• Ich habe schon länger nicht mehr geschrieben. Aber ich habe trotzdem ziemlich oft gelesen, was andere Trauernde geschrieben haben. Jetzt ist es bald 5 Monate her, dass mich mein Schatz verlassen hat. Es tut aber noch immer so weh. Besonders am Abend, wenn ich in das einsame Ehebett schlafen gehe. Oder wenn ich seine Sachen anschaue oder von ihm erzähle. Jetzt wird endlich sein neuer Grabstein geliefert. Ich möchte jetzt noch ein Herz mit Engel kaufen. Wisst Ihr, wo man so etwas in Österreich bekommt.? Ich möchte es eigentlich vorher sehen. Im Winter habe ich immer gesagt, ich kann nicht raus, weil es so kalt ist. Und jetzt, wo der Frühling kommt und alles so grün wird, muss ich weinen, weil er es nicht mehr sehen kann. Mein Auto habe ich jetzt auch bekommen. Aber ich getraue mich nicht richtig, damit zu fahren. Ich bin ziemlich aus der Übung, weil immer mein Mann gefahren ist. Und so häufen sich die Probleme. Ich habe zwar nette Nachbarn, die frage, brauchst was. Aber ich will eigentlich niemand lästig fallen. Und alleine in ein Gasthaus gehen, ist für mich ein Horror. Das wollte ich nie als junge Frau und jetzt als alte Frau ist es mir peinlich. Aber hin und wieder muss ich doch wo alleine hineingehen. Jetzt habe ich mir wieder ein bisserl von der Seele geschrieben.

  • Liebe Juli!

    Ich glaube fest daran, dass mein Papa und meine Oma von oben runterschauen. Wir haben zB vor zwei Wochen den Garten umgestochen - das hat immer mein Dad gemacht - bei jeder Arbeit denk ich mir, dass er zuschaut und ich frag mich, was er wohl dazu sagen würde. Manches höre ich ihn sogar sagen und dann muss ich schmunzeln. Manchmal muss ich aber auch weinen. Wir mussten unter anderem auch unser Rosengitter im Garten abmontieren, da uns zwei von drei Stehern weggemorscht sind - nun steht da ein schöner Rosenbogen und ich habe das Gefühl, dass mein Papa stolz auf mich ist, dass wir das so gut hinbekommen haben und ich glaub, meiner Oma gefällts so auch. Es sind ja ihre Rosen. Ich spür die beiden immer irgendwie um mich.
    Liebe Juli, ich ermutige Dich das mit dem Autofahren in Angriff zu nehmen, ABER wenn Du das Gefühl hast, dafür bereit zu sein. Vielleicht gelingt es ja nicht gleich, aber es wird. Du wirst sehen. Und dadurch gewinnst Du an Selbstsicherheit und Unabhängigkeit.
    Naja, alleine in ein Gasthaus zu gehen ist auch net meins. Da versteh ich Dich. Aber wie wärs mit einem Spaziergang - hast einen Park in der Nähe oder gar selber einen Garten? In der Sonne auf einem Bankerl sitzen ist auch was Schönes. Oder Du gönnst Dir nach dem Einkauf ein Kaffeetscherl.
    Ja, es ist schwierig nach so einem Verlust.

    Alles Liebe,
    Manka

  • Danke für Deine aufmunternden Zeilen, liebe Manka. Ich weis, dass ich meinen inneren Schweinehund überwinden muss, um mit dem Auto zu fahren. Ich wohne sowieso am Land. Ich habe immer gesagt, über den 7 Bergen bei den 7 Zwergen. Aber trotzdem braucht es eine Überwindung. Ich möchte ja so gerne auf den Friedhof fahren. Hin und retour sind es fast 11 km. Also Du siehst ich muss es unbedingt probieren. Vorhin habe ich das Liebeslied aus dem Film Ghost gehört und war natürlich in Tränen aufgelöst. Der Film hat mich schon früher traurig gemacht, aber seit ich alleine bin und sentimentale Lieder höre bin ich ganz weggetreten. Weil Du sagst, ich soll um einen Kaffee gehen. Früher, als wir einkaufen fuhren, sind wir immer ins Kaffeehaus gegangen. Jetzt alleine mag ich nicht einmal das machen. Am liebsten verkrieche ich mich zu Hause und habe den ganzen Tag das Radio leise spielen, damit wenigsten ein bisserl ein Lärm ist. Das fernsehen freut mich auch nicht. Am liebsten würde ich mir eine sympathische Rentnerin suchen, die mit mir Tagesausflüge und kleine Urlaube in Österreich macht. Berufsbedingt waren mein Mann und ich 4o Jahre Tag und Nacht beisammen. Umso schlimmer ist die Einsamkeit. Im Mai wären wir 45 Jahre verheiratet. Und Geburtstag hätte mein Mann auch. Das werden 2 schlimme Tage für mich.
    Alles Liebe Juli

  • Liebe Juli!

    Die Überwindung zum Autofahren kann ich gut nachvollziehen, da meine Mutter auch seit Ewigkeiten nicht mehr gefahren ist. Entweder ist mein Vater gefahren oder ich. Was ich Dir aber eigentlich sagen möchte: zwing Dich nicht. Es kommt zu seiner Zeit und dann wirst du einsteigen und den Motor anlassen. Mach Dir keinen zu großen Druck. Hab mich in gewissen Dingen unter Druck gesetzt, von wegen "Ich muss dies und das." Hab daraus ein "Jetzt geht's eben NOCH nicht" gemacht.
    Und du musst auch nicht auf einen Kaffee gehen. Vertrau auf Dein Gefühl, wo und wie Du dort sein magst. Der Verlust Deines Mannes liegt ja noch gar nicht lange zurück.
    Geburtstage und Jahrestage sind nicht schön - so geht's uns wohl alle. Und dennoch übersteht man sie. Irgendwie.
    Oh, ich wünsch Dir so, dass Du eine nette Rentnerin findest. Mein Vater hatte es nie so gerne, wenn meine Mutter unterwegs war - ihre Freundschaften waren quasi auf Eis gelegt. Nach dem Tod meines Vaters hat sie eine alte Freundschaft wieder aufleben lassen. Die beiden treffen sich mind. alle 2 Wochen und spielen Rummykub.
    Nach einem so schweren Verlust glaubt man nicht daran, dass es anders werden könnte. Und doch tut sich dann was auf.

    In diesem Sinne..

    Lieben Gruss

  • Liebe Juli,


    ich kann mich Mankas Worte nur anschließen. Sie hat die Worte niedergeschrieben, die ich im Kopf hatte aber nicht richtig formulieren hätte können.


    Die Wörter "zwingen" und "müssen" üben einen gewaltigen Druck aus.


    Ich bin früher auch nicht oft selbst gefahren aber seit ich beziehungstechnisch dazu "gezwungen" bin, macht es mir mittlerweile Freude und die Sicherheit kam mit den Kilometern. Nur Autobahn geht gar nicht, hatte vor vielen Jahren dort einen Unfall.


    Wenn ich dir vielleicht einen kleinen Tipp geben dürfte, im Internet gibt es sicher Foren, wo ältere Menschen auch jemand für gemeinsame Aktivitäten suchen. Irgendwann wird dein Wunsch nach Autofahren und raus gehen so groß, dass du von ganz alleine und ohne Zwang dazu bereit bist ;)


    Was die Einsamkeit betrifft, kann ich dich sehr gut verstehen obwohl ich keinen Partner durch Tod verloren habe. Es ist niemand da mit dem man sich austauschen kann, Rat holen kann, mal auch nur anlehnen kann. Zum Glück habe ich meinen Hund, der seine Bedüfnisse nur im Freien verrichten kann daher bin ich "gezwungen" ^^ Gassi zu gehen. Da kommt man automatisch mit anderen ins Gespräch.


    Magst du Tiere? Tierheime suchen Gassigeher ;)


    Wie Manka schon geschrieben hat, die Jahrestage werden auch vorüber gehen, wenn auch mit vielen Tränen aber die Uhr bleibt nicht stehen.


    Ist vielleicht nicht ganz passend aber ich möchte es dir trotzdem schreiben, meine Freundin hat vor einem Jahr ihre über alles geliebte Hündin verloren und genau an diesem
    1. Todestag ging es ihr körperlich so schlecht, Durchfall, Übelkeit, Erbrechen etc., dass sie nicht im Stande war diesen Tag so zu erleben, wie erwartet. Im Nachhinein haben wir uns ein Späßchen erlaubt und gesagt, dieses Unwohlsein hat ihr Luna absichtlich geschickt.



    Wenn du heute einen Sonnenstrahl ergatterst den hab ich dir geschickt (derzeit regnet es).


    Ganz liebe Grüße
    Brigitte

  • Liebe Manka, liebe Brigitte!


    Danke für Eure aufmunternden Worte. Da heute so schön die Sonne schien, habe ich mich wieder einmal in mein Auto gesetzt und 2 ganz kleine Runden gedreht. Auf der Straße geht es besser als rund ums Haus. Aber ich bin furchtbar aufgeregt und hatte nachher einen ziemlich hohen Blutdruck. Ich muss mich erst ganz langsam herantasten und immer um ein Stück weiter fahren. Nur das Zurücksetzen macht mir große Schwierigkeiten. Das geht alles so schnell und meine Reaktion ist nicht die beste. Aber ich habe meinen Schatz versprochen, das ich demnächst alleine zu ihm auf den Friedhof fahren werde. Das sind immerhin 11 km hin und zurück. Ich wünsche Euch ein schönes Wochenende, Eure einsame Juli

  • Liebe Juli,
    na siehts du, du hast die erste Hürde geschafft! :-) :028: Super - und jetzt jeden Tag ein Stückchen und das mit dem Zurücksetzen wird auch immer besser, wirst sehen!
    Kennst du in deinem Ort oder in deiner Nähe nicht noch eine Witwe, mit der du dich zusammentun könnetst?
    AL Christine

  • Liebe Juli,
    das machst du ganz toll, schön langsam in kleinen Babyschritten. Rückwärtsfahren und Einparken sind auch meine Schwäche ;) Du wirst sehen, mit der Zeit wird sich auch der Blutdruck einpendeln. Vielleicht hast du ein Geschäft in deiner Nähe, wo du jeden Tag hinfahren könntest um Einzukaufen?


    Du schaffst das :8:


    Ganz liebe Grüße
    Brigitte

  • Liebe Juli !
    Ich möchte mich heute wieder mal bei dir melden. Zur Zeit geht es mir selbst gar nicht so gut, oft schlechter als wie am Anfang. Aber wenn ich lese wie du und auch alle anderen hier mit der Trauer und ihrem ganzen Gefühlchaos zu kämpfen haben, dann weiß ich dass ich nicht alleine mit allem bin, und meine Gefühle in dem Zustand durchaus "normal" sind. Ich versuche schon mich ein wenig abzulenken, und gehe hinaus, nehme Einladungen an usw., aber wenn ich dann in die leere Wohnung nach Hause komme, bricht das ganze "wieder über mich zusammen". Ich kann machen was ich will, meine Gedanken und Gefühle machen sich einfach selbsständig und oft muss ich ohne ersichtlichen Grund, auch wenn ich unterwegs bin, heulen. Dann schauen die Leute einen dann oft ganz komisch an, sodaß ich lieber "flüchte".
    Für dich ist es sicher ein Riesenkraftakt weiter zu leben, da ich gelesen habe, dass du, genauso wie ich auch mit meinem Mann, ganz eng und sehr lange Zeit verbunden warst. Und da fehlt einem der Partner natürlich überall, es kommen immer, egal wo ich bin, oder was ich tue, 1000 Erinnerungen. Dir wird es ja sicher auch so gehen, dass sich deine ganzen Gedanken nur um deinen Schatz drehen.
    Ich kann wenigstens ohne Probleme, wenn mir wieder mal die Decke auf den Kopf fällt, mit dem Auto irgendwo hinfahren, ab und zu nur in ein Cafe, auch alleine. Denn es sind ja nicht immer Bekannte oder Freunde da, welche Zeit haben.
    Wenn ich meinen Mann auf dem Friedhof besuchen möchte, muss ich 35 km (pro Weg) fahren. Aber das tue ich gerne, ich habe ja viel Zeit im Überfluss und außerdem wohnt meine Tochter und die Enkel dort in der Nähe.
    Gestern war für mich wieder ein extrem schwieriger Tag, da hatte der Lieblingsenkel von meinem Mann Geburtstag. Solche speziellen Tage sind schon schlimm, auch wenn die ganze Familie versammelt ist. Genau dann kommt mir wieder ins Bewußtsein, das der wichtigste Teil der Familie fehlt und nie mehr dabei sein wird.
    Gibt es bei dir in der Nähe vielleicht die Möglichkeit zu einem Trauercafe zu gehen? Ich habe es zwar erst einmal versucht, und das hat mich eher "aufgewühlt", anstatt geholfen. Danach hatte ich noch ein Einzelgespräch mit einem Hospizmitarbeiter, welches auch viel Kraft und Tränen gekostet hat, aber das war irgendwie besser, als mit der Gruppe. So habe ich es halt empfunden. Diese Woche werde ich trotzdem nochmal zum Gruppentreffen ins Trauercafe gehen, aber bei uns in der Stadt sind diese Treffen oft schwach besucht, sodass man auch keine anderen Leute trifft, zum sich gegenseitig auszutauschen.
    Ich wünsche Dir liebe Juli und euch allen viel Mut, Kraft und Zuversicht.
    Liebe Grüße und Umarmung
    Veronika