Mütter...geliebt ...gehasst

  • Liebe Angie,

    du und deine Tochter scheint mir ein sehr liebevolles Verhältnis zu haben.

    Es spricht für mich nichts für tiefe Verletzungen, die du ihr zugefügt hast.

    Das Verhältnis zu meiner Mama hat sich mit der ersten Schwangerschaft und

    der Geburt und Leben mit Kind, wieder sehr angenähert.


    Davor bin ich sicher auch oft nur kurz vorbei und sie hätte sich mehr

    und intensiveren Kontakt gewünscht. Wir hatten immer eine tiefe Bindung -

    da war und ist Vertrauen und das Wissen, dass sie da ist, wenn ich sie brauche.

    Darum konnte ich mich lösen und wir konnten zu einer anderen Beziehung finden.


    Ich bin nicht mehr das kleine Kind, das die Mama unbedingt immer braucht.

    Und sie ... ich denke, für sie passt es auch, wie es ist. Ich merke gerade, dass ich sie vielleicht mal fragen sollte.


    Danke für diese Anregung und dir wünsche ich die Geduld, sie ziehen zu lassen,

    damit sie dann wieder kommt und durch das tiefe Vertrauen, dass sie in dich hat,

    nie daran zweifelt. Ich wünsche dir, dass da Menschen sind (außer deiner Tochter)

    mit denen du ein Stück Weg gehen kannst. Das macht den Verlust der engen Zweisamkeit

    nicht ungeschehen und doch kann es ein bisschen erleichtern.


    Ja, die Beziehung zwischen Tochter und Mama ist einem Wandel unterlegen.

    Diesen Wandel gilt es für beide würdig anzunehmen und eine neue Beziehung aufzubauen.

    Auch das ist Trauer.


    Sei ganz lieb gegrüßt

    Astrid.

  • Liebe Astrid,


    danke für das, was Du da geschrieben hast. Einblicke in das Denken einer Tochter sozusagen ;-)

    Meine Karriere als Tochter wurde ja unterbrochen, bevor ich ganz erwachsen war. D. h. diesen mühsamen Ablösungsprozess habe ich so nicht erlebt. Mir fehlt diese Erfahrung. Deshalb bin ich manchmal.... sagen wir irritiert, von dem, wie sich meine Tochter verhält. Sie ist jetzt 31, hat selber noch keine Kinder. Es war schon viel schlimmer, jetzt im Moment sieht es so aus, dass wir hauptsächlich whatsappen. Sie bietet mir nicht direkt Unterstützung an, hat offenbar große Angst davor, mit Krankheit und Tod konfrontiert zu werden (was ich gut verstehe).

    Sie ist gerade in der Endphase ihres Studiums (hat nebenher immer gearbeitet, deshalb ging das so langsam). Und hat bestimmt andere Dinge im Kopf, als sich um mich zu kümmern. Manchmal komme ich mir dann schon irgendwie verstossen vor :13:

    Da tut es gut, aus Tochterperspektive zu lesen, dass es nicht böse gemeint ist, wenn die Mama gerade nicht Priorität hat. Danke dafür.

    Sie hat in der Pubertät nie revoltiert, war immer sehr pflegeleicht. Jetzt, so spät, ist der Ablösungsprozess offenbar komplizierter. Und ich nehme sie ja jetzt auch viel ernster als ich es mit 15 getan hätte.

    Große Selbstzweifel, ich sei eine schlechte Mutter gewesen, habe ich zum Glück nicht. Die Bedingungen waren schwierig, ich weiß, dass ich das beste daraus gemacht habe. Dass wir vieles in Werten und Denken gemeinsam haben. Dass ich ihr durchaus ein attrakrives Bild vom Leben als Frau vermittelt habe. Manchmal denke ich sogar, dass sie stolz ist auf mich. Ich bin auf jeden Fall sehr stolz auf sie!!!!!!

    Mir fällt gerade ein: ich weiß gar nicht, wann ich ihr das das letzte Mal gesagt habe....:/

    Muss ich bei nächster Gelegenheit tun:!::!::!:

  • Das freut mich, dass ich dir damit was Gutes tun konnte.

    Sie verstößt dich sicher nicht - und doch ist da dein Gefühl.

    Kannst du vielleicht unverbindliche Angebote machen: Sollen wir wieder mal einen Kaffee trinken? Wollen wir mal miteinander ins Theater oder essen gehen - ich wüsste gerne, wie es bei dir gerade so läuft.

    Das könnte ihr die Angst nehmen, dass du alles nur auf die Krankheit reduzierst - was du ja gar nicht tust.


    Und dann ist vielleicht auch die Gelegenheit da, ihr zu sagen, wie stolz du auf sie bist.


    Lg. Astrid.

  • Jemand schrieb hier sinngemäß, ich glaube Astrid. war es, dass das Verhältnis zu den Eltern auch immer eine Frage des Alters und der Generation ist. Das glaube ich auch.

    Meine Eltern wurden beide zu Beginn des 2. Weltkriegs geboren, 1939, und haben die ersten Jahre ihres Lebens unter "unschönen" Umständen erlebt. Früher hat man einfach nicht gelernt, über Gefühle zu reden, das machte man einfach nicht.


    Ich selbst habe mit meinen Großeltern nie wirkliche Gespräche geführt. Meinen Opa väterlicherseits habe ich als sehr schweigsamen und oft mürrischen Mann in Erinnerung. Und so hat er sich wohl auch seinem Sohn, also meinem Vater gegenüber, verhalten. Wie sollte er es also dann lernen?


    Dasselbe gilt für meine Mutter und ihre Beziehung zu ihre Eltern. Aber das sind alles Dinge, die ich erst seit den letzten Jahren weiß.


    Übrigens gibt es zu diesem Thema ein paar gute Bücher von Sabine Bode: "Die vergessene Generation - Kriegskinder" oder "Kriegsenkel". Das letzte passt dann zu mir.

    Erinnerungen sind kleine Sterne, die tröstend in das Dunkel unserer Trauer leuchten. (Quelle ist mir leider unbekannt)