubungszustand, der dir ein wenig Erholung verschaffen soll. Solange du diese beiden Zustände im Wechsel erlebst, bist du auf einem gesunden - wenn auch schweren - Weg.
Du hast ein bisschen Schwierigkeiten dich mit der Realität zu konfrontieren und neigst zu Vermeidungsstrategien (nicht persönlich zur Blumenhandlung gehen wollen etc.), das liegt daran, weil du beim Abschiednehmen außen vor gehalten wurdest. Hätte man dich von vorneherein eingebunden, dann hättest du auch erfahren können, dass die Konfrontation neben dem Schmerz auch erleichtert, weil der Trauerprozess in Gang kommen kann. Menschen vor der Realität zu schützen, hat immer die Folge, dass Verarbeitung letztendlich blockiert und erschwert wird. Das gilt übrigens auch für Kinder.
Weißt du eigentlich, warum deine Schwestern dich nicht früher informiert haben? Wollten sie dich wirklich schützen oder habt ihr ein schwieriges Verhältnis zueinander?
Ich rate dir, geh und bestelle die Blumen für deinen Bruder, es wird dir gut tun, persönlich noch etwas für ihn tun zu können. Weißt du bei welchem Bestattungsinstitut er ist? Vielleicht könnest du dort hingehen und bitten, dass sie ihm von dir noch etwas in den Sarg legen. Ich biete Angehörigen auch imer an, dass sie zwei symbolische Gegenstände bringen (zwei Steine, zwei Herzen, zwei Sterne oder was auch immer sie wählen), einen dieser beiden Gegenstände lege ich dem Verstorbenen in den Sarg - oder die Angehörigen dürfen das natürlich auch selber tun, wenn sie das möchten und der Zustand des Verstorbenen das erlaubt, den anderen behalten sie als Verindung zum Verstorbenen. Vielleicht möchtest du das auch machen. Das ist auch eventuell ein schönes und hilfreiches Ritual für deine Kinder und andere Angehörige.
Alles Liebe und viel Kraft!
Christine