So, hier ein kurzes Update von meiner Seite. Gleich vorne weg ein Hinweis für alle, die finden, Frauen sollten sich aufopfern, alles in Liebe und Demut (mit)tragen etc. - was hier folgt wird diesem Weltbild nicht entsprechen.
Ich war gestern wirklich schockiert davon, wie es mir in der Nacht zuvor ergangen war. Krämpfe, die mich geweckt haben und dann lange wach hielten - das war für mich etwas Neues und ein Alarmzeichen. Ich kenne diese Art Schmerzen von unter tags, in der Nacht hatte ich sie noch nie. Dazu wieder so ein wirrer Traum vom Ganz-Allein-Sein, vom Etwas-Unmöglich-Schaffen-Können... Wie soll man ohne Handtasche und Gepäck nach China kommen können? Überforderung pur.
Also habe ich beschlossen, Rudi davon zu erzählen. Das mit den Schmerzen hatte ich ihm schon am Telefon gesagt. Die Folge war, dass er nach wenigen Sätzen begonnen hat, latent aggressiv zu werden. Er hat sich von mir abgewandt, sein Tonfall wurde unangenehm - obwohl er eigentlich inhaltlich nichts gesagt hat.
Ich finde es einfach immer noch unfassbar, dass er es einfach nicht schafft, meine Nöte anzuhören. Ich habe ihm nichts vorgeworfen, ihn nicht beschuldigt.
Ich habe nur gesagt: ich glaube, ich schaffe das nicht mehr. Meine körperlichen Symptome machen mir Sorgen. Ich habe nicht mehr die Kraft, die es braucht, allein mit dieser Situation zurecht zu kommen.
Da hat er gemeint: welche Situation. Und er macht ja eh so viel Hausarbeit. (Stimmt, dass er das tut - aber aus freien Stücken, Hilfsangebote meinerseits lehnt er regelmässig ab, und ich leiste genauso meinen Teil wie er den seinen).
Ich habe es dann einfach nicht mehr ertragen, es war, als würden die Wellen über mir zusammenschlagen und mir den Atem rauben. Ich bin in ein anderes Zimmer gegangen und habe laut zu weinen begonnen, eine ganze Weile.
Dann habe ich mein Handy genommen, und mir alle Kontakte durchgesehen, wen ich in dieser Situation anrufen könnte. Zum Glück habe ich jemanden gefunden: eine alte Freundin, mit der ich sehr wenig Kontakt habe in den letzten Jahren - mit der ich aber schon einiges erlebt habe und der ich auch schon geholfen habe.
Sie hat ziemlich schnell gesagt, was ich auch von manchen anderen höre: schau auf dich, nicht dass du auch noch krank wirst. Sie hat sich Sorgen gemacht. Und sie hatte Gott sei Dank Zeit und hat mir zugehört. Das hat gut getan. Sie hat mich ernst genommen. (Von Rudi fühle ich mich nicht ernst genommen, wenn er fragt, welche Situation ich nicht mehr ertrage.)
Ihr Angebot dann, nach ca 15 Minuten Gespräch: ihr Mann ruft mich in ein paar Minuten zurück. Der arbeitet seit eingier Zeit als Coach, irgend ein systemischer Zugang - und es könnte vielleicht hilfreich sein, gemeinsam mit ihm einmal die Situation anzusehen. Schaden könnte es ja nicht. Und es sei eine Methode, die nicht an alten Traumata oder Verletzungen rühre, nicht zu großen Tränenausbrüchen führe - es gehe darum, die eigenen Ressourcen besser zu sehen und zu bündeln.
Also der langen Rede kurzer Sinn: ich habe mir für nächste Woche einen Termin mit ihm ausgemacht. Er sagt, für Freunde und Angehörige macht er das gratis. Ich war/bin ihm so dankbar dafür. Nicht, weil ich es mir nicht leisten könnte - aber weil es so schön ist, dass jemand meine Not sieht und sagt; ich helfe dir - einfach so, Nicht weil es meine Aufgabe oder mein Beruf ist. (Ich hoffe, Ihr wisst, was ich meine - es ist sowas wie ein Geschenk - und ich bin dankbar dafür, dass ich es bekomme).
Vielleicht kann ich so die Zeit während der Abwesenheit meiner Therapeutin etwas überbrücken. Und ich denke, es ist auch gut, einmal mit einem Mann das ganze anzusehen - vielleicht gibt es da ja doch andere Zugänge und Perspektiven.
Diese wunderbare Reaktion der beiden hat mich dann etwas beruhigt. Es war gut zu spüren: nicht alle wenden sich ab (so wie Rudi), wenn ich von meiner Bedürftigkeit spreche.
Ich meine: er hätte ja sagen können: es tut mir Leid zu hören, wie schlecht es dir geht - aber im Moment habe ich selber keine Kraft, um dir zu helfen.
Aber das ist nicht gekommen.
Letzte Nacht hab ich dann (mit einer längeren Unerbrechung) gut geschlafen. Ich habe dann versucht, mir die Situation analytisch anzusehen, und bin auf einen Gedanken gekommen: Rudi hat seine eigenen Probleme immer weggeschoben (damals mit der Firma, Gesundheitliches, schwierige Situationen mit Handwerkern - bis hin eben zur aktuellen Misere, da hat er auch 8 Monate gewartet, bis er mit seinen Symptomen zum Arzt gegangen ist).
Irgendwie zählt er mich wohl zu seinem erweiterten Selbst - d. h. meine Probleme müssen genau so weggeschoben werden wie seine. Sie machen Angst und deshalb dürfen sie nicht da sein. Und wenn ich sage: ja, aber sie sind da, sie schlagen sich bei mir körperlich nieder - dann wird er wütend. Eben weil ich seine Bemühungen, die Dinge wegzuschieben, torpediere. Dagegen muss er sich wehren.
Nie kommt die Frage: wie können wir es einrichten, dass es leichter ist für dich? Was könnte dir helfen? Was ist für dich besonders schwer?
Er bindet mich auch nicht ein in medizinische Vorgänge, sagt mir nicht, wenn er frügher zum Arzt geht als geplant, weil es ihm schlechter geht. Er lässt mich einfach außen vor mit meiner Versunsicherung, mit meinen Sorgen und Ängsten.
Nun, jetzt habe ich wenigstens eine Erklärung, warum er so abweisend reagiert, wenn ich sage, es geht mir schlecht. Es liegt nicht an irgendeiner Bösartigkeit seinerseits (das hatte ich sowieso nicht angenommen) - es liegt an seiner "Bewältigungsstrategie".
Wenn das stimmt, dann ist das für mich allerdings desaströs - weil es bedeutet, ich habe keine Empathie zu erwarten, nur Abwehr. Es gibt kein Gespräch, wenn es mir schlecht geht (und gestern ging es mir sehr schlecht) - nur Zurückweisung.
Das arge daran ist, dass ich vieles von dem erlebt habe, als meine Mutter todkrank war bzw. gestorben ist. Keine Informationen, allein bleiben mit rätselhaften Beobachtungen und schlimmen Ängsten. Niemand in der Familie bzw. deren Umfeld, der nach meinem Befinden gefragt hätte, der Empathie gezeigt hätte. Wichtig war allein, folgsam zu sein. Eigentlich so wie jetzt... zu funktionieren, keine Probleme zu machen, zu geben was man hat (und mehr als das) - ohne selber um eine "Kompensation" bitten zu dürfen.
Ich muss mir das noch genauer überlegen (vielleicht mit Unterstützung von geschulten bzw. erfahrenen Menschen), ob ich das tatsächlich so richtig sehe. Ob meine Probleme tatsächlich weggeschoben bzw. abgewehrt werden, ohne dass es irgend eine Form der Hoffnung auf Besserung gibt.
Klar ist auf jeden Fall, dass ich stärker als bisher auf Selbstschutz achten muss. Was immer das im einzelnen bedeutet. Aber so, wie es in letzter Zeit war, mit den wiederkehrenden Alarm-Träumen und den sich häufenden körperlichen Symptomen, kann ich es nicht weiter gehen lassen. Das bin ich mir selber schuldig.
Wenn es darum geht, wieviel ich mir zumuten darf bzw. wo die Grenzen sind, dann stelle ich mir gerne eine Frage:
Würde ich das, was mir zugemutet wird, bei jemand andren für zumutbar halten. Oder würde ich sagen: Stop - das geht so nicht.
In der derzeitigen Situation ist das völlig klar... Jedem anderen Menschen würde ich sagen: das ist nicht zumutbar, da wirst du ausgebeutet, gibt acht auf deine Gesundheit.
Und wenn ich es anderen Menschen sagen kann, dann kann ich es auch mir selber sagen.
So, das ist jetzt doch ziemlich lang geworden... Danke für's Lesen.