Liebe Gerlinde,
wenn ich gerade an meinem PC sitze ist es nur wegen einer kurzen Kaffeepause ehe ich meine nächste Aktion angehe nachdem nun der Keller endlich wieder ratzfatz aufgeräumt und blitzeblank ist.
Ich kann Dich nur allzu gut verstehen wie erschlagend es für Dich sein muß eine sehr lange gelebte Existenz für die große Ungewisenheit auf-
zugeben, aber letztlich denke ich das es gut war das Du beschlossen hast aus der Wohnung Deiner Mam auszuziehen. Bin mir sicher das wenn Du geblieben wärest hättest Du es nicht auf Dich genommen all ihre Sachen in Kartons zu vefrachten, und hättest warscheinlich den Rest Deiner Tage in ihren Schuhen gelebt.
Liebe Gerlinde, auch wenn nicht Alle von uns nach dem Tod ihres Lieblingsmenschens umziehen mußten, denke ich das ein Jede von uns dieses beängstigende Gefühl vom völligen Freifall in die Ungewissenheit kennen gelernt hat. Wie überwältigend besonders am Anfang das Regeln des Nachlasses ist nebst dem Auflösen eines einstigen Lebens was nun nicht mehr vorhanden ist. Wie beängstigend es ist auch finanziell plötzlich keinen festen Boden mehr unter den Füßen zu haben und jeden Tag einen vollen Briefkasten zu haben mit Nachfolgerechnungen und unerwarteten Extras.
Wieder einmal kann ich nur für mich selber sprechen da vermutlich ein Jede von uns ihre eigene Strategie entwickelte. Das Erste was ich ge-
macht habe war das ich mir aus dem Internet eine "To Do" Liste ausdruckte und sie zu der die mir die Bank gab heftete. Beide waren sehr aus-
führlich aber denn noch gut überschaubar da auf ihnen Schritt für Schritt stand was als Allerwichtigstes zu erst getan werden muß, und dann was danach anstand jeh nach Priorität. Etwas was ich Dir heiß empfehlen kann, denn mir hat es enorm geholfen Nichst zu versäumen, nicht den Über-
blick zu verliehren, und vor Allem half es mir zu verinnerlichen das ich tatsächlich nicht Alles innerhalb von wenigen Tagen zu schaffen hatte. Als nächstes machte ich mir jeden Abend vor dem Schlafengehen einen "Schlachtplan" für den nächsten Tag und schnell stellte ich fest das sich tat-
sächlich oft nur ein oder zwei Dinge von der Logistik her erledigen ließen, denn auch Behörden brauchen ihre Zeit um ihren Teil zu leisten.
Liebe Gerlinde, ich weiß Du kannst es Dir z. Z. nicht anders vorstellen weil Dich Alles noch mehr als erschlägt, aber wenn Du den Leuten mit denen Du es zu tun haben wirst ehrlich sagst das die Regelung des Nachlasses Deiner Mam großes Neuland für Dich ist, werden sie Dir nach-
sichtig, geduldig und entgegenkommend gegenüber stehen. Jedenfalls war das die Erfahrung die ich gemacht habe als ich vor zwei riesigen Trümmerhaufen stand und von Nix Ahnung hatte - einen in Deutschland und einen in England. Seit dem Tod meines Mannes sind nun gut 4 Monate vergangen, und ich kann inzwischen sagen das bis auf zwei Sachen im Ausland Alles seinen Weg gegangen ist und gut geregelt ist. Du kannst es mir glauben das auch ich am Anfang so manche große Panik Attacke hatte, jede Menge Nächte vor lauter Sorgen nicht schlafen konnte und mich schon so manches Mal mein Haus räumen sah. Ja, und zum heutigen Tag würde meinem Mann die Kinnlade runterfallen - wo er mir kaum jeh was zugetraut hatte - wenn er nun vor einem Heizöltank stehen könnte der so gut gefüllt ist wie noch nie, wenn er sehen könnte das von Grundbuch bis Doppelsteuer wegen meiner ausländischen Rente Alles geregelt ist und gemächlich vor sich hin tickert ohne das Frau Schulden hat oder im Chaos versunken ist.
Ja, es mag Dir nun erst einmal den Boden unter den Füßen wegziehen das Du komplett von Null anfangen mußt Dir ein neues Leben aufzubauen, aber glaube es mir, es ist zu schaffen. Du magst niemanden in Deiner Umgebung kennen, aber was macht Dich so sicher das es dort keine netten Menschen gibt die Dir gut gesonnen sein könnten wenn Du es zulassen würdest? Was Deine neue Wohnung betrifft mag nun Alles fremd und ungewohnt sein, aber ich bin mir sicher das es nicht lange dauern wird bis Du Dich in ihr eingelebt hast. Erst in ganz winzigen Schritten, dann in etwas größeren. Sei einfach wenigstens ein bisschen geduldiger mit Dir selbst!
Ehe ich schließe um weiter zu wuseln möchte ich Dir noch sagen das es absoluter Quatsch ist das Du bedauerst das Du nicht an Stelle Deiner Mam gegangen bist. Denkst Du wirklich sie hat Dir Dein Leben geschenkt und Dich aufgepeppelt blos damit Du ihr großes "Werk" mit Füßen tritts? Du magst das warscheinlich nicht höhren wollen, aber ohne Zweifel wäre sie riesig sauer auf Dich wenn Du nun Nichst aus dem Leben machen würdest was sie Dir geschenkt hast. Genauso zweifellos wäre sie rieisg stolz auf Dich wenn Du nun Dein Leben in die Hand nehmen würdest um Deinen eigenen Weg zu gehen und Dein Ding zu machen.
Mein Mann wäre auch riesig sauer wenn ich aus dem Privileg noch am Leben zu sein - was ihm genommen wurde - Nichts Gutes machen würde. Ja, ich bin mir sicher das wenn er es könnte würde er mir einen riesen Tritt in den Hintern geben wenn er mich ständig als lebende Trauerweide herum schlurfen sähe die beschlossen hat sich selber an den Nagel zu hängen. Es mag komisch klingen, aber sollte man sich tatsächlich noch einmal auf der anderen Seite begegnen, würde ich es wollen das er mir sagen könnte wie stolz er auf mich war wann immer er mein Schaffen beobachtete. Das es ihm Spaß gemacht hat mich überall in meinem Leben von seiner Seite her zu begleiten weil es bei mir nie langweilig war.
In diesem Sinne mache ich jetzt Schluß um noch ein paar große Takte weiter zu wuseln, Dich in Gedanken dolle drückend,
Hanna