Liebe Amitola,
Dir erst einmal vielen lieben Dank für Deine ermutigende Post, die mir immer wieder sehr große Freude bereitet wenn ich sie lese.
Allerdings vermute ich nach dem Lesen Deiner letzten Mail das wir uns auf manchem Gebiet ein kleines bisschen misverstanden haben. Wenn ich an dem gewissen Abend zum Italiener gegangen bin machte ich das nicht nur in Memoriam meines Mannes, sondern auch um wieder einmal ein Kapitel der Vergangenheit zu verinnerlichen und abschließen zu können. Einst gingen wir dort recht oft gemeinsam hin, aber als er sich von mir trennte und nur nach Hause kam um mich zu terrorisieren erklährte er das Lokal zu seinem Territorium um dort ungestöhrt mit seiner Schnepfe telefonieren zu können. Natürlich etwas was die Besitzer die uns beide kannten mitbekamen und ich möchte nicht wissen was er denen erzählte um sein Handeln rechtzufertigen. Für mich sehr doof gelaufen da ich das Lokal sehr mochte und deren Essen auch immer lecker schmeckte.
So beschloß ich an dem gewissen Abend dort hinzugehen mit Gedenken an meinen Mann, aber auch um mir diese kleine nette Futter-Oase um die Ecke zurück zu erobern. Nach dem Motto ... wäre schön mich wieder dort wohl fühlen zu können wann immer die Lust auf Kochen fehlt und ich gerade einen Jeeper auf leckere Pizza habe.
Was die Vollkommenheit eines Menschens betrifft glaube ich nicht das es sie gibt. Wohl dem - wie Du und Dein Burkhard - die gemeinsam daran abreiten können, aber in meinem Fall hatte mein Mann gar kein Interesse daran sich auf Kompromisse einzulassen oder gar etwas an seinem Ver-
halten zu verändern. Warum auch? Wie Christine es so gut erkannt hat war er Meister darin die Menschen um sich herum und Situationen stehts zu seinen eigenen Gunsten zurecht zu manipulieren. Ein Mensch der kein Schuldgefühl besaß und wenn etwas in die Hose ging waren immer alle Anderen daran schuld.
Und liebe Amitola, mich quält bestimmt keinerlei schlechtes Gewissen ihm gegenüber. Habe leider nur ein sehr sehr niedriges Selbstwertgefühl was kein Wunder ist nachdem ich für so viele Jahre stehts klein gemacht und für hummeldumm gehalten wurde. Nachdem es immer wieder Theater gegeben hatte sobald ich mich ein kleines bisschen herausputzte. Entweder wollte er mir dann stehts an die Wäsche oder ich war das billige Flittchen. Ich weiß nicht ob Du das verstehen kannst, aber irgendwann gibt man den Kampf auf um einfach nur noch seinen Frieden zu haben. Wenn ich nun nicht vor lauter Wut brülle dann ist dem nur so weil es nicht in meiner Natur ist. Bin eher der Typ der Andere brüllen läßt wärend ich mir still schweigend eine Strategie ausdenke das Kind aus dem Brunnen zu hohlen. Kenne auch keine Eifersucht oder Rache. Kurioserweise zwei Dinge die meinen Mann stehts zur rasenden Wildsau machten weil er nur Aggressivität kannte wann immer ein Problem auf-
tauchte.
Wenn ich nun kein schlechtes Gewissen ihm gegenüber empfinde ist es weil ich weiß das ich alles menschlich Machbare bis zu seinem letzen Atemzug geleistet habe. Eher tue ich mich noch sehr schwer damit meinen Schalter umzulegen weil ich eben noch so sehr viel grauenvolles zu verarbeiten und zu verinnerlichen habe, und weil noch sehr viel Ungeklährtes vor mir liegt bis ich sagen kann das ich auf allen Ebenen in meinem neuen Leben gut angekommen bin. Ja, der Weg ist das Ziel. Mein gegenwärtiger Weg ist peu a peu das Vergangene sacken zu lassen und es abzuschließen - mit dem Ziel recht bald ein Leben ohne Altlasten zu leben. Wo mich nichts Ungeklährtes aus alten Zeiten mehr verfolgt und ich sagen kann ich bin wirklich bei mir selber angekommen.
Liebe Amitola, in diesem Sinne schließe ich Dich in Gedanken dicke drückend und Dir ein tolles Wochenende wünschend,
Hanna