Beiträge von Niobe

    Liebe Brucknmandl,


    Der Tod hat mir meinen Geliebten vor genau 60 Tagen geraubt - ich weigere mich zu glauben, er habe mich verlassen, denn er wollte gewiss nicht gehen, sondern wurde elend dazu gezwungen. Ich pendle seitdem zwischen fassungsloser entsetzter Schockstarre und schreiender vernichtender Verzweiflung.


    Ich flüchte in Literatur und Versachlichung, versuche, mich dort im Leiden anderer wiederzufinden und mein eigenes gleichzeitig zeitweise zu verdrängen.


    So erleide ich, philosophisch gesprochen, den Tod des Anderen als meine totale Auslöschung, als den primären Tod - den Eigentod (lachenden Mundes) dagegen als sekundär, eher unbedeutend. Sein Tod ist mein Tod, nur habe ich den meinen überlebt. Ich empfinde das nicht als Vorzug und erfahre, dass der Wunsch des Nachsterbens jeglicher Romantik entbehrt.


    Viel tiefer (sofern dies möglich wäre) als ein Alleinsein quält mich das Ohne-ihn-sein (frei nach Julian Barnes), sein und damit mein Nicht-sein (wie es Connie Palmen beschreibt) Alles, was ist, ist vor allem etwas nicht.


    Er ist überall nicht. Seit 60 Tagen von 11000 meiner zu befürchtenden Restlebenszeit.


    ***Niobe



    Meine Trauer ist grenzenlos wie meine Liebe
    (Novalis)

    .... eine Auszeit hätte ich wahrscheinlich nirgends. Mein geliebter Mann starb vor genau zwei Monaten, ich kann es kaum unter Menschen aushalten. In meinem früheren Leben war ich Lehrerin .... undenkbar, dass ich in absehbarer Zeit Beziehungsarbeit mit Menschenkindern leisten oder Verantwortung übernehmen kann. Eigene Kinder oder Geschwister habe ich keine, meine Mutter ist schon sehr alt, sie kann keine Stütze mehr sein. Ich habe gute Freunde, doch die können nicht nachfühlen, was es heißt, wenn ein liebender Mensch ALLES verliert, was er nur verlieren kann, denn sie haben noch alle ihre Partner. So finde ich Leidensgenoss*innen nur hier in diesem Forum.

    liebe Mauela,


    danke, dass du nachfragst. Ich bin 55 Jahre alt und arbeitsunfähig nach dem, was das Leben, das Schicksal, oder wer oder was auch immer mir angetan hat. Ich weiß nicht, ob ich das verkraften kann znd es interessiert mich auch nicht. Wenn ich schon nicht sterben darf, dann bitte so wenig und so kurz wie möglich leben!


    Meine Ärztin ist wenig achtsam, will mich eigentlich nicht länger krankschreiben. Ich würde mich fallen lassen (und wenn schon!), sie habe selbst auch schon schwere Verluste ertragen, das sei schlimm, aber eben auch kein Weltuntergang. Es hat sich aber heute bei mir eine Trauerbegleiterin gemeldet, die mir vermittelt wurde. Als ich ihr meine Geschichte am Telefon erzählte, stockten ihr Atem und Sprache. Sie hat mir versprochen, mir die weitere Krankschreibung zu ermöglichen.


    Mein geliebter Stern war gerade 65 und hätte jetzt nicht sterben müssen, wenn seine egomanische Exfrau sich nicht so massiv eingemischt und damit eine tödliche Lawine losgetreten hätte. Wenn du magst, findest du meine Geschichte zu Beginn meines Threads...


    Meine Leberwerte sind schlecht - immerhin. Ich trinke nicht sehr viel, aber ich ernähre mich abartig und habe schon seit Jahren Gallensteine. Schätze, das ist der Grund ...


    Sorry, dass ich die allgemeine Frühlingsstimmung nicht so teilen kann....


    *** Niobe

    Alles in der Hoffnung, bald wieder mit dir vereint zu sein.

    Es hat überhaupt nichts gebracht. Ich habe den Zielwert erreicht. Ich verstehe es einfach nicht. Ich habe alles gemacht, um bald bei dir sein zu können.

    Unser Arzt hat sich so gefreut über meine Werte. Ich nicht.

    liebe Manuela,

    fühle dich zutiefst verstanden. Morgen habe ich einen Arzttermin (Blutbild besprechen). Ich ertappe mich bei dem Gedanken, das Schlimmste zu hoffen...


    Und die Blutdruckpillen habe ich "vergessen" .


    Leider habe ich allerdings noch nicht so das "richtige" Alter


    *** Niobe

    Liebe Bruckenmandl,


    einfach liegen bleiben wollen, am liebsten für immer!! Dieses Gefühl kenne ich - es begleitet einen permanent, wie das permanente Nichtsein des geliebten Menschen. Jeden Tag gehen wir doch durch die Hölle einer Wirklichkeit, die ihres Inhalts, ihres Wesenskerns beraubt ist.


    Gerade an gemeinsamen Orten landet man im Horrorfilm der glücklichen Erinnerungen, so zumindest mein Empfinden.

    Sehr beeindruckend, dass du diese Fahrt überhaupt mitmachen konntest. Ich zum Beispiel bin meilenweit davon entfernt, Bilder- innere wie äüßere - , Orte oder Gegenstände der Erinnerung zu berühren. Wehe, wenn sie sich mir doch aufdrängen (und das tun sie oft genug) - dann gibt es kein Halten mehr in der schreienden Verzweiflung.


    Gut, dass du Menschen um dich hast, auch wenn niemand und nichts helfen und trösten kann. Und gut, dass es dieses Forum gibt.

    Ich habe das Gefühl es wird jeden morgen schlimmer ,ich weiß ja


    nicht wir ihr das Schaft .

    Liebe Birgit,


    ich zum Beispiel schaffe es nicht - absolut NICHT. Wenn ich morgens aufwache, dann bin ich als erstes darüber verzweifelt, dass ich weiterleben muss, obwohl ich das nicht aushalte in einer Welt, in der der geliebte Mann nicht mehr ist.


    In meinem früheren Leben war ich Lehrerin, aber an arbeiten gehen ist nicht zu denken - noch dazu im Umgang mit Menschen, Kindern!

    Arbeitsunfähig bin ich.... sein Tod hat meine Seele ausgelöscht.


    Ich starre vor mich hin und versuche irgendwie zu begreifen, was passiert ist oder ich schreie und heule mich schier zu Tode. Zwischen den Schreikrämpfen versuche ich zu lesen. Trinke roten Kindertee und esse Fertignudeln. Manchmal hetze ich ziellos durch die Straßen.


    Ich bewundere deinen Mut, jeden Tag das Grab deiner Liebsten zu besuchen!!!


    Die Wucht eines Grabes auszuhalten geht über alle meine nicht vorhandenen Kräfte.

    Ich schaffe es noch nicht mal, mich zu erkundigen, wo das Grab meines Geliebten ist und ob es überhaupt schon ein Grab gibt. Wir waren ja nicht verheiratet. Sohn und Exfrau meines Geliebten haben alles an sich gerissen, ohne mich mit einzubeziehen. Seit der Trauerfeier habe ich kein Wort mehr von ihnen gehört.


    In tiefster Nacht überfällt mich dann eine Art von Schlaf, denn eigentlich kann ich die Augen nicht schließen. Dann quälen mich nämlich sofort die Bilder der Erinnerung an mein früheres glückliches Leben und lösen den nächsten Heulkrampf aus.


    Dann wache ich wieder auf mit der Todesnachricht, die mir jeden Morgen aufs Neue ins Gesicht schlägt.


    Fühle dich zutiefst verstanden von einer, die es auch nicht "schafft"


    ***Niobe

    Im Leid zu Stein erstarrt

    Liebe Bruckenmandl,


    Ich verstehe dich so gut!

    Natürlich können wir nicht das Leid des einen gegen ein anderes Leid abwägen, messen, wer aus größerer Höhe abgestürzt ist.

    Doch ich kenne das Gefühl, dass zur Trauer das Trauma noch oben drauf kommt.


    Mein geliebter Stern starb nicht an einer tödlichen Krankheit, einem Kunstfehler, einer Fehldiagnose, einem Unfall und auch keinen plötzlichen Tod. Eine übereifrige Exfrau setzte eine egozentrische Entscheidung durch, die noch nicht einmal medizinisch begründet war, und trat damit eine tödliche Lawine los.


    Unnötiges Leid und unzeitiges Sterben! Hoffnung bis zum letzten Atemzug und in jeder Sekunde das Gefühl, dass der Geliebte jetzt eigentlich bei uns sein könnte, denn dieser Tod wäre nicht unausweichlich gewesen.


    Das ist der Terror, der Stachel im Schmerz, der Overkill, der auf das Leid wie mit einem Beil einschlägt: Es hätte (so/jetzt/noch) nicht sein müssen.


    Fühle dich zutiefst verstanden


    *** Niobe

    im Leid zu Stein erstarrt

    lieber Engels-Mann,


    Fühle dich zutiefst verstanden!!!


    Unser Entsetzen über den Tod des geliebtesten Menschen ist so übermächtig, dass es uns die Sprache verschlägt. Wir haben keine Worte für das Unbegreifliche und spüren, dass es keine Sprache gibt für das Ungeheuerliche....


    ***

    Liebe Bruckenmandl,


    Das Allerschlimmste was passieren kann, ist dir wie uns allen hier passiert.

    Es gibt keinen größeren Verlust, es gibt keinen größeren Schmerz, es gibt keine tiefere Hoffnungslosigkeit, keine tiefere Ohnmcht.

    Es gibt keine Worte und keine Gefühle, die das Ungeheuere annähernd ausdrücken können.

    Unsere Liebe kann nicht begreifen ....

    Es geht weit über alle unsere Kräfte hinaus.


    Im Schmerz verbunden sende ich dir einen verstehenden Blick ***

    liebe Helen,


    Ich verstehe dich viel tausend Mal. Mein geliebter Stern ist seit 6 Wochen tot und ich schaffe es noch nicht einmal, innere Bilder zuzulassen. Chat-Verläufe musste ich sofort löschen, eine Freundin musste eine Tasche mit Erinnerungsstücken aus seiner Wohnung abholen und im Keller in der hintersten Ecke verstecken. (Wir lebten nicht in einem Haushalt - und ich hatte kurz vor seinem Tod eine neue Wohnung eingerichtet, ganz in seiner Nähe, für mich und für uns ...)

    Ich traue mich nicht, Bilder auf dem Handy zu öffnen und kann auf der Straße keinen Fuß auch nur in die Richtung seiner Wohnung setzen. Ich bitte ihn, nicht in meine Träume zu kommen, keinen Ton Musik kann ich ertragen (er war Pianist und Dirigent). Die Vorstellung, mich an ein Grab zu setzten, liegt außerhalb jeglicher Möglichkeiten.

    Die Stille und Leere ... mehr geht nicht. Alles weitere würde mich schier umbringen (allerdings leider nur 'schier')


    Ich sende dir einen verstehenden mitfühlenden Blick ***

    heute war ich bei meiner Ärztin und bin dann von der Praxis dann nach Hause gelaufen. Es war schlimm... hinter jeder Ecke ein Ort der schneidenden Erinnerung "Schau, was du verloren hast, begreife, dass du es nie wieder haben kannst und verbrenne daran, dass du es durchaus noch hättest haben können, hätte diese Frau nicht das Ruder an sich gerissen" ....


    Welches Elend erwartet uns!!!

    ich kann noch nicht mal in den Supermarkt gehen, wo wir immer gemeinsam einkaufen waren.

    Es graut mir vor dem Ende des Lockdown, wenn die Restaurants öffnen, in denen ich so beglückende Normalität mit ihm erlebte.

    Vielleicht mindert sich der Schmerz irgendwann. Ob das Leid endet.... ich für meinen Teil fürchte nein, aber jeder ist da natürlich anders, jede Lebenserfahrung ist anders, jede Liebes- und Leidensgeschichte ist anders, jeder Tod und jeder Verlust ist anders und jeder verarbeitet anders.

    Julian Barnes schreibt: man kommt heraus wie eine Möwe aus einer Öllache. Man ist geteert und gefedert fürs Leben.

    im Ernst - ich habe in den letzten Tagen vor lauter Verzweiflung und zeitweiliger Flucht vor dem allumfassenden Schmerz Artikel (so seriöse wie möglich) über das naturwissenschaftlich ungelöste Rätsel von Geist&Materie, Körper&Seele, Gehirn&Bewusstsein gelesen. Ernstzunehmende Quantentheorien nähern sich möglicherweise einer Lösung des Rätsels an, sind daher sehr populär und blütenreich, auch wenn niemand (eigentlich noch nicht mal die Wissenschaftler selbst) sie wirklich verstehen.

    Ich fürchte leider, die Serie könnte eine solche "Blüte" sein. Es wäre doch aber zu schön....

    Kleiner Trost vielleicht: die "Existenz" (falsches marterialistisches Wort eigentlich) eines (unseres?) Bewusstseins außerhalb unseres Gehirns wird auch unter Physikern und Neurobiologen nicht mehr vehement bestritten....