Wir sind schließlich deren zurückgebliebene "Haupterinnerer" und wenn wir stürben - stürben auch die Erinnerungen an unsere Lieben.
Sie stürben somit ein zweites Mal - das können wir nur durch weiterleben verhindern.
Liebe Mona,
diese Sätze kann ich nur bestätigen.
Rosi und ich haben ein gemeinsames Hobby gehabt: "Haushaltsauflösungen."
Nachlässe von verstorbenen, uns unbekannten Menschen.
Während Rosi sich auf Fotoalben und Postkartenalben spezialisiert hatte, schaute ich mehr auf Gemälde, Silber und alte Bücher.
Heute stehe ich vor Rosis angekauften Alben.
Über 200 Alben.
Postkartenalben ab Jahrgang 1864 - 1950.
Alben aus Österreich,Ungarn, Polen, Frankreich, Belgien, Russland usw.usw.
Diese Alben sind Erinnerungen, uns unbekannter Menschen.
Liebesbriefe. Kriegsjahre. Meldungen vom Tod. Kinder, die zur Welt kamen. usw. usw.
Schicksale.
Vergessene Schicksale.
Uninteressant für die Nachkommen, trotz der vielen Fotos.
Rosi kaufte auch viele Nachlässe über das Internet.
Beispiel: Bei diesen Ankäufen waren auch Fotos von Gräbern im Osten und Westen. Aus den Kriegsjahren 1914-1918.
Gräber von Soldaten, auf sogenannten Foto-Karten. Junge Soldaten hier aus den Nachbarorten. Vermisste Soldaten.
Am Anfang telefonierte Rosi die Familien an und erzählte Ihnen davon. Nie war Interesse vorhanden. Der jungen Generation
fehlte kein Ur-Ur-Opa.
Beispiel: Diese Alben lagen meistens als ERSTES im Container. Eben nur Plunder.
So könnte ich stundenlang weiter-schreiben.
Rosi hatte mit diesem sogenannten PLUNDER viel Geld gemacht.
Stammkunden in Russland, z.B. die größte Zeitung aus Moskau kauft sämtliche Karten von vor 1918, wo Kirchen und kleine Dörfer
abgebildet sind. Dörfer und Kirchen, die es heute nicht mehr gibt.
Stammkunden aus Frankreich: Vogesen, Schlacht bei Verdun usw. usw.
Stammkunden aus Belgien, Niederlande, Polen, usw. usw.
Aber ihre Lieblings-Alben, die hat Rosi nie auseinandergerissen.
Die stehen hier, säuberlich aufgereiht, in den Regalen.
Lebensgeschichten.
Gut und schlecht ausgegangene Geschichten.
Liebes-Bekundungen.
Trauer.
Viel Trauer.
Wenn der Liebste irgendwo auf dem Schlachtfeld geblieben war.
Jetzt stehen hier die Erinnerungen.
Erinnerungen, die keinen Menschen interessieren.
Ein Teil ihres Lebens.
Dem Hoffen.
Hier ist nun Endstation.
So ist es und so wird es meistens sein.
Weg ist weg.
Ab einer gewissen weiteren Generation bleibt vielleicht nur der Nachname erhalten.
So jetzt reicht es,
danke für das Lesen.
LG., Uwe