Liebe Anny,
ich möchte auch noch einmal etwas zu Deinem letzten Posting hinzufügen - zum Thema Mutter. Da können wir einander ja echt die Klinke reichen denn auch die Meinige hat oft das Mitgefühl eines "Betonpfeilers" wie Du es so herrlich beschrieben hast.
Vielleicht ist das so eine Sache die sich einfach entwickelt wenn man älter wird und seine eigenen Wege geht, bzw. das man zwar noch mit einan-
der gut verbunden ist aber dennoch irgendwie sich von einander peu a peu entfremded. Sich zwischendurch neu entdeckt und dann doch wieder getrennte Wege geht. Seit ich klein war wollte ich es meiner Mutter immer recht machen und mir immer wieder ihre Zuneigung erobern. Du kannst es mir glauben das ich sehr darunter gelitten habe das sie dies nur zuließ wenn sie gerade Lust darauf hatte. Momente wo sie auf einmal beste Freundin und Allesversteher war. Und natürlich fiel ich immer wieder auf sie rein jedes Mal glaubend das sie tatsächlich endlich zu mir ge-
funden hatte.
Eigendlich merkte ich schon als mein Vater verstarb wie sehr fremd wir einander letztlich geworden waren, denn zu dem Zeitpunkt gab es nur sie die das Recht hatte zu trauern und folgedessen gestaltete sie auch seine Bestattung so als ob es mich nicht gäbe. Einige Jahre später fand sie dann einen Partner mit dem ich überhaupt nicht klar kam. Bestimmt nicht weil ich ihn ihr nicht gönnte, sondern weil er mir wärend unserer zwei sehr kurzen Begegnungen als extrem dominan und arrogant erschien. Der Typ der stehts Alles besser wußte und für jedes Problemchen den passenden Experten kannte. Ja, und die Jahre wärend denen sie mit ihm zusammen war existierte ich so gut wie nicht. Und wenn wir uns in Berlin trafen quatschte sie mich nur mit der Großartigkeit dieses Typens voll oder versuchte mich an allen Ecken und Kanten klein zu machen. Das war dann auch der Zeitpunkt wo ich zu dem Entschluß kam das ich es meiner Mutter wohl nie recht machen werde - weil sie selber es gar nicht will. Liebe Anny, ich schreibe Dir all Das nur weil ich beim Lesen Deiner Zeilen immer wieder das Gefühl habe das Deine Mutter letztlich auch nicht besonders heiß auf eine enge Beziehung mit Dir ist. Sicherlich sehr sehr traurig wenn dem so sein sollte, aber leider auch eine Realität mit der man lernen muß leben zu können.
Wie gesagt, ich habe fast mein ganzes Leben gebraucht um es endlich zu kapieren, aber seit dem geht es mir deutlich besser wenn ich etwas Zeit mit meiner Mutter verbringe weil ich nichts Großartiges mehr von ihr erwarte. Und ich glaube sie hat das inzwischen auch verstanden denn wann immer wir uns sehen wird über allmögliches gequatscht außer sehr persönlichen Dingen - über Tod und Trauer schon gar nicht. Es mag hart klingen, aber obwohl ich sie immer noch sehr mag bin ich froh das ich sie und ihre Welt nicht gleich um die Ecke habe.
Ich kann es mir sehr gut vorstellen wie sehr es Dir weh tut das Deine Mutter so blockiert und so wünsche ich es Dir von Herzen das auch Du recht bald den Absprung finden wirst um damit deutlich besser leben zu können.
Sei liebevoll gegrüßt,
Hanna