Mag wirklich sein. Vor einer Woche ging es ihr allerdings auch noch deutlich anders. Von Dienstag auf Mittwoch sammelte sich Wasser in der Lunge und sie bekam das Ganze eben im Krankenhaus punktiert und das bei der aktuellen Affenhitze hier und finaler Krebsphase. Es gibt Dinge, Umstände, Krankheiten..., die die Welt wirklich nicht braucht.
Naja, und soooo erfahren bin ich in der Sterbebegleitung denn auch wieder nicht. Ich bin seit vielleicht drei Jahren aktiv dabei, davon ging eine Begleitung ein volles Jahr und mehr, die aktuelle seit einem halben Jahr und davor waren es immer nur sehr kurze Einsätze von wenigen Tagen und Wochen. Und auf meinen Wunsch hin in der Regel alte Menschen. Da ich hier ja einigermaßen anonym schreibe: Ich frage mich, ob es das ist, was ich mir unter dem Ehrenamtsdienst im ambulanten Hospiz vorgestellt habe? Die Dame, die ich gerade betreue, ist mopsfidel, ich verstehe kein Wort von dem, was sie brabbelt, sie ist knuffig - ich mag sie, doch ich denke schon darüber nach, dass sich um SIE doch nun wirklich auch eine direkte Ehrenamtliche des Altenheimes kümmern könnte. Was mir einfach auf dem Magen liegt ist das, was ich im Altenheim mitbekomme. Ich thematisiere es auch mit der für mich zuständigen Fachkraft, doch eigentlich ist die Szenerie mittelfurchtbar dort. Am schlimmsten finde ich immer wieder die krampfige Bespaßung dementer Menschen. Zwei rustikale Ehrenamtsdamen sitzen mit den Alten um den großen Tisch und machen Spiele, woran sich maximal zwei oder drei Personen wirklich aktiv beteiligen - die anderen sitzen drumherum, stehen auf, setzen sich, rennen hin, rennen her, die Ehrenamtlerinnen sind überfordert und genervt und verstecken es hinter eiserner, beißender Heiterkeit, das Pflegepersonal saust zwischendrin herum... Mit meiner mir anvertrauten Dame sehe ich immer zu, für eine Stunde Land zu gewinnen und mich aus dieser traurigen Comedyshow zu verziehen. Oder die Singstunde... Da steht dann ein bemühter, verzweifelter Herr und versucht, den Leuten Schlager näher zu bringen. Steht da, mimt den Entertainer, der er nicht ist, kein Instrument zur Unterstützung und leider auch keine mitreißende Stimme und kein Mensch hört wirklich zu - im Hintergrund ein ansatzweise rhythmisches Gebrabbel, das entfernt an Gesang erinnert. Und die alten Leute rennen halt weiter ihrer Wege, jede und jeder unterwegs in seiner Welt und in seinem jetzigen Augenblick.
Mit so was kann ich umgehen, trotz meiner persönlichen Einstellung. Doch eine vertraute Freundin sterbend - da bin ich an der Grenze. Vielleicht wird es beim nächsten Besuch auch anders - nun weiß ich ja, woran ich bin und was mich erwartet.
Vielleicht ist es für mich auch dran, mutiger in der Sterbebegleitung zu werden und mein starres Alterslimit zu erweitern.
Liebe Astrid, ich danke einfach mal für Deine herzwärmelnde, freundliche Rückmeldung und danke - fürs Zulesen.
Küsschen, Hayat
Seit ich aktiv im Hospizdienst bin, hat sich meine Haltung sowieso noch einmal sehr verändert. Ich bin sehr ausgenüchtert. Die Fortbildung war schlicht und ergreifend wunderbar - sowohl was die Gruppe angeht als auch die Referenten - es waren reiche und bewegende Monate. Doch letztlich wird das Hospiz von wirtschaftlichen Kirchen- und Sozialriesen geführt. Die Fachkräfte leisten, wie überall in der Pflege, immense Mehrstunden und im Grunde wird hier die reine Sterbebegleitung fast ausschließlich über die Ehrenamtlichen abgewickelt und die Fachkräfte sind eigentlich nur für die Ersteinschätzung da, für Rückfragen und eher organisatorische Schwierigkeiten sowie für die Betreuung der Freiwilligen. Hier die noch etwas werbewirksame, ködernde Ausbildung und da das real existierende Altenheim, die menschelnden Familiensysteme und unsere Hilflosigkeit, die wir bestmöglich zu verstecken suchen.
Zum Glück ist "meine" jetzige Fachkraft sehr mit mir und hat wohl eine ähnliche Grundhaltung, die mir die ein oder andere Freiheit erlaubt. So gibt es die Absprache, dass ich in der Therapie bestens versorgt bin und nicht noch anderes besuchen muss, "um mich zu stärken". Ich weiß noch nicht, wohin es mich zieht. Sterbebegleitung möchte ich auch gerne weiter tun, doch ich sinniere noch, wie und wo künftig. Abwarten und Tee trinken.
Während des Kurses