Hallo, liebe Frau im Nebel,
das machst du bitte nicht wieder, uns so im Ungefähren stehen zu lassen, wo man gerade etwas Zutrauen gewonnen hat. Wenigstens alle 2 Wochen ein kurzes "Piep, bin noch da" würde doch genügen. Der Heilige Geist über deinen Pfingstrosen und dein Blick ins Rindenauge deines Nussbaums, da musste ich mir mal eben auf die Schenkel klopfen und fiepen vor Lachen und ausrufen: Ja, das ist sie, Gott sei Dank. Und sie hat BRÖTCHEN mitgebracht - heul! Jaul!!!
Zu den "Stufen": Ich will doch niemandem sein persönliches Verhältnis zu irgendwelchen Geistesprodukten rauben. Den een sin Uhl is den annern sin Nachtigall, sagte ich ja schon. Ich habe ganz allgemein Probleme mit Produkten, die zu bekannt sind. Meist kennt man die und sonst nichts von dem Autor, Komponisten usw. Die Toccata c-moll von Bach gehört dazu oder die Fünfte von Beethoven (Tatata taaah). Von Hesse liebe ich ganz andere Sachen, die außer mir niemand zu kennen scheint, wir sprachen ja schon davon. Trotzdem kann für den einzelnen Menschen so ein Gassenhauer von großer Bedeutung sein. Ich fand meinen Weg zu Bach über das 3. Brandenburgische Konzert, da war ich ungefähr 13. Ein sehr schönes, aber auch sehr abgenudeltes Stück Musik, das ich immer noch sehr liebe, erstens der Musik wegen und dann, weil es diese besondere Bedeutung der Frühe für mich hat. Bei Gedichten habe ich eine besondere Macke: Nach Hölderlin, Storm und Rilke (und ein bisschen Trakl) kommt mir nichts mehr über die Türschwelle. Besonders Hesse nicht mit seinen Stolperversen. Aber wie gesagt: den een sin Uhl...
Dein Zusammenhang zwischen dem Horowitz-Zitat und mir ist ja halsbrecherisch. Viel zu viel der Ehre. Du nimmst wohl bitte nicht an, dass ich dich zum Beifallklatschen vermisst habe? Und 4 1/2 Wochen genießerisch gewartet habe, wo Horowitz nur 4 Sekunden zur Verfügung standen? Liebe Frau im Nebel, ich habe dich und deine herrlichen wirren Sätze vermisst, that's it! Aber nochmal zurück zu dem Zitat: Ich finde nicht, dass Horowitz Recht hat und die Verhall-Pause dem Künstler gehört: sie gehört der Musik! Sie gehört zu den letzten Takten, die gerade verhallt sind und noch in meinen Ohren klingen. Ein Hineinquatschen (im Radio) oder Hineinrufen ("Bravooo!") in diesen Zeitraum, der ja eine Zeitlosigkeit ist, ist barbarisch. Die Schlusstakte der Fünften sind so packend, da braucht der Hörer einfach eine Weile, um wieder zu sich zu kommen. Und dann klingt das ja auch noch nach, und man sollte so bald nichts Anderes hören.
Ich fürchte, den Gedanken von Roland Barthes musst du mir etwas erklären, ich steh' da ein bisschen auf dem Schlauch. Für mich sind Trauer und Liebe eh dasselbe. Wirklich schwer, in Worte zu fassen. Vor dem Tod das Wissen um die Vergänglichkeit und nach dem Tod das Übertragen der Liebe auf alles. Alles erhält diesen Duft, diesen Anstrich. Diese Stimmung, die du morgens auf dem Weg zur Arbeit erfährst. Trauer als Verlustangst? Na ja, schon möglich. Auch den Toten kann man ja noch "verlieren", vergessen, falls das gemeint ist.
Liebe Frau im Nebel, danke für deine frischen Brötchen - eine Menge Anregungen! Denk' an das "Piep!" nach 2 oder 3 Wochen, ja?
Tschüßi!