Liebe Anja,
was Du gerade durchmachst mag sehr hart sein aber es ist letztlich mehr oder weniger der selbe Durchlauf den wir hier alle überstehen mußten.
Vor der Bank brauchst Du keine Angst zu haben denn letztlich sind dort Menschen die nur ihren Job machen wollen und Dir mit etwas Glück ent-
gegenkommen werden.
Jedenfalls war das die Erfahrung die ich machte. Auch ich hatte einen höllische Angst davor da mein Mann bis zu seinem Tode alles Finanzielle gehandhabt hatte und ich keinerlei Ahnung hatte wie banking geht - geschweige denn online. Natürlich hat man mich nicht herzlichst in die Arme genommen und ein paar Strophen mit mir mit geheult, aber dennoch behandelte man mich auf sehr nachsichtige und dennoch professionelle Art und Weise. Ja, man druckte mir sogar eine "To Do" Liste aus für all Das was sofort zu erledigen ist nach einem Todesfall. Ich fand das sehr hilfreich, aber solche Listen gibt es auch im Internet wenn Du auf Google nach ihnen suchst. Es mag doof klingen aber so etwas hilft wirklich gut nicht den Überblick zu verliehren wann man wo etwas erledigt hat.
Und ich kann Dich sehr gut verstehen das es Dir nun doch sehr schwer fällt mit Dir alleine im Haus zu sein - oder überhaupt das alleinige Dasein. Aber Du wirst sehen das mit dem vergehen der Tage immer mehr Normalität eintreten wird und auch das Aufwachen jeden Morgen weniger und weniger bedrückend wird. Das sage ich Dir nur weil ich nach dem Tod meines Mannes stehts nach dem Klingeln des Weckers meine schlimmste Zeit hat. Vermutlich - genau wie bei Dir - weil man irgendwann feststellt das man leider nicht doof geträumt hatte sondern man wirklich plötzlich alleine dasteht. Und es dann nicht lange dauert bis die grausame Realität der Dinge wie ein schlechter Film in den Gedanken Revue passieren.
Auch kann ich mir gut vorstellen wie weh es Dir tut immer wieder auf all seine persönlichen Sachen zu gucken. Vielleicht der Grund warum Viele diese so bald wie möglich wegpacken oder gar entsorgen. Einst hatte ich einen riesigen Streit mit meiner Mutter als sie schon am Tag nach der Beerdigung all die Sachen meines Vaters anfing zu entsorgen. Heute kann ich es verstehen warum sie es tat denn das ist ein sehr schmerzvoller und grauenvoller Prozess - aber auch ein sehr erleichternder wenn man es geschafft hat. In gewisser Weise ist das auch ein Abschied nehmen und ein sehr konkretes Verinnerlichen das der Verstorbene tatsächlich nicht wieder kommen wird. Es kann auch heilend sein da man nicht mehr Tag für Tag von etwas konfrontiert ist was nie mehr sein wird. Meine Mutter sagte mir damals das wenn sie es nicht sofort getan hätte es mit dem Vergehen der Zeit nur noch schwerer geworden wäre.
Letztlich jedoch ist das etwas was einjeder für sich selber entscheiden muß aber scheinbar ist etwas wahres daran das es mit dem Vergehen der Zeit tatsächlich immer schwerer fällt - weil man so lange an Allem festgehalten hat und kaum noch loslassen kann.
Liebe Anja, ich mache jetzt Schluß denn auch ich werde morgen wieder jede Menge an Bürokratie zu bewältigen haben. Zum Glück ist mir inwischen eine recht dicke Haut gewachsen um mit dummen Sprüchen oder vermeintlichen Freundschaftsangeboten recht gut umzugehen. Morgen ist ein neuer Tag und ich bin gespannt was er uns Beiden bringen wird,
Dir alles Liebe,
Hanna