Liebe Brucknmandl,
Der Tod hat mir meinen Geliebten vor genau 60 Tagen geraubt - ich weigere mich zu glauben, er habe mich verlassen, denn er wollte gewiss nicht gehen, sondern wurde elend dazu gezwungen. Ich pendle seitdem zwischen fassungsloser entsetzter Schockstarre und schreiender vernichtender Verzweiflung.
Ich flüchte in Literatur und Versachlichung, versuche, mich dort im Leiden anderer wiederzufinden und mein eigenes gleichzeitig zeitweise zu verdrängen.
So erleide ich, philosophisch gesprochen, den Tod des Anderen als meine totale Auslöschung, als den primären Tod - den Eigentod (lachenden Mundes) dagegen als sekundär, eher unbedeutend. Sein Tod ist mein Tod, nur habe ich den meinen überlebt. Ich empfinde das nicht als Vorzug und erfahre, dass der Wunsch des Nachsterbens jeglicher Romantik entbehrt.
Viel tiefer (sofern dies möglich wäre) als ein Alleinsein quält mich das Ohne-ihn-sein (frei nach Julian Barnes), sein und damit mein Nicht-sein (wie es Connie Palmen beschreibt) Alles, was ist, ist vor allem etwas nicht.
Er ist überall nicht. Seit 60 Tagen von 11000 meiner zu befürchtenden Restlebenszeit.
***Niobe
Meine Trauer ist grenzenlos wie meine Liebe
(Novalis)