Bruder verloren - WARUM???

  • Hallo, ich bin neu hier und möchte mir auch meinen Kummer von der Seele schreiben.
    Ich habe am 15.12.2013 bei einem tragischen Verkehrsunfall meinen über alles geliebten Bruder verloren.
    Gerade mal 42 Jahre alt wurde er beim Heimweg von der Weihnachtsfeier von einem Auto mit Tempo 100 voll übernommen.
    Mein Bruder war auf der Stelle tot.
    Und ich bin in ein riesengroßes Loch gefallen. Ich versteh´s einfach nicht. Noch nie ist mein Bruder zu Fuß nach Hause gegangen.
    So viele Fragen nach dem Warum kreisen in meinem Kopf und reißen mir schier das Herz aus der Brust.
    Warum ist er grade dieses mal zu Fuß nach Hause gegangen, obwohl ihn immer die Tochter eines Kollegen nach Hause gebracht hat. Er hätte doch nur eine 1/4 Stunde auf sie warten müssen - aber nein - er hat darauf bestanden zu Fuß zu gehen. Er war schon so weit gekommen - aber gerade auf dem Wegstück ohne Gehsteig ist das unfassbare passiert.
    Eine Freilandstraße - Tempo 100.
    Angeblich ist mein Bruder mitten auf der Straße gegangen - ich versteh´s einfach nicht. Warum????
    Der Schmerz ist unbeschreiblich, nicht beschreibbar.
    Ich könnte schreien, heulen - muss mich zu jeder noch so kleinen Alltagstätigkeit aufraffen.
    Werde ich jemals auf dieses Warum eine Antwort bekommen??

  • Liebe oder lieber Michi.
    herzlich willkommen bei uns hier und mein herzliches Beileid zum Tod deines Bruders!


    Ich weiß, dass es Angehörigen nach so einem Ereignis hilft Stück für Stück die Mosaiksteinchen zusammentragen, um zu verstehen, was passiert ist. Einiges klärt sich da mitunter, viele Fragen lassen sich aber letztlich nicht beantworten. Dass sich diese Fragen dir jetzt - weil alles noch so frisch ist - aufdrängen, ist ganz normal, aber du wirst mit der Zeit auch erkennen, dass manches offen bleiben wird, weil es nicht beantwortbar ist. Versuche zu lernen diese Warum-Fragen zu stoppen, sie quälen dich und du bekommst keine Antwort. Manchen Betroffenen hilft es, wenn sie diese Fragen als "Grübel-Frage" erkennen und immer, wenn eine aufkommt, sagen: Stopp, du bist eine Grübelfrage, du hilfst mir nicht weiter!
    Ds geht am Anfang schwer, ich weiß, aber mit der Zeit klappt es besser!


    Schreib einfach, wann immer es dir gut tut hier alles nieder, wir hören dir zu und sind für dich da!
    AL Christine

  • Liebe (r) Michi,
    ich habe Deine Zeilen gelesen und will Dir meine ehrliche und aufrichtige Anteilnahme aussprechen.
    Ich will Dir viel viel Kraft schicken für die ach so schwere Zeit.
    Liebe Grüße sendet Dir
    Josef

  • Hallo - knapp 8 Monate ist es nun her, dass ich meinen Bruder verloren habe. Auf solch schreckliche Weise - nicht einmal Abschied nehmen konnte ich von ihm.
    ABER was jetzt echt total arg wird ist dieser unbändige Hass auf die Autolenkerin. Dieser Hass und Schrei nach Gerechtigkeit und Vergeltung. Und ich kann es nicht abstellen, wünsche ihr, dass auch sie Mann oder Kind verliert. Damit auch sie sieht, was sie uns angetan hat. Es am eigenen Leib zu spüren kriegt. Jeder sagt mir immer, dass man so was nicht macht, niemandem wünscht - aber was tun? Wie diese Gedanken abstellen? MIR hat man meinen Bruder genommen, nie wieder werde ich ihn lachen oder reden hören, nicht mehr umarmen können. NIE WIEDER!!!!!
    Und was ist mir der Lenkerin????? Sie hat noch alles - Mann, drei gesunde Kinder. Lebt einfach so weiter und hat jetzt auch noch einen Anwalt der sie bestens vertritt und den Unfall so darstellt, als ob mein Bruder als Fußgänger jetzt daran Schuld wäre. Ich verstehe es einfach nicht - wie kann etwas so dermaßen ungerecht sein??????
    Und wer vertritt meinen Bruder????
    Ich verstehe es einfach nicht - wundert es da, wenn dieser Hass aufkommt?????
    Jeden Tag wird einem einen Dutzend Mal das Herz aus der Brust gerissen und es wird und wird einfach nicht besser. Dieser Schmerz, den man nicht stillen kann - einem keiner nehmen kann. Wie bitte soll man damit jemals leben lernen????


    ;(

  • Liebe Michi,


    zuerst einmal es tut mir schrecklich leid was mit deinem Bruder passiert ist. Jeder Verlust einer geliebten Person ist salopp gesagt scheiße und von scheiße gibt es keine Steigerungsform.


    Unsere Situationen lassen sich nicht wirklich vergleichen, aber vielleicht hilft dir mein Zugang zu dem Thema Wut bzw Hass.


    Mein Freund starb bei einem Motorradunfall und ein paar Stunden später wurden die Motorräder der Unfallbeteiligten zuerst unter Decken zur Begutachtung hingestellt. Als ich hin kam waren die Decken herunten und ein Motorradfahrer begutachtete gerade seine Maschine. Die hatte ein paar Kratzer war aber sonst nicht wirklich schwer beschädigt. Ich hatte 4 Quadratmeter Einzelteile, die nicht mehr als Motorrad zu erkennen waren. Meine erste Reaktion war Wut und Hass auf den Typen mit dem leicht beschädigten Motorrad. Am liebsten hätte ich den einfach nur grün und blau geschlagen, dafür dass mein Freund gestorben ist und nicht er.Ich gebe es ehrlich zu in diesem Moment habe ich ihm den Tod gewünscht so wütend war ich.


    Mir hat es dann geholfen meine Wut als eine normale Gefühlsregung zu verstehen und zu akzeptieren, JA ICH BIN WÜTEND UND DAS IST OK. Mir wurde etwas wichtiges weggenommen und dann darf man wütend sein und auch Hass empfinden, aber gleichzeitig ist mir bewusst, dass mich diese Gefühle nicht weiter bringen.


    Im Unterschied zu dir weiß ich nicht, wer an dem Unfall schuld war und eigentlich möchte ich es auch garnicht wissen, denn es würde nichts an der Situation ändern. Und auch meine Wut ändert nichts an der Situation. Für mich ist sie nur ein Schritt auf dem Trauerweg. Nicht mehr aber auch nicht weniger.


    Ich kann mir nicht einmal vorstellen, wie schwer es sein muss mit dem Menschen der einem so etwas angetan hat konfrontiert sein zu müssen. Aber selbst wenn die Frage der Schuld vor Gericht geklärt wird, ändert es nichts an deinem Verlust und ausgleichende Gerechtigkeit kann es in so einem Fall nie geben.


    Ich hoffe ich konnte dir irgendwie helfen und du hast nicht das Gefühl ich wollte nur meine eigene Geschichte erzählen. Mir Persönlich hilft es zu lesen, dass andere Personen genau die gleichen Empfindungen erlebt haben wie ich. Damit kann ich das als normale Reaktion einstufen.


    Ich wünsche dir alles gute für die schwere zeit

  • Lieber No99,


    zunächst auch dir mein Beileid. Jeder Verlust eines geliebten Menschen ist tragisch und tut schrecklich weh. Vor allem weil man einfach nix machen kann - es bleibt einem einfach nichts anderes übrig, als irgendwie mit dem Erlebten und dem Verlust zu leben.


    Ja das stimmt - mit hilft es auch sehr, wenn man über andere Schicksale erfährt. Auch wenn jeder ein anderes "Pinkerl" zu tragen hat, so ist es doch sehr hilfreich und auch beruhigend wenn man weiß dass man mit dem Erlebten nicht alleine ist. Hört sich vielleicht blöd an, aber ich lese seit dem ständig die Traueranzeigen und es ist so richtig beruhigend für mich, wenn ich sehe, dass auch andere das gleiche Schicksal haben und einen geliebten Menschen verloren haben.


    Ich weiß dass dieser Hass eigentlich nichts bringt, aber scheinbar ist es so, dass man irgendwie ein Ventil für seine Gefühle braucht. Bei dir ist dieser Hass auf eine Schuldigen nicht möglich, weil du wie du sagst den Verursacher des Unfalls nicht kennst. Aber dieser Schrei auf Vergeltung, dass der Lenkerin das gleiche widerfahren soll wie mir ist irgendwie das einzige, dass mir bleibt um nicht durch zu drehen. Sie ist die einzige auf die ich meine Wut konzentrieren kann - auf wen sonst??
    Es bringt mir meinen Bruder nicht zurück, aber es wäre doch beruhigend zu wissen, dass auch sie jemanden verliert und so das selbe durchmachen muss wie ich.
    Wie gesagt wäre es aber auch nur beruhigend - es würde mir ja trotzdem nichts von meinem Schmerz nehmen. Mein Bruder fehlt halt überall - ich hatte so ein intensives Verhältnis zu ihm - gerade deshalb ist jetzt aber auch der Schmerz sooooooo extrem.


    Es zehrt einfach alles - ich bin so richtig ausgelaugt. Hab nur unendliche Leere in mir. Und das obwohl ich auch meinen Partner habe, der mich wirklich liebt und mir in der schweren Zeit begestanden ist. Aber es ist leider so, dass für alle anderen eh "schon 7 Monate" vergangen sind und es geht jeder davon aus, dass man scheinbar in der Zeit den Verlust verarbeitet hat. Also ich muss sagen dass ich bei weitem noch nicht so weit bin - im Gegenteil - seit zwei Wochen bin ich wieder in einem extremen Tief und versuche halt irgendwie da raus zu kommen ohne dass mein Umfeld viel davon mit bekommt. Man funktioniert halt - aber man lebt nicht.


    Keine Ahnung wie es weiter gehen soll ?(