1000 Scherben

  • Liebe Ute,


    Dir erst einmal einen dicken Drücker und mein ganzes Mitgefühl. Deine Trauer ist noch sehr frisch und sicherlich fühlt sich Alles noch an wie ein falscher Film, aber es stimmt tatsächlich das die Zeit viele Wunden heilt, Antworten auf Ungeklährtes bringt und innere Ruhe wieder einkehrt die hilft wieder nach Vorne gucken zu können.


    Und ein Leben danach gibt es auch mit ganz großer Gewißheit egal wie jung oder alt man ist. Man muß sich blos die Zeit lassen das Geschehen zu verinnerlichen und leider kann Das dauern aber ist nicht endlos. Auch wenn Du es Dir jetzt noch nicht vorstellen kannst bist Du gewiß noch in einem Alter wo noch so manches gehen wird. Sinnlos wird Deine Zukunft bestimmt nicht sein egal was Du aus ihr machen wirst. Aber auch diese Schritte brauchen leider ihre Zeit bis man so weit ist konkret zu entscheiden in welchem Rahmen das Leben nun weiter gehen soll. Liebe Ute, einst war man vielleicht dazu verdammt in unserem Alter - bin anbei gesagt nur sehr wenige Jahre jünger als Du - in schwarz gehüllt herum zu schlurfen oder ewig heulend in Gottes Wartezimmer zu hocken. Aber Gottseidank sind diese Zeiten vorbei und zum Glück leben wir nun einer Epoche wo es auch für reifere Damen wie wir noch unendlich viele Möglichkeiten gibt den Neuanfang kunterbunt und lebenswert zu gestalten.


    Ich wünsche Dir viel viel Kraft und drücke Dich dolle in Gedanken,


    Hanna

  • Liebe Ute, ich verstehe dich. Mein Geliebter ist am 07.06.2015 verstorben und seither ist es sehr schwer für mich,irgendetwas auf die Reihe zu bekommen. Er fehlt mir bei jedem Atemzug und oft breche ich beim Einkaufen oder Autofahren in Tränen aus.Ich weiß nicht, ob und wie man weiterleben kann, aber wenn ich so im Forum schaue,dann haben es doch einige gut gemeistert und das gibt Hoffnung.
    Ob man jemals wieder glücklich werden kann, wenn man einen Menschen wie wahnsinnig geliebt hat, wenn er für einen das Universum war, das weiß ich nicht. Aber vielleicht schafft man es irgendwie zu einer Art Zufriedenheit zu kommen. Ich bin leider noch lange nicht so weit, hadere mit dem Schicksal, trauere und fühle mich wie ein Kind, das sich verirrt hat. Aber ich glaube, dass der Prozess des sich damit Abfindens Jahre dauert.

  • Liebe Ute,
    Hoffnung ist etwas, was zur Zeit für mich auch noch nicht viel Bedeutung hat. Mein Lebensgefährte ist im Mai an einen Gehirnschlag gestorben. Er wurde nur 41 Jahre. Wir wollten heuer nach 15 Jahren "wilder Ehe " heiraten. Die letzen Wochen musste ich an so viele Dinge denken aber man macht sich selber fertig damit. Es ist ein auf und ab der Gefühle.Ich kann schlecht essen, muss aber arbeiten. denn Witwenpension bekomm ich nicht, erben wird alles seine Familie obwohl er keinen Kontakt zu ihnen hatte und wir in unserem Alter nicht an ein Testament dachten. Für alle anderen dreht sich die Welt weiter aber für den Betroffenen Hinterbliebenen steht einfach alles still . Ja, es geht einem schlecht und man hat das Recht dazu zu weinen, zu schreien aber man sollte sich auch an die schöne Zeit erinnern die man mit diesem Menschen verbringen durfte. Ich rede abends sehr viel mit ihm, was mir persönlich sehr viel bedeutet, ich weiss es wird nie mehr so werden wie es war, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass wir uns irgendwann wiedersehen. Es gibt auch für mich Tage wo ich nach dem warum frage und am liebsten alles hinschmeissen möchte. Aber ich denke alles hat seinen Sinn, ich bin nicht sonderlich gläubig doch ich denke jeder muss seinen Weg gehen, und mein Mann würde es nicht wollen, dass ich die Hoffnung aufgebe. Er war ein Kämpfer bis zum Schluss(5 Tage Tiefschlaf). Ich habe Angst vor den nächsten Monaten, denn er hat viel für mich und meine Kinder getan und ich weiss nicht wie's weitergehen wird. Aber es muss weitergehen, denn ich habe noch vor viel zu erleben. Heute hatte ich wieder einen Tag wo ich eine Stunde geheult habe, aber es ändert nichts. Mach jeden Tag zum schönsten deines Lebens, dieses Zitat gefällt mir besonders gut, und ich versuche oft an das zu denken. Irgendwann wird es nicht mehr so weh tun. Lass dir Zeit, so wie ich es versuche. Höre abends gerne seine Musik da ist er bei mir. Du musst an dich denken und Dinge für dich tun, das musste ich die letzte Zeit erst wieder lernen. Nicht mehr wir sondern ich. Ja das tut weh.

  • Liebe Caro,


    Du hättest es nicht besser ausdrücken können - dieses ständige Wechselbad der Gefühle zwischen tiefer Trauer und dem Aufbau eines neuen Lebens. Zwischendurch etwas Wut, etwas Verzweiflung und neuen Herausvorderungen. Oft keine Zeit und Ruhe in sich zu horchen weil plötzlich so viel Anderes bewältigt werden muß.


    Wenn Alles noch frisch ist kann man sich ein "danach" kaum vorstellen. Man sieht nur das Chaos, Nichts ist mehr so wie es war und viele Gebiete werden sehr schnell zu Ersterfahrungen für die es keine Gebrauchsanweisungen gibt. Und dennoch muß man irgendwie den Weg in ein eigenes neues Leben finden um es nicht zu verdümpeln. Schließlich hat man ja nur das Eine, und hat gerade erlebt wie schnell Alles vorbei sein kann.


    Ich selber habe mich am 23. Juni dieses Jahres von meinem Mann verabschieden müssen und wenn ich nun auf diesen Tag und die Zeit seiner schweren Krankheit davor zurück blicke kann ich es oft kaum glauben wie unendlich viel sich in meinem Leben seit dem verändert hat. Und nicht nur auf negative Weise. Ich LEBE, auch wenn es nun ein sehr anderes Leben geworden ist.wo ich nach quasi 20 Jahren Ehe noch einmal völlig von Vorne anfangen muß da nun auf mich alleine gestellt. Ja, die größte Veränderung die inzwischen statt gefunden hat ist das ich nicht mehr sage ... kann ich nicht ... sondern eher ... wie packe ich es am Besten an. Als mein Mann verstarb sah ich nur noch eine riesige schwarze Mauer vor mir die aus zahllosen Herausforderungen bestand. Aus Dingen die stehts zu seinen Aufgaben gehöhrten weil ich glaubte ich würde sie nicht hinbekommen. Ja, und wenn ich nun ein wenig zurück blicke staune ich oft nicht schlecht wie viel ich mir zugetraut und geschafft habe. Für mich ein sicheres Zeichen das ein neues Leben voran gehen kann und auf seine Art und Weise funktionieren wird. Seit dem fühle ich mich deutlich weniger alleine gelassen und hilflos.


    Natürlich fällt mir noch so manches Mal die Decke auf den Kopf und natürlich fehlt es nicht an Situationen die mich an ihn erinnern, aber ich glaube es ist letztlich der Gang der Dinge das man selber irgendwann einfach nur noch LEBEN und nach Vorne blicken will. Der biologische innere Lebenswille der uns davor bewahrt einzugehen wie ein Kaktus, und selber zu schaden und ständig verzichten zu wollen.


    Und ich denke das dieser Gang der Dinge uns Alle betrifft die sich von Jemandem verabschieden mußten - egal ob im Guten oder weniger Gutem.


    In diesem Sinne ... packen wir's an.


    Hanna

  • Liebe Hanna,


    Morgen sind es genau 4 Monate als ich vor die Wahl gestellt wurde ihn gehen zu lassen. Die Entscheidung zu treffen als die Ärzte kamen und mir sagten er ist hirntod und er ist ein junger Mensch und es könnten noch so vielen anderen geholfen werden wenn ich mich zur Organentnahme entschließe, dass tut so weh.Aber so konnte er noch danach einigen helfen, so wie er es immer tat. Die folgenden Wochen habe ich alles verdrängt aber manchmal kommen dann schon Gedanken wie hab ich das richtige getan, wäre er vielleicht wieder aufgewacht. Mitzuerleben wie ein Leben binnen Sekunden ausgelöscht ist, ich stand neben ihn als er seinen ersten Hirnschlag hatte. Er kämpfte dann noch 5 Tage, man kann das nicht in Worten beschreiben. Tief drinnen weiß ich ja es war richtig, aber jeden Tag von neu alleine aufzustehen, das Leben wieder in geordnete Bahnen bringen. Dann, wenn das Wochenende kommt und man sich am liebsten vekriechen will. Aber es geht nicht. Es sind Dinge zu erledigen. Heuer muss ich das erste Mal selber Holz schneiden für den Winter, ja so werde ich halt schauen wie die Maschine funktioniert. Bis jetzt machte das er. Ich bin dankbar für die Zeit die wir zusammen hatten aber zur Zeit habe ich das Gefühl als würde die Hälfte von mir zu Grunde gehen. Wenn man das Glück hat, dass man eine Familie und liebe Freunde hat die einen auffangen, so wie ich, dann hilft einem das sehr.Nur kann es niemand nachvollziehen der nicht in so einer Situation war. Die Verlassenschaft ist noch immer nicht geklärt und es wird immer wieder neu aufgewühlt. Das geht auf die Nervensubstanz. So geht es einmal besser einmal schlechter. Auch wenn's weh tut, das Leben geht weiter.


    Caro

  • Liebste Caro,


    ich glaube ich weiß wovon Du redest, denn auch ich stand mehrmals vor den Ärtzen und mußten denen immer wieder bestätigen das keine lebens
    erhaltenden Maßnahmen verabreicht werden sollen. Das erste Mal als er wegen einer Notoperation an der Gallenblase ins Krankenhaus eingeliefert wurde, und man mir sagte das er nur wenige Chancen Dank seiner schon sehr kaputten Lunge habe. Vor seinen Augen und ihm dolmetschend - da er kein Wort deutsch verstand - worüber gesprochen wurde mußte ich die Formulare unterzeichnen. Zu Aller Überraschung kam schaffte er seine OP und erhohlte sich auch auf sehr erstaunliche Weise ebenso schnell. Ja, und wenige Tage später, wo er wieder auf der Lungenstation war um sich von der OP gut zu erhohlen mußte ich mitten in der Nacht ins Krankenhaus rasen da er einen leichten Hirnschlag erlitten hatte und nun erneut auf der Intensiv Station lag.


    Wieder mußte ich die gewissen Formulare unterschreiben, da man mit einem weiterem und deutlich heftigerem Hirnschlag rechnen mußte. Auch fragte man mich ob man ihm wenigstens Medikamente geben köne die dies verhindern könnten aber dennoch zu massiven Lähmungen führen könnten sollte sich der Supergau wiederhohlen. Auch da mußte ich wieder bestätigen das mein Mann das nicht wollte wärend in mir die Hoffnung tobte es könnte ihm vielleicht doch noch besser gehen. Ja, und eine Woche später wurde er ins Hospiz eingewiesen, und erneut mußte ich all diese Entscheidungen über sein Leben und seinen Tod treffen. Völlig alleine da stehend und mich immer wieder fragend ob ich Alles richtig ge-
    macht hatte.


    Liebe Caro, ich rate Dir Dich nicht weiter damit zu quälen ob Du richtig entschieden hast, denn die Uhr läßt sich leider nicht zurück drehen. Und bedenke auch das wenn Dein Schatz tatsächlich überlebt hätte, er mit großer Warscheinlichkeit nun schwerst behindert wäre. Das sage ich Dir nur weil die Ärzte meines Mannes mir das sogar prophezeiten im Fall eines weitere und heftigerem Hirnschlag. Zwar hatte mein Mann "nur" einen Leichten erlitten und hatte das Glück das nach wenigen Stunden die komplett seitige Lähmung und das Sprachproblem sich wieder lösten, aber das war auch der Tag wo er nicht mehr ohne fremde Hilfe sich bewegen konnte. Der Tag ab dem ich mehr oder weniger einen Fremden vor mir zu sitzen hatte mit dem ich mich nicht mehr normal unterhalten konnte, und der ab dann sein Lächeln - geschweige denn sein Lachen verlohren hatte. Der Tag an dem er seine Lebensfreude verlohr und man nur noch hoffen konnte daß das Grauen ein recht baldiges Ende finden würde.


    Es mag hart klingen, aber für mich hat schon immer tiefe und bedingungslose Liebe bedeutet auch einen Menschen loslassen zu können. Egal ob man verlassen worden ist weil er einen neuen Weg einschlagen will, oder ob es eben der entgültige Abschied ist. Weißt Du, wenn man vor solchen Entscheidungen steht wie es un Beiden passiert ist stehe ich heute auf dem Standpunkt das es dabei kein richtig und falsch gibt. Letzt-
    lich ist es die gegenwärtige Situation die entscheided wo es für sie keine Gebrauchsanweisungen gibt. Meist noch weniger den Luxus ewig hin und her zu überlegen, sich Rat hohlen und noch einmal zu überlegen. Etwas was Menschen die noch nie mit solchen Situationen konfrontiert wurden vorstellen können. Am wenigsten den enormen Druck der Verantwortung unter dem man dann steht.


    Liebe Caro, wo Du Dich nun mit dem Holzhacken herum gequält hast, hatte ich mein Kreuz mit allem Finanziellem zu tragen, da dies schon immer mein Mann erledigt hatte. Der große Trost jedoch ist das man ziemlich Alles lernen kann wenn man es will/muß, und irgendwann gehöhrt auch Das zum neuen Alltag. Du magst lachen, aber inzwischen habe ich es mir bei neuen Herausvorderungen zur Angewohnheit gemacht mir zu predigen ... schlimmstenfalls geht es komplett in die Hose aber dennoch wird deswegen die Welt nicht untergehen. Ja, und dann klappt es meist auch - wenn auch erst nach mehreren Anläufen. Ich vermute das auch Du in einigen Monaten oder erst in einem Jahr zurück blicken wirst, riesig staunend was Du Alles geschafft und dazu gelernt hast. Etwas worauf Du dann riesig stolz sein kannst.


    Das die plötzliche Einsamkeit sehr gewöhnungsbedürftig ist, ist wohl etwas womit ziemlich Alle hier im Forum zu kämpfen haben. Egal ob sie eine liebe Großfamilie um sich haben, Hobbies ohne Ende und obendrein noch berufstätig sind. Aber ich bin zuversichtlich das auch Das irgend wann ganz normaler Alltag sein wird. Ich weiß nicht ob es Dir auch so geht, aber ich habe gemerkt das es gar nicht 'mal so lange gedauert hatte bis sich bei mir peu a peu ein ganz neuer Alltag eingeschlichen hat. Er ist inzwischen sehr anders als zu Zeiten wo mein Mann noch lebte, aber Einer mit dem ich recht gut leben kann. Auch ich werde ständig mit seinem Tod durch den vielen Papierkram der noch zu bewältigen ist konfron-
    tiert, aber wo mich das einst immer wieder riesig in den Keller gezerrt hat, ist auch das nun Teil meines ganz normalen Alltag. Du kannst sicher sein das ich ihn oft genug vermisse, aber irgendwie ist wohl doch nun die Tatsache bei mir angekommen das er für immer gegangen ist, und ich nun gucken muß wo ich selber bleibe. Nenne es Überlebensstrategien gegen die Aufgabe, das sich verkriechen wollen, gegen die Resignation.


    Liebe Caro, ich wünsche Dir von ganzem Herzen das Du die so dramatischen Geschehnisse gut verarbeiten wirst, denn letztlich hast Du ohne Zweifel der damaligen Situation angemessen Alles richtig gemacht. Ich denke das ein Jeder hier im Forum immer wieder sagen könnte ... was wäre gewesen wenn, hätte ich doch blos, und vielleicht wäre .... Nackte Tatsache jedoch ist das sich die Uhr eben nicht mehr zurück drehen läßt und Alles seinen Weg gegangen ist wie es das Schicksal zu dem Zeitpunkt wollte.


    Sei liebevollst gegrüßt,


    Hanna

  • Hallo Ute
    ich habe auch meinen Mann von einer Minute auf die andere verloren. Ich weiß wie Du dich fühlst. Es ist jetzt ein halbes Jahr her und er fehlt mir sehr. Ich habe noch zwei Kinder bei mir zu Haus, der kleine wurde gerade Eingeschult. Und glaube mir ich hatte gedacht all das schaffe ich nicht und es geht, es muß einfach weiter gehen und man darf sich selber nicht aufgeben. Es hat jeder nur sein eigenes Leben und keiner kann einem sein Leid abnehmen aber Hoffnung gibt es immer.
    Und Du wirst es auch schaffen aus dein Leid raus zu kommen.
    Ich wünsche Dir viel Kraft und alles Liebe :thumbsup: und sende Dir einen :005: der wird dich beschützen.