Vorwürfe und Reue

  • Guten Abend! :)
    mein Name ist Verena. Ich bin 30 Jahre alt und komme aus Wien.
    Am 29.Oktober 2012 ist mein Stiefpapa im 63. Lebensjahr verstorben. Er war viele viele Jahre an unserer Seite und er war mir immer ein liebevoller "Ersatzpapa". Zu meinem Vater habe ich schon sehr lange keinen Kontakt mehr.


    Zu der ganzen Traurigkeit kommen jetzt die Vorwürfe dazu, die ich mir mache. Ich hätte ihm öfter und mehr zeigen sollen wie lieb ich ihn habe, hätte mehr Zeit mit ihm verbringen sollen, hätte dies und jenes anders machen sollen, hätte dies und jenes nicht sagen sollen etc.


    Mir ist schon klar dass man nie (oder selten) so lebt als würde man sich am nächsten Tag nicht mehr sehen. Jeder Mensch lebt sein Leben und es gibt Zeiten in denen man sich einfach weniger sieht. Was aber nicht heißt, dass man weniger an sich denkt. Und manchmal hat man eben eine Diskussion, das heißt aber auch nicht, dass man böse aufeinander ist. Aber im Nachhinein tun einem dann so viele Dinge so unendlich leid! Und so geht es mir jetzt. Ich konnte mich nicht mehr von ihm verabschieden und vieles war noch unausgesprochen. Ich habe meiner Mutter eine Woche davor gesagt dass ich traurig bin und ich keine negativen Veränderungen in meinem Leben haben will. Und dass wir uns jetzt wieder öfter sehen müssen - als hätte ich es geahnt. Da ahnte aber noch niemand dass er in einer Woche tot sein wird - er kam Sonntag in der Früh in's Spital und Montag in der Früh ist er verstorben - er war im künstlichen Tiefschlaf bis er starb.


    Ja, er war schon krank. Wir wußten schon dass er gesundheitlich angeschlagen ist. Er war auch in ärztlicher Behandlung. Aber ich denke wir haben das wirkliche Ausmaß seiner Krankheit ein wenig verdrängt. Wir wollten es nicht wahrhaben und haben nach dem Motto gelebt "Na das wird schon wieder" - und er tat das auch. Ein paar Tage davor ist er auch noch mit dem Auto gefahren, war im Gartenhaus und auch in Kärnten bei seinem Sohn war er noch kurz davor. Also wir hätten uns wirklich NIE gedacht dass er so schnell sterben wird! Im Endeffekt ist er an multiblem Organversagen verstorben.


    Wie war das bei euch? Habt ihr euch auch Vorwürfe gemacht? Wenn ja, wie habt ihr sie überwunden? Mich macht das momentan nämlich ziemlich fertig :(
    Mir tut so vieles so leid und ich kann es ihm nicht mehr sagen. Das tut so weh.


    Danke im Voraus für eure Antworten


    Liebe Grüße
    Verena

  • Liebe Verena...


    willkommen bei uns....hier bist Du sicher gut aufgehoben, wir alle hier kennen Deinen Schmerz..., und wir verstehen Dich!


    Es tut mir sehr leid, dass Du Deinen Stiefpapa verloren hast, der sicher mehr war für Dich....
    Ich bin sicher, dass er weiss, wie lieb Du ihn hattest...auch wenn Du es nicht immer gesagt hast...ich denke, dass man das spürt, auch wenn man es nicht immer wieder dem anderen gegenüber äussert...


    Sicher gibt es immer mal Diskussionen, Streitereien, Meinungsverschiedenheiten, aber auch das gehört dazu, wenn man einen Menschen liebt....
    Du darfst Dir nichts vorwerfen...ganz bestimmt nicht....


    Er war krank, aber wenns passiert, ist man nicht wirklich vorbereitet..., es tut weh, und es ist doch aufeinmal so plötzlich...
    Und klar, man will sich damit nicht beschäftigen, diese Gedanken schiebt man weg
    weil man möchte doch so gerne, dass alles wieder gut wird, auch wenn man weiss, dass es nicht mehr gut wird...
    das ist wie ein Selbstschutz..., den bauen wir einfach auf....


    Wir sind für Dich da...hier ist immer jemand, der Dir zuhört...
    wir können Dir zwar den Schmerz nicht nehmen, aber wir können Dich auf dem Weg begleiten....


    Schreib immer hier, wenn Du es kannst, brauchst und es möchtest...


    Deine Manuela

    Memento
    Vor meinem eigenen Tod ist mir nicht bang,
    nur vor dem Tode derer, die mir nah sind.
    Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind?
    Allein im Nebel tast ich todentlang
    und lass mich willig in das Dunkel treiben.
    Das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben.
    Der weiß es wohl, dem Gleiches widerfuhr -
    und die es trugen, mögen mir vergeben.
    Bedenkt: Den eignen Tod, den stirbt man nur;
    doch mit dem Tod der anderen muss man leben.

  • Hallo Manuela,


    vielen Dank für die lieben Worte. Es stimmt, im Verdrängen ist man in so einer Situation ein Meister. Ich konnte es nicht glauben, nicht mal als der Arzt sagte dass er nicht überleben wird, nicht mal als ich ihn am Totenbett ein letztes Mal gestreichelt habe. Für mich hat er einfach geschlafen. Heute war die Urnenbeisetzung und ich bin gerade unendlich traurig. Jetzt ist es wirklich endgültig. Das war es zwar am 29.Oktober 2012 auch schon, aber man konnte es einfach nicht glauben und fassen.


    Ich weiß, ich darf mir nichts vorwerfen. Ich glaube dass es wahrscheinlich noch Zeit braucht bis ich diese Vorwürfe niederlegen kann. Er hätte sicher nicht gewollt dass ich mich jetzt so fertig mache. Der Tod ist wirklich so gnadenlos...


    Ich danke dir. Ich lese schon ein paar Tage still mit. Es tut gut verstanden zu werden.


    Liebe Grüße, Verena

  • Liebe Verena !
    Ein herzliches willkommen hier im Forum und mein herzliches Beileid !
    Ich schliesse mich Manuela an und kann Dich gut verstehen,Vorwürfe macht sich glaube ich jeder,wenn ein geliebter Mensch geht,denkt man über Vieles nach,was man nicht sagen. machen. tun hätte sollen.
    es ist normal.
    Ich wünsche Dir viel Kraft in Deiner schweren Zeit,Alles Liebe Chrisu

  • Liebe Verena,


    auch von mir ein herzliches Willkommen hier im Forum. Hier wirst Du immer jemand finden, der Dir gerne zuhört.


    Ich will Dir viel viel Kraft für die ach so schwere Zeit schicken.


    Liebe Grüße sendet Dir
    Josef

  • Guten Morgen Josef,
    es geht mir heute etwas besser. Habe zum Glück sehr gut geschlafen. Ich fahre dann mit der Mutti zum Grab. Und danach fahren wir zu Opa in's Spital. Er hat einen Herzschrittmacher bekommen und es geht ihm nicht so gut. Ich hoffe sehr dass er sich noch erholt. Es wäre ein bisschen zu heftig wenn er uns jetzt auch noch verlassen würde.


    Liebe Grüße, Verena

  • Liebe Verena,
    herzlich willkommen hier bei uns! Deine Schuldgefühle sind normal! Schuldgefühle sind fast bei jedem Trauerfall am Anfang vorhanden, besonders natürlich bei plötzlichen Todesfällen, weil man eben immer etwas findet, was man noch öfter und noch besser hätte machen können. Aber Schuldgefühle zu haben, heißt nicht schuldig zu sein. Ich bin mir sicher, dass er wusste, wie gern du ihn hast, das merken Menschen, auf wenn man es ihnen nicht dauernd sagt. Und du hast dich am Totenbett auch noch sehr liebevoll verabschiedet! Vielleicht magst du deinem Stiefvater ja noch einen Brief schreiben und ihm darin alles sagen, was du noch sagen möchtest?
    AL
    Christine

  • Danke Josef! Opa ist sehr schwach und benommen. Wir konnten nicht viel reden weil er fast nur geschlafen hat. Jetzt können wir nur warten und hoffen dass er die Lungenentzündung übersteht.


    Hallo Christine,
    danke dir. Ich habe ihm einen Brief geschrieben der in seinen Sarg gelegt wurde. Das hat meine Schwester auch getan. Das hat sehr geholfen. Ich schreibe auf dem Laptop im word-Programm auch immer meine Gedanken die ich habe und richte meine Worte direkt an ihn - so als würde ich ihm einen Brief schreiben. Und alles was mich belastet und mich beschäftigt schreibe ich ihm. Das ist auch eine Erleichterung und hilft beim Verarbeiten.


    Heute war ich mit Mutti am Grab und wir haben die Kränze und Blumen schön geordnet. Noch hat er leider keinen Grabstein sondern nur ein Kreuz. Das können wir dann erst im Frühjahr machen. Aber wir haben ihm noch Kerzen und Engerl gebracht. Und sein Grab ist so richtig farbenfroh. Sein Plätzchen soll schön sein, auch wenn es noch nicht vollendet ist. Heute war ein besserer Tag. Vielleicht lag es auch am schönen Wetter. Heute war ein sehr schöner und sonniger Herbsttag. Und ich war heute gar nicht traurig am Friedhof. Ich war eigentlich nur froh dass wir seinen Platz so schön gestaltet haben. Mutti ging es auch besser. Ich glaube aber auch dass wir einfach zu müde und zu erledigt zum traurig sein waren. Trauern und weinen kostet auch Kraft. Und ich habe das Gefühl gehabt dass wir diese Kraft heute gar nicht hatten. Aber das ist auch gut so. Man braucht auch mal eine Pause zwischendurch.


    Ich wünsche euch einen schönen Abend

  • Liebe Verena,
    du hast Recht! Trauer braucht Pausen dazwischen und dafür sorgen Körper und Psyche von selbst, sie schalten in einen Erholungsmodus.
    Dass du ihm Briefe schreibst bzw. deine Gedanken aufschreibst, ist gut. Ich bin mir sicher, deine Schuldgefühle werden nach und nach kleiner werden.
    AL
    Christine

  • Guten Abend,
    melde mich wieder. Heute ist wieder kein guter Tag. Bin erledigt und sehr traurig. Und mir machen jetzt auch noch Ekzeme zu schaffen. Einen Tag nachdem mein Stiefpapa gestorben ist hat sich im Gesicht ein Ekzem gebildet. Dafür habe ich eine Salbe bekommen und es ging jetzt weg. Doch seit ca. 1 Woche kommen diese Ekzeme auch am Körper raus. Und teilweise jucken sie sehr stark. Ich muss am Freitag unbedingt nochmal zur Ärztin gehen. Das ist nämlich sehr unangenehm. Noch nie in meinem Leben hatte ich sowas. Hat das von euch noch jemand gehabt? Also Probleme mit der Gesundheit durch den psychischen Stress?


    Liebe Grüße, Verena

  • Hallo Verena,
    die Haut ist Spiegel der Seele, sagt man ... Und diese Erfahrung hab ich auch schon gemacht. Ich bekam ein riesiges Ekzem - auch im Gesicht. Meine Ärztin sagte mir, das sei eine Stressreaktion. Die Salbe alleine brachte nichts, ich bekam 2 Monate ein Antibiotikum zusätzlich. Dann gings langsam weg. Kam nach einem Jahr wieder, war aber dann durch die Salbe alleine wieder wegzubringen. Schlussendlich waren es aber die Lebensumstände, die sich änderten und seither hab ich Ruhe und keine Probleme mehr. :)
    AL Christine