Beiträge von Hayat

    Hallo liebe Shady,


    ich möchte mich einfach nur meinen Vorschreiberinnen anschließen, Dich hier ebenfalls willkommen heißen und mein Mitgefühl teilen. Ich bin auch noch relativ frisch in diesem Forum und dankbar um die Möglichkeit, mich mit Menschen austauschen zu können, weil im Außen das Thema "Trauer" oft schwierig ist, insbesondere dann - wie zur Zeit bei mir - wenn durch einen Sterbefall eine ganze Lawine darunter liegender Trauer freigetreten wird.

    Das ich meine Verstorbene noch im Raum "hören zu können", geht mir beispielsweise im Haus meiner Großmutter bis heute so. Ich bin nach ihrem Tod nur noch wenige Male dort gewesen und obwohl es renoviert und umgebaut ist, höre ich sie immer noch von ihrer Treppe nach unten rufen...


    In unserem Landkreis gibt es ein vom örtlichen ambulanten Hospiz initiiertes Trauercafé für jüngere Menschen - vielleicht hat es bei Dir ja auch eine solche Möglichkeit?


    Was mir hilft, ist die Trauer auszuschreiben, zu benennen - und dafür ist dieses Forum ein wunderbarer Ort. Alles darf sein und benannt werden. Wut, Trauer, auch Freude (jawoll, auch die!), Nebel im Hirn und alles, was da noch so aufsteigen mag.


    Herzgrüße von

    Hayat

    Ihr Lieben,


    und es gibt auch eine eher stillere Freude.


    Ich besuchte gestern im Rahmen meines Ehrenamtes Frau H. im Seniorenheim. Vergangene Woche gab mir ein wahrer Engel in diesem Haus endlich einmal ein paar Ideen mit auf den Weg, wie ich der Dame eine Freude machen kann. Sie ist schwerhörig, dement, kann sich nicht mehr ohne Hilfe fortbewegen und beim Sprechen kaum zu verstehen. Dass sie Blumen liebt, habe ich bereits herausgefunden und als ich ihr einmal eine "Damals"-Zeitschrift mitbrachte, merkte sie angesichts Romy Schneider in jungen Jahren, Ingrid Bergmann, Grace Kelly, Udo Jürgens usw. sichtbar auf. Nun weiß ich endlich, dass sie Mensch-ärgere-dich-nicht gerne spielt und es liebt, Bälle einfach in die Luft zu werfen und möglichst wieder aufzufangen.


    Gestern war es hier einfach unerträglich heiß und ich empfinde das Szenario im Aufenthaltsraum mehr als bedrückend. So rufe ich in der Regel immer eine halbe Stunde vor meinem Kommen an, checke die Lage und lasse mir Frau H. fortbewegungsfähig machen und gestern schnappte ich mir die XXL-Ausfertigung von Mensch-ärgere-dich-nicht für Senioren und setzte mich mit ihr auf einen Schattenplatz der Dachterrasse. Dort ging ein leichter Wind, die Dame war noch in ihrem Zuhause und ich musste das Gekreisch, Geleier, Gesumm und die Gerüche nicht aushalten. Damit Ihr mich nicht falsch versteht: Ich liebe das Ehrenamt und bin regelmäßig in dem Heim, doch diese Station setzt mir einfach etwas zu - da sind die Extremfälle gerade potenziert und konzentriert auf einem Flecken einquartiert....


    JEDENFALLS sitzen wir beide am Tisch, das Spielbrett vor uns und ich mache dem Team innerlich eine lange Nase, die mich gebeten haben, der Frau um Himmelsheiligenwillen den Becher Wasser zuzuführen und sie WILL EINFACH NICHT und es ist meine Aufgabe, den Menschen Gutes zu tun und das kleine Verwöhnprogramm zu liefern... Ich lasse das Wasser Wasser sein und beginne das Spiel mit ihr. Hierzu die Basics: Würfeln!


    Wieder bekomme ich eine Lehrstunde des Lebens. Spiele mal ein Gesellschaftsspiel mit einem Menschen, der zwar im Außen den Stempel "Demenz" hat und im Innen, in dem, was für uns unsichtbar ist, ein klares Leben in seiner eigenen Welt führt und nach seinen Gesetzen lebt. Es klappte also nicht recht mit dem Würfeln. So setzte ich mich neben sie, zeigte ihr langsam und behutsam, wie das funktioniert, so einen Würfel (überdimensional groß) aufzuheben, mit den Fingern festzuhalten, vorsichtig die Hand umzuwenden, so dass der Würfel auf der Handinnenfläche zum Liegen kommt und ihn dann mit leichtem Schubs über den Tisch kullern zu lassen... Diesen Vorgang übte sie mit stiller Beharrlichkeit und ich musste dann irgendwann erkennen, dass die Spielkegel völlig unwichtig geworden waren und der Würfelvorgang ganz im Zentrum der Aufmerksamkeit stand. Zwischendurch erinnerte sich das Gehirn daran, dass da ein Spiel aufgebaut steht und sie ein paar Züge tun muss. Manchmal mit meiner Figur und auch rückwärts - und doch wusste ihr Gedächtnis noch aus der Erinnerung, ab welcher Position bestimmte Zahlen gesetzt werden. Während dieser zwei Besuchsstunden überkam mich ein so zärtliches Gefühl für diese liebenswürdige Dame, das mir ganz nah ans Herz ging. Es war eine Stille über uns, ein Frieden und ein Miteinandersein - fast fiel es mir schwer, nach Hause zu fahren. Ich bin dem Verständnis zu dementen Menschen jedenfalls ein ganz großes Stück näher gekommen und dankbar darum.


    Hayat

    Ich freue mich gerade unbändig über einen Sommer- und Trauerwegkahlschlag uffem Kopp! Die einstige Wallawallamähne wurde immer kürzer und nachdem ich vermutlich in einem Mix aus Wexeljahren, Trauer, Traumatherapie, Pflegejahren und sonstiger Überlastung binnen 3 Monaten signifikant und sichtbar sehr viele Haare verloren habe, habe ich mich heute für Rasiermaschine und ohrenfrei entschieden und trage nun einen echten Knabenkopf. Ich bin sooo glücklich mit der vielen Fluffluft ums Haupt! :8:


    die Hayat

    Speyer... Die Pfalz ist natürlich auch SEHR schön! Ihr bekommt dort ganz vorzüglichen Wein zu teilweise tollen Preisen...

    Im Umgang mit SOLCHEN Erkrankungen und Urlaub bin ich restlos unerfahren und inkompetent, möchte jedoch ermutigend erzählen , dass eine liebe Person meines weiteren Umfeldes mit Krebs und gegen den Willen des Arztes 14 wunderbare Tage in den Staaten verlebte.


    Und unser im November l.J. verstorbener Engelmann ist auch noch im finalen Stadium des Speiseröhrenkrebs mit Wohnmobil verreist .Nur Mut, Ihr habt nur dieses eine kostbare Leben!


    Hayat

    Liebe StillCrazy,


    Respekt, Hochachtung , Mitfühlen zu Dir hin. Ich lese Sorge , ich lese Wut auf den Krebs und eine enorme Energie "dennoch Ja zum Leben zu sagen. Ihr geht mit dieser unglaublichen Belastung und lebt so gut es eben geht damit... Bewegend!


    Herzlichst,

    Hayat

    Liebe Christine,


    der eine durchgeschüttelte Text entzieht sich leider meinem Perfektionismus, der Böse, doch Du umschreibst es ansonsten sehr zutreffend. Ich bin wirklich grad etwas aus meiner emotionsverschnürten und distanzgepolsterten Mitte geschossen - und ja - erlebe das als durchaus bedrohlich und befreiend. Insbesondere das gestrige kurze Telefonat mit einem Freund rührte tief, tief an. Wir beide sind ziemliche Verstandesmenschen und krösen mitunter für Außenstehende furchtbar anstrengend, ermüdend und mitunter nicht immer verständlich in irgendwelchen Tiefen und Abgründen herum und hatten unter uns immer ein merkwürdig angespanntes Verhältnis. Schon Zuneigung und Respekt voreinander und gleichzeitig Abwehr und Augenverdrehen bzw. Kopfschütteln, weil der eine dem anderen eigentlich "nur Gutes will". Und gestern von ihm zu mir dann plötzlich und unvermittelt ein wirklich von Herzen kommendes "Danke" für meine Beiträge und mein Engagement in unserer Musik- und Tanzgruppe. Diese Form des getanzten Gebets hat mir viele Jahre fast alles bedeutet und gerade von ihm habe ich mich nie gesehen gefühlt - und ich war mit ihm oft in der Vater-Übertragung, nämlich zu Rudern, zu Tun, zu Mengen und zu Machen und ständig abzuprallen, weil all die anderen Kinder mehr geliebt und gesehen werden und wurden als ich...


    Das Kraftpaket ist angekommen - holla, ich breche unter dem Gewicht fast zusammen ;-)


    Herzgrüß,

    Hayat

    Hallo liebe Krissi,


    nee Du, der beste Tod fühlt sich dennoch immer furchtbar an und was mir hilft, ist einfach zu benennen, auszusprechen, auszuschreiben und zu fühlen, was zu fühlen grad geht. (Therapeutische) Begleitung ist ganz hervorragend. Und sooo immens wichtig: FREUNDE!


    Da ich zur Zeit erfahren darf, dass die Trauer um konkret Verstorbene bei mir eigentlich nur einen eher geringen Teil ausmacht im Verhältnis zu dem, was mich in die Traumaarbeit führte, bin ich fast schon wieder beruhigt und arbeite so oder so mein Päckchen ab. Vielleicht geben dem die aktuellen Sterbefälle in meinem Umfeld noch ein bisschen Zunder und bringen meiner Schutzrüstung ein paar Risse bei. Auch wenn es weh tut - es ist an der Zeit und der aufkeimende Schmerz bringt mich nicht um.


    Herzgrüß

    Hayat

    Puh, ich bin ein Nordlandliebhaber und wir träumen schon länger von einer Reise an den Polarkreis. Von daher verfolgen wir auch so ein bisschen das klimatische Geschehen dort oben.


    Ich denke an Euch und wie vorhin geschrieben , gibt es kein Richtig und kein Falsch. Ihr macht gerade das für diesen Augenblick Angemessene und Richtige.


    Herzgruß,

    Hayat

    Liebe Krissi,


    mein Mitgefühl zu Dir hin ... So wie jedes Leben ist auch jedes Sterben besonders und einzigartig.


    Was ich rückmelden möchte ist, dass Ihr beide, sowohl Du als auch Dein verstorbener Partner, das in diesem unwiederbringlichem Augenblick und mit Euren Möglichkeiten in der Situation Bestmögliche getan habt. Es ist eigentlich gar nicht auszuhalten und dennoch gibt es kein Richtig, kein Falsch. Das Leben lebt seine eigenen Gesetze. Ich glaube, DAS zu akzeptieren, ist es, was es uns so schwer macht.


    Ich wünsche Dir viel Kraft und liebevolle, verstehende Menschen um Dich. Vielleicht gibt es an Deinem Wohnort ein Trauercafe? Bei uns wird es über das Ambulante Hospiz angeboten ohne jeden Gruppenzwang, Beiträge usw. Wer kommt ist da und mit seinem So-Sein willkommen.


    Sei herzlich gegrüßt von

    Hayat

    Danke... liebe Astrid,


    Du erlebst mich gerade mittelschwer errötend... Ist mir jedoch gerade mit dem Blick auf neu und so wichtig:


    Ich freue mich NATÜRLICH über Resonanz, doch ich erwarte sie nicht. Viele von uns sind noch frisch und wund in ihrer jeweiligen Trauer und auch ich traue mich noch nicht so recht zu den Menschen hier hin. Auch das braucht seine Zeit .


    Von daher erscheint es mir gerade ein bisschen vermessen, Rückmeldungen zu erwarten. Anders würde ich vielleicht empfinden , wenn ich ausdrücklich um Unterstützung oder Resonanz gebeten hätte .


    Das Schreiben ist bei mir immer beides: Fluch und Segen. Ich komme mir immer vor, wie ein orientalischer Lagerfeuererzähler in seiner epischen Breite und Tiefe und wo die Menschen bereits bei der Einleitung schon wegdösen, weil's zu lang wird...


    Um es abzukürzen ;-), ich freue mich natürlich über einen Austausch, doch erwarte ihn nicht und bin dankbar für all das, was mir in der kurzen Zeit hier schon zuteil geworden ist.


    Hayat:2:

    Und ich habe mich über ein sehr, sehr bewegendes Telefonat mit einem Freund gefreut und außerdem übe ich gerade mit der Gitarre ein arabisches Marienlied "Hazrat Bibi Maryam" - Worte = Heilige Mutter Maria, Friede sei mit Dir, sinngemäß jedenfalls. Ich habe es vor Jahren mal getanzt und gestern und heute fieberhaft und intensiv im Netz recherchiert und tatsächlich Noten und Akkorde aufgetrieben und sie in eine für mich spielbare Version transponiert - hurra! :8::5::8:


    Hayat

    Herzlichen Dank, liebe Blaumeise,


    das was Du sagst, schreibst, ist in jedweder Weise stimmig und richtig. Ich bin ja selbst auch durch den Wind. Ich hatte hier täglich das Kerzchen für sie am brennen und habe eigentlich nur gewünscht, dass sie friedlich gehen darf und nicht noch weitere Komplikationen auftreten - wissend und betrauernd, dass sie so jung ist. Mir ist in dieser Woche Grönemeyers "Der Weg" beinahe täglich durch den Sinn geklungen und mehr kann man dazu vielleicht auch gar nicht singen, denken, fühlen, tönen.


    Von Herzen:

    Hayat

    Liebe Nebelfrau,


    herzlichen Dank für Deine Rückmeldung. Tut gerade wohl.


    Ich bin schon so ein bisschen her und hin. Vor vielen Jahren war ich eine eifrige Mailinglisten- und Forenschreiberin und habe das Ganze irgendwann drastisch aufgegeben, weil ich lernen musste und wollte, dass "reale" Kontakte, also face to face, für mich und meine Kontakt- bzw. Menschenscheu gesünder und förderlicher sind. Andererseits ist das Schreiben das Medium, das mir mehr oder weniger das Leben erträglich gemacht und lange Zeit Kontakte zu Menschen überhaupt stressfrei möglich gemacht hat. Und mir ist das Schreiben an ein Du immer noch sehr wichtig, um das übervolle Hirn von Zeit zu Zeit zu entlasten.

    Auch ich kenne das, wenn in ein Forum/Mailingliste neue Menschen kommen mit der gleichen Berechtigung, Inspiration, Not, Bedürftigkeit, Freude, Inspiration usw. wie alle Altvorderen auch und ich glaube, es ist auch ein völlig normaler Prozess im Rahmen einer Gruppe, wenn die "Alten" erstmal etwas zusammenrücken und schauen.


    Jetzt bin ich eben eine Neue und es ist für mich alles okay, wie es ist.


    Fühlen, mein großes, großes Thema gerade, das ordentlich Feuer bekommt zur Zeit, vor allem heute. Heute früh ein ganz wunderbarer Morgenlauf, anschließend ein "mantrisches Schwimmen" - ich zog meine Bahnen durchs Wasser und hatte ständig ein buddhistisches Mantra im Hinterkopf, das irgendwann den Ton und den Takt vorgab - pro Wort ein Schwimmzug - und ich wurde langsamer und langsamer, am Ende ganz ruhig, ganz friedlich, also die Freude. Mittags dann die Todesnachricht - da die Trauer und Tränen und was sonst dazugehört - ein bisschen Scham, natürlich, weil ich vergangenen Sonntag auch einen Kieks Eifersuchtswut empfand - und das bei einer Sterbenden. Doch wie meine Therapeutin so weise sagt - es ist ein Gefühl und ein Gefühl geht vorbei und macht dem nächsten Gefühl Platz... Abends dann entdeckte ich im Zuge einer drängend nötigen Aufräumaktion in einer wahren Dreckecke meines Schlafzimmers in einer verschämten, ollen Papiertüte zwei eigens für mich gebatikte T-Shirts, die mir viel bedeutet haben und die ich seit gut drei Jahren verloren wähne. Normalerweise ist es ja so, dass irgendwann verlorene Dinge eben losgelassen und vergessen werden, doch diese Shirts habe ich nie zu vermissen aufgehört - und da finde ich sie wieder! Freude spontan und intensiv! Ich bin durchs Zimmer getanzt!


    Nachmittags war ich in der Innenstadt und traf ansatzweise spontan auf eine gute Bekannte, mit der es ein für mich bislang nicht zu erklärendes und schleichendes Zerwürfnis gegeben hat - da war plötzlich sehr viel Angst von jetzt auf gleich, das Herz raste und die Knie wurden weich... Ich atmete tief ein und wieder aus, sprach sie an, bedankte mich für die Trauerkarte, die sie mir dennoch geschickt hatte, wechselte ein paar Worte mit ihr und ging meiner Wege.


    Eben machte ich noch einen kleinen Fastdunkelweg und ließ den Tag Revue passieren - und schon liefen die Tränen. Ich mag diese besondere Abendstimmung im Sommer. Es ist gerade Erntezeit, die Mähdrescher sind bis in die Nacht im Einsatz und nach einem kurzen Gewitter ist die Luft auch wieder erträglicher geworden, die letzten Vögel sangen ihr Lied, es raschelte im Gras - und dann dieser so besondere Duft des Sommers... Da spürte ich Anrührung, Kontakt mit meinen inneren Kindern, den Abendfrieden...


    Und ich gewinne gerade einen neuen Freund! Ich habe ein Faible für Narren und närrische Menschen. Mullah Nasruddin ist einer dieser - und heute spürte ich den Impuls, den irgendwann mal gekauften Simplicius Simplicissimus von Grimmelshausen aus dem Regal zu ziehen. Seinerzeit ließ mich die altertümliche Sprache das Buch schnell wieder wegstellen und heute habe ich mich durch die ersten Kapitel gebissen, fürwahr und konnte plötzlich den doch sehr eigenen Humor verstehen und hatte bereits auf der allerersten Seite die helle Freude und bin jetzt dabei, das Sprachproblem zu ignorieren und mitzunehmen. Das Buch ist so schrecklich, so göttlich und so verrückt wie die Menschen selbst! Ein For(r?)est Gump gepaart mit Papa RamDas des Barock...


    Und nun bin ich reichlich müde nach einem solch emotionsgeladenen Tag. Danke fürs Zulesen in die Runde, gut Nacht John Boy, gute Nacht Jim-Bob, Lizabeth und alle anderen Waltons dieser Welt :19::*

    meine , unsere Tanzfreundin ist heute früh im Hospiz verstorben. Ich bin dankbar, sie vor einer Woche noch einmal besucht und das benannt zu haben , was wichtig war.


    Hayat

    Liebe Astrid - und liebe Menschen hier im Forum,


    es gibt keine Zufälle - all das Geschriebene seit gestern passt und ist heilsam für mich, weil es mir viel spiegelt, viel zeigt über MICH.


    Bei Dir, Astrid, und Christine möchte ich mich von ganzem Herzen bedanken für Euren schützenden Einsatz und bei Dir, Claudia Amitola für Deine Offenheit, Dein Aussprechen.


    Astrid, Trauer ist in der Tat komplex und nein, keine Trauer ist "Mainstream", auch wenn es mich traurig macht, über so viele Trauer über Verluste von Menschen zu lesen, wo ich bei meiner Familie so sehr unterschiedlich fühle. Das Schlagwort gerade "Fühlen". Das Fühlen ist gerade riesengroßes Therapiethema und in der abgelaufenen Woche habe ich extrem viel gefühlt:

    • Trauer um meine todkranke Freundin im Hospiz - und auch Wut: Ich mache mir einen Kopf und Gedanken, ob es gut, richtig, stimmig und nicht zuviel ist, sie zu besuchen, bereite mich vor usw. und ich sitze da, grüße von allen möglichen Menschen, bei einem Namen strahlt sie übers ganze Gesicht - oh - XY, och die soll mich doch bitte besuchen!... und ich sitze daneben und fühle mich überflüssig. Ich hoffe, die Wut gilt nicht als pietätlos. Sie ist einfach nur ein Gefühl und die weiter unten benannte Wahrheit und Klarheit beinhaltet alle Anteile in mir und wenn ich angesichts eines geliebten Menschens Wut spüre, dann ist da einfach nur erstmal MEIN Gefühl und hat primär mit mir und meinem Leben zu tun.
    • Wut, Trauer, Berührung nach der Therapiesitzung am vergangenen Freitag - wir haben per Screentechnik ein eigentlich relativ "harmloses" Bild aus meiner frühen Kindheit an die Wand geworfen und selten ist mir etwas so lang, so quälend und so zäh vorgekommen, doch es war mein Wunsch, durchzugehen. Anschließend habe ich ganze Bergbäche verheult - Tränenausbruch heißt bei mir, dass vielleicht mal drei, vier Tränen kullern und hier saß ich eine Stunde lang auf einer Bank und heulte Rotz und Wasser.
    • Ärger: Ich hatte den Hospizbesuch, der mich doch sehr durchschüttelte, an eine What'sApp-Gruppe geschickt, die quasi bestens vertraut ist mit dem Thema und die Rückmeldungen waren spärlich. Auch Begleitende schrecken offensichtlich vor dem Tod zurück.
    • Befreiung, Erleichterung: Ich sitze beruflich gerade an einem ätzend-langwierigen Projekt, das sehr arbeitsaufwendig und stellenweise zum Einschlafen langweilig ist, aber gemacht werden muss. Ich bin eigentlich ein Action-Typ und fahre dann zur Höchstform auf, wenn mir entweder das Wasser bis zur Nase steht oder wirklich den ganzen Tag lang Katastrophenstimmung und High-Noon herrschen, das Telefon bimmelt und ich von einem Außentermin zum anderen sause. Das ist Leben, das liebe ich! Nun habe ich im Rahmen des zähen, langweiligen Projektes das Herzstück in der Rohfassung fertig und zur Prüfung abgegeben. Der Tisch ist davon jetzt erstmal leer, dann habe ich meinen Finanzbedarf für das kommende Jahr ermittelt und weitergeleitet - auch das eine doofe Arbeit und aus den Füßen...
    • Freude, Inspiration: Heute ließen wir in der Therapie die letzte Sitzung Revue passieren bzw. deren Auswirkungen. Ich war sehr viel näher bei mir dran. Die Begegnung im Screen mit einer-meiner Fünfjährigen war sehr bewegend und für mich geht gerade die Marschroute an, zu einem Teil von mir hinzufinden bzw. ihn zu leben, der da heißt "Wahrheit und Klarheit". Ich bin ein klarer Mensch und brauche ganz unbedingt Wahrheit und Klarheit um mich und wieder und wieder rassele ich in Situationen oder Gruppierungen hinein, wo irgendwas verschwimmt, irritiert oder eben unklar ist und ich komme damit regelmäßig in Not. Als Hausaufgabe habe ich mir mitgenommen zu schauen, was ich im Hier und Jetzt und meine wirren inneren Kinder brauchen, um Wahrheit und Klarheit gut und geschützt leben zu können - und was ich von meinem Umfeld im Hier und Jetzt dazu brauche. Da habe ich jetzt erstmal wieder was zu nagen und zu denken...

      Astrid und Christine (und bitte fühle Dich nicht verletzt, liebe Claudia-Amitola!) - es war so wichtig für meine inneren Kleinen, dass sich da jemand schützend vor uns stellt und für Klarheit sorgt, gerade jetzt.

    Die Trauer der anderen... Ich trage an der Trauer meiner Mutter um ihre verlorene Kindheit, Trauer der Familie, vielleicht meiner Großmutter, um einen verstorbenen Sohn, unausgesprochene Wut und Verbitterung. Momentan bin ich erstmal dabei zu sortieren, zu sichten und zu verstehen...


    Gerade den heutigen Nachmittag habe ich als ein großes Geschenk und Wunder erlebt und erfahren. Ich finde mein Leben so spannend zur Zeit. Schwer, ja, traurig auch - und bunt. Es ist ein Kaleidoskop, ein Bilderreigen aus Licht und Schatten, der sich da vor mir ausbreitet, weiter und weiter.


    Der Krieg... Meine Mutter war die älteste Tochter von insgesamt 6 Kindern. Sie ist auf dem Dorf aufgewachsen, ist Jahrgang 1934 und bekam die Geschehnsse in der Endphase sehr bewusst mit. Das Dorf wurde sehr stark bombardiert, da am Rhein gelegen mit Brückenanbindungen. Während ihre Mutter kilometerweit lief für Nahrung und Arbeit, hatte sie die Geschwister zu beaufsichtigen - mit Bombenalarm und Gerenne zum Bunker - da war sie gerade mal 11 Jahre alt und hat so viel Leid erfahren und gesehen... Großmutter und Mutter haben mir in einem Alter vom Krieg erzählt, in dem ich das alles noch gar nicht verstehen konnte - und mir Bilder eingesät. Ich habe das alles aufgesogen wie ein Schwamm, dankbar um die Aufmerksamkeit und scheinbare Liebe. Intellektuell habe ich großes Verständnis für meine Mutter - doch das Kind versteht eben nicht und es geht ja jetzt genau darum, dieses kleine, lebendige und liebenswerte Kind zu verstehen und nicht primär die Erwachsenen.


    Soweit jetzt fürs Erste. Ja, ich fühle mich hier richtig.


    Euch allen ein schönes Wochenende!


    Hayat

    Liebe Claudia Amitola, liebe Christine,


    dann antworte oder reagiere ich hier - mit leiser Irritation und Bestürzung...


    1. War meine Antwort auf Christine absolut und rein menschlicher Natur und hatte sonst überhaupt gar keinen Hintergrund oder Hintergedanken außer dem, Mitfühlen und Sympathie für

    eine der beiden Forenbetreiberinnen zu bekunden.


    2. Spüre ich natürlich schon für mich stets einen kurzen Ateminnehalter, wenn ich "unterschreibe" mit einem Namen, der mit mir viel zu tun hat, aber eben nicht der ist, auf den ich standesamtlich

    eingetragen bin und auf den ich in der Regel höre. Ich kann einfach nur sagen, dass hinter dem Schutzschild "Hayat" eine gerade sehr traurige Frau aus Fleisch und Blut sitzt, die vielleicht nicht

    im Mainstream trauert und nicht von geliebten Eltern schreibt und dennoch bis zu den Haarwurzeln dicht ist mit Trauer, von der allenfalls ein Bruchteil zu ihr gehört. Ich kann nicht mehr sagen

    als dass es "mich real gibt". Ich habe eine Telefon-Nr., eine Postanschrift, einen im Melderegister eingetragenen Namen und außer diesem Namen gebe ich hier schon durchaus viel preis von
    mir.


    3. Kreise ich etwa wie ein defekter Schwank-Satellit um die diversen Trauerforen des www und fand dieses hier für mich so stimmig. Hier habe ich zumindest mal eine Ahnung, dass ein guter

    und freier Geist über allem liegt, mich berühren die vielen Videos, Buchtipps usw. Einige kenne ich und sind mir vertraut und ich mag einfach den Klang und Ton, der hier zu Hause ist -

    auch dazu meinen herzlichen Dank an die Menschen, die etwas so Wunderbares initiiert haben.


    4. Liebe Claudia Amitola, klar, ich bin neu hier - das ganze Forum rührt mich sehr an und es ist doch völlig normal, dass langjährige Mitglieder, die schon sehr viel miteinander geteilt haben und

    vielleicht auch reale, private Kontakte geschlossen haben, einander näher sind! Ich möchte in gar nichts reindrängen! Ich bin einfach nur sehr dankbar um diese Möglichkeit, zu schreiben,

    weil für mein Umfeld diese gewaltige Trauer nur schwer zu ertragen ist und ich ansonsten einfach nicht mehr weiß, wohin damit. Ich will die Traurigkeit erforschen, kennenlernen und

    benennen dürfen. Es ist ein Prozess, durch den ich gerade einigermaßen bewußt und hoffentlich sehend gehe und der mich sehr anstrengt und (über-)fordert. Und bei allem

    Traurigsein und Schwere sehe ich und bin dankbar um viel Buntes und Lichtes um mich. Es ist mir auch hupe, wer in diesem Forum mit wem privat kommuniziert und sich real trifft - ich bin

    einfach nur froh um diesen Ort hier und dankbar um ein paar Rückmeldungen, die mich vielleicht weiterbringen oder wenigstens zum Nachdenken anregen - und natürlich den Austausch

    mit anderen Menschen in vergleichbaren oder ganz anderen Situationen der Trauer.

    Das, was ich bei Dir vielleicht auslöse/antriggere, belasse ich bei Dir und wenn es dran ist, magst Du mir vielleicht schreiben, was es war oder ist oder es eben in Dir ruhen lassen. Schau

    einfach.


    Ansonsten Herzensgrüße, auch in die Runde von


    Hayat

    Hallo,


    ich glaube, mich hätte das Gefühl, gar nicht als Trauernden wahrgenommen zu werden, sogar sehr gestört oder wenn nicht verletzt. Ich finde so was immer wieder furchtbar, wenn der/die Partner/in, selbst wenn es nur wenige Wochen oder Monate gewesen sind, in der Trauer überhaupt nicht realisiert wird. Ihr habt ja nun immerhin das Intimste miteinander geteilt, was Menschen miteinander teilen können.


    Was das Einzelgängersein angeht, erlebe ich mich sehr ähnlich. Bei den Beisetzungen meiner Eltern und vor allem meiner über alles geliebten Großmutter war mir das Gehötter am Grab unter den Gästen oft zuviel. Bei den Eltern war ich Gastgeberin und Organisatorin - da blieb am offenen Grab wenig Ruhe - ich bin in solchen Situationen einfach lieber für mich und gehe hinterher, wenn alles durch ist, in der Stille nochmal hin. Gut, dass Du Dir dafür den Raum genommen hast.


    Mein Mitgefühl zu Dir.


    Hayat

    Liebe Astrid,


    mit "durchgeschüttelt" meinte ich, dass die Darstellung anders erschien als ich den Text getippt hatte.


    Bevor ich mein Geschriebenes losschicke, gehe ich erstmal in die Vorschau und da sah er schon so komisch aus - die Absätze waren nicht da, wo sie hingehört hätten und auch die Grußformel, die eigentlich da saß, wo sie dem Grunde nach hingehört, tauchte plötzlich mitten im Text auf. Das machte mich stutzig, also ging ich wieder auf die Normalansicht, wo alles stand, wo es hingehörte und nach dem Abschicken dann dieser Durcheinander. Hmhmhm :/. Nujo, Hayat ist nun müde von einem doofen Tag, klampft noch ein büschen auf den Saiten herum und zieht sich dann gepflegt ins Bett zurück :19:. Ahoi, Aloa-he und schlaft recht schön!


    Hayat

    ich lese gerade, wie durchgeschüttelt mein Text erschienen ist. Frage an die Admins?

    Abgeschickt hatte ich ihn bewusst und eigentlich normal , flüssig und bündig...