Mein Vater stirbt- was soll ich bloß tun?

  • Hallo an Alle,
    ich bin ganz neu hier und war bisher nie der Typ, der etwas in ein Forum gepostet hat, aber ich hab das Gefühl es jetzt tun zu müssen.
    Wie der Titel schon sagt, ist mein Vater (noch) nicht tot, aber er ist vor fast genau einem Jahr an Krebs erkrankt und die Ärzte redeten nur mehr von Monaten, die er zum Leben hat. Ich hoffe, das Thema passt trotzdem in diese Gruppe hinein. Denn erst heute ist er wieder in das Krankenhaus gekommen, die Ärzte vermuten eine Lungenembolie aber ich bin fast überzeugt davon, dass der Tumor die Embolie auslöst und der Krebs wieder da ist und gestreut hat.


    Als er damals die Diagnose Krebs bekam war es sehr schwierig für ihn und für uns. Chemo, Bestrahlung und das tägliche Leben waren große Herausforderungen. Erst in den letzten Monaten geht es ihm besser, doch die Angst vor einem Rückfall begleitet einem stets. Ich habe so Angst davor, diesen schrecklichen Weg erneut gehen zu müssen, all die Krankenhausaufenthalte, Behandlungen und schrecklichen Gedanken, die man einfach nicht abschütteln kann. Mir fallen keine Worte ein, die jemals dieses Leid beschreiben können, der blanke Horror!


    Zwar haben und hatten mein Vater und ich nie das beste Verhältnis und ich habe auch nicht das Bedürfnis mich mit ihm "auszusprechen", trotzdem ist er mein Vater und es tut mir sehr weh, dass es ihm schlecht geht und ihm beim Sterben zusehen zu müssen. Ich habe auch riesige Angst davor, wie es meiner Mutter gehen wird. Wir sind zwar beide "Frohnaturen", doch ich will sie nicht leiden sehen und sie auffangen, fast schon beschützen. Ich will ihr so viel Last wie möglich abnehmen, denn ich kann es nicht ertragen, dass sie so sehr darunter leidet.


    Wie schon gesagt ist der Tod noch nicht eingetreten, aber ich habe das Gefühl ich trauere jetzt schon. Ich habe die Hoffnung, dass wenn ich mich jetzt schon gut damit auseinander setze, es mir später besser gehen wird.
    Wie ist es euch damit gegangen? Kann man den in solchen Situationen "Tipps" geben? Was hat euch geholfen das alles zu überstehen?
    Vielen Dank schon mal im Voraus!

  • Liebe Dana,
    sei erst mal herzlich willkommen.


    Liegt dein Papa im Sterben oder ist es deine Vermutung, dass die Embolie tödlich sein wird?


    Die Meinung, dass das "Vortrauern" die Trauer leichter macht, ist weit verbreitet. Das was anders ist, ist der Gedanke auf den sich jemand einstellen konnte: ... wird bald sterben.


    Und doch - es ist erst endgültig, wenn der Tod ins Leben kam und der Mensch gestorben ist. Es gibt also keine Voraustrauer die die Haupttrauer erleichtern kann.


    Ich gebe ungern Tipps und habe den Eindruck wie J.U. Rogge, dass Ratschläge immer auch Schläge sind.


    Ein Gedanke der mir beim Lesen kam und auch jetzt beim Schreiben wieder ganz deutlich da ist:
    Versuch die Zeit mit deinem Papa zu genießen - auch wenn ihr kein inniges Verhältnis habt - er ist dein Papa, so wie du es schreibst.
    Lass ihn in deinem Herzen nicht sterben, obwohl er noch nicht tot ist und gib euch beiden die Möglichkeit, einander zu begegnen. Denn
    all die Begegnungen im Leben sind heilsam in der Trauer, denn du kannst dich dann erinnern und zehren von kleinen Berührungen, Worten, Eindrücken und....


    Ich grüße dich uns wünsche dir, deinem Papa und deiner Mama eine Zeit in der ihr alles habt, was ihr für euren Weg braucht, wohin er auch immer gehen mag - und ich freu mich wieder von dir zu lesen.

  • Liebe Dana,


    sei herzlich gegrüßt und umarmt..
    ich kenne diese Situation, oder sagen wir, eine Vergleichbare und ich weiß, dass es keine einfache ist.
    Tausende Gefühle rasen durchs Herz und durch den Kopf, es ist oft einfach ein Chaos und gefühlsmäßig sehr anstrengend und herausfordernd. Astrid hat schon genau das geschrieben, worauf es ankommt.
    Ich kann auch nur meine Erfahrung hinzu fügen: so absurd es klingt, versuche die Zeit zu genießen. Sei einfach bei ihm und folge deinem Herzen, deiner Intuition. Du musst wie ich finde nichts besonderes machen, nur die Beziehung zwischen euch zählt. Und wenn es zu viel wird, und du es nicht aushältst, dann schau gut auf dich und nimm dich auch einmal heraus. Suche dir Menschen die dir Beistehen, lass dich von deiner Familie tragen, oder Freunden...oder suche sonst Orte auf die du magst, und weine ruhig auch mal hemmungslos.


    Mit lieben Grüßen und viel Kraft dir wünschend,
    Malena

    Die Wahrheit triumphiert nie, nur ihre Gegner sterben aus (Max Planck)


    rilke.de/briefe/160703.htm


    VORÜBUNG FÜR EIN WUNDER


    Vor dem leeren Baugrund
    mit geschlossenen Augen warten
    bis das alte Haus
    wieder dasteht und offen ist

    Die stillstehende Uhr
    so lange ansehen
    bis der Sekundenzeiger
    sich wieder bewegt

    An dich denken
    bis die Liebe
    zu dir
    wieder glücklich sein darf

    Das Wiedererwecken
    von Toten
    ist dann
    ganz einfach

    (Erich Fried)

  • Liebe Dana,
    ich habe schon den Eindruck, dass Vortrauer den Trauerverlauf nach dem Tod verändert. Zwar ist es erst endgültig, wie Astrid beschreibt, wenn der Tod dann eingtreten ist, aber der Schock ist meist nicht ganz so groß wie bei plötzlichen Todesfällen. Nach längerer schwerer Krankheit kann auch der Aspekt der Erleichertung und Erlösung die Trauer deutlich aufhellen. Außerdem liegt in der Vortrauer auch die Chance, sich schon wertvolle Bewältigungsstrategien und Umgangsformen mit der Trauer anzueignen. Man kommt zum Beispiel drauf, dass es hilft sich mit dem UNvermeidlichen auseinanderzusetzen und dass Vermeidungsstrategien langfristig nicht helfen. Du möchtest deiner Mutter alles abnehmen, sie entlasten und schützen. Eine natürliche und liebevolle Reaktion, aber du wirst feststellen, das kannst du nicht. Du kannst für sie da sein, ihr zuhören, ihr in den Belangen des Alltags unter die Arme greifen, das ja, aber durch die Trauer muss sie durch, da führt kein Weg herum. Das Leben ohne deinen Vater wieder auf die Reihe kriegen, auch das muss sie selbst schaffen und das kann sie nur, wenn man ihr nicht alles abnimmt und sie selbstständig bleiben darf. Wenn man Menschen in Krisensituationen alles abnimmt und sie zu sehr entlastet, dann verlieren sie den Boden erst recht unter den Füßen.
    Wieviel Zeit dir/euch auch immer bleiben mag, versuche die Zeit mit deinem Papa noch zu nutzen, vielleicht gibt esnoch etwas auszusprechen, loszuwerden, zu sagen, wenn das Reden schwierig ist, dann sagen Gesten und Berührungen oft viel mehr als Worte!
    Alles Liebe und Gute! Christine