Liebe Hedi,
das ist sehr lieb, dass Du nachfragst
Der Termin mit denen ist supergut gelaufen! Hatte ich, ehrlich gesagt, auch nicht anders erwartet. Aber natürlich kann man sich mit solchen Prognosen auch manchmal täuschen. Das Schwierige war eben im Vorfeld, dass ein besuch des Hospizteams schon etwas sehr Eindeutiges bedeutet. Das war eigentlich das schwerste dran.
Sie sind am frühen Nachmittag gekommen. Meine Chefin hatte mir erlaubt, an diesem Tag von zu Hause aus zu arbeiten, was ich ihr hoch anrechne.
Und dann ist es im wesentlichen um Befunde gegangen und um Medikamente. Es hat sich herausgestellt, dass Rudis Schmerzmedikation nicht optimal ist. Dass er mit anderen Mitteln wohl mit weniger Wirkstoff mehr Schmerzfreiheit erreichen kann. Was natürlich gut ist, weil das weniger Belastung für den Organismus bedeutet.
Dann war auch noch die Rede davon, ob er einmal auf Kur fahren möchte (wird in solchen Fällen in der Regel bewilligt, heißt es). Wir haben über unsere Urlaubspläe gesprochen. Die Ärztin hat gesagt, momentan spreche nichts dagegen, aber wir sollen die neuesten Befunde abwarten (die kommen Anfang August). Und - was ich nicht gewusst hatte - manche Medikamente dürfen in manche Länder nicht so einfach eingeführt werden (Morphine wären das in Rudis Fall - die Schmerzmittel). D. h. man muss sich im Vorfeld erkundigen und eventuell eine Bestätigung mitführen (die sie auch ausstellen würden). Interessant, nicht?
Und dann ist es noch um seine Psyche gegangen. Die Krankenschwester hat sich da voll auf meine Argumentationsschiene gestellt und bestätigt, dass hormonelles Ungleichgewicht (das ja bei Rudi zur Eindämmung des Tumorwachstums künstlich hergestellt wird) sich ganz deutlich auf die Stimmung auswirken kann. Er hat dann gesagt, er merkt sowas bei sich nicht. Und die Krankenschwester hat gesagt, das kriegt man selber oft gar nicht mit, aber die Umgebung sehr wohl.
Bin natürlich ur froh, dass das von einer Expertin thematisiert wurde. Rudi hat das dann auch gut nehmen können. Er hat das Gespräch gut gefunden und mir auch gedankt, dass ich das organisiert habe.
So, das war jetzt eine ausführliche Beschreibung. Ich wollte einfach zeigen, wie ganzheitlich die arbeiten, wofür sie alles zutsändig und kompetent sind. Wirklich großartig!
Ich hatte dann gestern auch noch ein sehr ausführliches Gespräch mit dem Mann einer Freundin. Der ist Coach und als solcher eigentlich eher für berufsbezogene Thematiken zuständig. Aber er hat gesagt, dass da immer auch private Sachen besprochen werden. Klar - die spielen ja in den beruflichen Bereich stark mit hinein.
Was ganz toll ist: für Freunde macht er das gratis. Ich meine, nicht, dass ich es mir nicht leisten könnte - das ist nicht der Punkt. Aber es tut einfach so gut, sowas geschenkt zu bekommen, weil ich eine freundin bin, weil mir jemand einfach etwas Gutes tun will.
In dem Gespräch ist es auch drum gegangen, wieviele Krisen ich schon bewältigt habe (erstaunlich viele und komplexe, das war mir so in der Form gar nicht ganz bewusst). Es war irgendwie wie ein beobachten des bisherigen Lebens aus der Vogelperspektive. Ich habe da tatsächlich so etwas wie Hochachtung mir selbst gegenüber entwickelt: was ich alles bewältigt habe, wie gut die "Ergebnisse" sind, die ich erzielt habe, wie ich es doch immer wieder geschafft habe (trotz widriger Umstände) mir Hilfe zu holen. Vielleicht habe ich da sowas wie eine Begabung
Es hat auf jeden Fall sensationell gut getan. Nächste Woche gehe ich wieder hin. Habe mir unter "ressourcenorientiertem Arbeiten" bisher nicht viel vorstellen können. So wie er das macht, finde ich es aber echt gut - es ist eine tolle Ergänzung zu dem, was ich sonst so an Begleitung habe. Ich freue mich sehr über das, was sich da aufgetan hat.
Vielleicht schaffe ich es ja, mein Selbstbild in diese Richtung auszuweiten: dass ich kompetent darin bin, mir Hilfe zu holen. Dass ich viele Ressourcen habe, auf die ich mich verlassen kann: die Freude an meinem Job, den ich so liebe, die Freude am Singen und generell am künstlerischen und kreativen Gestalten, meine Neugier bzw. meinen Entdeckergeist (durch den ich mich auch in schwierigen Phasen für Dinge begeistern kann).
Wenn ich das präsenter habe, wenn es mir gewissermassen selbstverständlich wird, in Fleisch und Blut übergeht, dass ich so viele Ressourcen habe - ich denke, dann werde ich mir leichter tun.
Bisher habe ich ja vorrangig darauf geblickt, was ich NICHT habe (z. B. keinen familiären Hintergrund, der mich stützt). Die Defizite vor Augen zu haben ist ja auch wichtig, weil man dann klar sieht, wo es eine "Ergänzung" braucht.
Aber es besteht halt die Gefahr, darüber die Ressourcen aus den Augen zu verlieren. Und das ist nicht gut, weil es eiegtnlich zu einer Schwächung der eigenen Person führt.
So, jetzt habe ich viel geschrieben...
Danke für's Lesen. Und Euch allen einen so-gut-wie-möglichen Tag