Liebste Caro,
ich glaube ich weiß wovon Du redest, denn auch ich stand mehrmals vor den Ärtzen und mußten denen immer wieder bestätigen das keine lebens
erhaltenden Maßnahmen verabreicht werden sollen. Das erste Mal als er wegen einer Notoperation an der Gallenblase ins Krankenhaus eingeliefert wurde, und man mir sagte das er nur wenige Chancen Dank seiner schon sehr kaputten Lunge habe. Vor seinen Augen und ihm dolmetschend - da er kein Wort deutsch verstand - worüber gesprochen wurde mußte ich die Formulare unterzeichnen. Zu Aller Überraschung kam schaffte er seine OP und erhohlte sich auch auf sehr erstaunliche Weise ebenso schnell. Ja, und wenige Tage später, wo er wieder auf der Lungenstation war um sich von der OP gut zu erhohlen mußte ich mitten in der Nacht ins Krankenhaus rasen da er einen leichten Hirnschlag erlitten hatte und nun erneut auf der Intensiv Station lag.
Wieder mußte ich die gewissen Formulare unterschreiben, da man mit einem weiterem und deutlich heftigerem Hirnschlag rechnen mußte. Auch fragte man mich ob man ihm wenigstens Medikamente geben köne die dies verhindern könnten aber dennoch zu massiven Lähmungen führen könnten sollte sich der Supergau wiederhohlen. Auch da mußte ich wieder bestätigen das mein Mann das nicht wollte wärend in mir die Hoffnung tobte es könnte ihm vielleicht doch noch besser gehen. Ja, und eine Woche später wurde er ins Hospiz eingewiesen, und erneut mußte ich all diese Entscheidungen über sein Leben und seinen Tod treffen. Völlig alleine da stehend und mich immer wieder fragend ob ich Alles richtig ge-
macht hatte.
Liebe Caro, ich rate Dir Dich nicht weiter damit zu quälen ob Du richtig entschieden hast, denn die Uhr läßt sich leider nicht zurück drehen. Und bedenke auch das wenn Dein Schatz tatsächlich überlebt hätte, er mit großer Warscheinlichkeit nun schwerst behindert wäre. Das sage ich Dir nur weil die Ärzte meines Mannes mir das sogar prophezeiten im Fall eines weitere und heftigerem Hirnschlag. Zwar hatte mein Mann "nur" einen Leichten erlitten und hatte das Glück das nach wenigen Stunden die komplett seitige Lähmung und das Sprachproblem sich wieder lösten, aber das war auch der Tag wo er nicht mehr ohne fremde Hilfe sich bewegen konnte. Der Tag ab dem ich mehr oder weniger einen Fremden vor mir zu sitzen hatte mit dem ich mich nicht mehr normal unterhalten konnte, und der ab dann sein Lächeln - geschweige denn sein Lachen verlohren hatte. Der Tag an dem er seine Lebensfreude verlohr und man nur noch hoffen konnte daß das Grauen ein recht baldiges Ende finden würde.
Es mag hart klingen, aber für mich hat schon immer tiefe und bedingungslose Liebe bedeutet auch einen Menschen loslassen zu können. Egal ob man verlassen worden ist weil er einen neuen Weg einschlagen will, oder ob es eben der entgültige Abschied ist. Weißt Du, wenn man vor solchen Entscheidungen steht wie es un Beiden passiert ist stehe ich heute auf dem Standpunkt das es dabei kein richtig und falsch gibt. Letzt-
lich ist es die gegenwärtige Situation die entscheided wo es für sie keine Gebrauchsanweisungen gibt. Meist noch weniger den Luxus ewig hin und her zu überlegen, sich Rat hohlen und noch einmal zu überlegen. Etwas was Menschen die noch nie mit solchen Situationen konfrontiert wurden vorstellen können. Am wenigsten den enormen Druck der Verantwortung unter dem man dann steht.
Liebe Caro, wo Du Dich nun mit dem Holzhacken herum gequält hast, hatte ich mein Kreuz mit allem Finanziellem zu tragen, da dies schon immer mein Mann erledigt hatte. Der große Trost jedoch ist das man ziemlich Alles lernen kann wenn man es will/muß, und irgendwann gehöhrt auch Das zum neuen Alltag. Du magst lachen, aber inzwischen habe ich es mir bei neuen Herausvorderungen zur Angewohnheit gemacht mir zu predigen ... schlimmstenfalls geht es komplett in die Hose aber dennoch wird deswegen die Welt nicht untergehen. Ja, und dann klappt es meist auch - wenn auch erst nach mehreren Anläufen. Ich vermute das auch Du in einigen Monaten oder erst in einem Jahr zurück blicken wirst, riesig staunend was Du Alles geschafft und dazu gelernt hast. Etwas worauf Du dann riesig stolz sein kannst.
Das die plötzliche Einsamkeit sehr gewöhnungsbedürftig ist, ist wohl etwas womit ziemlich Alle hier im Forum zu kämpfen haben. Egal ob sie eine liebe Großfamilie um sich haben, Hobbies ohne Ende und obendrein noch berufstätig sind. Aber ich bin zuversichtlich das auch Das irgend wann ganz normaler Alltag sein wird. Ich weiß nicht ob es Dir auch so geht, aber ich habe gemerkt das es gar nicht 'mal so lange gedauert hatte bis sich bei mir peu a peu ein ganz neuer Alltag eingeschlichen hat. Er ist inzwischen sehr anders als zu Zeiten wo mein Mann noch lebte, aber Einer mit dem ich recht gut leben kann. Auch ich werde ständig mit seinem Tod durch den vielen Papierkram der noch zu bewältigen ist konfron-
tiert, aber wo mich das einst immer wieder riesig in den Keller gezerrt hat, ist auch das nun Teil meines ganz normalen Alltag. Du kannst sicher sein das ich ihn oft genug vermisse, aber irgendwie ist wohl doch nun die Tatsache bei mir angekommen das er für immer gegangen ist, und ich nun gucken muß wo ich selber bleibe. Nenne es Überlebensstrategien gegen die Aufgabe, das sich verkriechen wollen, gegen die Resignation.
Liebe Caro, ich wünsche Dir von ganzem Herzen das Du die so dramatischen Geschehnisse gut verarbeiten wirst, denn letztlich hast Du ohne Zweifel der damaligen Situation angemessen Alles richtig gemacht. Ich denke das ein Jeder hier im Forum immer wieder sagen könnte ... was wäre gewesen wenn, hätte ich doch blos, und vielleicht wäre .... Nackte Tatsache jedoch ist das sich die Uhr eben nicht mehr zurück drehen läßt und Alles seinen Weg gegangen ist wie es das Schicksal zu dem Zeitpunkt wollte.
Sei liebevollst gegrüßt,
Hanna