Beiträge von Hanna63

    Liebe Amitola,


    Dir erst einmal vielen lieben Dank für Deine ermutigende Post, die mir immer wieder sehr große Freude bereitet wenn ich sie lese.


    Allerdings vermute ich nach dem Lesen Deiner letzten Mail das wir uns auf manchem Gebiet ein kleines bisschen misverstanden haben. Wenn ich an dem gewissen Abend zum Italiener gegangen bin machte ich das nicht nur in Memoriam meines Mannes, sondern auch um wieder einmal ein Kapitel der Vergangenheit zu verinnerlichen und abschließen zu können. Einst gingen wir dort recht oft gemeinsam hin, aber als er sich von mir trennte und nur nach Hause kam um mich zu terrorisieren erklährte er das Lokal zu seinem Territorium um dort ungestöhrt mit seiner Schnepfe telefonieren zu können. Natürlich etwas was die Besitzer die uns beide kannten mitbekamen und ich möchte nicht wissen was er denen erzählte um sein Handeln rechtzufertigen. Für mich sehr doof gelaufen da ich das Lokal sehr mochte und deren Essen auch immer lecker schmeckte.
    So beschloß ich an dem gewissen Abend dort hinzugehen mit Gedenken an meinen Mann, aber auch um mir diese kleine nette Futter-Oase um die Ecke zurück zu erobern. Nach dem Motto ... wäre schön mich wieder dort wohl fühlen zu können wann immer die Lust auf Kochen fehlt und ich gerade einen Jeeper auf leckere Pizza habe.


    Was die Vollkommenheit eines Menschens betrifft glaube ich nicht das es sie gibt. Wohl dem - wie Du und Dein Burkhard - die gemeinsam daran abreiten können, aber in meinem Fall hatte mein Mann gar kein Interesse daran sich auf Kompromisse einzulassen oder gar etwas an seinem Ver-
    halten zu verändern. Warum auch? Wie Christine es so gut erkannt hat war er Meister darin die Menschen um sich herum und Situationen stehts zu seinen eigenen Gunsten zurecht zu manipulieren. Ein Mensch der kein Schuldgefühl besaß und wenn etwas in die Hose ging waren immer alle Anderen daran schuld.


    Und liebe Amitola, mich quält bestimmt keinerlei schlechtes Gewissen ihm gegenüber. Habe leider nur ein sehr sehr niedriges Selbstwertgefühl was kein Wunder ist nachdem ich für so viele Jahre stehts klein gemacht und für hummeldumm gehalten wurde. Nachdem es immer wieder Theater gegeben hatte sobald ich mich ein kleines bisschen herausputzte. Entweder wollte er mir dann stehts an die Wäsche oder ich war das billige Flittchen. Ich weiß nicht ob Du das verstehen kannst, aber irgendwann gibt man den Kampf auf um einfach nur noch seinen Frieden zu haben. Wenn ich nun nicht vor lauter Wut brülle dann ist dem nur so weil es nicht in meiner Natur ist. Bin eher der Typ der Andere brüllen läßt wärend ich mir still schweigend eine Strategie ausdenke das Kind aus dem Brunnen zu hohlen. Kenne auch keine Eifersucht oder Rache. Kurioserweise zwei Dinge die meinen Mann stehts zur rasenden Wildsau machten weil er nur Aggressivität kannte wann immer ein Problem auf-
    tauchte.


    Wenn ich nun kein schlechtes Gewissen ihm gegenüber empfinde ist es weil ich weiß das ich alles menschlich Machbare bis zu seinem letzen Atemzug geleistet habe. Eher tue ich mich noch sehr schwer damit meinen Schalter umzulegen weil ich eben noch so sehr viel grauenvolles zu verarbeiten und zu verinnerlichen habe, und weil noch sehr viel Ungeklährtes vor mir liegt bis ich sagen kann das ich auf allen Ebenen in meinem neuen Leben gut angekommen bin. Ja, der Weg ist das Ziel. Mein gegenwärtiger Weg ist peu a peu das Vergangene sacken zu lassen und es abzuschließen - mit dem Ziel recht bald ein Leben ohne Altlasten zu leben. Wo mich nichts Ungeklährtes aus alten Zeiten mehr verfolgt und ich sagen kann ich bin wirklich bei mir selber angekommen.


    Liebe Amitola, in diesem Sinne schließe ich Dich in Gedanken dicke drückend und Dir ein tolles Wochenende wünschend,


    Hanna

    Liebe Christine,


    Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen wie Du das Verhalten meines Mannes beschreibst. Ein Psychopath der es echt gut drauf hatte seine Mitmenschen gnadenlos zu manipulieren um sie bis auf das Letzte auszunutzen ohne das sie es entweder merkten oder es einfach nicht in Anbetracht seiner Sonnenseite war haben wollten. Genau der Grund warum ich es nie schaffte die Koffer zu packen. Ja, er hatte das Manipulier-
    en und seelisch Erpressen so gut drauf das ich es über die Jahre nicht einmal merkte was er aus mir gemacht hatte - eben ein richtiges unschein-
    bares Hausmütterchen was sich kaum noch was zutraute, und ihm wie eine Marionette diente. Dies nachdem er - aus lauter Liebe versteht sich - es mir unmöglich gemacht hatte mein eigenes Geld zu verdienen, einen eigenen Freundeskreis zu haben und ein eigenes Leben an seiner Seite zu entwickeln.


    Als er noch berufstätig war fiel das nicht so auf weil ich mich stehts auf die wenigen Tage freute wo er mal wieder zuhause war, oder ich mit ihm mitreiste und unterwegs ständig viel los war. Eigendlich ging unser ganzes Drama erst los als er vor acht Jahren in Rente ging und Vollzeit zu-
    hause war. Liebe Christine, ich denke daß das was Du mir geschrieben hast sehr gut möglich war, aber wie Du auch sagtest ist es dennoch keine ausreichende Entschuldigung um sein Verhalten ungeschehen zu machen.


    Betrachte ich die Zeit nach seinem Tod fällt mir immer wieder auf wie sehr meine Traurigkeit, Wut aber auch ein positives nach Vorne schauen mich immer wieder schubartig befallen. So vermute ich daß das wenig mit richtig tiefer Trauer zu tun hat, sondern eben nur ein Verarbeitungspro-
    zess der gemeinsamen Vergangenheit ist wärend denen ich besonders in den letzten Jahren sehr viel Traumatisches durchlebt habe. Eine Zeit wo es Schlag auf Schlag kam und ich nie die Zeit und Ruhe hatte wenigstens das Eine oder Andere zu verinnerlichen und sacken zu lassen weil ich stehts zu funktionieren hatte um unsere Existenz aufrecht zu erhalten. Das merke ich daran das ich manchmal heftige Heulattacken bekomme ohne zu wissen warum, oder mich trotz gutem Schlaf den ganzen Tag völlig leer, übermüded und antriebslos fühle.


    Dennoch bin ich zuversichtlich daß das wieder gut werden wird wenn ich mir jetzt die Zeit lasse diesen ganzen Prozess durch zu machen, anstatt die häßliche Vergangenheit unter den Teppich zu fegen oder mich zu Dingen zu zwingen für die ich noch nicht so weit bin. Auch habe ich ange-
    fangen mir kleine Ziele zu setzen in Richtung Neuanfang und freue mich dann immer wieder riesig wenn sie erreicht habe. Es sind noch keine großen Schritte aber man sagt ja nicht umsonst oft genug das Kleinvieh auch Mist macht.


    Abschließend möchte ich noch hinzufügen das die lieben Menschen die ich durch dieses Forum kennen gelernt habe mir jetzt schon sehr gut ge-
    holfen haben an der Stange zu bleiben, die Zuversicht nicht zu verliehren und den Blick nach Vorne nicht aufzugeben.


    In diesem Sinne Dir alles Liebe dieser Welt,


    Hanna

    Liebe Christine,


    nicht umsonst heißt es ja gut Ding muß weilen, und so danke ich Dir von Herzen für Deine liebevolle und sehr ermutigende Post. Als ich sie vorfand war ich gerade dabei mir eine kleine Pause von den vielen Auslandsgesprächen zu gönnen die ich heute führen mußte um so manches gebacken zu bekommen.


    Du hast so sehr recht das sich meine Geschichte anhöhrt wie der Inhalt eines schlechten Filmes, und genau Das ist der Grund warum ich so oft nicht mehr weiß was ich überhaupt noch glauben kann wenn ich an meinen Mann denke, genau wie wenn ich dabei bin seine Vergangenheit zu durchforsten um mir den Boden unter den Füßen zurück zu erobern. Mit dem Ziel das die größten üblen Überraschungen irgendwann einmal aus dem Weg geräumt sind, denn fast täglich entdecke ich Neues über seine heimlichen Machenschaften die inzwischen kaum noch etwas mit seiner Zockerei im Internet zu tun haben.


    Liebe Christine, wenn meine Trauer nun eine so Schwierige ist hat es wohl sehr viel damit zu tun das es mir eben sehr schwer fällt mir seine Ge-
    dankenlosigkeit schön zu reden und sie zu entschuldigen, denn die Dinge die ich bisher über sein geheimes Doppelleben entdeckte habe waren definitiv keine kleine dumme Ausrutscher oder Sachen die er gemacht haben könnte unter einem moglicherweise starken Einfluß seiner Medika-
    mente. Eher sehe ich immer wieder anhand von erneut auftauchenden Fakten wie extrem geziehlt und berechnend er bis zu seinem letzten Atemzug gehandelt hat. Ja, und seine Pfleger sagten mir als ich nachfragte wie seine letzte Nacht verlaufen war, das sie sehr über seinen plötz-
    lichen Tod gestaunt hatten wo er doch noch so sehr present und voller Lebensfreude gewesen war. Leider eine Lebensfreude die er nicht mit mir teilte denn wann immer ich ihn besuchte fand ich ihn extrem geistesabwesend und übermüded vor. Als ob ihn meine Anwesenheit ordentlich an-
    strengen würden, bis zu einem Punkt wo er immer wieder vor meinen Augen einschließ.


    Liebe Christine, auch wenn all diese Dinge tüchtig an mir zehren arbeite ich nun hart daran mein eignes Leben neu aufzubauen, und muß sagen das hier im Forum einen wundervollen Platz gefunden habe der mir sehr sehr gut dabei hilft und mir immer wieder den Rücken stärkt. So danke ich auch Dir von ganzem Herzen das Du mich willkommen geheißen hast und wünsche Dir einen wundervollen restlichen Tag und Abend.


    Dazu alles Liebe dieser Welt,


    Hanna

    Liebe Petra,


    auch ich habe hin und wieder Deine Geschichte verfolgt. Gestehe aber das ich zwischendurch eine Pause einlegen mußte da mich die enorme Traurigkeit die aus Deinen Postings hervor geht immer wieder unendlich berührt hat. Es mag komisch klingen, aber es sind genau Deine Worte die mich oft meine Form von Trauer hinterfragen lassen.


    Eine Trauer die eben zu meiner völlig verdrehten Welt gehöhrt, im Sinne das so manches Mal dicke Tränen kullern wenn ich mit mir alleine bin oder ich heftig zu schlucken habe wenn unterwegs. Und dennoch würde man es mir nicht ansehen oder anmerken das ich auf den gestrigen Tag genau erst vor einem Monat Witwe geworden bin. Ich möchte so sehr gerne meine Trauer verarbeiten können wie die meisten anderen Menschen auch, aber irgendwie weiß ich meistens nicht einmal wo ich anfangen soll da sie so eine Sache ist die kommt und geht. Genauso gerne möchte ich ihn und unsere gemeinsame Vergangenheit loslassen können, aber auch das fällt mir sehr schwer weil noch so sehr viel um mich herum ist was es nicht zulassen will.


    Liebe Petra, wenn ich meinen Mann bis zu seinem Tod begleitet habe war das gewiß kein heroischer Akt sondern für mich eine große Selbstver-
    ständlichkeit als klar wurde das er sonst niemanden auf der Welt gehabt hätte der mit ihm diesen Weg gegangen wäre. Es war bestimmt keine einfache Zeit für mich, und ehrlich gesagt weiß ich nicht wie ich sie überstanden hätte wenn man uns nicht ein so tolles palliatives Pflegeteam zur Seite gestellt hätte, und wenn die Menschen im Krankenhaus und vor Allem im Hospiz nicht so wunderbar geleistet hätten. Ja, Menschen die nicht nur stehts für meinen Mann da gewesen waren sondern die sich auch die Zeit nahmen auf mich zu achten.


    Was das Hier und Heute betrifft hat bei mir leider noch lange nicht das Gefühl von großer Erleichterung eingesetzt und noch weniger ist es bei mir angekommen das ich nun wieder ein vogelfreier Mensch bin der nach Lust und Laune tuen und lassen kann ohne sich ständig rechtfertigen zu müssen. Es mag komisch klingen, aber z. Z. empfinde ich diese neue Freiheit noch extrem gewöhnungsbedürftig. Ich weiß nicht ob es Dir auch so ergeht, aber im Verlauf der Jahre hatte man sich ja eine Menge angewöhnt was nun nicht mehr paßt. Es mag komisch klingen, aber so manches Mal weiß ich echt nicht ob es härter war ständig für meinen Mann da zu sein oder nun meinen Alltag und all meine einstigen Angewohn-
    heiten völlig auf den Kopf stellen zu müssen.


    Liebe Petra, in diesem Sinne mache ich jetzt Schluß und würde mich freuen wenn auch Du Lust hättest weiterhin mit mir in Verbindung zu bleiben. Vielleicht können wir uns ja gegenseitig recht gut ermutigen den Weg nach Vorne zu finden und zu meistern.


    Sei in Gedanken liebevoll gedrückt,


    Hanna

    Hallo Allesamt,


    heute Nacht ist die Nacht der Nächte wo ich genau vor einem Monat den grauenvollen Anruf vom Hospiz um 04:00 bekam. Hätte nie gedacht das sich dieser eine Moment so intensiv in meine Erinnerungen reinfressen würde. Fahre seit dem stehts aus der Haut wann immer mein Handy klingelt auch wenn ich oft genug den Klingelton gewechselt habe.


    Ein weiteres Bild was mich immer wieder überall hin im Kopf verfolgt ist der Moment wo ich ihn zum ersten Mal tod vor mir liegen sah. Eigendlich schaute er aus als ob er nur dabei war ein Nickerchen zu machen und durch meine Anwesenheit aufwachen wollte. Das was mich aber nicht mehr los lassen will ist der er mit einem fast offenen Auge vor mir lag und was mich anschaute als ob es mich sehen könnte. Ich weiß nicht ob es Anderen auch so ergangen ist, aber für mich war es sehr traumatisch ihn als Toten vor mir liegen zu sehen obwohl man sich sehr viel Mühe gege-
    ben hatte ihn so "lebendig" wie möglich wirken zu lassen. Vielleicht weil es mir genau dann so sehr bewußt wurde das er meine Worte nicht mehr höhren konnte und die Hand mit der ich ihn streichelte nicht mehr auf seiner Haut spühren würde.


    Es mag kaltschneuzig klingen, aber ich würde sonst etwas geben um diese Bilder aus meinem Kopf los werden zu können, und nur noch an ihn als einst einen sehr sehr lebendigen Menschen zu denken.


    Dennoch raffte ich mich heute auf um meinen Termin bei der Bank wahr zu nehmen um einiges Finanzielles geregelt zu bekommen, und auch besiegte ich etliche innere Schweinehunde um heute Abend mit mir alleine essen zu gehen. Hatte einfach keine Lust auf ein lieblos zusammen gewürfeltes Abendessen bei Vollberieselung vor dem TV. So ging ich zu seinem kleinen Lieblingsitaliener der von mir aus gut zu Fuß zu erreichen ist, und habe mich dann so einsam wie noch nie gefühlt unter all den vielen fröhlichen Pärchen und Grüppchen von Menschen. Das Beste an der Situation war wohl das ich ein Glas Wein trank dabei ganz intensiv an ihn denkend und mich immer wieder fragend was der von meinem Besuch dort halten würde. Hatte immerhin aufgehöhrt ihn dorthin zu begleiten als ich erfuhr das er dort lieber alleine hinging um ungestöhrt mit seiner damaligen Geliebten per Handy herum zu balzen wärend der Zeit wo unsere Trennung schon voll im Gange war. Wenn ich heute Abend sehr bewußt dort hinging war es nicht nur um ein Gläßchen Wein auf sein Wohl zu trinken oder meinen Hunger zu stillen, aber vor Allem weil ich keine Hemmungen mehr haben wollte dort hin zu gehen blos weil es einst sein "Revier" war.


    Vielleicht habe ich mir heute auch zu viel auf einmal auf die Schultern gepackt wo ich nicht damit gerechnet hatte das mich dieses Datum so sehr belasten würde. Bin gespannt wie es mir morgen früh ergehen wird wenn der Wecker schrillt. Wenigstens habe ich jede Menge Wichtiges zu erledigen und mit etwas Glück wird mich das genug ablenken um nicht in das nächste Loch zu fallen.


    Euch alles Liebe dieser Welt mit allerherzlichsten Dank dafür das ich mit Euch auf dem wohltuendem Sofa sitzen darf,


    Hanna

    Liebste Amitola,


    wieder einmal habe ich mich riesig über Deine liebe Post und Worte sehr sehr gefreut. Es tut einfach unendlich gut sich mit Jemandem austauschen zu können der meine Gedanken und Emotionen versteht. So hoffe ich das Du und Dein Hundi eine schöne Runde drehen konntet, wärend ich heute Abend einfach nur die Flügel hängen ließ.


    Sehr gut haben mir Deine Worte über die Wege die wir gehen gefallen. Ich kann da noch ein gutes Motto hinzufügen was ich mir inzwischen sehr zu Herzen genommen habe wo mein Leben doch nun so sehr im Umbruch ist. Billy Idol sagte einst ... desdo weniger Gepäck um so weiter die Reise.


    Seit dem Tod meines Mannes habe ich schon hart und dabei sehr bewußt angefangen das Haus völlig umzugestalten. Wollte einfach nicht mehr mit der Vergangenheit leben die mich immer wieder an sehr traurige Momente erinnerte. Und mir immer wieder so ein komisches Gefühl vermittel-
    te als ob er noch einmal zurück kommen würde wo noch recht viele seiner persönlichen Sachen herum standen und lagen. Hätte nie gedacht wie schmerzlich aber auch sehr befreiend solch Prozess sein konnte. Erst heulte ich nur noch wie ein Schlo0hund nachdem ich unser einstige Eß-
    zimmer ratzfatz leer geräumt hatte, aber dann dauerte es auch nicht lange bis die Erleichterung einsetzte über das rasche Verschwinden von jeder Menge bedrückender Erinnerungen desdo länger ich an dem Raum arbeitete. Fast als ob Leben ins Haus zurück gekehrt war.


    Liebe Amitola, wie Du siehst gebe ich mir sehr viel Mühe stehts nach Vorne zu gucken, aber wie es Deine Wegbeschreibung so schön besagte, es wird nicht immer reibungslos und gut gelingen. Und ich denke auch das ich mich selber als Mensch nicht mögen würde wenn ich meine Vergangenheit und den Tod meines Mannes schon nach einem Monat komplett abgehakt hätte. Letztlich hat ein Jeder seine eigene Vergangen-
    heit die bei den allerwenigsten stehts ein Wunschkonzert war. Aber ich denke daß das auch gut ist denn die Höhen und Tiefen des Lebens sind doch genau DAS was uns als einzigartige Menschen ausmacht, oder?


    Ich bin da sehr zuversichtlich das es für mich auch wieder Zeiten geben wird wo ich wieder sehr viel Freude an meinem Leben haben werde, aber vermutlich wird diese erst dann kommen wenn die Vergangenheit gut verarbeitet und losgelassen ist. Und das ist sicherlich etwas was seine Zeit brauchen wird die ich inzwischen sehr bereit bin mir zu gönnen egal wie viel von ihr nötig sein wird um sagen zu können ... nun ist Alles gut.


    Morgen ist ein neuer Tag und wieder soll er glühend heiß werden. Wie geht es Dir bei der sommerlichen Hitze? Fragst Du mich kann ich nur wenig mit ihr anfangen - besonders wenn die Luftfeuchtigkeit groß ist. Ehrlich gesagt liebe ich den Sommer sehr, aber es müssen ja nicht gleich die Tropen sein, oder?


    Dir einen dicken festen Drücker und unendlich viele liebevolle Gedanken,


    Hanna

    Liebe Amitola,


    manche Menschen mögen sich enorm durch Esotherik und religiösen Glauben bereichert fühlen, aber ich kann nun 'mal leider weder mit dem Einen noch dem Anderen etwas anfangen.


    Habe ich heute erst wieder sehr stark gemerkt weil es heute genau einen Monat her ist seit mein Mann verstorben ist, und mir die letzen gemeinsamen Monate und die Zeit kurz nach seinem Tod erneut mit voller Wucht hochgekommen sind. Da half es auch nicht mich tüchtig beschäftigt zu halten und zu versuchen auf andere Gedanken zu kommen. Plötzlich fühlte sich Alles so present an als ob es erst vor ein paar Tagen passiert war samt der ganzen Achterbahn der Emotionen. Vor Allem wollte es mir nicht mehr aus dem Kopf gehen das ich wärend seiner letzten Wochen wirklich geglaubt hatte - anhand seines Verhaltens mir gegenüber - das am Ende doch noch Alles gut zwischen uns geworden war.


    Liebe Amitola, es tut mir leid das ich immer wieder davon anfange, aber es ist eben nun 'mal der große Knackpunkt der mich nun so belasted und es mich so sehr schwer macht loslassen zu können. Immer wieder zieht unsere letzte Begegnung in meinen Gedanken vorbei wie ein sich ewig wiederhohlender Film, und immer wieder höhre ich dann seine Stimme in meinen Ohren die von innerem Frieden, größter Liebe und Dankbarkeit sprach für all Das was ich für ihn getan hatte. Immer wieder versuche ich all Das auszuschalten, aber meist dauert es nicht lange bis es mich irgendwann doch erneut mit voller Wucht erwischt.


    Nun habe ich Dir 'mal wieder die Ohren vollgeheult, aber rein egoistisch betrachtet hat es auch gut getan nicht schon wieder Alles in mich hinein zu fressen. In diesem Sinne schließe ich Dir für Dein Gehöhr enorm dankbar seiend,


    Dir alles Liebe,


    Hanna

    Liebe Amitola,


    ehe mein geplanter Alltag losgehen kann war es mir wichtig Dir auf Deine liebevolle Mail zu antworten, Dir von Herzen für Deine Bemühungen dankend trotz großer Müdigkeit.


    Ich verstehe was Du mir sagst und weiß in meinem tiefsten Inneren das Du zweifellos Recht hast mit deinen Ratschlägen, aber ehrlich gesagt fällt es mir z. Z. immer noch sehr sehr schwer sie umzusetzen. Genauso schwer fällt es mir es zu verinnerlichen das es heute genau einen Monat her ist seit mein Mann verstorben ist, da seit dem mein Zeitgefühl sehr verschütt gegangen ist. Manchmal kommt mir Alles so vor als ob es erst gestern geschehen ist, andere Male als ob es vor einer ganzen Ewigkeit war. Ich weiß das die Zeit kommen wird wo ich mich und mein Leben so betrachten kann wie Du es mir geraten hast, aber zur Zeit ist eben Alles noch viel zu present und frisch um all Das was mich nun belastet und quält einfach so unter den Teppich zu fegen und zu tun als ob überall die Sonne wieder scheint.


    Hinzu kommt das ich erst jetzt merke - wo ein bisschen Ruhe eingekehrt ist - wie sehr mir dieses Jahr wirklich zugesetzt hatte. Wie sehr diese enorm belastende Zeit mich nun eingehohlt hat nachdem ich stehts die Starke und stehts gut Funktionierende sein mußte, die immer wieder ihre eigenen Emotionen runterzuschlucken hatte. Das merke ich daran das ich seit dem Tod meines Mannes unter einer massiven Eßstöhrung leide, oft losheule ohne zu wissen warum, und das ich mich meist unendlich müde und schlapp fühle. Immerhin ein Zustand der mit großer Warschein-
    lichkeit auch wieder vorbei gehen wird sobald der Boden unter meinen Füßen anfängt sich etwas zu festigen.


    Liebe Amitola, ich weiß auch das Vieles jetzt die letzten Zuckungen meiner endenden Vergangenheit sind, aber dennoch tue ich mich sehr schwer damit sie einfach so locker und flockig weg zu stecken. Und was das große Verzeihen betrifft bin ich mir sicher das ich es vielleicht eines Tages schaffen werde, aber wie schon gesagt ist Vieles zur Zeit noch zu present und es schon heute abhaken zu können. Und das gilt auch für die Be-
    statterin die ziemlich von Anfang über meine Situation und Einstellung Bescheid wußte. Und das mein Mann sich eine Bestattung ohne Religion, Esotherik und sonstige Schnörkel gewünscht hatte ... nach dem Motto er hätte eh Nichts mehr vom Hochglanzsarg und feinen Zwirn gehabt was nur sinnlos Geld gekostet hätte. Du kannst es mir glauben das ich trotz meiner bitteren Enttäuschung gut dafür sorgte das sein letzter Weg rund um seinen Wünschen entsprach - rosa Rosengesteck inklusiv womit die Bestatterin auch ein Problem hatte meinend das die Farbe eigendlich nur für Frauen passend wäre. Um dieses Kapitel zu schließen möchte ich noch hinzufügen das ich wohl zu den Menschen gehöhre die einen eng-
    lischen Spruch sehr zu Herzen genommen haben ... what you see is what you get. Und das gilt bei mir auch für menschliches Verhalten wo ich es schon vor Zeiten aufgegeben habe es mir schön zu reden um ein netterer Mensch zu sein. Sehe die Welt und meine Mitmenschen eben nicht durch die rosarote Brille aber das macht mich noch lange nicht zu einer verbitterten Person die keine 9 grade stehen lassen kann.


    In diesem Sinne schließe ich um zu gucken was ich dem heutigen Tag noch sinnvolles abgewinnen kann. Dir auch einen tollen und erfolgreichen restlichen Tag und alles Liebe dieser Welt dazu,


    Hanna

    Liebe Amitola,


    ich hoffe das Du und Dein "Wau" eine gute Runde gehen konntet. Hier in Berlin wäre das Wetter mehr als perfekt gewesen.


    Wärend ich auf Eurer wohligen Couch sitze bin ich dabei eine echt skurile Sache zu verdauen - eine die wohl auch gut zum Thema "verdrehte Welt" passen könnte. Dieses Mal geht es um die Bestatterin mit der ich es nach dem Tod meines Mannes zu tun hatte. Als ich ihr zum ersten Mal bei der Verabschiedung meines Mannes im Hospiz begegnete machte sie einen recht guten und seriösen Eindruck auf mich, aber nachdem sie zu mir ins Haus gekommen war um mit mir den Verlauf der Bestattung zu arrangieren dauerte es nicht lange bis sich ihre Haltung mir gegenüber sehr deutlich veränderte. Von der anfänglichst über-esotherisch-spirituellen Trauerbegleiterin wurde schnell ein recht eiskalter Klotz nachdem sie endlich kapiert hatte das an mir kein großes Geld im Namen der Würde zu verdienen war.


    Immerhin hatte sie mich oft genug mit Vorschlägen belagert wie man seine schlichte stille und anonyme Urnenbestattung richtig toll gestalten könne. Von meinem Dabeisein bei der Abhohlung vom Hospiz und der Einäscherung, der eigenhändigen Bemalung seiner Urne bis zu bombasit-
    schen Blumengestecken und einen riesen Korb von frischen Rosenblüten war ziemlich Alles dabei was man sich nur denken konnte was ins Geld gehen könnte. Ja, und um so mehr ich all ihre "Angebote" nicht annahm um so frostiger wurde sie mir gegenüber. So kannst Du Dir denken wie wütend ich war das sie es versäumte mir zu sagen zu welchem Zeitpunkt seine Einäscherung stattfinden würde, denn schließlich war ich nicht die Einzige die gerne zu dem Moment ein wenig inne gehalten hätten. Ihre lahme Entschuldigung war das sie mir eine SMS geschrieben hätte, diese aber vergaß abzuschicken.


    Ursprünglich war es unsere Abmachung das sie mir seine Sterbeurkunden und alle wichtigen orignale Unterlagen mir zu hause überreichen sollte, da ihr Büro sehr weit weg ist von mir und ich kein Auto habe. Ja, und ehe ich mich versah sollte ich selber zum Standeamt gehen um mir die Sterbeurkunden abzuhohlen. Sie würde mich dann dort treffen um mir meine Unterlagen wieder zu geben. Ehe ich mich versah stand ich mir weit über eine Stunde die Beine dort im Bauch weil sie mich immer wieder versetzte ehe sie endlich ankam. Ja, und als wir schon wieder draußen waren drückte sie mir einen dicken Umschlag in die Hand und eilte davon. Als ich nach Hause kam entdeckte ich das der Umschlag voller Foto-
    copien war samt seinem Reisepaß und zu meinem Schreck und Horror die Unterlagen zur Leichenschau meines Mannes die seine begleitende Ärztin im Hospiz aus durchgeführt hatte.


    Um eine lange Geschichte zu nun kurz zu fassen kullerten die wichtigen Unterlagen bei der Bestatterin herum und anstatt sich 'mal für ihre Schlu-
    dern zu entschuldigen wollte sie irgendwann bei mir vorbei kommen um mir die diese Dokumente in den Postkasten zu knallen. Als ich das ab-
    lehnte wurde sie noch richtig zickig mir einen langen Vortrag über ihren Zeitmangel machend. Ja, und nun der Knaller. Eigendlich sollte sie sich diese Woche bei mir melden um mit mir eine feste Verabredung abzumachen. Du wirst es nicht glauben. Heute Abend, als ich gerade mein Abendessen fertig gekocht hatte rief sie an - gegen 9 Uhr Abends - meinend sie wäre auf dem Weg zu mir um mir die fehlenden Unterlagen zu bringen. Wie sehr mir dabei die Lust auf mein Essen verging kannst Du Dir sicherlich vorstellen. Jedenfalls stand sie plötzlich bei laufendem Motor vor meiner Tür und drückte mir erneut einen Umschlag in die Hand. Als ich ihr sagte ich würde gerne auf meinem Eßtisch gucken wollen ob nun Alles komplett ist, zerrte sie den Inhalt mit richtig bissiger Miene aus dem Umschlag und drückte sie mir in die Hand, dabei beinahe den daneben stehende Blumentopf umhauend. Kaum bestätigte ich das Alles so war wie es sein sollte, raste sie auch schon los. Das Ganze ohne ein ... wie geht es Ihen ... schön das ich sie erreichen konnte ... geschweige denn ein ... es tut mir leid das ich etwas versäumt habe.


    Liebe Amitola, nun bin ich echt gespannt was sie mir für eine Rechnung schicken wird, denn ich habe echt keine Lust auf noch mehr Kladdera-
    datsch und schon gar nicht wegen einem Menschen der wohl in den Hinterbliebenen kaum mehr sieht als laufende Geldkühe. Bin froh wenn dieses Kapitel nach der Zahlung für die Bestattung entgültig abgeschlossen sein wird.


    Wenn ich diese Geschichte mit meiner verdrehten Welt verbinde ist es nur weil ich der Meinung bin das Bestatter sicherlich ihr Einkommen ver-
    dienen wollen, aber sind sie denn nicht in einem Geschäft was mit riesigem Herzschmerz, Leid und Menschlichkeit verbunden ist? Verrückt finde ich auch das diese Dame mir immer wieder allmögliche Versionen von Trauerbegleitung angeboten hat, aber dann selbst mit mir so völlig gefühls-
    los umgeht - für mich eben ebenso eine sehr verdrehte Welt in der sie zu leben scheint.


    In diesem Sinne wünsche ich Dir eine gute Nacht und eine tolle restliche Woche. Sei in Gedanken lieb gedrückt,


    Hanna

    Liebe Amitola,


    wieder einmal danke ich Dir von Herzen für all Deine lieben und dennoch oft genug sehr sachlichen Worte. Mache Dir bitte keinen Zeitstress wegen der Beantwortung meiner Postings. Wir alle haben eine emsiges Leben und müssen nebenher auch noch auf uns gut achten.


    Etwas was ich wärend der Zeit gelernt habe wärend der ich meinen Mann gepflegt habe. Nach dem Motto ... ich kann Dir nicht helfen wenn ich selber kaputt gegangen bin. Eine Erkenntnis die ich mir sehr zu Herzen nahm als ich kurz vor meinem ersten Nervenzusammenbruch stand und dadurch erkennen mußte das ich etwas an unserem Alltag deutlich zu verändern hatte. Seit dem nehme ich mein Leben und all Das was es bringt deutlich gelassener an - und kurioserweise geht dennoch die Welt um mich herum nicht unter.


    Wisse Dich liebevollst gedrückt,


    Hanna

    Liebe gute Amitola,


    wenn Du wüßtest wie riesig gerne ich Dich jetzt ganz doll und feste drücken würde wenn Du in meiner "greifbaren" Nähe bist, denn Du hättest meine seelische Landschaft echt nicht besser beschreiben können. Du hättest wirklich keine perfekteren Worte finden können die meine Gefühle gegenüber meinem Mann und meiner Einstellung unserer Beziehung gegenüber besser hätten ausdrücken können.


    Letztlich kein Wunder, denn ich wuchs in einem streng katholischen Land auf in der Geborgenheit einer sehr liebevollen und intakten Familie. Ja, meine Großeltern und Eltern warend für mich das ultimative Beispiel von liebevoller, sehr glücklicher und intakter Ehe - bis auf das der Tod uns scheide. Folgedessen stand es für mich fest das ich nur einmal heiraten würde weil ich den Mann für's Leben gefunden hatte anstatt mich auf den ersten netten Kerl einzulassen der mir einen Antrag machte. Selbst als ich meinen Mann kennenlernte und mich vor lauter Verliebtheit kaum noch zusammen halten konnte vergingen über 3 Jahre ehe ich rundum fest davon überzeugt war das er der Richtige war. Ja, und als ich mit ihm vor dem Traualtar stand waren meine Versprechungen keine leeren Worte die zum Hochzeitskleid paßten, sondern von ganzem Herzen und total be-
    dingungslos. Schließlich war ich ja nur bereit gewesen Jemanden zu heiraten dem ich ohne Zweifel mein Eheversprechen geben konnte.


    Und so hast Du es gut erkannt das ich im Verlauf unserer Ehe nie das Handtuch schmiß weil ich stehts glaubte das es noch etwas zwischen uns gab wofür es sich lohnte zu kämpfen. Als er mich dann wegen einer anderen Frau verließ und nur noch nach Hause kam um mit aller Wucht seinen Frust abzulassen weil ihm Hausverkauf und Scheidung nicht schnell genug gingen, wußte ich das der letzte Funken zwischen uns an dem ich mich noch festgehalten hatte entgültig erloschen war. So gebe ich es ehrlich zu das ich ihn nach seiner Diagnose nicht aus neu aufgeloderter Liebe wieder zurück nahm, sondern einzig und alleine weil ich mich für ihn und unsere knapp 20 Ehejahre verantwortlich fühlte. Der Umgang mit seiner immer schneller voranschreitenden Krankheit war für mich eine enorme seelische Belastung, weil ich mir jeden Tag und jede Nacht auf das Neue enorm viel Mühe gab ihn es niemals spüren zu lassen wie wenig ich wirklich noch für ihn empfand. Erst recht nachdem es klar war das er nicht aus lauter Reue zurück gekommen war, sondern weil ihn niemand als baldigen Pflegefall haben wollte.


    Liebe Amitola, an diesem Punkt angelangt wußte ich wie verlogen und hinterlistig mein Mann sein konnte, aber nie im Leben hätte ich es ihm zu-
    getraut das er im Angesicht seines immer näher rückenden Todes so weit gehen würde wie er es getan hat. Aufrichtige Liebe hatte ich schon lange nicht mehr von ihm erwartet und Dankbarkeit erst recht nicht. Aber am wenigsten rechnete ich mit solch gnadenloser Respektlosigkeit wo ich der einzige Mensch gewesen war der sich bereit erklährte ihm einen sehr angenehmen, schmerzfreien und sorglosen letzten Weg gehen zu
    können.


    So danke ich Dir von Herzen es für mich ausgesprochen zu haben. So weh es tut das der Mensch den ich einst so unendlich liebte nun für immer gegangen ist, fühle ich mich auch erleichtert das er mich nicht mehr in seinem Leben gefangen halten kann. Wann immer die große Traurigkeit hochkommt frage ich mich wie mein Leben heute aussehen würde wenn er noch da wäre, egal ob als Pflegefall oder gesunder Mensch.


    Und abschließend möchte ich noch hinzu fügen das es mir enorm gut tut mir meine Gedanken und Gefühle von der Seele schreiben zu dürfen die gelesen werden von Menschen die es wenigstens versuchen mich zu verstehen. Was mein hier und heute betrifft fällt es mir noch schwer los zu lassen, aber ich arbeite hart daran - genauso wie an dem wiederfinden meiner einstigen Lebensfreude. Wenn ich nun so gelassen und nüchtern über meine Alpträume schreiben kann, hat das vielleicht viel damit zu tun das ich mich jeden Morgen im Spiegel angucken kann ohne Schuldge-
    fühle und mit der Gewißheit das ich meinen Mann bis auf seinen letzten Tag so liebevoll, fürsorglich und wohlwollend wie möglich begleitet habe.
    Ja, ich habe unter dem Strich mein Wort ... bis auf das der Tod uns scheide ... mehr als eingelöst.


    Liebe Amitola, in diesem Sinne schließe ich hoffend das ich mein Sofaplätzchen noch ein Weilchen behalten darf, denn nüchtern betrachtet stehe ich ja noch ganz am Anfang meines neuen Lebens - und nicht zu vergessen ist das der Tod meines Mannes noch keinen ganzen Monat her ist.


    Ich drücke Dich in Gedanken innigst,


    Hanna

    Liebe Eva,


    Dir erst einmal allerherzlichsten Dank für Deine liebevollen Worte und Gedanken. Ja, ich hätte nie gedacht das ich mich in einem online Forum so gut aufgehoben und geborgen fühlen könnte. Besonders in Einem wo es doch um so sehr viel Tiefsinniges, Tragisches und Persönliches geht. So frage ich Dich erst einmal, wie geht es Dir?


    Wenn ich über meine Träume schrieb tat ich das weil sie so sehr auffällig anders waren als die wo sie sich um meinen Mann drehten. Wenn er mir bis zu seinem Tod im Traum begegnete waren das stehts Erfahrungen die sehr intensiv waren. Manchmal richtig komische Szenarien die mit unseren vielen gemeinsamen Reisen und Erlebnissen verbunden warend, aber viel zu oft waren es auch extrem intensive Alpträume in denen er mich immer wieder klein machte, oder dank denen ich die ganze häusliche Gewalt die ich zeitweise durch ihn kennenlernte erneut durchlebte. Als er durch seine Lungenkrankheit ein kompletter Pflegefall wurde, träumte ich viele Nächte das er nach mir um Hilfe gerufen hatte, oder das er im Sterben lag und ich Nichts für ihn tun konnte. Gerade die Letzteren waren oft so intensiv das ich davon mitten in der Nacht aufwachte und den Zwang hatte aufzustehen um nach dem Rechten gucken zu gehen. Und genau Dank all dieser sehr intensiven Erfahrungen finde ich es nun sehr eigenartig das ich nun überhaupt Nichts empfinde wenn er mir im Traum begegnet.


    Liebe Eva, ich weiß das ein Jeder von uns seine kleinen und etwas größeren Geheimnisse hat und sie auch haben darf, aber unter dem Strich denke ich das es schon ein riesiger Unterschied macht ob man jahrelang heimlich eine kleine Leidenschaft für etwas genossen hat oder dem Partner nicht jede einzelne Beziehungskiste der Vergangenheit gebeichtet hat - oder ob man jahrelang sehr bewußt ein sehr zerstöhrerisches Doppelleben geführt hat ohne einen einzigen Gedanken daran zu verschwenden wie sehr man seinen Mitmenschen dadurch schaden würde. Und damit meine ich nicht nur das Finanzielle, sondern vor Allem das Emotionale.


    Ob ich ihm eines Tages verzeihen kann ist etwas was die Zeit bringen wird. Sehe das leider sehr nüchtern da ich weder religiös noch esotherisch angehaucht bin. Wenn sich heut zu Tage oft eine tiefe Traurigkeit bei mir breit macht ist es weil mich ständig die Frage quält "warum?" wo wir von Anfang an ziemlich Alles hatten um ein sehr sehr glückliches Leben mit einander genießen zu können. Oft erschlägt mich auch die Frage ob ich nicht vielleicht doch überreagiert habe, viel zu viel in meine Entdeckungen hinein interpretierte oder etwas völlig misverstanden haben könnte. Dies weil ich es mir im Kopf und im Herzen einfach nicht wirklich vorstellen kann das der Mensch den ich glaubte so gut gekannt zu haben zu all diesen Dingen fähig war. Eben wie der Titel meines Threads besagt ... eine völlig verdrehte Welt mit der ich nun fast täglich konfrontiert bin.


    Liebe Eva, ehe ich schließe möchte ich noch hinzufügen das ich Menschen wie Dir so unendlich dankbar bin für's "zuhöhren", denn sicherlich wirst Du schon erkannt haben das ich eben in einer Situation stecke die gewiß kein leichtes Paket ist. Dies nebst der täglichen Konfrontation mit der Entgültigkeit.


    Ich wünsche Dir einen guten Start in die neue Woche und viel von der Kraft die wir letztlich alle in diesem Forum nun so gut gebrauchen können,


    Hanna

    Hallo Allesamt,


    erst einmal mein allergrößtes Mitgefühl an Ive und Cleocop denn ich möchte mir gar nicht erst vorstellen wie maßlos traumatisch Eure Erlebnisse waren, wo ich das Privileg hatte mich von meinem Mann verabschieden zu können ehe er am 23. Juni dieses Jahres friedlich und schmerzfrei nach schwerer Krankheit im Hospiz starb.


    Dennoch denke ich das jede Form von Tod seine eigene Gallerie von Traumas mit sich bringt ganz egal wie, wo und wann es passiert ist. Was für den/die Eine banal scheinen mag, ist für einen anderen Menschen der ihn/sie ewig verfolgende Alptraum. Ja, für die eine Person ist es das sie sich nicht von ihrem Liebsten verabschieden konnte, und für mich sind es die Bilder von gleich drei "entgültigen" Verabschiedungen. Das erste Mal als ich meinen Mann bis vor den Anaestesieraum begleitete ehe er eine Notoperation hatte wo kaum ein Mensch glaubte er würde sie überleben weil seine Lunge so sehr kaputt war. Dann ein zweites Mal erneut auf der Intensiv Station nachdem er wenige Tage nach der Operation einen milden Hirnschlag erlitten hatte. Und dann der Tag wo ich ihn im Hospiz besuchte und es ihm sehr schlecht ging. Jeden Morgen und Abend trafen wir uns auf Skype im Zusatz zu meinen Besüchern, und an dem Nachmittag - nachdem ich bei ihm gewesen war - rief er mich auf meinem Handy an mir sagend er wäre so sehr müde, und würde sich entweder am späteren Abend (wie schon so oft) erneut melden oder wie immer am nächsten Morgen. Als er sich aber am Abend nicht meldete dachte ich mir nicht viel dabei weil es nichts Neues war. Manchmal gaben ihm die Pfleger etwas Morphin gegen die Schmerzen und dadurch schlief er so manches Mal durch. Ja, und gegen 04:00 am nächsten Morgen klingelte mein Handy. Es war das Hospiz was mir mitteilte das er kurz vor dieser Zeit im Schlaf für immer gegangen war.


    Ich schreibe das Ganze nur um zu sagen das auch ein sich mehrmals wiederhohlender Abschied enorm traumatisch sein kann, weil man ja jedes Mal glaubt vor der Stunde aller Stunden zu stehen - und dann ist dem doch nicht so. Was mein Verhalten meiner Mitmenschen gegenüber betrifft wärend der Zeit die darauf folgte, beschloß ich von Anfang an mich nicht zu verkriechen, sondern stehts offen und ehrlich zu sagen wie meine Empfindungen waren. Leider auch die sehr häßlichen, nachdem ich wenige Tage nach seinem Tod entdeckte wie übel er mich belogen und hinter-
    gangen hatte wärend er mir die große Liebe und Dankbarkeit für meinen "Pflegedienst" bis zum letzten Atemzug vorgegaukelt hatte. Natürlich reagierten die Meisten heftig schockiert, aber danach dauerte es nicht lange bis man es für völlig ok betrachtete das ich als frische Witwe eben nicht im Trauerflor herum laufe, und nun hart daran arbeite mir ein komplett neues Leben aufzubauen. Ja, seit dem klopft es so manches Mal an meine Tür weil Jemand gucken kommen will wie gut/schlecht ich an der Umgestaltung unseres Hauses voran gekommen bin, um mit mir ein Käffchen zu trinken und mit mir ganz normal zu plaudern - oder mich auch 'mal zu drücken wenn die eine oder andere Träne rollt.


    Natürlich gab es auch Menschen die mir so manchen dummen Spruch lieferten - meine Mutter an erster Stelle - aber von Anfang an hatte ich be-
    schlossen so etwas nicht wirklich ernst zu nehmen. Nach dem Motto ... man kann es nicht Jedem recht machen und unter dem Strich muß man schauen wo man selber bleibt. Sich über Dummheit zu ärgern kostet sinnlos Kraft die man braucht um seine neue Situation zu meistern. Und wenn mich jemand gefragt hat wie es mir geht haben die Jenigen auch stehts eine offene und ehrliche Antwort bekommen.


    Abschließend möchte ich noch hinzufügen, das es mir selber dabei auch stehts deutlich besser gegangen ist als mich zu verkriechen oder irgend eine Fassade aufzubauen.


    Euch alles Liebe dieser Welt und Unmengen von Kraft,


    Hanna

    Liebe Amitola und Juttap,


    ich schreibe heute erneut wo Ihr mich doch so liebevoll auf Euer "Sofa" aufgenommen habt.


    Nun ist das Wochenende da und endlich herrscht ein wenig Ruhe um mich herum. Ein eigenartiges Gefühl, besonders wo die privaten Gärtne um mich herum voller Geselligkeit und Grillgeruch strotzen.


    Tagsüber hält sich meine Achterbahn der Gefühle eher in Grenzen da ich mich so viel beschäftigt und abgelenkt halte wie möglich, aber wo Viele sich die Nächte um die Ohren hauen, erwischt es mich meist jeden Morgen wenn mein der Wecker auf meinem Handy schrillt. Immer wieder fährt mir dann durch den ganzen Körper der Moment wo es in den frühen Morgenstunden klingelte und ich die Todesnachricht vom Hospiz bekam. Danach dauert es dann eine gefühlte Ewigkeit bis ich mich wieder eingefangen habe und mein Alltag los gehen kann. Habe schon den Klingelton verändert, den Wecker nicht gestellt aber ziemlich jeden Morgen erlebe ich das Selbe. Klingelt mein Handy nicht wache ich von alleine auf und kaum habe ich ein Auge offen geht das Kopfkino los was unaufhaltsam immer wieder diesen Moment und all Das was darauf folgte durchspielt.


    Neu ist auch seit einer guten Woche das fast jede Nacht früher oder später meinem Mann in meinen Träumen begegne. Meist als einen Men-
    sch der mich klein macht, mich auslacht oder der als ein Fremder auf mich zukommt mit dem man sich eben nur kurz auf eher oberflächliche Weise unterhält. Stehts so auftretend wie ich ihn bis zu seiner Erkrankung kannte. Mal jünger mal etwas älter, aber nie so alt und krank ausseh-
    end wie wärend des letzten Jahres seines Lebens. Eine Sache die angefangen hat mich sehr zu bedrücken weil in mir einen unendliche Gleich-
    gültigkeit ihm gegenüber zu herrschen scheint wann immer er mir im Traum begegenet. Keine Traurigkeit, keine Wut, keine Freude sondern eher so ein inneres Sein wie wenn man einem Nachbarn oder Arbeitskollegen über den Weg läuft und mit ihm ein paar nette Worte wechselt.


    So frage ich mich nun ob das gesund sein kann wenn man bedenkt das ich fast 20 Jahre meines Lebens mit diesem Mann geteilt habe.


    Euch viele liebe Grüße und mein großes Mitgefühl für all Das was Ihr verlohren habt,


    Hanna

    Hallo an Allesamt,


    .... ich würde gerne zu diesem Thema beitragen das Alles - und ich meine wirklich Alles - irgenwann leichter werden wird aber man muß es so wollen. Nichts wird leichter von alleine, und die Mitmenschen kommen auch nicht auf Einen zu wenn man es nicht zuläßt.


    Ich selber habe meinen Mann am 23. Juni dieses Jahres verlohren nachdem ich ihn über 3 Jahre zuhause gepflegt hatte, er erst ins Krankenhaus mußte und dann für seine letzten 2 Wochen ins dortige Hospiz kam. Obwohl ich von Anfang an wußte das mit jedem vergehenden Monat sein voraus sehbarer Tod immer näher kam, haute es mir dennoch den Boden unter den Füßen weg, als mein Handy in der Dunkelheit der frühen Morgenstunden klingelte. Danach saß ich eine ganze Ewigkeit auf meiner Bettkante wie gelähmt und versuchte verzweifelt mir einzureden das ich nur doof geträumt hatte. Ja, ich mußte das Hospiz anrufen um mich zuvergewissern das dem leider nicht so war.


    Kein Mensch weiß wie unendlich schwer es mir viel später des Tages ins Hospiz zu fahren und es zu verinnerlichen das die Kerze vor der Tür für meinen Mann leuchtete, wo wir am Abend davor noch mit einander telefoniert hatten und er mich bat ihm erneut frische Erdbeeren mit zu bringen. Zum Glück leistete das Personal vom Hospiz mehr als Großartiges um mich unendlich liebevoll und fürsorglich aufzufangen, da es bekannt war das wir keinen Freundes-und Bekanntenkreis oder gar Familie hatten die mir zur Seite gestanden hätten. Tage wo ich mir es überhaupt nicht vor-
    stellen konnte wie nun konkret mein Leben weitergehen sollte. Ja, ich funktionierte nur noch.


    All Dies obwohl unsere Ehe so grauenvoll schief gelaufen war - eine lange Geschichte die jetzt nich passen würde - und die letzten Jahre wir nur noch eine Zweckbeziehung lebten, stehts versuchend aus Allem das Beste zu machen. Dennoch habe ich mit ihm jeden Schritt mitgelitten, habe mein gesamtes eigenes Leben komplett an den Nagel gehängt um ihm seinen letzten Weg so angenehm, sorglos und best möglichst auch me-
    dizinisch versorgt zu ermöglichen. Vor Allem kämpfte ich sehr hart darum das er bis fast zum Schluß zuhause bleiben konnte. Eine Zeit wo sich Bekannte, Nachbarn und unser gesamtes Umfeld sehr rasch von uns verabschiedeten. Eine Zeit wo mein einziger Kontakt zur Außenwelt aus den palliativen Pflegern und immer kürzer und seltener werdende Huschen um die Ecke zum heimischen Supermarkt.


    Ich erzähle meine Geschichte nur um damit zu sagen das auch für mich nun ein völlig anderes Leben angefangen hat als ich es bisher kannte. Plötzlich stand ich vor so unendlich vielen neuen Aufgaben von denen ich immer dachte das ich sie nie bewältigen würde, und vor der Herausvor-
    derung mir einen ganz anders strukturierten Alltag aufbauen zu müssen, wo sich nun nicht Alles mehr einzig und alleine um die Pflege und rund-
    um Versorgung meines Mannes drehte. Nun hatte ich die Wahl. Entweder immer wieder von einem tiefen Loch ins Nächste rutschen, endlosem Selbstmitleid verfallen, mich aufgeben nach dem Motto ... nun ist Alles egal, oder mein eigenes Leben in die Hand zu nehmen. Ich wählte den Schritt nach Vorne, mit dem Gedanken das mein Mann auf mich schauen würde als Person die sich nicht unterkriegen läßt und ihr Leben wert-
    schätzt solange sie es hat.


    Auch fragte ich mich irgendwann was mein Mann gemacht hätte wenn ich zuerst gegangen wäre. Ich denke er hätte eine Weile getrauert und sich dann auch ein völlig neues Leben aufgebaut. Vermutlich hätte er erst einmal alles Wichtige und Nötige in Ordnung gebracht, und sich dann unser Haus nach seinen Bedürfnissen und seinem Geschmack eingerichtet. Ja, ich glaube er hätte nicht lange gebraucht um sich im prallen Leben wieder zurück zu melden. Und ehrlich gesagt wäre ich sehr froh gewesen wenn er es so gemacht hätte, denn letztlich ist jedes Leben ein Geschenk was man nur einmal bekommt. Könnte mir Nichts grauenvolleres vorstellen als im Trauerflor alt und schrumplig zu werden und mich auf meine letzten Tage fragen zu müssen ... das kann doch nicht Alles gewesen sein?


    Ja, ich habe oft Momente der tiefen Traurigkeit, aber ich helfe mir wieder auf die Beine indem ich angefangen habe unser einstiges Haus zu meinem Zuhause zu machen. Ehe ich schlafen gehe sehe ich zu das mein nächster Tag gut geplant ist, und das ich mir etwas vorgenommen habe woran ich Spaß und Freude haben könnte. Die Motivation die mich davon abhält sinnlos in den Tag hinein zu dödeln. Und was die Mensch-
    en um mich herum betrifft, habe ich schnell gemerkt das man gut zu mir zurück gefunden hat weil ich mit dem Tod meines Mannes sehr offen und ehrlich ihnen gegenüber umgegangen bin. Vermutlich ziehen die Meisten sich zurück weil sie nicht wissen wie sie mit uns Hinterbliebenen umge-
    hen sollen, und fühlen sich enorm erleichtert wenn man ihnen klare Ansagen liefert. Sogar wenn man ehemaligen Bekannten sagt ... ich würde mich gerne mit Dir treffen aber brauche noch etwas Zeit für mich bis ich Geselligkeit oder gar Freundschaft wieder zulassen kann.


    Euch Allen alle Kraft dieser Welt um diesen Schritt nach Vorne von Herzen zu wollen, und den Glauben an eine deutlich leichtere Zukunft nicht zu verliehren,


    Hanna

    Liebe Amitola und liebe Juttap,


    wenn Ihr wüßtet wie wohlig ich mich auf Eurem Sofa fühle - wie eine laut schnurrende vollgefressene Katze. Bin ganz hin und weg das es tatsächlich Menschen gibt die mich nicht für mein Denken auf den Scheiterhaufen jagen würden - eine Erfahrung die ich leider machen in der realen Welt machen mußte.


    Als mein Mann ins KH eingeliefert wurde und es nach seiner Notoperation und einem darauf folgendem milden HIrnschlag klar war das er nie mehr nach Hause kommen würde, fing ich an erst seinen Platz im Badezimmer leer zu räumen, dann seine Schuhe im Hauseingang. Einfach nur um es verinnerlichen zu können das er eben nicht in wenigen Tagen wieder nach Hause kommen würde. Ja, und kaum hatte ich das meiner Kousine erzählt - zu der ich jahrelang eine sehr gute Beziehung hatte - beschimpfte sie mich als morbide, kaltschneuzige Ziege der so etwas nicht zustand wo mein Mann ja noch am Leben war. Als die Nachbarschaft sah das ich das Eine oder Andere in die Garage räumte folgte darauf nur stilles Kopfschütteln und ein mir aus dem Weg gehen. Um meiner Traurigkeit entgegen zu steuern die stehts wie Pattex an mir klebte wann immer ich aus dem Hospiz nach Hause kam, pflanzte ich lauter kunterbunte Blumen in die Kübel am Hauseingang. Prompt meinte eine Nachbarin daß das doch gar nicht passend wäre in Anbetracht meiner traurigen Situation. Ihr hättet deren Blick sehen sollen als mir dazu nur der Satz einfiel ... ja, leider gab es keine schwarzen Petunien im Sortiment.


    So möchte ich heute besonders Dir, Juttap, sagen das Du den Nagel nicht hättest besser mit Deinen Worten auf den Kopf hauen können. Es stimmt das ich schon seit recht vielen Jahren den Mann riesig vermißt habe in den ich mich einst hoffnungslos verliebt hatte. Der Mann der auch hier und da - wenn auch immer seltener - erneut zum Vorschein kam, und mich glauben ließ das da doch noch was gehen könnte. Wann immer ich kurz davor stand die Scheidung einreichen zu wollen, kam immer wieder der Mann zum Vorschein den ich so sehr geliebt hatte. Und als er schwer erkrankt von seiner Affaire zurück kehrte war es kein Thema für mich da sich ihn auf seinem letzten Weg begleiten würde. Allerdings nicht mehr aus lauter Liebe, sondern weil ich mich ihm und unserer knapp 20 jährigen Ehe verpflichtet fühlte. Der Zeitpunkt wo ich beschloß mich vom "wir" und "uns" radikal zu trennen da ich kein zweites Mal durch die selbe Hölle gehen wollte die ich erlebte als er sich von mir trennte. Schließ-
    lich wußte ich ja nun das es eine Frage der Zeit sein würde bis er für immer gehen würde. Kein Mensch um mich herum wollte das verstehen, aber wenn ich heute zurück blicke bereue ich es nicht, denn dadurch lernte ich recht schnell den Übeltäter vom schwer Erkrankten zu trennen. Lief Alles einigermaßen gut lebten wir wie Bruder und Schwester zusammen. Ging es ihm schlecht war er für mich ein Mensch in großer Not der meine Hilfe brauchte und auf diese zu jeder Stunde des Tages und der Nacht zählen konnte. Etwas womit er warscheinlich nie klar gekommen war denn als er wieder nach Hause kam dauerte es nicht lange bis er erwartete das zwischen uns Alles wieder so sein würde wie immer.


    Dazu möchte ich hinzufügen das es einen gravierenen Grund hatte warum ich seine Affaire als unverzeilich bis heute betrachte. Für mich wäre es anders gewesen wenn er mich für eine Frau verlassen hätte an die er sein Herz verlohren hatte, und wenn er mich zumindest menschlich normal behandelt hätte wann immer er zwischendurch nach Hause kam. Stattdessen kam heraus das diese Frau laut seiner Worte nur ne tolle Nummer im Bett war und man ja die selbe Generation sei. Stattdessen lernte ich wärend dieser Zeit die gesamte Pallette von häuslicher Gewalt kennen, denn wann immer er nach Hause kam tyrannisierte er mich ohne Ende weil ihm Hausverkauf und Scheidung nicht schnell genug gingen.


    Wie schon gesagt, ja, wenn bei mir ein paar Tränen rollen dann ist es mein Vermissen des Menschens den ich einst kennen und lieben lernte, und eine enorme Traurigkeit darüber das wir Beide ein so unendlich tolles Leben hätten haben können wenn er es nur gewollt hätte. Und noch weniger komme ich damit klar das er mich so maßlos dafür gehaßt hat das ich ihm die einstige große Liebe nicht mehr nach seiner Affaire schenken konnte. Schließlich war das ja nicht nur ein kleiner doofer Seitensprung gewesen sondern eine Situation wegen der er bereit gewesen war nicht nur mich sondern auch unsere gesamte Existenz gegen die Wand zu fahren.


    Was meine Erleichterung betrifft hält die sich noch sehr in Grenzen. Sicherlich genieße ich es nun sehr wieder ein freier Mensch zu sein der nach vielen Jahren wieder über sein Leben unbegrenzt entscheiden darf, aber dennoch komme ich nicht von dem Gedanken weg wie hoch der Preis dafür war. Seit er verstorben ist habe ich angefangen unser Haus komplett zu sanieren, weil für mich harte Arbeit schon immer gute Therapie war. So macht es mich nun auf einer Seite enorm stolz wenn mir etwas gut gelungen ist, dann aber auch wiederum sehr traurig weil der Mensch den ich einst so sehr liebte nicht mehr da ist um den Erfolg mit mir zu teilen und zu genießen.


    Nun habe ich Euch aber ewig lang vollgequatscht, aber so egoistisch es klingen mag hat es auch echt gut getan. So schließe ich Euch Beiden einen tollen Tag wünschend und vielleicht auf bald einmal wieder,


    Euch alles liebe,


    Hanna

    Liebe Amitola,


    erst einmal Dir einen herzlichen Dank für Deine verständnisvolle Anteilnahme. Hat besonders gut getan nach einem stressigem Tag auf dem Bürgeramt um dort seine Sterbeurkunde abzuhohen, und dann der Besuch bei der Bank anschließend wo ich doch auf dem Gebiet überhaupt keine Expertin bin. Und am Abend entdeckte ich dann noch wie sehr die Aasgeier schon mit den Flügeln rasseln, als ich Post von seiner Ex-Frau bekam.


    Liebe Amitola, wenn ich heute nicht mehr weiß wo meine Gefühle eigendlich noch hingehöhren ist es weil der finanzielle Horrortrip eher noch das Wenigste ist, denn irgendwann wird auch der letzte geschuldete Zaster abgestottert sein. Ich hatte schon lange vermutet das ich nur der schnelle und bequeme Ersatz für ihn war, als sich seine damalige Frau sich von ihm ohne zu Fackeln scheiden ließ. Die Mutter seiner Kinder die er - wie ich erst Jahre später erfuhr - auch einen gigantischen finanziellen Supergau presentiert hatte. Damals aber nicht durch zocken sondern lauter völlig idiotischen Nebengeschäfteleien und ständig heimlich Kredite aufnehmend um ihr einen größenwahnsinnigen Lebensstiel zu bieten. Um eine lange Geschichte kurz zu fassen war er stehts der perfekte Blender der sich gut hinter seinem Beruf verstecken konnte und die Gabe hatte den Eskimos tonnenweise Eiswürfel zu verkaufen.


    Nun ja, was nun das Finanzielle betrifft hat es mich natürlich völlig aus den Socken gehebelt, aber irgendwann wird auch der letzte geschuldete Cent abgestotter sein. Mich quält nun am Meisten der Gedanke das er mir stehts die große Liebe vorgegaukelt hat und ich dabei letztlich nur Sinn zum Zweck war - bis zu seinem letzten Atemzug. So irre wie es klingen mag schaffte er es sogar im KH und Hospiz noch sich eine Dame anzulachen. Klagte ich bei ihm über deren ständigen Besücher wurder er sehr verteidigend und aggressiv, und das Personal betrachtete mich wie eine Übereifersüchtige wo er doch nur nette und aufmunternde Visiten bekam. Nachdem er verstorben war ging ich noch einmal ins Hospiz um die Kaffekasse abzugeben und um die für ihn reservierte Seite im Erinnerungsbuch zu füllen. Als ich die Seite aufschlug entedckte ich zu meinem Horror das diese Dame schon am Werke gewesen war - obwohl sie keine Angehöhrige war für die das Buch gedacht war. Sie hatte die ganze Seite voll gepackt und mitten drin ein Foto von meinem Mann was mir sagte das die Beiden auch noch regen Internet Kontakt hatten, denn das Bild war von einem heimischen Drucker auf Fotopapier hergestellt worden.


    Ja, und wenige Tage später, als ich einen der mir hinterlassenen Sticks der wichtige Informationen für meine Zukunft enthalten sollte fand ich eine Serie von Abschiedsbriefen die ich nach seinem Tod weiterleiten sollte. Der erste an seine Ex. Eine riesige Liebeserklährung und den Worten ... ich habe es mein ganzes Leben lang bereut das mich eine neue Beziehung davon abgelenkt hat viel mehr um unsere Ehe zu kämpfen .... kann es kaum erwarten Dich irgendwann auf der anderen Seite wieder zu sehen. Als ich dann mir seine back-up CDs anschaute entdeckte ich das er alle Fotos von unserem gemeinsamen Leben restlos gelöscht hatte, und nur die von seiner Ex, seiner Geliebten und seinen Kindern beibehalten hatte.
    Von mir gab es nur ein einziges Bild. Ein stark vergrößtertes von meinem Ausschnitt, aber Kopf und den Rest meines Körpers weggeschnitten.


    Liebe Amitola, da hast Du den Kern meiner Situation. Gerne würde ich um meinen Mann trauern können, aber in Anbetracht all dieser Dinge fällt es mir unendlich schwer es so zu tun wie es sein sollte. Eher quält mich oft das schlechte Gewissen das ich ihn bis heute noch nicht wirklich vermißt habe und das ich es so unendlch befreiend empfinde nun nicht mehr für ihn und seine Problem ständig zuständig zu sein. Wen es richtig weh tut dann sind es eher die Erinnerungen an die grauenvollen letzten Monate die oft genug in mir hoch kommen. Wie z. B. als ich neulich erneut ins Hospiz ging und mir der dortige Geruch in die Nase stieg. War völlig fertig nachdem ich gezwungenerweise an seinem Zimmer vorbei lief, die Tür offen stand und noch die bunte Zimmerpflanze auf dem Tisch stand die ich ihm kurz vor seinem Tod mitgebracht hatte. Ja, es fällt mir unendlch schwer mit der Entgültigkeit des Ganzens umzugehen, wann immer ich damit konfrontiert bin.


    Und deswegen bin ich nun so froh in diesem Forum so liebevolle Akzeptanz gefunden zu haben, denn bei einer realen Trauergruppe könnte ich mir selbiges nie vorstellen. Mit Freunden, Bekannten und Familie kann ich auch nicht wirklich darüber sprechen, weil ich schon zur Zeit seiner Pflege mit allem völlig alleine da stand. Der Freundeskreis war schon lange davor dank einer Kriese nach der Nächsten weggebrochen und Verwandt-
    schaft - außer meiner Mutter - hatten wir nicht hier in Deutschland. Naja, und Nachbarn sind oft schnell mit dem Be-und Verurteilen.


    So danke ich Dir und dem Forum hier ein kleines Plätzchen gefunden zu haben wo es sich gut anfühlt zu sein.


    Hanna

    Liebe Amitola,


    Dir allerherzlichsten Dank für Deine liebevollen und ermutigenden Worte. Es hat irre gut getan nicht als Unmensch betrachtet zu werden, weil meine Form von Trauer eben sehr anders ist als bei den meisten Menschen - dennoch aber warscheinlich genauso intensiv und quälend ist.


    Dir liebe Grüße und einen wunderschönen Tag,


    Hanna

    Hallo Allesamt,


    ich weiß nicht ob hier ein Stuhl für mich frei sein wird da meine Situation nicht verrückter sein könnte. Nach knapp 20 Jahren Ehe - die seine Höhen und Tiefen hatte - verstarb mein Mann am 23. Juni dieses Jahres nachdem ich ihn für gute 3 Jahre als schwerst Lungenerkrankten gepflegt hatte. Sieben Monate vor seiner Diagenose hatte er mich für eine andere Frau ver-
    lassen, die ihn dann aber ratzfatz vor die Tür jagte als er seine Diagnose bekam. Ich nahm ihn erneut auf weil er mir elend leid tat und ich wußte das er sonst niemanden gehabt hätte der ihm zur Seite gestanden hätte.


    Als er verstarb haute es mir den Boden unter den Füßen weg, obwohl er inzwischen im Hospiz war und ich wußte das sein Tod eine Frage von Wochen oder gar nur Tagen war.
    Zwei Tage später jedoch kam der nächste Schock. Ging zur Bank um das Fiannzielle zu klähren und stand plötzlich vor leeren und haushoch überzogenen Konten. Wenig später entdeckte ich das er schon recht lange im Internet unser Geld ver-
    zockte. Supergau als ich entdeckte das er seine Zeit im Hospiz damit verbracht hatte, um auf sehr bewußte Weise seine Konten restlos zu leeren und haushoch zu überziehen.


    So quälen mich nun eine maßlose Traurigkeit das ich den Mann an meiner Seite nie wirklich kannte denn seit Dem entdeckte ich das er schon lange ein Doppelleben geführt hatte -
    , eine enorme Enttäuschung über sein so völlig gewissenslose Verhalten mir gegenüber, und ein riesiges Vermissen des Menschens in den ich mich einst so sehr verliebt hatte.


    In der Zusammenfassung ein tägliches hoch und runterrasen der gesamten Achterbahn der Gefühle.


    Was der Sache nicht weiterhilft ist das ich überall nur Menschen begegne die in aufrichtiger tiefster Trauer leben weil bei ihnen der Tod in eine "heile" Welt kam.


    Hanna