Meine Schwester ist gestorben

  • Hallo, ich bin neu hier!


    Vor zwei Wochen ist meine große Schwester gestorben, bzw. der genau Todeszeitpunkt ist unbekannt. Am 7.7. wurde sie aufgefunden, 2 Tage vor ihrem 56. Geburtstag. ich war zu der Zeit im Urlaub, habe es am 8.7. von meinen Eltern erfahren.

    Ich mache mir schwere Vorwürfe, dass ich nicht mehr für sie da war, immer nur selbstsüchtig an mich gedacht habe und sie nicht unterstützt habe oder motiviert habe oder einfach mal sie besucht habe.

    Sie hatte so ein sche* Leben und mir ging es so gut, in allen Dingen. Mit sche* Leben meine ich viele Probleme und kein Glück. Scheidung, alleinerziehend, chronisch krank (Diabetes), mit einem Alkoholiker zusammen, der dann verstorben ist, allein mit den Schulden dastehend, Arbeitsplatz durch betriebsbedingte Kündigung verloren, dann nur noch ALG2.


    Seit Oktober 2017 war sie immer viel krank, Durchfall, Augeninnendruckerhöhung, Glaukom und entgleister Zucker, Gewichtsverlust. Aber ich habe mich nicht gekümmert, ich wusste nicht, dass es so ernst ist, sie hat kaum was erzählt, aber das ist keine Entschuldigung, trotzdem hätte ich was machen können. Hätte das verhindern können!!! Ich hätte mich vorher schon kümmern müssen. Aber das habe ich nicht, ich wollte ihr nicht immer Geld geben und sie gibt es dann für Zigaretten aus oder für Nippes. Vor ein paar Jahren hat sie immer wegen Geld gejammert, aber nie versucht, mal wieder eine Arbeit zu bekommen. Hat sich von freunden zurückgezogen. Lebte in ihrer Traumwelt als Geliebte von einem Sänger. Aber ich hätte sie auch ohne Geld unterstützen können, einfach mal was mit ihr unternehmen, damit sie was anderes sieht. Wir haben sie kaum mit Geld unterstützt, weil sie nie damit umgehen konnte, nie das richtige gekauft hat, aber auch nie mal ein Blümchen für meine Mutter zum Geburtstag mitgebracht hat.


    Natürlich war sie auch schwer depressiv, das wäre wohl fast jeder in so einer Situation, allein, chronisch krank, arm. Da weiß man nicht mehr, wie sich das anfühlt, neue Bettwäsche zu haben oder ein schönes neues T-Shirt anzuziehen, frisches Gemüse zu essen oder mal einen Kaffee im Cafe zu trinken, oder eine Umarmung. Selbstverständliche Dinge für die meisten!! Das wird mir erst jetzt bewusst....(und bin dankbar, dass es mir noch so gut geht!)


    Sie hat gebeten, zum Geburtstag Lebensmittel geschenkt zu bekommen!!!

    Sie ist allein im Badezimmer gestorben und hat vermutlich dort einige Tage gelegen, bevor meine Eltern sie fanden (bzw. die Polizei, so dass meine Eltern sie nicht gesehen haben).

    Und ich hätte sie so gern noch umarmt, jetzt konnte ich sie nur noch als Tote sehen und mich von ihr verabschieden und über die Haare streichen...Sie war so klein und dünn...

    Hätte sie doch wenigstens noch einen schönen Geburtstag gehabt!! Meine Eltern wollten einen Ausflug mit ihr machen und wir hätten dann nach meinem Urlaub in der Familie gefeiert.


    Sorry, langer Text, aber wenn ich nicht abgelenkt bin und allein bin (und das bin ich leider meistens), dann kommen diese furchtbaren Gefühle auf, Mischung aus Verlust, Schuld, Selbstvorwürfe, Mitleid mit ihr, hätte-ich-doch-besser-dies-und-das-getan....Und ich fühle mich so mies und habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich was esse oder frische Wäsche anziehe.


    Ich bin selbst auch nicht gerade der glücklichste Mensch, habe so einige Probleme zu bewältigen und mit Depressionen zu kämpfen. An dem Tag, als ich es erfahren habe, waren wir den ganzen tag am Meer baden und ich habe mich seit langem nicht mehr so unbeschwert gefühlt und sogar richtig gelacht!! Die letzten 1,5 Jahre waren bei mir viel durch Tränen geprägt, Probleme, Zukunftsängste und sonstiges. Aber an dem Tag konnte ich wirklich mal ein paar Stunden im Wasser einfach nur die Wellen spüren und leichter werden. Und dann am Abend, als wir wieder zu Hause waren, der Schock. Wieder eine Bestrafung für ein paar Stunden Unbeschwertheit....sorry, ich werde jetzt selbstmitleidig, aber so fühlt es sich an, denn jedesmal, wenn ich mal ein paar Tage keine Problem habe und unbeschwerter bin, dann kommen immer Hammerprobleme und Kummer und Sorgen wie eine Bestrafung.


    Ich musste das mal loswerden, daher habe ich mich hier angemeldet. Ich hoffe, das ist ok.

    Mit meinen Eltern kann ich nicht über sowas reden (die wollen alles (Beerdigung etc.) nur schnell 'hinter sich bringen' - unverständlich für mich) und meine Neffe (ihr Sohn) hat selbst psychische Probleme, ihm helfe ich jetzt mit den Formalitäten, das lenkt ab und hilft ihm. Meinen Freund heule ich schon die ganze zeit was vor, aber er ist wieder viel arbeiten nach dem Urlaub und Freundinnen habe ich eigentlich keine, nur eine. Und im Moment noch nicht einmal Arbeitskollegen, denn ich habe meine Arbeit am 30.6. verloren bzw. der Vertrag wurde mal wieder nicht verlängert. Und zum Therapeuten macht keinen Sinn, da ich in vier Wochen wieder mal ins Ausland gehe(n muss), was mir im Moment auch nicht gerade leicht fällt. Zu viele Abschiede in diesem Jahr....


    Sonja (sunbabe hat meine Schwester mich immer früher genannt, als wir Kinder waren)

  • Liebe Sonja,

    Willkommen hier im Forum! Hier bist du an einem "guten Platz"... du kannst erzählen, Dinge los werden usw.

    Nach einem so heftigen Erlebnis bist du nun aus der "Bahn geworfen", ein Schockerlebnis für euch alle.

    Deine Schwester ist im Moment deiner eigenen Unbeschwertheit gestorben, als du einen glücklichen Urlaub erlebt hast. Dadurch hast du nun Schuldgefühle und denkst über die Vergangenheit nach, ob du etwas "besser/ anders" für sie hättest machen können... Schwierig, das zu beantworten.

    Deine Eltern können den ersten Schock vielleicht besser verarbeiten, wenn Beerdigung und was jetzt gemacht werden muss schnell abläuft. Das scheint ihnen zu helfen im Moment.

    Ich wünsche euch viel Kraft!

    Kann im Moment leider nicht viel schreiben... Hitze und Co. plagen und schwächen mich etwas...


    Liebe Grüße

    Sunset


    P.S.: Wegen meiner Sehbehinderung muss ich den Text größer schreiben...

  • liebe Sunbabe<3

    ALLE hier können MIT DIR fühlen...absolut... Mein grosses Mitgefühl sende ich gerne zu dir...


    Eure Familiengeschichte ist eine nicht sehr fröhliche Familiengeschichte...Keinesfalls möchte ich Ereignisse "herunterspielen", wie sie dir und deiner Schwester und auch deinen Eltern ja passiert sind...

    Dennoch <3:30:<3die meisten Familien haben eine sehr komplexe und nicht immer leicht zu erTRAGEN , Familienstruktur...


    Ich schreibe es immer wieder einmal...

    dass nur durch das aufeinandertreffen von versiegtem Regen mit Sonnenschein auf der noch verdunkelten wolkenwand der wunderschöne Regenbogen zu sehen ist...

    Vielleicht kannst du bald auch deinen so RICHTIG und GUT für dich, den Genuss in dem Wasser zu sein , bald sehen...

    Ich wünsche es dir von Herzen...


    Diese Forum kann sehr , sehr , sehr viel geben... Ich hoffe es gibt auch dir viel Trost und dich aufbauende Beiträge...

    Das wünsche ich dir von ganzem Herzen

    liebe Sunbabe... in diesem Namen steckt ja auch ein klein bisschen Sonne darin... das hast du durchaus ja auch dadurch in dir... und ja ein "babe" . braucht und will Liebe<3

    wie wir ALLE

    deine Claudia Amitola

  • Danke Sunset!


    Naja, es sind die ganzen letzten Jahre, in denen ich nur an mich gedacht habe und ihr nicht geholfen habe oder was mit ihr zusammen gemacht habe. Manchmal war sie schwer zu ertragen, hat viel rumgemeckert und war mürrisch, depressiv und launisch, aber verständlich in ihrer Situation.

    Aber vielleicht hätte ich ihr gut eine Freude machen können, wenn ich sie einfach an die Hand genommen hätte und was mit ihr gemacht hätte. Und sei es nur eine Tasse Kaffee trinken....

  • Ich danke dir für die Antwort, Claudia Amitola.


    ja, sunbabe hat mich meine Schwester immer genannt, und es gab durchaus auch sonnige Zeiten, die sind aber schon lange her auch in meinem Leben...


    Ich kann diese Schuldgefühle nicht loswerden und die sind extra schlimm, wenn ich alleine bin. Und kann das alles nicht begreifen....

  • Liebe Sonja,

    das liest sich ja in der Tat sehr tragisch, was Du da beschreibst! Hast Du irgend jemanden, mit dem Du offen über Deine Gefühle sprechen kannst? Ich denke, da gibt es viel auszusprechen und zu sortieren. Dinge, die vielleicht tatsächlich besser hätten laufen können (im nachhinein ist man immer klüger), anderes für das Du definitiv nicht "zuständig" bist....

    Ich kenne das, wie das mit schwierigen Geschwistern sein kann. Habe selber einen Bruder, mit dem es oft nicht leicht ist. Wenn ich mich dann zurückziehe (was durchaus vorkommt), dann geschieht das oft aus Hilflosigkeit. Manchmal habe ich mit ihm das Gefühl, was immer ich mache - es ist falsch. Einfach weil ich in dieser Situation nicht der richtige Mensch bin. Da wäre eine Partnerin, ein Freund, eine Mama (haben wir leider nicht mehr) gefragt und nicht ich.

    Vielleicht ist es bei Dir ja auch manchmal so ähnlich gewesen....

    Dieses Wissen: jetzt ist es zu spät - das ist schrecklich!!!!!!

    Ich wünsche Dir, dass Du hier im Forum und im wirklichen Leben Personen findest, die Dich in dieser Situation zumindest ein wenig aufrichten können!

  • Danke StillCrazy und andere,

    ja eigentlich kann ich offen reden mit jemanden, mein früherer Ehemann, mein bester freund und eigentlich auch der Einzige. Und eine Freundin, aber die hat ihre eigenen Probleme. Naja, das haben ja alle.

    Meine Schwester war nicht schwierig oder naja, vielleicht doch, aber sie war nicht die engagierteste oder fleißigste und hat versucht, ihre Situation zu verbessern oder auf ihre Gesundheit zu achten. Zu letzterem war sie hinterher zu depressiv oder schwach, aber wenn die einzige 'Freude' die Zuckerlimo oder die Zigarette sind, ist es auch hart, es nicht zu tun, und etwas für sich zu machen. Und außerdem denkt man oft, wofür die Mühe, wenn das Leben nicht besser wird? Und somit vergehen die Tage in der Sozialwohnung alleine vor dem Fernseher und keine Initiative kommt auf, um doch noch an seinen Träumen zu arbeiten. Oder noch nicht einmal die Schwester zu verpflichten sozusagen, dass sie sich kümmern soll. und ich war vielleicht oft gelähmt vor Mitleid und habe sie ja unterstützen wollen, aber eben nicht mit Geld, sondern eher mit Hilfe zur Selbsthilfe oder so. ich habe ihr aber immer nur Klamotten geschenkt oder sowas. Mit Geld konnte sie eh nicht umgehen und hat manchmal noch nicht einmal eine Blume für meine Mutter zum Geburtstag übrig. Das hat mich manchmal sauer gemacht.


    Das geht mir auch so und ich denke, für wen soll ich mich anstrengen, gesund und fit zu bleiben, ich werde immer alleine mein Leben verbringen müssen, also warum überhaupt weiter machen? Aber dann geht es halt doch weiter.


    Ich stehe wirklich unter Schock, immer noch nach 2 Wochen, klar sie war krank, aber im KH wurde nichts gefunden und beim letzten Telefonat hörte sie sich noch munter an und ich/wir haben die Lage unterschätzt. Aber sie ist plötzlich gestorben, vermutlich Herzinfarkt wegen Kaliummangel durch den chronischen Durchfall oder vielleicht auch Zuckerentgleisung, es weiß keiner. Auch nicht wann....

    ich habe nur die Vermutung, dass es in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag war, denn Do. bin ich in den Urlaub ganz früh losgefahren und beide meine Scheinwerfer vom Auto waren ausgefallen!! Eigentlich bin ich nicht abergläubig, aber das ist ein komischer Zufall, beide Birnen auf einmal (funktionierten am Vortag noch)???


    Was kann man machen, damit diese Gefühle vergehen?

    Wenn ich in ihrer Wohnung war, um Unterlagen zu suchen, war es weit weg, als wäre sie nur in Urlaub oder im KH.....obwohl das Bad immer noch so aussah, weil keiner saubergemacht oder aufgeräumt hatte.

    Wenn ich jetzt banale Tätigkeiten mache, wie frisches Bett beziehen, habe ich ein schlechtes Gewissen, beim essen, bei allem....Habe schon 5 kg abgenommen, obwohl das nicht schadet.


    Es ist gut, dass ich hier einfach losschreiben kann, das hilft auf jeden Fall.


    DANKE!

  • Ich bin in diesen Angelegenheiten keine Expertin, aber ich lese hier immer wieder, dass Schuldgefühle zum Trauerprozesses dazu gehören. Dass das also auch etwas ganz Natürliches ist, unabhängig davon, wie man sich tatsächlich verhalten hat.

    Ich denke ein Stück weit hat das auch mit dem Schock zu tun, dass es jetzt vorbei ist, dass jetzt nichts mehr möglich ist, dass die Pläne, die man vielleicht hatte, nicht mehr umgesetzt werden können.

    Die Bücher sind jetzt geschlossen.


    Ich finde den Ton sehr schön, in dem Du über Deine Schwester schreibst, so empathisch und verständnisvoll. Ich lese heraus, dass Du Dir sehr wohl Gedanken über sie gemacht hast und darüber, wie Du ihr etwas Gutes tun könntest. Vielleicht hilft es Dir ja ein wenig, Dir zu vergegenwärtigen, was Du GETAN hast. Im Moment scheinst Du Dich sehr aus das andere zu konzentrieren, was Du nicht gemacht hast. Ich denke, Du hast es verdient, dass Du in diesem inneren Gerichtsprozess, den Du da wohl gerade erlebst, auch einen Verteidiger hast, nicht nur einen Ankläger!

    :24:

  • Hallo Sunbabe,

    deine Schuldgefühle können "vorerst" vielleicht noch bleiben. HIER davon zu schreiben, hilft dir sicher ein wenig,damit umzugehen.

    Durch "Geld geben" hättest du ihr vermutlich nicht geholfen, wenn sie damit nicht umgehen konnte...

    Ich bin quasi in der "anderen Situation".

    Zum einen gesundheitlich sehr schlecht drauf... (Im Thread "Update von Sunset") steht etwas darüber...

    Meine demente Mutter, wohnt nebenan und bereitet mir große Sorgen... HIER könnte meine Schwester ein wenig helfen, die sich aber nicht blicken lässt... Im Gegenteil - vor Jahren hat sie unsere Mutter vorgeworfen, dass sie eine Rabenmutter für sie war, weil sie meinen Bruder und mich bevorzugt hätte... (aus ihrer Sicht)

    Meine Schwester würde sich vermutlich nie Gedanken machen, auch wenn Mutter oder mir "etwas passieren würde".

    Ob es dir hilft, Dinge aufzuschreiben? Gedanken festhalten, wie in einem Brief an deine Schwester gerichtet... Sie kann dir keine Antwort geben in dem Sinne... Aber vielleicht kann sie dir Zeichen geben. Hat schon mancher berichtet, solche Zeichen von Verstorbenen bekommen zu haben. Sei es im Traum...


    Liebe Grüße

    Sunset


  • Liebe Sunbabe,

    ja, Schuldgefühle gehören zum Trauerprozess dazu. Man hat sie - auch wenn man gar nicht schuldig ist. Viele Leute, die sich sogar bis zuletzt aufopfernd um Verstorbene gekümmert haben, entwickeln sie, weil sie die Phantasie entwickeln, dass sie anders handeln hätten sollen oder noch mehr tun hätten können.


    Wie du deine Schwester beschreibst, das klingt liebevoll und du klingst nicht nach einem selbstsüchtigen Menschen, sondern eher nach einem Menschen, der sich von einer schwierigen Schwester distanziert hat. Und das verstehe ich: Sie konnte mit Geld nicht umgehen, hat dich immer wieder um Geld gebeten, und du wolltest ihr irgendwann nichts mehr geben, sie hat - das wird wohl Teil der depressiven Symptomatik gewesen sein - sich auch nicht um sich selbst gekümmert: Hat sich trotz Diabetes schlecht ernährt und geraucht. Hat viel herumgemeckert .... Solchen Leuten ist schwer, eine Freude zu machen. Wahrscheinlich hast du das sogar früher versucht und es ist dir nicht gelungen? Kann das sein? Und schließlich zieht man sich von solchen Menschen zurück, aus reinem Selbstschutz. Ganz ehrlich, ich verstehe dich.


    Ich glaube, du musst das jetzt einfach für dich durcharbeiten und diesen Gefühlen Raum geben. Hinterfrage diese Gefühle aber auch: Überleg dir, was du früher einmal versucht hast, um sie zu unterstützen und wann und warum du damit aufgehört hast, vielleicht kannst du dein Bild, das du jetzt von dir hast korrigieren.


    Wenn du aber feststellst, dass du dich wirklich nie um sie gekümmert hast, dann schreib ich doch einen Brief und entschuldige dich bei ihr, das kann sehr entlasten!


    Alles Liebe

    Christine

  • Danke Christine für die Worte, das hilft mir sehr!

  • Ja, das ist schwer, solchen Menschen eine Freude zu machen, die viel negativ sehen. Ich habe das gemacht und mich dann wirklich hinterher zurückgezogen, weil es manchmal schwer zu ertragen war. Wir waren vor ein paar Jahren bevor ich mal wieder ins Ausland ging im Zoo, da wollte sie unbedingt hin wegen einer Delfinschau. Aber alles war so verkrampft, irgendwie belastet und schnell meckerte sie, wenn Stau auf der Autobahn dahin war (nur ein kleiner) oder irgendeine Kleinigkeit 'störte'. Es war dann immer schwierig für mich, damit umzugehen, denn es beschwerte die Zeit, diesen Tag und machte ihn nicht schön. Auch Familienzusammenkünfte, und wenn etwas 'schief lief', dann wurde sie immer direkt so aufbrausend oder schrie ins Telefon, z.B. dass der Arzt die Cholesterinwerte etc. in den Griff bekommen sollte...Und ich dann immer ruhig sagen musste, schrei nicht so und eigentlich müsste sie die Werte in den Griff bekommen. Das war dann schon oft 'nervig' und daher habe ich mich dann häufig nur um mich gekümmert. Sie war natürlich immer öfter unzufrieden mit ihrem Leben, mit sich selbst, aber hat sich häufig nicht aufraffen können, was zu ändern.


    Letzten Sommer hat sie angefangen in einem Sozialkaufhaus als 1-Euro-Job zu arbeiten, und da war sie recht gut drauf, da sie raus und unter Menschen kam, eine Aufgabe hatte. Aber dann kam dieser unheimliche Durchfall und die Augeninnendruckprobleme und sie ist dadurch wieder ins Loch gefallen.


    In meinem Leben ist es oft so, dass ich vielleicht mal wenige Tage flow habe. Flow heißt für mich, kein Stress, keine Alltagsprobleme. Keine kleinen Feuer ausmachen. Aber es ist immer was, immer jeden Tag Kleinigkeiten, die einem viel verderben. Ich habe mir letztens neue, schöne Schuhe gekauft. Teure Markenschuhe und ich war so glücklich, dass sie mir passten und ich trotz Absatz darin gehen kann. Ich habe lange gesucht, die passenden zu finden. Trage selten Absatz. Die Freude darüber wurde mir sofort wieder dadurch vermiest, dass nach 3 Mal Tragen der Riemen kaputt ist und die Schuhe dadurch untragbar werden. Ich habe sie online bestellt, kann sie nicht zurückgeben. Die Schuhe waren teuer! Und diese wollte ich für die Beisetzung anziehen. Warum wird einem immer alles kaputt gemacht, fragt man sich da und dieses Jahr ist es wieder besonders schlimm. Als wenn alle paar Jahre sein Leben komplett umkrempeln nicht reichen würde, ist es durch den Tod meiner Schwester jetzt noch furchtbarer.

    Und fast jeden Tag gibt es ein neues Problem oder eine Sorge um irgendetwas, dass einen runterzieht. Irgendwas geht immer kaputt oder muss bearbeitet werden, irgendwas macht immer Ärger.

    Ich habe bisher immer diese Steine umgehen oder überwinden können und irgendwoher Kraft genommen, auch wenn ich sehr einsam bin und ich mich kaum noch daran erinnern kann, wie es war, als keine Problemchen überall auftauchten, immer alles schief ging und ich unbeschwerter sein konnte. keine Sorgen hatte, oder nur wenige.

    Aber meine Schwester, die in der ähnlichen Situation war, fast ihr ganzes Leben, hatte irgendwann keine Kraft mehr bzw. konnte diese Kraft nicht aufbringen und sah eher alles negativ. Sie sagte mal zu mir, als ich den neuen Job hier in D in 2014 anfing, ich stände auf der Sonnenseite des Lebens. Das konnte sie nur sagen, da sie nicht hinter den Kulissen bei mir sehen konnte, da klärte ich sie auf, dass ich für diesen Job hart gearbeitet habe mit 2 Vorstellungsgesprächen, top Bewerbung u.a. und dass ich immer in allem viel Arbeit hineinstecken muss, damit ich nicht scheitere. Dass ich schon 1,5 Jahre Bewerbungen geschrieben hatte, fast jedes Wochenende. Und auch davor schon in Ausbildung, Abendschule, Studium etc. viel Arbeit gesteckt habe und mir nie was in den Schoß gefallen ist. Das hat sie wohl abgeschreckt und da hat sie dann erstmal wieder aufgegeben, was an ihrer Situation zu verändern. Das kann ich verstehen. Da steht man erstmal vor diesem Riesenberg....vor dem langen Weg.

    Ich habe gelernt, alles in kleinen Schritten abzuarbeiten und den Berg zu bewältigen, mich nicht unterkriegen zu lassen, um mir noch ein bisschen Selbstachtung zu erhalten und auch, um mal eine sorgenfreie Zeit zu erreichen. Wenn man auf dem Gipfel ist sozusagen. Wie in 2014 mit dem neuen Job, da hatte ich dann 1 Jahr lang mal keine Job- und Zukunftsängste. Dann kam die Umorganisation, mein Chef ging, der neu ist ein Mobber und mir war klar, auch diesmal klappt es mit der Entfristung nicht. Jedesmal war es bisher so: neuer Job, dann Umorganisation und ich musste wieder gehen. Bei meinem neuen Job wird schon jetzt umorganisiert, obwohl ich noch gar nicht angefangen habe. Geil!



    Na, ich schweife hier ab und würde das auch lieber meiner Schwester am Telefon erzählen und oft kommt es mir so vor, dass ich das noch kann.

    Aber ich darf hier alles schreiben und will auch alles schreiben, was mir so durch den Kopf geht.

    Danke!

  • liebe Sunbabe<3


    jetzt lasse ich doch nochGERNE einen lieben gute- Nacht Gruss hier an dich ...

    und nicht " nur" im Sein Leben...


    Ich habe deinen Bericht wie schon geschrieben....aufmerksam durchgelesen, bin aber wirklich zu erschöpft durch heutige ereignisse um dir ausführlich zu antworten...


    Ein kleines Fazit , was uns ALLEN aufzeigt...

    Unser aller Leben ist endlich ...

    ich habe drei Geschwister , die krank sind , wie ich auch...

    Wir LEBEN damit , aber unser Endlichkeit ist uns bewusst...Wir führen , wie du auf DEINE Art und Weise, durchaus ein Gutes, für uns "richtiges " Leben...


    Ja<3:30::24:<3, schreibe weiter und weiter. es wird dir helfen<3:thumbup::33:<3:30:<3:24:<3:33:<3:love:<3

    Auch hier noch einmal ...

    es wurde mir "warm ums Herz"... was du geschrieben hast...

    <3lichst deine Claudia Amitola

  • liebe Sunbabe<3


    es ist in mir immereine kurzzeitige schwer " Luft bekommend...Atem holende " Situation gewesen , wenn ich deine Berichte las...

    worüber du dir KEINE Schuldgefühle machen sollst ...da es eh keine Schuld für mich gibt...


    Die gewünschte Geschwisterliebe ,

    wie sie die Eltern oder die Gesellschaft haben möchten, gibt es ja soooo nicht...

    Sie ist nie "ganz einfach" ,

    aber

    wie ich finde, sehr intensiv und uns gegenseitig prägend... oder uns geprägt haben...

    Manchmal auch tiefer gehend wie die erfahrene , oder nicht erfahrene Elernliebe...


    Meine Geschwister

    Wir vier "Kinder", alle ja schon über die 60 - ü70... haben zum Teil ja schwere Erkrankungen ...

    und immer ,

    wenn eine neuere Erkrankung dazukam oder Operation,

    dann fühlten wir uns SEHR verbunden...

    leider bei meinem einen Brüder über tausende von km entfernt (Australien)

    und

    immer war ...IST ... da durchaus die Angst , der Schmerz ---

    geht sie/er vor mir... STIRBT SIE / ER VOR MIR????


    Man will es einfach nicht ...

    Du nicht<3:30:<3

    ich nicht<3:30:<3

    KEINER will das ;(


    dennoch ist das unser LEBEN...


    Ich DANKE DIR , dass du mir schöne Bilder.... ganz spontan in mir auftauchend.... durch dein Schreiben , GESCHENKT hast...

    Es kommen ja nicht nur negative Erlebnisse in einem hoch... glaube ich zumindest..

    Wirklich nicht theoretisch dahingeschrieben.

    Wir LEBEN ...ALLE...


    Auf weitere Erzählungen aus deinen Gefühlen heraus beschreibend würden dieses Forum ,

    wie ALLE Beiträge

    einfach zu einer ERFAHRUNGS-Schatzkammer machen...

    die ALLEN OFFEN steht...


    einen best- möglichsten Tag auch DIR<3

    wünschend <3

    deine Claudia Amitola

  • Liebe Sunbabe,


    <3 mein Beileid zum Tod deiner Schwester...und eine Umarmung dir...

    ja, es ist sehr schwer, und die Lebensgeschichte deiner Schwester war wohl nicht leicht...

    ich verstehe gut, dass du dir Vorwürfe machst, auch wenn sie unbegründet sind, es wurde schon viel geschrieben und natürlich kennen viele diese Gefühle, auch ich kenne sie...


    wie geht es dir denn jetzt?


    Was mir aufgefallen ist...so du die Kraft hast...und das ist ja das Wichtigste - du hast es ja selbst nicht leicht - finde ich es sehr lieb dass du deinen Neffen also den Sohn deiner Schwester etwas unterstützt...durch dein da sein, gemeinsam reden, ihm ab und an einen Tipp geben...

    ich denke mir als Mutter denkt man immer - wenn ich sterbe, was wird mit meinem Kind? und wenn man als Kind zurück bleibt freut man sich an Onkel und Tanten die einen an die Mama erinnern...

    insofern hat er Glück dich zu haben...


    aber wie gesagt, schau vor allem gut auf Dich

    Trauer ist auch Schwerstarbeit wie hier schon oft gesagt wurde


    alles Liebe


    m. <3

    Die Wahrheit triumphiert nie, nur ihre Gegner sterben aus (Max Planck)


    rilke.de/briefe/160703.htm


    VORÜBUNG FÜR EIN WUNDER


    Vor dem leeren Baugrund
    mit geschlossenen Augen warten
    bis das alte Haus
    wieder dasteht und offen ist

    Die stillstehende Uhr
    so lange ansehen
    bis der Sekundenzeiger
    sich wieder bewegt

    An dich denken
    bis die Liebe
    zu dir
    wieder glücklich sein darf

    Das Wiedererwecken
    von Toten
    ist dann
    ganz einfach

    (Erich Fried)

  • DANKE!

  • Hallo Nebelfrau,


    ich danke dir für deine tröstende Worte...

    Ja, ich helfe meinem Patenkind, aber es hilft auch mir irgendwie, denn tatenlos 'rum' leben kann ich auch nicht. Außerdem fühle ich mich verantwortlich und möchte nicht den gleichen Fehler machen, wie bei meiner Schwester.

    Und jetzt kann ich noch was tun, in drei Wochen lebe ich schon wieder in einem anderen Land, habe eine neue Arbeitsstelle und bin dann auch sehr viel allein. Das macht mir Angst. Zum Glück ist zumindest die Wohnstatt vertraut.

    Trauer ist Arbeit und ich stehe noch unter Schock. Manchmal ist es wie immer, meine Schwester ist einfach nur mal weg bzw. lebt ja in einer anderen Stadt und ich rufe sie an und so...dann kommen die Momente, in denen mir plötzlich bewusst wird, dass ich sie nie wieder sehen werde und das kann ich nicht begreifen, das ist doch nur vorübergehend, ein langer Traum, so wie ich mal wieder im Ausland lebe....

    Naja, ihr kennt das ja, für mich ist es der erste richtige Verlust...

  • Liebe Sunbabe...


    ja, ich kenne dieses Gefühl...von dem Tod eines Freundes den ich nur wenig sah, noch heute könnte ich mir einreden dass er eigentlich am Leben ist... ich denke es kann ja auch gut sein, so zu fühlen, sich so zu schützen und tatsächlich kann man ja auch denken, dass der verstorbene Mensch nicht "komplett weg" ist. Woran man auch glaubt...ich mochte den Gedanken immer dass eine Beziehung mit dem Tod nicht aus ist, sondern sich verändert.


    <3


    Dass du ins Ausland gehst, das klingt für mich aufregend...vielleicht tut es dir auch gut?

    Wie lange wirst du dort sein und wie geht es dir damit? Warst du schon einmal da?

    Musst du dich darauf vorbereiten?


    Dein Neffe hat Glück, dich zu haben <3

    Meinst du wirklich dass du bei deiner Schwester etwas "versäumt" hast zu tun - eure Geschichte- ihr Lebensweg den sie gewählt hat - das klingt so als wäre sie auch schwer zugänglich gewesen.

    Manchmal ist einem eine Beziehung vielleicht einfach nicht ... beschert, so empfinde ich es.


    Ich hoffe dass du dich nicht zu sehr quälst und dass du die Kraft hast, die Trauer auszuhalten.

    Aus meiner Erfahrung kann ich dir sagen, dass es wirklich ein Fluss, ein Prozess ist, und ich habe immer gedacht es gehört zum Leben dazu, es ist etwas natürliches, Leben, Liebe, Trauer - das alles gehört zusammen.


    ich wünsche dir auch sonnige, gute Tage

    und in dunklen Momenten viel Kraft,


    mit lieben Grüßen

    m <3

    Die Wahrheit triumphiert nie, nur ihre Gegner sterben aus (Max Planck)


    rilke.de/briefe/160703.htm


    VORÜBUNG FÜR EIN WUNDER


    Vor dem leeren Baugrund
    mit geschlossenen Augen warten
    bis das alte Haus
    wieder dasteht und offen ist

    Die stillstehende Uhr
    so lange ansehen
    bis der Sekundenzeiger
    sich wieder bewegt

    An dich denken
    bis die Liebe
    zu dir
    wieder glücklich sein darf

    Das Wiedererwecken
    von Toten
    ist dann
    ganz einfach

    (Erich Fried)

  • liebe Sunbabe<3:30::24:<3


    Nebelfrau hat dir , das kann sie soooo gut<3:love:<3 so vieles geschrieben, was sie empfindet , was ihr geholfen hat... und was dir helfen kann...

    Andere Sichtweisen sind für mich immer weiterbringend...

    da man sich manchmal einfach in "ausgetreten Pfaden" bewegt...

    das du für deinen Neffen da bist... ist wirklich sehr wertvoll für ihn und dich... es ist erleichternd ...


    sooo ganz irdisch neugierig;) wo ist denn deine neue Arbeitsstelle? wenn du es erzählen magst

    DANKE,

    das du so viel mit uns teilst<3

    deine Claudia Amitola