Hallo!
Es hat mittlerweile mehrere Anläufe gebraucht, bis ich mich nun endlich traue auch meine Geschichte zu erzählen. Seit dem Tod meines Vaters - er verstarb am 27. November 2012, kurz nach seinem 63. Geburtstag - bin ich stille Mitleserin. Es verlangt mir doch mehr Mut ab, hier zu schreiben, als ich gedacht hätte. Da ich dies aber manches Mal auch bei anderen gelesen habe, dachte ich mir: Jetzt nimm deinen Mut zusammen und schreib! Vielleicht geht es mehreren ja auch wie dir und vielleicht nimmt es anderen ihre Scheu sich hier mitzuteilen.
Ich habe das Gefühl, dass Trauer ein stilles Thema ist. Andere wollen damit nichts zu tun haben. Es ist unangenehm. Man schiebt es lieber weg. Ich merke, dass auch ich es als "Betroffene" gern wegschiebe. Eigentlich kann man es "nicht direkt Betroffenen" gar nicht übel nehmen, wenn sie sich nicht mehr so oft melden.
Mein Vater hatte Kehlkopfkrebs. 2008 die Diagnose. Er hat sich für die Entfernung des Kehlkopfes entschieden, da es hieße, die Überlebenschance wäre größer. Vier Jahre Chemotherapien, Bestrahlungen und was alles so dazugehört. Immer wieder niederschmetterndere Diagnosen. Letztendlich Metastasen in der Lunge und im Gehirn. Also Krampfanfälle, halbseitige Lähmung. Kampf verloren.
Ich war wochenlang im Krankenstand. War wie gelähmt. Die Welt dreht sich paradoxerweise weiter während bei mir Stillstand herrschte.
Meine Oma hat es mit ihren 94 Jahren nicht verkraftet ihrem einzigen Sohn hinterher zu schauen. Sie ist 10 Monate darauf verstorben. Ich habe mit ihr in einem Haus gelebt, meine Eltern nebenan. Da mein Bruder schon früh ausgezogen ist, gibt es nur noch meine Mama und mich.
Letztes Jahr hat mein Bruder geheiratet - irgendwie hat es für mich zuerst nicht gepasst - für mich war es zu früh nach dem Tod meines Vaters. Meine Oma hat es noch miterlebt und es war eine sehr schöne und lustige Hochzeit. Das erste Mal nach Papa's Tod ein bisschen Unbeschwertheit erleben. Nur Tage später hat Oma stark halluziniert und abgebaut - wir waren schon auf der Suche nach einer 24h Pflege..
Oma's Tod ist irgendwie in den Hintergrund gerückt, weshalb ich ein schlechtes Gewissen habe. Wenn ich trauere, dann in erster Linie wegen meinem Papa. Ich höre dann von anderen, dass meine Oma ihr Leben gelebt hat - sie wurde 94 - und meine Papa einfach zu früh gegangen ist und es deshalb schmerzhafter für mich ist. Ich weiß es nicht.
Es tut ganz schön weh dies hier alles niederzuschreiben - wie gesagt: ich schiebs auch gerne weg. Aber es kommt immer wieder und überrollt mich. Und auch ich mache die Erfahrung, dass meine Umgebung der Meinung ist, dass es doch schön langsam mal gut sein könnte. "Was? Dir geht's immer noch schlecht?" Schockiert mich. Da stell ich mir schon die Frage: Wie lange trauern ist normal? Andererseits macht doch jeder in seinem Leben diese Verlusterfahrung durch den Tod - kann nur ich so schlecht damit umgehen?
Anfangs hatte ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich lachen konnte. Das war eine Zeit besser, jetzt ist dieses Gefühl manchmal wieder da.
Ich träume kaum von Papa und meiner Oma. Anfangs haben wir in der Familie viel über sie und unsere Gefühle geredet. Anfangs hab ich auch mit Papa geredet. Das ist beides kaum noch. Den Weg zum Friedhof meide ich. Ich kann seinen Namen nicht am Stein stehen sehen. Es ist so unwirklich. Nach wie vor. Man lebt so dahin, treibt mit dem Strom so mit, weil es anders gar nicht geht, und kann es immer noch nicht glauben, dass er und Oma nicht mehr sind.
So, jetzt bin ich leer und müde. Fühle mich etwas leichter, weil ich es loswerden konnte. Jetzt räum ich meinen Berg an Taschentüchern neben mir weg und gehe schlafen.
Gute Nacht!
lg
Manka
Zwei Todesfälle in 10 Monaten sind zwei zuviel..
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Liebe Manka,
herzlich willkommen bei uns. Zunächst einmal mein herzliches Beileid. Ich kann so
gut nachvollziehen, wie Du Dich fühlst, denn es ist noch gar nicht so lange her,
da ging es mir genau so. Meine Mum starb im März 2008. Und mein Dad ist letztes Jahr
im Juli nach jahrelangem Kampf gegen den Krebs für immer von uns gegangen.Heute ist der Schmerz anders geworden. Es vergeht kein Tag, keine Stunde, an denen
ich nicht an sie beide denke. Manchmal mit einem Lächeln, manchmal mit Tränen,
aber immer in großer Liebe. Der Schmerz sitzt tief und wird wohl nie wirklich
vergehen. Es gibt auch Tage, an denen ich regelrecht zusammenbreche. Aber es gibt
auch gute Tage und vor allem viele wunderschöne Erinnerungen.Ich wünsche dir viel kraft und wenn du spürst, dass du etwas erzählen möchtest oder
etwas los werden möchtest, von deinem Kummer und deinem Schmerz, dann gibt es hier
immer Menschen, die für dich da sind.Liebe Grüße
Manu
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Liebe Manka,
auch von mir ein ganz herzliches Willkommen hier im Forum.
Ich will Dir auch meine aufrichtige Anteilnahme und mein Beileid aussprechen.
Hier im Forum sind immer liebe Menschen die Dir gerne zuhören und Dich auch gut verstehen können.
Ich will Dir auch viel viel Kraft schicken.
Liebe Grüße
Josef -
Liebe Manka,
sei herzlich willkommen in diesem Forum und mein aufrichtiges Beileid.
Du wirst sehen bzw. wirst das auch sicher schon bemerkt haben, das jeder hier einen oder mehrere liebe Menschen verloren hat. Du bist nicht alleine mit deinem Schmerz und hier gut aufgehoben. Schreib dir deine Sorgen, Ängste und Schmerzen von der Seele. Wir alle kennen das Gefühl der tiefen Verlorenheit, des Auf- und Ab im Alltag.
Dass unser Umfeld nicht mit unserer Trauer umgehen kann, rührt einerseits daher, dass viele das Thema "Tod" gerne verdrängen oder einfach nur überfordert sind. Sie wissen nicht, wie sie mit uns umgehen sollen.
Wie lange ist Trauer normal? Diese Frage kann keiner wirklich beantworten. Im Laufe der Zeit verändert sich die Trauer und wir lernen irgendwann die Trauer in unseren Alltag zu integrieren.Ob du zum Grab deines Papas gehst oder nicht, entscheidest nur du alleine. Der eine geht jeden Tag, ein anderer wieder vermeidet diesen Weg. Ich habe mir daheim eine kleine Trauerecke eingerichtet habe und gehe nur sporadisch an das Grab meines Bruders.
Vielleicht wirst du mit der Zeit bemerken, dass das Niederschreiben dir auch ein wenig hilfreich sein kann.
Liebe Grüße Brigitte :30:
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Liebe Manu!
Lieber Josef!
Liebe Brigitte!
Danke für's liebe Willkommen-heißen. Eure Zeilen berühren mich und ich muss auch jetzt schon wieder weinen. Und genau das ist es, was mich "stört": wenn mich jemand darauf anspricht, wie's mir damit geht, dann bin ich sofort den Tränen nahe. Und das kann es ja nicht sein, oder?! Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich diesen Schritt hier ins Forum gewagt habe. Weil ich mich mit meiner Trauer bewusst auseinandersetzen möchte. Ich möchte nicht gleich immer weinen müssen.
@ Brigitte: Hab für meinen Papa auch eine Trauerecke eingerichtet mit seinem Foto und ein paar Engerln. Ich hoffe, dass mir das Schreiben hilft.
lg
Manka -
Auch ich habe lange gebraucht, bis ich mich endlich entschlossen habe, mich hier anzumelden. Mein Mann ist zwar erst vor 19 Wochen, ich zähle noch immer jede Woche einzeln, von mir gegangen, aber ich kann dich sehr gut verstehen. Der Schmerz nach so einem Verlust ist gewaltig. Ich kann auch so wie du nicht von ihm sprechen, ohne dass ich in Tränen aufgelöst bin. Wenn mich wer fragt, na wie geht es dir, könnte ich gleich heulen wie ein Schlosshund. Ich habe zwar einen Sohn und Schwiegertochter in der Nähe, bin aber trotzdem fast die ganze Woche allein, da beide Arbeiten gehen. Auch ich habe mir eine Ecke mit den liebsten Bildern meines Schatzes gemacht. Manchmal stehe ich davor und schimpfe mit ihm, dass er mich so schnell verlassen hat. Wir waren immerhin über 5o Jahre beisammen. Und am Abend in das einsame Ehebett zu gehen ist für mich nach wie vor sehr schwer. Seine Zahnbürste sowie sein Rasierapparat warten auch noch immer auf ihren alten Platz auf ihn. Und das Wort Witwe ist in meinen Augen ein Horror. Meine Freundin sagte heute zu mir, dann bist du halt ein unfreiwilliger Singl. Das klingt zwar auch nicht schön, trifft aber in meinen Augen eher zu. Da ich vor Tränen nicht mehr genau sehe, was ich schreibe, gehe ich jetzt in mein einsames Bett schlafen. Du bist in deinem Schmerz nicht allein. Gute Nacht Juli
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Liebe Juli!
Danke für Deine Zeilen. Ich möchte Dir mein Beileid aussprechen. Anfangs haben wir auch noch die Wochen gezählt. Jetzt ist es schon 1 1/2 Jahre her und es kommt uns dennoch nicht so vor.
Mein Vater hatte sein "Reich" im Keller. Dort befand sich sein Büro und seine Werkstatt. Er war ein Bastler - Modellbau sein Ein und Alles. Wir haben nach wie vor nichts verändert. Wir können uns einfach von nichts trennen. Ein befreundeter Bastler würde uns beim Verkaufen der Modelle helfen, aber ich betrete ungern seine Werkstatt und nur der Gedanke etwas davon zu verkaufen tut sehr weh.
Bei meiner Oma war das etwas anders. Da sie die letzte Zeit vermehrt im Bett verbracht hat, hatte ich bereits kurz nach ihrem Tod das Bedürfnis, das Schlafzimmer abzubauen. Ich habe den Anblick nicht ertragen, da ich sie nach wie vor dort liegen sah. Einerseits war das eine Erleichterung für mich, aber ich hatte ein schlechtes Gewissen, was die anderen Leute doch nun von mir denken würden, wenn sie das wüssten. Die anderen Räume sind nach wie vor so geblieben, wie sie waren. Zur Zeit geh ich auch nicht gerne nach oben, wobei es mich kurz nach ihrem Tod ständig dorthin gezogen hat. Da war ich ihr nah.
Ich bin vor vielen Jahren zu meiner Oma ins Haus eingezogen, damit sie nach dem Tod ihrer Schwester nicht alleine ist. Sie war im ersten Stock, ich im Erdgeschoss. Da das Haus nur einen Eingang hat und auch sonst offen gestaltet ist, haben wir voneinander alles mitbekommen. Die Stille in der ersten Zeit war für mich kaum zu ertragen.
Liebe Juli, 50 Jahre sind eine sehr lange Zeit. Als ich gelesen habe, dass du manchmal mit Deinem Mann schimpfst, musste ich lächeln - das hab ich mit meinem Papa auch gemacht. Es ist eigenartig, aber beim Autofahren spür ich ihn am meisten bei mir und ich hab das Gefühl, er passt auf mich auf. Und wenn ich in den Sternenhimmel schau, dass ist er für mich der hellste Stern.
Alles Liebe!
Manka -
Liebe Manka,
auch ich möchte dich herzlich willkommen heißen. Hier findest du immer Menschen die dir zuhören und die Anteil nehmen.
Mir selbst hat es oft geholfen niederzuschreiben was mich bedrückte. Und immer hat es jemanden gegeben der mir ein paar Worte des Trostes schickte.
Das wünsche ich auch Dir!Ich drücke dich ganz lieb! :24:
Trauerelfe -
Liebe Juli,
Liebe Manka,ich habe hier viele Beiträge gelesen und fast alle begannen mit....ich habe lange mitgelesen und lange gebraucht um mich hier anzumelden, nehme mich da nicht aus
Tränen gehören zur Trauer und warum soll man nicht jedesmal in Tränen ausbrechen, wenn einem danach ist? Tränen haben auch etwas "heilendes und reinigendes" an sich. Viel schlimmer wäre es, wenn tausend ungeweinte Tränen innerlich ein Meer bilden.Mein Grundsatz, mir ist schnurz-pip-egal, was das Umfeld von mir denkt, ich tu das, was mir gut tut, es ist MEINE Trauer. Das Umfeld wirds erst dann verstehen, wenn sie selbst in so eine Situation kommt.
Und wie du, liebe Juli, siehst, hast du bei deiner Oma anders reagiert als bei deinem Paps, beides ist und war richtig für dich.In meinen zwei Trauerecken habe ich auch viele Engerl stehen und bei der Urne meines Wuffis liegt das Halsband, sein abgekautes Guzzi, ein Ball und seine Spielsachen.
Ich denke schon, dass es ein wenig hilft, wenn man seine Gedanken und Gefühle hier niederschreibt auch wenn es 100 x das selbe ist. Das immer wieder schreiben ist so eine Art Therapie und mein Honorar macht billige € 10,-Ganz liebe Grüße
Brigitte -
Vielen Dank für deine lieben Zeilen. Auch ich gehen jeden Abend, falls es nicht bewölkt ist, vors Haus und schaue zu meinen Stern hinauf und wünsche meinen Schatz eine gute Nacht.
Das Alleine sein kann man wahrscheinlich nur sehr schwer gewöhnen. Und das Wort Witwe hasse ich überhaupt. Meine Freundin hat gestern zu mir gesagt, du bist jetzt halt ein unfreiwilliger Singl. Ist das schöner? Früher haben wir bei schönem Wetter so kleine Tagesausflüge gemacht. Die gehen mir ganz entsetzlich ab. Mein Leben hat sich seit dem Sterben meines Mannes um 36o Grad verändert. Ich kann mich nur sehr schwer zu irgendetwas aufraffen. Kochen tue ich fast gar nicht mehr. Was soll man für eine Person schon groß machen?
Und Wäsche waschen und zusammenräumen, da mache ich derzeit nur das notwendigste. Nicht einmal das fernsehen gefällt mir. Ich habe nur ganz leise das Radio aufgedreht, damit wenigstens ein bisserl ein Lärm ist. Alle sagen, du bist eine starke Frau, du wirst es schon schaffen. Sicher irgendwie muss mein Leben ja weitergehen. Aber nur die wenigsten können nachfühlen, wie schlecht es einem geht. Es vergeht kaum ein Tag wo ich nicht weinen muss. Aber jetzt kann ich wenigstens in der Nacht schon halbwegs schlafen.
Juli -
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Liebe Trauerelfe!
Auch dir danke fürs Willkommen heißen.
Liebe Brigitte!
Ich bewundere Dein Selbstbewusstein - da haperts ein bisserl bei mir, deshalb mach ich mir so viele unnütze Gedanken darüber, was andere von mir denken.
Liebe Juli!
Es ist so wichtig, wenn man schlafen kann. Damit hatte ich auch große Probleme.
Mein Vater ist Ende November verstorben, die Verabschiedung fand Anfang Dezember statt - juhu - Vorweihnachtszeit - furchtbar! Überall Vorfreude und man will von alledem nichts wissen. Die Beisetzung hatten wir dann kurz nach Neujahr. Weihnachten hat seitdem kaum noch Bedeutung für mich. Es ist eben nicht mehr so wie es einmal war. Irgendwo hab ich gehört, dass das erste Jahr das Schlimmste sein soll, alle ersten Geburtstage, Jahrestage oÄ. Nun ja, ich weiß nicht. wir haben nun das zweite Weihnachten ohne meinen Dad und erstmals auch ohne meine Oma "verbracht" - war nicht so prickelnd.
Was ich aber schon bemerke ist, dass es mehr Tage gibt, an denen es mir gut geht. Heute war ein guter Tag. Ich bin nach 3 Wochen Krankenstand wieder das erste Mal zur Arbeit gegangen und fühlte mich einfach nur gut. Dabei war ich erst im Jänner zwei Wochen Krankenstand - glaub schon, dass es psychosomatisch ist bei mir.
Ich muss mit meinen 33 Jahren erst lernen richtig Verantwortung zu übernehmen, da mein Vater stets für alles zuständig war. Er war sehr hilfsbereit und hat alles gemacht und so müssen wir uns (meine Mum und ich) mit vielen Dingen auseinandersetzen. Da schimpf ma auch mit ihm "Warum hast du uns das und das nicht gezeigt, gesagt, erklärt?!"
Ich hab das Haus meiner Oma bekommen und da es ein altes Haus ist und es an allen Ecken und Enden zieht und bröckelt, muss es renoviert werden. Nun befasse ich mich seit Monaten mit einem neuen Dach und hab überhaupt keinen Plan. Mein Vater hat sich mit allem ausgekannt und hat auch das meiste im und rund ums Haus selbst gemacht. Ich würd ihn schon gern in meine Überlegungen einbeziehen und fragen, was gescheiter wäre. Es geht dabei um so viel Geld und hab auch irgendwie die Befürchtung über den Tisch gezogen zu werden. Einem jungen Mädl kann man ja viel einreden, was alles nötig ist. Die Entscheidungen kann mir keiner abnehmen - das wird mir nun schmerzlich bewusst. Aber so lern ich es auch. Ich muss es wohl so sehen.
Hin und wieder gehe ich doch ins Zwiegespräch mit meinem Dad und frage ihn auch was. Es tut schon irgendwie gut, aber manchmal zweifle ich und denke: Eigentlich hör ich ja nur das, was ich von ihm hören möchte. Wie geht es Euch damit?
lg
Manka -
Liebe Manka,
an meinem Selbstbewusstsein hab ich lange arbeiten müssen, wurde mir leider auch nicht in die Wiege gelegt.