Beiträge von Alika168

    Danke für die Umarmungen, liebe Andrea und Kleene!


    Im Moment ist es wieder ganz schlimm... es ist, als würde mir ständig ein Schild vorgehalten, auf dem steht: sie ist nicht mehr da und kommt auch nicht wieder!

    Zu allem Übel habe ich heute ein Päckchen von einer Freundin bekommen (das allein ist nicht das Übel ;) ), in der sie mir Raffaello mitgeschickt hat. Das waren die Lieblinge meiner Mama. Ich habe Rotz und Wasser geheult.


    Ich bemühe mich, Struktur in meinen Alltag zu bekommen, Dinge zu machen, von denen ich früher überzeugt war, dass sie mir wichtig seien. Dieses Gefühl von "Verrat" schwingt immer mit, obwohl ich weiß, dass es kein Verrat ist und meine Mama das nicht so sehen würde. Im Gegenteil, sie würde nicht wollen, dass ich alles hinwerfe und "wegwerfe". Es ist eine Art Überlebenstraining für mich, weil mir sonst die Alternativen und vor allem die Kraft fehlen, nach solchen zu suchen und doch fühlt es sich schlecht an.


    Übermorgen muss ich zum Steinmetz. Lange, viel zu lange habe ich es vor mir hergeschoben. Und nach wie vor weiß ich nicht, was ich machen soll. Einen Schriftsatz habe ich fest, der passt perfekt zu meiner Mama, war ihrMotto und auch der Titel eines Liedes, welches sie sehr, sehr geliebt hat: L'amore vincera.

    Doch wie weiter? Das Grabmal meiner Oma war anonym (zwar mit Widmung, aber ohne Namen), weil meine Mama das nicht wollte. Aber ich weiß nicht genau, warum. Ich möchte nichts machen, was sie nicht wollen würde. Obwohl sie immer sagte, wenn wir tatsächlich mal über so etwas sprachen: Mach, was dir gut tut und du möchtest, ich bekomme es ja eh nicht mit.

    Das hilft mir trotzdem nicht weiter... Ich glaube, dass sie das Grab ihrer Mutter quasi "intim" behalten wollte. Meine Oma war sehr bekannt in dem Ort und gleichzeitig hatte sie am liebsten ihre Ruhe und ich bin eigentlich davon überzeugt, dass dies der Grund war, warum meine Mama den Namen wegließ, damit meine Oma sozusagen "ihre Ruhe" hatte und nicht tausende Leute an ihrem Grab standen.


    Wie schrecklich, dass ich mir tatsächlich überhaupt über diese Sache Gedanken machen muss... Ständig denke ich: was wäre, wenn? Wenn sie noch lebte, würden wir dieses tun, sie würde jenes sagen. Eigentlich bin ich überhaupt niemand, der so denkt. Ich hasse sogar solche Überlegungen, weil ich sie nicht hilfreich finde. Denn schließlich ist es ja nun mal so, wie es ist, und gewisse Dinge können wir nun mal nicht ändern. Und trotzdem. Immer wieder: wenn, dann...


    Und ich kann es nicht mehr aushalten. Ich ertrage diesen Schmerz nicht mehr, ich will ihm einfach keinen Raum mehr geben. Ich versuche, mich schnellstmöglich zu beschäftigen, abzulenken, und dann habe ich wieder ein schlechtes Gewissen.

    Geht euch das auch so?


    Fühlt euch umarmt :30:

    Hallo ihr Alle...


    Nun ist es vier Monate her. Vor vier Monaten ist meine Welt stehen geblieben und mein Herz gebrochen. Es fühlt sich an wie Jahrzehnte und gleichzeitig wie Millisekunden. Die Bilder gehen nicht aus dem Kopf.


    Ich versuche, mir zu sagen, dass ihr vieles erspart geblieben ist. Mit einer derartigen Herzmuskelschwäche weiterleben, hätte sie nicht gewollt. Wahrscheinlich hätte sie sich noch weniger "bewegen" können, vermutlich hätte sie das Bett endgültig nicht mehr verlassen können. Nein, das ist grausam. Und wenn dieser Sommer tatsächlich so schlimm werden soll, wie es manche Meteorologen voraussagen, denke ich auch: gut, Mama, dass du das nicht erleben musst, wo du ohnehin immer unter der Hitze gelitten hast. Sie hasste den Sommer, obwohl sie im Juli geboren war.


    Doch es hilft nicht wirklich. Es stellen sich dann die Fragen ein: warum musste es denn überhaupt so weit kommen? Warum musste dieser Herzinfarkt auch noch kommen? Warum musste sie überhaupt diese elendigen Schmerzen und unfähige Ärzte haben, die ihr nicht helfen konnten, sodass sie überwiegend auf das Bett bzw. den Rllstuhl angewiesen war?

    Warum haben manche ihre Eltern so lange und ich durfte meine Mama nur 28 Jahre bei mir haben?


    Ich erwische mich oft dabei, dass ich Dinge "abspeichere", um sie ihr später zu erzählen. Als wäre sie im Urlaub, als würde eines Tages jemand klingeln und sagen: Das war nur ein Test, wie viel du ertragen kannst, jetzt ist alles wieder gut! und ich kann sie endlich wieder in die Arme nehmen und ihr sagen, wie unendlich sehr ich sie liebe. Wie dankbar ich ihr für alles bin, für jede Minute, jede Sekunde mit ihr. Ich möchte ihr ihre Lieblingsblumen mitbringen und mich freuen, wie sehr sie sich über banale Kleinigkeiten erfreuen und begeistern kann. Ich möchte wieder mit ihr lachen und weinen, mit ihr kindisch gackern und todernst über das Leben sprechen. Ich möchte mit ihr unseren gemeinsamen Traum von Italien leben und mit ihr gemeinsam Tagträumen hinterherhängen.

    Ich möchte ihr sagen: ich könnte hunderte Menschen um mich haben und doch bist du es, der mir fehlt, du bist es, ohne den ich so entsetzlich einsam bin. Du bist meine zweite Hälfte und ohne dich bin ich nur ein halber Mensch. Und auch wenn ich genau weiß, was du wann sagen würdest, möchte ich es dennoch HÖREN. Von dir.


    Die Einsamkeit wird gerade zur Normalität und dennoch zur schmerzhaften Unfassbarkeit. Obwohl ich immer wusste, dass mir nie so viel Zeit mit meiner geliebten Mama vergönnt sein wird, wie ich es gerne hätte, bin ich von der Wucht dieses Schmerzes, dieser unerträglichen Endgültigkeit überrannt. Ein Teil in mir sagt: endlich brauchst du keine Angst mehr davor haben, vor diesem einen Tag, an dem dir das Wichtigste und Liebste genommen wird. Endlich brauchst du keine Angst mehr vor irgendwas haben, denn das Schlimmste, was dir passieren konnte, ist geschehen.

    Und dann brüllt der andere: und ich hätte noch tausend Ängste ausgestanden, wenn wir hätten zusammen bleiben können! Meine Angst, sie zu verlieren, war eine alternativlose Realität entsprechend meiner Liebe für sie. Wer hat denn bitte keine Angst, wenn er liebt? Wenn meine Katzen husten, kommt die Angst. Auch die Vernunft, es ist nur ein Husten, das ist mal ok, aber auch die Angst. Und wie könnte es denn nicht normal sein, dass meine größte Angst die war, das wichtigste in meinem Leben zu verlieren?


    Fühle ich mich jetzt befreit? Nein. Der Preis für diese Freiheit war zu hoch. Auch wenn ich weiß, dass sie nun keine Schmerzen mehr hat, bleibt doch der Schmerz, denn ich weiß auch, dass sie gerne gelebt hatte, vor allem mit mir.

    Trauer ist zum großen Teil eine Form von Egoismus. Ich hätte sie gerne wieder bei mir und in diesem Gefühl ist eine große Gleichgültigkeit gegenüber möglicher Schmerzen, zumal sie diese doch seit über zehn Jahren gewohnt war. Diesem Gefühl folgt dann meine Liebe zu ihr. Nein, sie hat so viel für mich ertragen, generell so viel ertragen, noch mehr Pein und Schmerzen hat sie nicht verdient. Unsere Liebe wird ewig sein, aber ihr Leiden hat ein Ende und das ist gut so.


    Und trotzdem laufen mir die Tränen, während ich das schreibe, und trotzdem zerreißt es mich. Wie heißt es doch? Das Schicksal ist ein mieser Verräter.

    Liebe Sunflower,


    auch ich wollte tatsächlich Medizin studieren. Mit fünf Jahren hatte ich das beschlossen. Meiner Mama ging es damals sehr schlecht und ich hatte meinen (Stief-)Vater gefragt, wie ich ihr nur helfen könne. Das könne nur ein Arzt und der ist gerade unterwegs, hatte er mir erklärt. Ich weiß gar nicht mehr genau, was es war (meine Mama war immer stark und hat sich viel zu sehr zusammen genommen, also muss es eigentlich schon was "Schlimmeres" gewesen sein), aber es war die Geburtsstunde meines Wunsches, Ärztin zu werden.

    Na ja, es hat aus vielen Gründen nicht geklappt und ich habe lange damit gehadert. Vor allem in der Zeit, als meine Mama auf der ITS lag. Es mag arrogant und vermessen klingen, aber ich fragte mich oft, ob ich ihr hätte helfen können. Ich hatte panische Angst, die Ärzte würden nicht ihr Möglichstes tun. Wenn ich zu ihr kam, kontrollierte ich erst mal alles. Hatte sie blaue Flecken, die sie nicht haben dürfte? Welche neuen Medikamente hingen am Perfusor und warum? Ich hakte nach, genau wie du, liebe Sunflower. Das habe ich immer getan und meine Mama hat sich immer auf mich verlassen. Es war mir immer egal, ob die Ärzte oder das Pflegepersonal das störte oder nervte. Mich störte es auch, dass ich ihnen "vertrauen" musste, das Wichtigste in meinem Leben ihnen anvertrauen musste und mich hat schließlich auch niemand gefragt, wie es mir damit ging.


    Gestern vor 3 Monaten war der schlimmste Tag meines Lebens. Unfassbar. Drei Monate! Sie fühlen sich auf der einen Seite wie Jahrhunderte an und auf der anderen Seite wie drei Sekunden. Sämtliches Zeitgefühl ist verschwunden. Ich lebe im Vakuum. Es gibt Tage, da bin ich mir sicher: diesen Schmerz überlebst du nicht. Das kann niemand ertragen, niemand überleben, das ist zu viel und geht über meine Möglichkeiten. Dann kommen Tage, wo ich gar nichts fühle. Ich bin dumpf und, ich muss es wiederholen, wie im Vakuum. Ich stehe auf und irgendwann gehe ich ins Bett. Ich vermeide, in das Zimmer meiner Mama zu schauen. Wenn ich ihr Bild anschaue und merke, wie mein Herz bricht (wie oft kann das eigentlich brechen?!), schaue ich schnell weg. Es ist das Überlebensmanöver meiner Seele, zwischendurch radikal zu verbarrikadieren, wenn ich vor Schmerz nicht durchdrehen will.


    Und dann diese entsetzlichen Sachen, die man erledigen muss. Abos kündigen. Konto auflösen. Vieles kann ich erst jetzt machen und auch das nur Stück für Stück. Dieser Satz, dass meine Mama... nicht mehr da ist, das fällt mir so unsagbar schwer, zu schreiben. "verstorben", es brennt unter den Fingerkuppen, wenn ich diese Buchstaben im Bezug auf meine Mama schreiben muss. Als würde ich etwas endgültig besiegeln, was ich einfach nicht glauben kann.


    Ich habe eine einzige Kondolenzkarte erhalten, die ich wirklich... na ja... den Umständen entsprechend "schön" fand. Ich möchte es mit euch teilen:


    "Der Tod ist nichts. Ich bin nur in das Zimmer nebenan gegangen. Ich bin ich, ihr seid ihr. Das was ich für euch war, bin ich immer noch. Gebt mir den Namen, den ihr mir immer gegeben habt. Sprecht mit mir, wie ihr es immer getan habt. Gebraucht nicht eine andere Redeweise, seid nicht feierlich oder traurig, lacht weiterhin über das, worüber wir gemeinsam gelacht haben. Betet, lacht, denkt an mich, betet für mich, damit mein Name ausgesprochen wird, so wie es immer war, ohne irgendeine besondere Betonung, ohne die Spur eines Schattens: das Leben bedeutet das, was es immer war. Der Faden ist nicht durchschnitten.

    Warum soll ich nicht mehr ihr eurel Gedanken sein, nur weil ich nicht mehr in eurem Blickfeld bin?

    Ich bin nicht weit weg, nur auf der anderen Seite des Weges." (Charles Pierre Peguy)


    Das hätte meiner Mama gefallen. Und ich glaube daran, dass es stimmt. Ich will es glauben. Ich stelle mir vor, wie sie gerade jetzt neben mir steht und den Kopf schüttelt, dass ich so leide, dass ich sogar ein Trauerforum "besuche" und mit "Gleichgesinnten" spreche. Dass sie ihre Hand auf meine Schulter legt und sagt: Mein Engel, ich bin immer bei dir und das wird sich nie ändern. Dass sie eigentlich spürbar nah ist, nur eben nicht sichtbar, weil diese Seiten durch eine unsichtbare Wand voneinander getrennt werden.


    Aber soll ich was sagen? Es hilft nicht. Es hilft auch nicht, dass ich genau weiß, was sie wann sagen würde. Sie fehlt mir. Ich möchte es HÖREN, was sie sagt, ich möchte ihre Hand SPÜREN und ihre strahlenden Augen SEHEN, die mich anblicken. Ich möchte dieses Bild aus meinem Kopf verbannen, wie sie im Sarg unter der Erde liegt und dieses entsetzliche Verlangen verbannen, sie "da raus zu holen". Ich möchte dieses Bild nicht mehr sehen, wie sie auf dem Krankenbett lag. Lebendig. Und nur eine halbe Stunde später: tot. Ich möchte dieses Wort, "tot" , nicht mehr im gleichen Satz mit meiner Mama verwenden.

    Ich möchte aufwachen und weinend nach nebenan laufen. Mama, ich habe etwas ganz furchtbares geträumt. Und dann von ihr in den Arm genommen und getröstet werden.

    :33::33::33:

    Ihr Lieben,


    eure Nachrichten spenden mir tatsächlich so etwas wie Trost; dafür allein schon mal vielen Dank vorneweg!


    Ich hatte gestern eine so heftige Migräne-Attacke, dass ich den Tag glücklicherweise nicht sonderlich stark mitbekommen habe. Sämtliche Apps, die irgendwie auf den Muttertag hinweisen könnten, habe ich gar nicht erst geöffnet und die Benachrichtigungen deaktiviert. Zusammen mit den Kopfschmerzen, die mich ausgeknockt haben, ging das dann.

    Dafür dann heute der "Trauer-Alltag"...


    Ja, ihr habt natürlich Recht. Es kann einem egal sein, was die Leute denken und eigentlich sollte man sogar mit ihnen Mitleid haben, dass sie nicht eine solche große und aufrichtige Liebe erleben dürfen/durften.

    Mir sagte man auch immer, dass ich vergesse zu leben wegen meiner Mama. Dass ich ihretwegen nicht ins Ausland gegangen war, z.B. während des Studiums, und und und. Das stimmte teilweise. Es stimmte nicht, dass ich es deswegen nicht gemacht hätte, weil ich sie aufgrund ihrer eingeschränkten Mobilität nicht hätte alleine lassen wollen. Das war EIN Grund, aber nicht der wichtigste. Der wichtigste Grund war der, dass ich immer wusste, dass, egal wann wir getrennt würden, die Zeit zusammen zu kurz gewesen wäre und ich jede Minuten mit ihr zusammen sein möchte, die ich kann.

    Meine Mama selbst meinte oft, ohne sie ginge es mir besser. Ich bin mir sicher, dass sie wusste, dass das nicht stimmte und sie damit kompensierte, dass sie Angst hatte, ich würde ihretwegen, wegen eines "falschen" Pflichtbewusstseins, auf irgendetwas verzichten. Aber ich weiß, dass sie wusste, dass sie damit im Grunde genommen falsch lag. Trotzdem habe ich aktuell Probleme, mir etwas "Gutes" zu tun, weil ich sofort denke, sie sitzt da oben auf ihrem Stern und sagt: Siehste! Und ich dann sage: Nein! Nein! Nein! Ich muss ja irgendwie weiter machen, das willst du doch auch...


    Ich kaufe nach wie vor für zwei Leute ein. Koche Nudeln, unser Lieblings- und Seelenessen bei Kummer und Frust, und stehe dann heulend vorm Nudelsieb. Du musst ja schließlich irgendetwas essen!, habe ich neulich von jemanden gehört...


    Glücklicherweise habe ich nicht viele Kontakte. Ich habe beruflich mit so vielen Menschen zu tun, dass ich mir im Privatleben den Luxus leiste, zwei sehr gute, richtige Freundinnen zu haben. Das ist nicht nur per se ein Glück, sondern auch in Hinblick der unangemessen Kommentare, die mir so meist erspart bleiben.

    Heute hatte ich mit einer Kollegin telefoniert. Wegen meiner chronischen Erkrankung gehöre ich zur Muskelgruppe und bin im home office (welch ein Glück!) und habe sporadisch mit ihr Kontakt, die alleine im Büro die Stellung hält. Wir haben nur wenige Aufgaben, da wir, wie gesagt, viel mit Menschen arbeiten und ja sämtliche Aktivitäten und Kurse nicht stattfinden. Jedenfalls fragte sie mich, ob ich mir zu einem bestimmten Projekt in den letzten Wochen Gedanken gemacht hätte. Ich sagte: Nein, danach stand mir wirklich nicht der Kopf. Kurz vor Ostern fragte sie mich, wie ich die Feiertage verbringe. Da war Mama gerade mal ein paar Wochen nicht mehr da. Oder die Arzthelferin, die mich fröhlich am Telefon begrüßt und überschwänglich fragt, wie es mir geht. Das sind tatsächlich so Momente, wo ich mich frage, ob manche meiner Mitmenschen ihr Herz und ihren Kopf auch im übertragenen Sinne nutzen oder ausschließlich zu anatomischen Zwecken.:4: Mittlerweile habe ich mir ein Schutzschild, eine Maske angewöhnt, die mir in der Vergangenheit schon gute Dienste erwiesen hat. Diese Mauer bewahrt mich, zeigt meine Trauer und meinen Kummer nicht, mein Desinteresse an dieser Welt und die Hoffnungslosigkeit und Perspektivlosigkeit meiner besch***** (sorry!) Existenz, sondern bietet die Rolle einer "normalen" Person, auf die die Umwelt nicht besonders reagieren muss. Das erspart meiner Umwelt die Empathie und mir unnötigen Kummer.


    Und so "freue" ich mich über euch! <3 Auch wenn ich für uns alle wünsche, dass wir keinen Grund hätten, uns in diesem Forum auszutauschen. Ich sagte mal zu meiner Mama: "Mama, du stirbst, wenn ich auch sterbe und dann werden wir gemeinsam begraben." Hat leider nicht geklappt. Obwohl ich mir durchaus so vorkomme. Ich existiere nur noch, mein Körper nimmt seine Aufgaben war, meine Physis ist präsent. Aber mein Inneres ist tot. Und natürlich, wie sollte es auch anders sein, wo mein anderes Ich doch auch nicht mehr da ist...


    Ihr kennt doch bestimmt Udo Lindenbergs "Hinterm Horizont", oder? Ich habe es erst kürzlich mal bewusst gehört. Mir blieb nichts anderes übrig, ich saß im Auto. Seit Mama nicht mehr da ist, höre ich eigentlich keine Musik mehr, obwohl ich Musik so sehr liebe und immer wichtig war für mich, für uns, unser beider Trost und vermutlich deshalb kommen mir bei absolut jedem Lied die Tränen. Jedenfalls fiel mir ein, dass meine Mama dieses Lied sehr mochte und ich weiß gar nicht, ob es einen bestimmten Grund dafür gab. Vielleicht hat sie immer an ihre Mama gedacht. Auch ich finde ich es heute so unsagbar treffend:


    "Und dann war's passiert

    Hab es nicht kapiert

    Ging alles viel zu schnell

    Doch zwei wie wir

    Die können sich nie verlier'n!

    Hinterm Horizont geht's weiter

    Ein neuer Tag

    Hinterm Horizont immer weiter

    Zusammen sind wir stark!

    Das mit uns ging so tief rein

    Das kann nie zu Ende sein

    Sowas Grosses geht nicht einfach so vorbei!

    Du und ich

    Das war einfach unschlagbar

    Ein Paar wie Blitz und Donner

    Zwei wie wir

    Die können sich nie verlier'n.
    Hinterm Horizont geht's weiter

    Ein neuer Tag

    Hinterm Horizont immer weiter

    Zusammen sind wir stark!

    Das mit uns ging so tief rein

    Das kann nie zu Ende sein

    Denn zwei wie wir

    Die können sich nie verlier'n"


    Und plötzlich bekommen für mich Regenbögen eine ganz andere Bedeutung - frei von Corona, aber voll von Schmerz, Trauer und Hoffnung....:13::5:<3

    Ja, liebe Alika, ich empfinde es auch manchmal als Verrat, dass ich noch lebe und sie nicht. Auch das wollen unsere Mamas nicht sehen, aber wir haben keinen Schalter den wir umschalten können.


    Ich fühle mich auch sehr einsam und verlassen und bin todunglücklich. Ich habe auch zu nichts Lust. Bin froh, wenn ich von der Arbeit nach Hause komme und ich für mich bin. Dann gibt es aber auch Tage, da nervt mich das Alleinsein :95:

    Darauf wollte ich doch nochmal antworten!


    Danke, liebe Sveti... das stimmt, ein solcher Schalter wäre aber durchaus hilfreich... Ich bin ebenfalls meistens dankbar dafür, alleine bzw. "nur" in Gesellschaft der beiden Süßen zu sein, wo ich mich nicht zusammen nehmen muss, keine Erwartungen erfüllen, nicht so tun, als ob. Und dann kommen auch bei mir diese Tage, wo ich über diese Einsamkeit schon fast in Panik gerate. Oft denke ich dann: das wird sich nie mehr ändern, denn Mama kommt nie mehr zurück. :13:

    Und das kann ich irgendwie immer noch nicht verstehen...

    Liebe Kornblume, nein, das musst du nicht, auf keinen Fall!!!

    Es imponiert mir, dass du so stark gläubig bist und dir dieser Glaube bei der Trauer hilft...

    Ich kenne diese Rituale, meine Mama hat sie 30 Jahre lang für ihre Mama begangen. Erst jetzt scheint mir begreiflich zu werden, was sie da geleistet hat. 30 Jahre Trauer, das ist unvorstellbar. Erschreckend. Beängstigend. Schon die 7 Jahre, die du ohne deine Mama leben musst, liebe Kornblume, empfinde ich als Berg, den ich niemals erklimmen kann.


    So, nun muss ich gerade meine Gedanken sortieren, ich möchte ja jedem entsprechend antworten...


    Liebe Sveti, es tut mir leid, dass du nun auch mit der Wohnung solche Probleme hast. Als wäre es nicht schon schwer genug! Da bin ich wirklich froh, dass wir zusammen gelebt haben und ich dies zumindest nicht auch noch auf mich nehmen muss. Obwohl ich sagen muss, dass Mamas Zimmer sehr unterschiedliche Gefühle in mir auflöst. Oft habe ich furchtbare Angst, nur daran vorbei zu gehen. Meistens weine ich. Manchmal bin ich dort und sehe sie vor mir, setze mich aufs Bett "zu ihr" - und fange wieder an zu weinen... :/

    Und ich kann es total verstehen, dass dich diese Nörgeleien wütend und traurig machen! Gute Entscheidung mit dem Makler!

    Bei mir wurde angefragt, wann Mamas Rollstuhl abgeholt werden könne. Ich kann gar nicht beschreiben, was in mir vor ging. Schlussendlich habe ich ihn gekauft. Keine Ahnung, warum. Ich konnte ihn nicht abholen lassen.


    Liebe Sunflower, deine Nachricht hat mir sehr viel bedeutet. Die vielen Parallelen zwischen uns, ich habe gelesen, auch du hast Katzen, die dich am Leben halten. Auch wenn meiner Mama Krebs glücklicherweise erspart geblieben war, hatte auch sie die letzten 10 Jahre gesundheitlich viel Pech. Denn "erst" vor zehn Jahren wurde sie allmählich bettlägerig, ohne dass ihr ein Arzt großartig helfen konnte. Das war schwer. Ich weiß nicht, wie meine Mama das geschafft hat. Meine Mama, die immer irgendetwas zu tun haben musste, immer am Herumwirbeln war, immer aktiv, plötzlich im Bett. Das war hart.

    Ich hatte mir, nachdem sie vor ca 4 Jahren auch immer weniger in den Rollstuhl konnte, angewöhnt, alles, was mir begegnet, was ich draußen so erlebe, zu merken und ihr zu erzählen. Dass im Supermarkt umgeräumt wurde. Dass die Apfelbäume blühen. Dass ein Hase am Feldrand saß. Unterschiedliche, zum Teil banale Dinge. Dank des Smartphones konnte ich auch vieles fotografieren. Einkäufe habe ich meistens sogar ans Bett gebracht und dort ausgepackt, damit meine Mama immer "up to date" war, das Gefühl hatte, dabei zu sein.

    Doch nun wartet niemand auf meine Erzählungen zuhause. Ich bleibe auf halbem Weg mit den Einkauf stehen und trage ihn weinend zurück in die Küche. Unsere beiden Samtpfoten werden nun überhäuft von Erzählungen, die meistens von panischen Tränenausbrüchen unterbrochen werden. Und wie immer stehen sie dann ganz treu an meiner Seite, putzen meine Hände, als ob sie mich erinnern wollten, dass ich über Suizid nicht einmal nachdenken darf.


    Siamesische Zwillinge, ja, so wurden wir auch genannt. Und ich frage mich, wie man ohne diesen elementaren Part weiterleben kann. Meine Mama war meine Sonne, der Grund für mich, täglich aufzustehen, meine ganze Freude. Sie war mein Leben. Ich ertrage es nicht, ohne sie zu sein.


    Am Sonntag ist Muttertag. Ich bin froh, wenn er vorbei ist. Meine Kräfte sinken, ich funktioniere nur und das eigentlich nur unseren Samtpfoten zuliebe. Sie sind sozusagen meine Kinder, die mich brauchen und mich von "Dummheiten" abhalten. Die mir auch das Gefühl geben, nicht gänzlich alleine zu sein.


    Ich habe immer das Verhältnis zu meiner Mama verteidigen müssen. Die Wenigsten haben das verstanden. Viele dachten, meine Mama sei dominant und könne nicht loslassen oder ich, auf der anderen Seite, sei nicht lebensfähig, könne mich nicht abnabeln. Meine beste Freundin, Italienerin, war immer die einzige gewesen, die unser Verhältnis für vollkommen selbstverständlich gesehen hatte (und nie als "ungesund"). Und es ist für mich so W E R T V O L L hier mich mit euch austauschen zu können, die ihr genau so ein Verhältnis hattet und genauso leidet und die auch nicht "nur" die Mama verloren haben, sondern die beste Freundin, die Wegbegleiterin, die bessere Hälte, das andere Ich.


    Danke euch! Und fühlt euch alle mal gedrückt, ich gehe jetzt noch eine Runde heulen...<3:30:

    Es tut mir leid, zu hören, dass du nun auch Angst um deine Tante haben musst... ich hoffe, dass es ihr bald besser gehen wird!


    Tja, Stärke... mir haben auch immer alle gesagt, ich sei sehr stark. Tatsächlich habe ich das auch immer geglaubt. Ich bin schon seit Jahren wegen einer PTBS in einer Psychotherapie. Aber ich habe dennoch mein Studium, sogar unterhalb der Regelstudienzeit, erfolgreich abgeschlossen, viele Projekte gehabt, vieles gemeistert. Immer weiter gekämpft. Vor 2 Jahren bin ich dann chronisch erkrankt, das war ein Rückschlag. Doch selbst das war mich kein Grund, Träume aufzugeben.


    Welche Träume?, frage ich mich jetzt. Das Schlimmste, was ich erleben konnte, ist passiert, ich habe das Wichtigste in meinem Leben verloren und mit ihr, meiner Mama, scheinbar meine Stärke. Noch nie habe ich mich so winzig und erbärmlich und schwach gefühlt. Alles ist mir so schrecklich egal... Manchmal werde ich wütend auf mich selbst, denke: Lass dich nicht so gehen!, und weiß auch, dass ich so nicht lange durchhalte. Dass ich wieder zu mir kommen muss. Meine Mama stolz machen will (dabei war sie doch sowieso immer stolz auf mich...). Und dann hat sich dieser, hm, ich nenne es mal Kampfesgeist, verflüchtigt und ich denke: wofür eigentlich? Wofür soll ich noch kämpfen? Warum fragt eigentlich niemand, ob man überhaupt immer nur kämpfen will? Vielleicht braucht man auch mal eine Verschnaufpause. Vielleicht will man nicht immer stark sein.

    Meine Mama sagte immer zu mir, jeder bekommt nur das, was er auch zu ertragen im Stande ist. Welch ein Hohn! Mama, da hattest du Unrecht. Aber ein einziges Mal darfst auch du, meine über alles geliebte Mama, falsch liegen. Ich ertrage nicht, ohne dich zu sein. Ich schaffe das einfach nicht. Ich halte durch, weil ich unsere geliebten Samtpfoten nicht alleine lassen kann. Ich funktioniere höchstens, mehr nicht...

    Liebe Sveti und Kleene,


    unbewusst habt ihr mir geholfen damit, dass auch euch es schwerfällt, auf den Firedhof zu gehen. Ich selbst habe es seit der Beerdigung noch nicht geschafft. Gut, es sind auch etwa 1,5 Stunden Fahrt, aber das ist nicht der eigentliche Punkt. Ich habe Angst davor, vor dem Grab zu stehen. Ich kann damit so wenig anfangen, es nicht begreifen, das Kopfkino nicht ausschalten und den Drang, meine Mama aus diesem Erdloch zu befreien, kaum unterdrücken. Und schlussendlich sage ich mir: ich denke immer an sie, dafür brauche ich nicht den Gang zum Friedhof. Wie ihr ja auch sagt. Das beruhigt mich sehr. Meiner Mama selbst ging es auch immer so. Sie war nicht gerne dort und auch das hilft mir, kein schlechtes Gewissen zu haben.


    Ich habe im Wohnzimmer und an meinem Bett Fotos von meiner Mama. Auch ähnlich wie ihr.


    Liebe Sveti, heute habe ich auch oft an dich gedacht... es gibt nichts, was ich dir sagen könnte... man sagt, dass Weinen hilft. Das kann ich nicht beurteilen, es hat mir noch nicht wirklich geholfen. Aber es ist sicher besser, als es zu unterdrücken. Ich bin niemand, der nah am Wasser gebaut ist und ich habe noch nie "in der Öffentlichkeit" geweint. Bis zum Februar 2020. Selbst meine Freundin hatte mich vorher nie Weinen gesehen. Doch seit meine Mama mir genommen wurde, scheint es zu einem neuen Hobby zu werden. Ich mache nichts, außer zu weinen.


    Habt ihr es geschafft, euch irgendwie einen Alltag zu erschaffen? Könnt ihr euch aufraffen, irgendetwas zu tun? Fühlt es sich für euch auch an wie Verrat? Ich denke oft: es ist nicht fair, dass ich lebe und sie nicht. Und es ist Verrat, wenn ich weitermache, Verrat an unserer Liebe. Ich bin mir sicher, dass es meine Mama anders sehen würde. Dass sie wollen würde, dass ich weiterlebe, weiterkämpfe und meine Träume verwirkliche. Doch mittlerweile weiß ich gar nicht mehr, was meine Träume sind. Alles ist unwichtig geworden, so egal. So schrecklich bedeutungslos. Ich bin so entsetzlich einsam ohne sie...


    Ich denke an dich, liebe Sveti, und schicke dir ganz viel Kraft :30:


    Und auch an dich, liebe Kleene, liebe Grüße :*

    Hallo...


    Eigentlich weiß ich gar nicht genau, was ich schreiben soll. Mir geht es furchtbar. Ich vermisse meine Mama so schrecklich sehr, ich komme mir vor, man hätte mir die Lunge abgenommen und befohlen, trotzdem weiterzuatmen. Jeden Tag verbinge ich mit Heulen und das Vermissen wird zu einem physischen Schmerz. Ja, ich sehe, sie ist nicht da. Aber mein Herz will es einfach nicht begreifen. Dass ich von nun an ohne sie sein soll, das übersteigt meinen Horizont, das übersteigt das, was ich in der Lage bin, zu ertragen.

    Ich versuche, mir zu sagen, dass ihr ein Dahinsiechen, eine Demenz, vor der sie immer die größte Angst hatte ("Stell dir vor, ich erkenne dich nicht mehr - das wäre doch furchtbar!"), ein schmerzhafter Tod durch z.B. eine Krebserkankrung, erspart geblieben ist. Dass sie, selbst wenn sie die Lungenentzündung nach dem Herzinfarkt überlebt hätte, mit einer schweren Herzschwäche hätte weiterleben müssen und das nicht verdient hätte, zusätzlich zu all den Gelenk- und Muskelschmerzen, die sie doch sowieso schon hatte.

    Aber das hilft nicht. Es hilft nicht gegen das Vermissen. Es hilft nicht gegen das Wissen, dass sie noch nicht sterben wollte. Ihr Blick, an dem Tag, als der Arzt zu ihr sagte, ihr Zustand sei lebensbedrohlich. Dieses vollkommene Unverständnis, dieses "Ich will aber noch nicht sterben!" in ihren Augen. Die Angst, in ein Klinikum zu gehen, wo ich selbst schlechte Erfahrungen gemacht habe. Ich mache mir Vorwürfe und weiß gleichzeitig, dass in der Nähe kein anderes Krankenhaus gewesen wäre. Dass ich den Ärzten auf der Kardio-ITS tatsächlich nichts vorwerfen kann (Gott sei Dank!!). Ich mache mir Vorwürfe, dass ich nicht früher etwas gemerkt habe. Dabei habe ich was gemerkt. "Mama, du atmest schwer." - "Ich habe nur zu viel geraucht.". Dabei rauchte sie gar nicht zu viel. Ich hatte immer, seit ich denken kann, Angst um sie. Diese Verlustangst hat letztlich mein Leben bestimmt. Und ich hatte ja auch Recht: ich ertrage es nicht ohne sie. Aber war ich wegen dieser Angst blind? Habe ich einfach weggesehen, den Kopf in den Sand gesteckt? Nein, mein Kopf sagt nein. Meine Oma war schwer herzkrank und so bin ich immer davon ausgegangen, dass meine Mama es merken würde, wenn sie selbst Herzprobleme hätte, da sie so sensibel war bei diesem Thema. Sie hat es selbst auf das Rheuma geschoben. Auf die Zigaretten. Oder hat sie es selbst verdrängt? Aus Misstrauen zu den Ärzten? Ich kann es verstehen. Wir haben so dermaßen schlechte Erfahrungen mit Ärzten gemacht...

    Ich versuche, mich zu trösten, dass sie nicht wusste, dass sie sterben musste. Dass sie nicht im Bewusstsein darüber sterben musste, wie sehr ich leiden würde und sie mich allein zurückließe. Auch das hilft nichts.


    Gar nichts hilft. Ich laufe als heulendes Stück Elend rum, vom Bett zum Sofa und wieder zurück. Ich stehe in ihrem Zimmer und fange laut an, zu heulen, und die Katzen wissen gar nicht mehr, wie sie mich beruhigen sollen. Früher habe ich viel, eigentlich immer, Musik gehört. Heute geht das nicht mehr. Es ist völlig egal, was läuft, ich weine dabei. Scheinbar kann ich gar nichts anderes mehr.


    Ich will, dass dieser Zustand aufhört, weil es meine Kräfte übersteigt. Aber gleichzeitig will ich nicht, dass sich irgendetwas ändert. Dass das Leben weitergeht, obwohl für mich doch die Welt am 13.02.2020 aufgehört hat, sich zu drehen. Ich will wieder ihr Lachen hören, ihre Augen sehen, ihre Umarmung spüren. Ich will wieder mit ihr herumalbern und von unserem gemeinsamen Leben in Italien träumen. Ich will ihr zuhören, wie sie von früher erzählt. Ich will hören, wie sie sagt, wie sehr sie mich liebt. Und ich möchte ihr sagen: Mama, du bist das Wichtigste in meinem Leben, ich liebe dich mehr als alles andere auf der Welt und ohne dich will ich nicht sein.


    So. Das musste ich jetzt einfach mal runterschreiben. 'tschuldigung...


    Liebe Grüße an euch alle!


    Liebe Isabel,


    danke dir... nur... ich fühle mich schlecht, wenn ich auch nur darüber nachdenke, mir etwas Gutes tun. Auch wenn ich weiß, dass meine Mama jetzt schimpfen würde ;)

    jeder einzelne Tag fühlt sich wie Verrat an. Jeder einzelne Atemzug, den ich ohne sie tue. Mir ist klar, dass viele so empfinden. Aber das hilft mir trotzdem nicht...

    Liebe Kleene,


    was du erzählst, hat mich auch sehr betroffen. Und wie ich oben geschrieben habe, weiß ich auch, welche "Bedeutung" Tage obendrauf bekommen können. Meine Mama ist auf den Tag genau 30 Tage nach ihrer Mama gestorben und beerdigt worden. Dass deine Mama auch noch an ihrem Geburtstag... das ist... furchtbar. Es ist kein Vergleich, aber unser Kater ist vergangenes Jahr an seinem Geburtstag verstorben und wir dachten nur: das ist absurd, das geht doch nicht! Geburtstag und Todestag in Einem ist einfach ein makabrer Scherz vom Schicksal, das ist zu viel!

    Aber leider ist so etwas kein Scherz. Und ich finde, gerade solche... "Gegebenheiten" lassen einen doch fragen, ob es nicht wirklich etwas gibt, was uns alle bestimmt und lenkt.


    Es gab eine Situation am Tag, bevor meine Mama starb, an die musste ich bei deiner Nachricht denken. Sie hatte schwere Herzrhythmusstörungen, auch an diesem Tag, als ich bei ihr saß. Die Ärzte mussten die Störungen mit dem Defi unter Kontrolle bringen, ich wurde herausgeschickt. Als ich wieder reinkam, hatte ich das Gefühl, meine Mama verloren zu haben. Sie sah entsetzlich aus. Und das Schlimmste: ihre Augen waren offen. Ich war völlig außer mir. Nachdem die Schwester ihre Augen sanft geschlossen hatte, ging ihr rechtes Auge nicht mehr vollständig zu. Ich habe eine autoimmune Muskelschwäche und diese Situation hat mich so verstört, dass ich eine Lähmungserscheinung bekam. Eine Freundin musste kommen und mich mit Rollstuhl abholen und nachhause bringen. Das war so unangenehm! Aber schlimmer war, dass ich tief in mir wusste: das war zu viel für sie. War das ein Anzeichen, dass womöglich ihr Gehirn Schaden genommen hatte? Ich weiß, dass genau das immer die größte Angst meiner Mama war. Demenz zum Beispiel. Sie sagte immer: "Stell dir vor, ich würde dich nicht mehr erkennen! Dann sterbe ich lieber". Oder die Vorstellung, ausgeliefert zu sein, nicht mehr Herrin ihrer selbst zu sein. Das wollte sie nie. Und daran dachte ich, als mich der Arzt am nächsten Tag fragte, ob ich der Abschaltung der Geräte zustimme.

    Ich kam mir vor wie eine Mörderin, wie eine Richterin, die ich nie sein wollte. Bis heute mache ich mir Vorwürfe und obwohl ich weiß, dass es keine andere Wahl gab, bleiben diese Zweifel. Aber ich sage mir immer: was, wenn sie wirklich kognitive Schaden gehabt hätte? Nehmen wir an, sie hätte überlebt, aber wäre massiv kognitiv eingeschränkt. Darf Liebe so egoistisch sein? Natürlich nicht. Ich hätte ihr das niemals gewünscht.

    Trotzdem hätte ich uns ein längeres Zusammensein gewünscht.


    Aber ich möchte dir eigentlich damit sagen, dass ich es mir als ganz besonders entsetzlich finde (als ob "entsetzlich" steigerungsfähig wäre...), dass du deiner Mama aufgrund ihrer Demenz ihre Situation nicht hast verständlich machen können. Und auch dass du wusstest, dass sie an einem Punkt angelangt war, wo sie für sich entschieden hatte, dass ihr Leben nun die Qualität verloren hatte, die sie als Minimum für sich erachtet hatte, trotz ihrer Liebe zu dir.

    Und jetzt weine ich und muss ich abbrechen, weil ich das Gefühl habe, die letzten Zeilen auch an mich und nicht nur an dich zu schreiben...

    Ihr Lieben,


    wo soll ich anfangen?


    Zunächst bei dir, liebe Kornblume. Vielen Dank für deine Nachricht, die auch mir (wieder mal) Tränen in die Augen hat schießen lassen. Tatsächlich war es nur mein Hausarzt, der mir, wie oben erwähnt, erklärte, ich würde quasi zu stark trauern. Er war schon immer der Ansicht gewesen, die Verbindung zwischen meiner Mama und mir sei nicht normal, ich hätte mich nicht abgenabelt und meine Mama mich nicht losgelassen. Was für ein Quatsch! Und wie ich mich zusammen nehmen musste, als ich ihm gegenübersaß!!:cursing:

    Insofern kann ich dich sehr gut verstehen, wie du dich gefühlt haben musst bei solch dämlichen Kommentaren. Auch wenn ein Mensch über 100 Jahre alt würde - man würde ihn trotzdem schmerzlich vermissen. ...


    Auch dir ein herzliches :2:, liebe Mirachen, über deine ebenso herzliche Nachricht. Ihr beide schreibt, dass euer "Glaube", so nenne ich es jetzt mal übergeordnet, hilft. Ich bin nicht direkt gläubig, aber auch nicht unreligiös. Ich glaube auch, dass es etwas gibt, das uns Menschen verborgen bleibt, das uns lenkt, das alles irgendwie zusammenfügt. Wie ich schon erzählte, hatte ich auch immer das Gefühl, dass meine Oma stets bei mir war und ich mich beschützte.

    Trotzdem fällt es mir schwer gerade. Ich versuche, zu verstehen, was passiert ist, wo meine Mama nun ist und ich merke: ich werde es nie verstehen und ich werde nie Sicherheit erfahren. Ich bin der Situation ausgeliefert, ich kann sie nicht ändern, nichts rückgängig machen. Ich kann bis zur Unendlichkeit grübeln und denken und werde dadurch nicht weiterkommen, im Gegenteil.

    Und das ist eine Katastrophe für mich.

    Meine Mama war eine Kämpferin, das hat sie an mich weitergegeben. Probleme gibt es nicht, nur Lösungen. Dazu kommt, dass ich ein Kopfmensch durch und durch bin und all diese Eigenschaften, die ich bisher als meine "besten", erachtete, weil sie mir letztlich immer gute Dienste erwiesen haben, scheinen nun das Problem zu sein. Manchmal denke ich: dann akzeptiere es jetzt einfach. Mama ist tot. Sie ist nicht mehr da. So ist das Leben. Auch ich werde irgendwann sterben. Und weder an dem einen noch an dem anderen kann ich etwas ändern.

    Was soll ich sagen? Das hilft absolut gar nicht. Im Gegenteil. Es auszusprechen, ist, als würde ich "es" erst wahrmachen, und irgendwie ist es mir nicht möglcih, zu realisieren, dass dieses Unvorstellbare, dieses Grausamste, was mir je passieren konnte, tatsächlich jetzt, so plötzlich und unerwartet, jetzt wahrhaftig geschehen ist.


    Mein Stiefvater meinte, die aktuelle Corona-Situation wäre nur noch schlimmer, da ich so isoliert bin. Das stimmt nicht. Ich habe wenige, aber dafür "richtige" Freunde, und meine beste Freundin lebt noch nicht mal in Deutschland. Wir haben auch so Kontakt. Ich hatte nie mehr zu meinem Leben gebraucht: meine Mama, unsere Katzen, meine Bücher. So war das Leben perfekt.

    Nun hocke ich den ganzen Tag vorm Fernseher. Ausgerechnet ich! Ich hasse fernsehen. Mit Mama habe ich oft Fernsehen geschaut, unsere Lieblings-DVDs, Nachrichten, Dokumentationen, so was. Aber das, was ich jetzt mache - das glaubt niemand, der mich kennt. Und ich klebe förmlich vorm Fernseher, besessen davon, dass ich ja nicht daran denke, dass mein Leben plötzlich eingestürzt ist. Dabei kann ich noch nicht mal sagen, was ich konkret schaue. Und mir geht es nicht wirklich besser dadurch. Ich kann mich selbst nicht leiden, dass ich mich so hängen lasse. Ich habe soe viele Interessen und Hobbys, denen ich nachgehen könnte - ich mache es nicht. Ich kann mich nicht aufraffen. Und alles, was ich tue, fühlt sich wie Verrat an. Dass ich esse. Dass ich trinke. Dass ich überhaupt lebe. Aber ich mache es für unsere beiden Katzen, die ohne mich niemanden mehr hätten und das nach immerhin 17 Jahren bei uns (sie sind bei uns geboren!). Und natürlich weiß ich, dass meine Mama nicht wollte, dass ich aufgebe. Sie hat es ja auch nicht, damals, vor 30 Jahren, als ihre Mama starb.


    Aber wie hat sie das nur geschafft? Ok, ein Jahr später wurde ich geboren. Aber es ist eine ernst gemeinte, wenn auchvielleicht blöde Frage: wie schafft man das? Wie kann man Jahre (!!!!!) diesen Verlust ertragen? Wie kann man weiterleben, wenn einem das Wichtigste genommen wurde? Wie kann man an die Zukunft denken OHNE diesen über alles geliebten Menschen, ohne dabei verrückt zu werden?

    Ich bin mit 28 Jahren nicht alt, aber ich kam mir noch nie so erbärmlich jung und klein vor. Und noch nie habe ich mit so viel Angst an die Zukunft gedacht, an diese womöglich entsetzlich vielen Jahre ohne sie. Dieser Gedanke ist so unerträglich, ich schiebe ihn immer einfach weg.


    Es stimmt übrigens: es tut gut, all diese Gedanken einfach runter zu schreiben. In dem Wissen, dass hier niemand ist, der einen verurteilt, sondern nur Menschen, die einen verstehen.

    Danke dafür!


    Ich grüße euch! <3

    Hallo!

    Die Ostertage sind geschafft... mehr schlecht als recht...

    Ich habe die alten Sprachnachrichten von Mama angehört. Danach geht es mir noch schlechter. Es will einfach nicht in meinen Kopf, dass...sie nicht mehr da ist, physisch zumindest. Dass wir nie mehr zusammen sein werden. Dass ich sie nie wieder lachen höre, sie nie mehr in die Arme schließen und ihr nie mehr sagen kann, wie sehr ich sie liebe.


    Mir fehlen ihre Erzählungen und ich habe panische Angst, alles zu vergessen. Ich habe keine Familie außer meiner Mama. Sie selbst war Einzelkind und meine Großeltern habe ich nicht einmal kennen gelernt. Aber durch ihre Erzählungen war mir das nie bewusst gewesen. Ich hatte immer das Gefühl gehabt, meine Oma, ja sogar meine Urgroßeltern persönlich gekannt zu haben. Und ich habe ihre Erzählungen immer genossen, auch wenn ich sie zum 1000. Mal hörte.

    Nun habe ich Angst, sie zu vergessen. Eigentlich kann ich es mir nicht vorstellen, dass ich das tue, aber die Angst ist da.


    Momentan geht es mir sowieso ganz schlecht. Ich kann morgens nicht aufstehen, weil der erste Gedanke ist: du wirst sie jetzt nicht sehen, wenn du aus deinem Schlafzimmer kommst. Sie wird dich nicht anlächeln, dir einen guten Morgen wünschen, sich freuen, wenn sie dich sieht (das hat sie immer getan, obwohl wir doch zusammen lebten). Wenn du aufstehst, wirst du nur dir einen Kaffee kochen, nicht ihr auch einen Tee, und wir werden nicht gemeinsam dasitzen, Kaffee und Tee schlürfen und den Tag willkommen heißen.

    Nie mehr.

    Diese Dimension ist einfach nicht greifbar. N i e m e h r - wie kann das sein? Gestern, gefühlt, war doch noch alles in Ordnung. Warum ist sie nicht mehr da? Warum musste sie so früh gehen?

    Ich habe das Gefühl, ihr noch so viel sagen zu wollen. Obwohl ich nicht sagen kann, dass irgendetwas ungesagt zwischen uns war. Sie wusste, dass sie mein Ein und Alles war und sie hatte deswegen immer Angst, was aus mir würde, wenn sie.. eines Tages nicht mehr ist. Ob ich mir dann etwas antue. Insofern: ja, sie wusste, dass ich mehr liebe als alles andere. Und trotzdem habe ich Angst, dass sie es nicht wusste. Das klingt doof, oder? Ich weiß auch nicht...


    Ich ertrage das alles nicht. Ohne sie zu sein. Das ist so verdammt ungerecht. Den ganzen Tag hänge ich einfach nur rum, ausgerechnet ich, das passt so gar nicht zu mir. Aber ich kann einfach nicht anders. Auch wenn ich weiß, dass ihr das sicher nicht recht wäre. Sie würde nicht wollen, dass ich ihretwegen mich hängen lasse und so viel weine. Aber wie könnte ich das nicht tun? Wie könnte ich nicht weinen, wenn meine eine Hälfte mir genommen wurde? Wie könnte ich einfach so weitermachen, wo mein Herz gebrochen ist und ich genau weiß, dass sich diese Wunde womöglich mal schließen, aber niemals schmerzfrei sein wird? Wie kann ich morgens frohen Mutes aufstehen, wenn ich weiß, dass ich von nun an ohne sie "leben" muss? Und woher soll ich überhaupt den Mut nehmen, wenn ich nur voller Angst auf dieses "ohne sie", ohne mein anderes Ich, ohne diesen wundervollen, großartigen Menschen schauen kann?


    Ich grüße euch alle!

    Ihr Lieben,


    so viele herzliche Antworten in kurzer Zeit:2:


    Natürlich, jeder Tag, wo ein geliebter Mensch aus dem Leben genommen wird, ist zu früh und niemand ist "alt genug"... dennoch tut es umso mehr weh, wenn man andere sieht, deren Eltern viel älter sind. Als meine Mama im Koma lag, wurde eines Tages ein Mann eingeliefert, der war fast 80 Jahre alt. Auch seine Frau haben sie auf das schlimmste vorbereitet - und nur 48 Stunden später konnte der Mann auf die Normalstation verlegt werden. Und ja, ich gebe zu: man fragt sich schon, welchen Gerechtigkeits-Maßstab das Schicksal eigentlich hat.


    Eine Freundin meiner Mutter meinte, wer weiß, was meiner Mama dadurch erspart geblieben sei. Ich habe sie einfach nur angesehen, ich wusste nicht, was ich auf solch eine Aussage antworten sollte. Sie selbst ist 76 Jahre alt, also 10 Jahre älter als meine Mama.


    Schlimm sind die Stunden, in denen ich mich schlichtweg nicht aufraffen kann, irgendetwas zu tun. Wo ich nur Löcher in die Decke starre, bis ich irgendwann solche Panikattacken bekomme, dass ich freiwillig irgendetwas tue. Oft erwische ich mich dabei, wie ich darüber nachdenke, ob ich mit dem Rauchen anfange, oder, dass mein Medikament gegen meine Muskelerkrankung als Nebenwirkung Hautkrebs auslösen könnte, sollte man sich ungeschützt der Sonne aussetzen. Dann schäme ich fast schon selbst über diese Gedanken, höre meine Mama quasi direkt schimpfen, und entschuldige mich bei meinen Samtpfoten.

    Aber es "beruhigt" mich, dass ich mit solchen Gedanken nicht alleine bin und es vielleicht sogar zum Trauerprozess dazu gehört. Mein Hausarzt hatte mich in die Psychiatrie einweisen wollen, weil ich seiner Meinung nach zu stark trauere. - Er meinte sogar, ich solle die "Entwicklung" als "Chance" betrachten. Ich musste mich stark bemühen, ruhig zu bleiben!:4:

    Und am Anfang fragte ich mich oft, ob ich unsere Liebe nicht "verraten" würde, wenn ich weiterlebe. Obwohl ich weiß, dass sie immer wollte, dass ich weiterlebe. Wir hatten uns tatsächlich oft darüber unterhalten, denn auch sie war am Boden zerstört, als ihre Mutter gestorben war. Doch dann kam ein Jahr später ich, obwohl die Ärzte meiner Mama gesagt hatten, sie könne keine Kinder bekommen. Und so sagte auch sie immer zu mir, dass ich weiterleben muss, denn eine Mutter setzt ein Kind nicht auf die Welt, damit es nur für sie lebt.

    Aber ich habe gerne mit ihr gelebt, sie beschenkt (sie konnte sich über Kleinigkeiten riesig freuen), mit ihr herumgealbert und auch mit ihr geweint. Niemand versteht mich so gut wie sie es tat. Bei niemanden konnte ich so bedenkenlos ich sein wie bei ihr...


    Jetzt steht erst mal Ostern vor der Tür und ich bin froh, wenn die ersten Feiertage vorüber sind... das versteht ihr alle, die schon Weihnachten "anders" verbringen mussten (:13::33:), sicher bestens...


    Danke euch nochmals für eure Antworten!

    :*

    Liebe Alle,


    es hat lange gedauert, bis auch ich meinen Weg als registriertes "Mitglied" hierher gefunden habe. Aber ich komme einfach nicht mehr zurecht und hier gibt es offensichtlich viele, denen es genauso geht wie mir (leider...)


    Meine Mama wurde am 23.01.2020 in Krankenhaus eingeliefert. Sie hatte seit dem Sonntag zuvor diffuse Schmerzen gehabt, vor allem im linken Arm und im Oberbauch, hatte Übelkeit, war schwach und müde. Sie war Rheumatikerin und schon seit 2010 überwiegend bettlägerig, also riet man (Doc) ihr, es mit Cortison oder Novalgin zu versuchen. Am besagten 23.01. hatte ich eigentlich den Eindruck, es ginge endlich wieder bergauf. Doch der Hausarzt ließ sie sofort ins Krankenhaus einweisen. Sie war völlig irritiert und verzweifelt (da ich selbst eine Muskelerkrankung habe und wir zwei 18 Monate einer unfassbaren Odyssee mit entsprechenden Erfahrungen der Mediziner-Welt) und fragte, ob man diese Lungenentzündung, die der Arzt vermutete, nicht mit Antibiotika zuhause kurieren könne. Könnte man, aber das sei der letzte Versuch, den sie machen würde, war seine Antwort.

    Ich war wie vorm Kopf gestoßen. Meine Mama, auf die ich so aufpasste, bei der ich jedes noch so kleine "Wehwehchen" sofort merkte, in tödlicher Gefahr? Es kamen kurz darauf mehrere Rettungssanitäter, die sie sofort verkabelten. Ich wurde aus dem Zimmer geschickt. Ich war nur am Heulen. Als sie meine Mama wegbrachten, brachte ich gerade mal ein "Ich komm sofort nach, ich liebe dich, alles wird gut" heraus, sah ihr nach und brach dann zusammen. Ich packte ein paar Sachen, sah nach unseren Katzen und gemeinsam mit einer Freundin, die ich angerufen hatte, fuhr ich dann in die Uniklinik.

    Dort saßen wir etwa 4 Stunden, bis ich auf die ITS kam. Ich durfte sie nicht sehen. Kardiogener Schock, zweimal Katheter erfolglos, künstliches Koma. Ich solle mit dem schlimmsten rechnen.

    Nach einer Woche schien sie auf dem Weg der Besserung. Sie war eine Kämpferin, das sagten sogar die Ärzte, die trotzdem bemüht waren, mich täglich auf den Ernst der Lage hinzuweisen (als ob ich das nicht mitbekommen hätte). Ich war optimistisch. Ich wusste, sie kämpfte, schon meinetwegen.

    Dann näherte sich der 13.02. Sie bekam eine Lungenentzündung. Und ich wusste: sie schafft es nicht. Der 13.02., das ist auch der Todestag meiner Großmutter, die ebenfalls an einer Herzerkrankung starb. Und so wurde auch ich am 13.02. morgens angerufen, ich solle bitte in die Klinik kommen. Man hätte "kein Ziel mehr, auf das wir hinarbeiten können", durch die Medikamente seien nur noch "die Randgebiete" versorgt. Ich sollte entscheiden, ob die Maschinen abgeschaltet werden sollen.

    Ihr Körper war so am Ende, dass sie schon eine halbe Stunde nach dem Abschalten verstarb. Die Ärzte versicherten mir, sie hätte keine Schmerzen gehabt und nichts gemerkt. Ich hoffe es inständig.

    Und auch wie meine Großmutter 30 Jahre zuvor, wurde meine Mama am 20.02. beerdigt.


    Ich verstehe nicht, was passiert ist. Warum das plötzlich so kam, warum niemand eher gemerkt hat, dass ihr Herz so krank war. "Weil sie eine chronisch kranke Frau war", antwortete unser Hausarzt.

    Ich plage mich mit Vorwürfen. Sie hatte im Herbst 2019 in eine Klinik gewollt, verschob es aber, weil ich zu dem Zeitpunkt ins Krankenhaus musste - und ich kam bei ihr immer zuerst. Ich mache mir Vorwürfe, dass ich es nicht rechtzeitig bemerkt habe. Ich mache mir Vorwürfe, dass ich in den letzten Minuten, wo sie wach war, nicht bei ihr war.


    Immer wieder tauchen die Bilder vor meinen Augen auf. Wie sie im Krankenhaus liegt. Lebend. Tot. Habe ich den falschen Ärzten vertraut? Hätte ich irgendetwas machen können, was sie gerettet hätte? Täglich war ich dort, in dieser Klinik, in der ich selbst schlechte Erfahrungen gemacht hatte, und sprach mit meiner Mama. Meine Mama, die mir mehr bedeutete als mein Leben, die mehr war, als "nur" meine Mama. Die meine beste Freundin war, mein anderes Ich, meine Lebensgefährtin. Wir zwei getrennt, das gab es nicht. Wir wohnten bis zum Schluss zusammen. Ich bin 28 Jahre alt, wir waren nie getrennt bis auf 2 Klassenfahrten und 2 Urlaube. Oft hatte ich sie angerufen, als sie gerade den Hörer in die Hand nahm, um mich anzurufen. Sätze mussten wir oft nicht zum Ende sprechen, wir wussten sowieso, was die andere sagen wollte. Nichts konnte die andere der anderen vormachen. Ging es der einen schlecht, merkte das die andere. So einfach war das.


    Am 13.02. ist auch ein Teil von mir gestorben. Und so dachte ich: warum der andere Teil nicht auch noch? Ich weiß, dass meine Mama das nicht wollen würde. Ausschlaggebend dafür, dass ich noch lebe, sind unsere beiden Katzen, die unser Leben seit 17 Jahren treu begleiteten, auch jetzt mir immer beistehen und um die Wette schnurren, wenn ich mal wieder weine. Nein, die beiden darf ich nicht im Stich lassen.

    Und doch: es ist so unsagbar schwer. Ich meine, ersticken zu müssen, so schmerzt der Verlust dieses wundervollen Menschens, der viel zu früh, mit gerade mal 66 Jahren, gehen musste. Wenn ich daran denke, dass ich im schlimmsten Fall noch mindestens 40 Jahre ohne sie leben muss, könnte ich laut schreien. Der Gedanke ist nicht auszuhalten. Es gibt Tage, da will ich unbedingt aus unserer Wohnung ausziehen, weg von den Erinnerungen, die mich schier umbringen. Dann, und das ist meistens, möchte ich niemals weg von genau diesen Erinnerungen.


    Ich möchte gerne daran glauben, dass sie noch bei mir ist, und manchmal tue ich das auch. Doch dann werde ich traurig und wütend, weil es nicht mehr das gleiche ist. Weil ich ihr Lachen nicht höre, ihre schönen liebevollen Augen nicht mehr sehe, ihre weichen Hände nicht mehr berühren kann. Selbst jetzt beimTippen laufen mir unentwegt Tränen über's Gesicht und ich frage mich, wie lange ein Mensch das aushalten kann. Die Frage nach dem "Warum" geht mir nicht aus dem Kopf, auch wenn mir darauf natürlich niemand Antwort geben kann. Und dann dieses schreckliche Gefühl, dass sowieso niemand versteht, was ich durchmache. Dass niemand versteht, dass ich keinen Tag aufstehen möchte, dass ich die Sonne verfluche, dass sie scheint und dass ich nicht fassen kann, dass sich die Welt weiterdreht, obwohl sie für mich am 13.02. stehen geblieben ist.

    An diesem unheilvollen Tag, dem 30. Todestag meiner Großmutter. Aus dem Nichts, einfach so, urplötzlich. Wir hatten so viel vor. Wir wollten zusammen nach Italien auswandern. Sie hatte so viel Lebensmut und Kraft, es war unvorstellbar. Trotz ihrer chronischen Schmerzen, sie hatte leben wollen. Warum durfte sie das nicht?


    Ich kann nicht genau sagen, ob es mir hilft, das alles niederzuschreiben. Aber es tut doch irgendwie "gut", weil ich weiß, dass viele von euch das gleiche durchmachen mussten.


    Ich grüße euch,


    Alika