Es ist vorbei...er ist von uns gegangen...

  • Hallo zusammen, wie so viele hier bin ich seit circa einem Monat stiller Mitleser und dachte, dass ich ausschließlich durch das Lesen von Beiträgen, die ein ähnliches Schicksal teilen, meinen Seelenfrieden finden könnte...leider ist dem nicht daher möchte mit euch meine/unsere "Geschichte" teilen...Ende November ist mein geliebter Vater mit Anfang 70 gestorben...er war zugleich mein geliebter Papa, als auch mein bester Freund, der Fels in der Brandung unserer ganzen Familie...Vor circa 6-7 Jahren fing es an, dass er mit Verdacht auf eine Lungenentzündung zur Untersuchung geschickt wurde. Danach ist die Welt zusammengebrochen, unheilbarer Lungenkrebs mit Metastasen, Prognose der Ärzte in 3-6 Monaten ist alles vorbei...gerade in die verdiente Rente gekommen und den großen Traum erfüllt, ein Mehrgenerationenhaus erworben haben, wo wir alle glücklich und zufrieden leben sollten und dann diese Diagnose...


    Die Welt ist für mich zusammengebrochen, ich konnte das psychisch nicht ertragen, ich hatte nie zuvor mit dem Thema "Krebs" Berührungspunkte und jetzt sollte es mein Vater sein, der in paar Monaten nicht mehr mit uns seinen verdienten Ruhestand genießen konnte, nach einigen sinnlosen Alkoholexzessen meinerseits, haben wir uns dann hingesetzt und er hat für sich entschieden, egal was die Ärzte sagen, er will kämpfen und er hat gekämpft, Chemotherapien, Bestrahlungen, Operationen und er hatte es geschafft, er hat den Krebs zum Stillstand gebracht. Ich war der glücklichste Mensch auf Erden, wir haben so viel Zeit zusammen verbracht, sind durch diese unglückliche Situation zu besten Freunden geworden, so makaber es auch klingt. bei jeder Untersuchung, die er seit der Diagnose hatte, war ich dabei. Bei allen OP`s habe ich ihn begleitet, wochenlang tagtäglich viel Zeit im Krankenhaus verbracht, wieder und immer wieder. Er hat alles mit Bravur gemeistert und es schien, dass alles soweit erfolgreich "geflickt" ist. Es gab eine Perspektive in meinem Leben, ich konnte mich wieder auf mein Privatleben nebenher konzentrieren, lernte meine jetzige Frau kennen und mein Traum wurde war, er wurde nicht nur ein toller Papa, sondern auch der beste Opa, den ich mir vorstellen konnte, trotzt seiner gesundheitlichen Probleme, war er immer für ihn und im Endeffekt für uns da...


    In den Jahren gab es immer wieder mal Rückschläge, die therapiert werden mussten, aber wie man so schön sagt alles im "grünen" Bereich und dann schlug das Schicksal wieder zu. Schlaganfall…Neben dem ganzen gesundheitlichen "Pech" kam doch tatsächlich noch ein Schlaganfall dazu. Ich konnte es nicht fassen, wir waren doch gerade bei einer Routineuntersuchung und alles war soweit gut. Das Leben war gerade perfekt, die ganze Familie vereint, ein kleines Kind zu Hause was alle zum lachen bringt und jetzt schlägt das Schicksal so gnadenlos zu?


    Man dachte sich, ach aus 3-6 Monaten hat er 6-7 Jahre gemacht, das wird sich zum guten wenden, Statistiken sind nur Statistiken, aber als ich dann Tage später meinen geliebten Vater weinen sah und in einem lebensgefährlichen Zustand hatte ich dass erste Mal seit der Diagnose vor vielen Jahren wieder die Angst, dass es zu Ende gehen könnte...er hat sich noch wochenlag gegen das Schicksal gestemmt, jeden Tag bin ich dort gewesen, bei ihm, habe Tränen vergossen, die Welt nicht mehr verstanden und dann ist er von uns gegangen, friedlich eingeschlafen...der jahrelang Kampf gegen das miese Schicksal was einen ereilt hat war vorbei, ich war so nah dran an ihm, dass mich das Gefühl überkam, dass nicht nur er den Kampf verloren hat, sondern aus dem er wurde ein Wir...wir haben verloren. Was hätte ich besser machen können, war es absehbar das ein Schlaganfall kommen könnte? Hätte ich mehr auf irgendwelche Zeichen achten müssen, ihn mehr im Auge haben müssen, als mein Familienleben zu leben, wo man sich um banale Dinge Gedanken macht...Fragen über Fragen ohne Antworten...


    Einige Wochen sind seitdem vergangen und ich bin einfach nur leer, mit seinem Tod ist so viel verloren gegangen was ausschließlich zwischen uns war, ein Stück meiner Kindheit ist weg, aber auch diese Leere da ich nichts mehr für ihn machen konnte oder machen kann...alles ist erledigt, er wurde beerdigt und jetzt ist noch ein wenig der bürokratische Akt dahinter. Aber ich kann sonst nichts mehr tun, außer für meine geliebte Mama da zu sein, auch wenn ich die Lücke nicht füllen kann. Jeden Tag gehen mir so viele Fragen durch den Kopf und ich bin so erschüttert, dass nach dem Begräbnis, gefühlt kein Hahn mehr danach kräht. Alles ist so banal geworden, aber die Gesellschaft verlangt von einem, dass man weiterhin funktioniert. Mein herzliches Beileid, nehmen Sie sich die Zeit die Sie brauchen, kriegt man zu sagen auf der Arbeit, am nächsten Tag ist die Aussage aber schon wieder vergessen...


    Mein Kind schafft es mir ein Lächeln zu zaubern und Gespräche mit meiner Mutter helfen mir nicht alles in meinem Kopf auszutragen, aber sonst ist da nichts weiter. Die Welt dreht sich einfach weiter, die Sonne geht morgens auf und abends unter, doch für mich steht alles still. Der Kampf ist verloren und ich hoffe dass er an einem schöneren Ort ist als es diese Welt je sein kann... meine einzige Hoffnung ist, dass wir uns irgendwann wieder sehen...aber wie ich überhaupt die nächsten Tage, Wochen oder Monate damit klar kommen soll ist mir ein Rätsel...ich habe ihn so sehr geliebt und tue es immer noch und ich weiß, dass er gerne noch gelebt hätte, seinen Enkel aufwachsen zu sehen...aber das Schicksal, es hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht...und jetzt bin ich vollgesogen voller Trauer und es tut alles so weh...es hört nicht auf weh zu tun.... Danke allen fürs zuhören...Danke

  • Guten Morgen Lonely,

    ich habe mir Deine Geschichte durch gelesen.

    Finde in Deinem Bericht viele Aussagen,die auch mein Sohn gemacht hat.


    Fühl Dich verstanden,

    lieben Gruß

    Karin

  • Lieber Lonely

    Deine Geschichte berührt mich, ist sie doch der Hälfte meiner sehr ähnlich.

    Mein geliebter Vater musste mit 70 Jahren auch eine Krebserkrankung überstehen. Ich sah ihn weinend im Krankenhaus liegen und flehend, ihm mögen noch ein paar Jahre vergönnt sein. Das Bild vergessen ich nie. So bedauernswert habe ich ihn nie erlebt.

    Er gewann den Kampf, wurde wieder gesund. Ich lernte meine jetzige Frau kennen und noch bevor ich sie ihm vorstellen konnte, ereilte ihm mit 74 ein Schlaganfall. Es folgten 10 Jahre Pflege, erst zu Hause, dann 8 Jahre Pflegeheim mit viel Zeit füreinander. Es war ein langes Abschied nehmen, geprägt von warmherzigen, innigen und intensiven Miteinander. Er hat die Geburt seiner Enkel noch erlebt, wenn auch nicht mehr aktiv begleitet. Er starb mit 84 Jahren nach einem Infekt. Die Trauer war groß, aber ich konnte sie gemeinsam mit meiner Mutter, die ihn über alles liebte und aufopferungsvoll immer für ihn da war, tragen. Der lange Abschied war zu Ende und wir fanden durch ein sehr enges Verhältnis einen Weg zurück in ein zufriedenes und dankbares Leben.

    Das ist jetzt 5 Jahre her.

    Soweit unsere Analogie.

    Meine Mutter verstarb Mitte August völlig überraschend und lässt mich unfassbar traurig zurück. Seitdem kämpfe ich täglich mit der neuen Situation, ohne Eltern und Nestwärme zu sein. Leere, Freudlosigkeit, Schwermut, alles das was Du auch beschreibst, bestimmen seither mein Leben. Meine Frau und meine Kinder können mir nur bedingt zur Seite stehen.

    Der Austausch mit Leidensgenossen hilft zuweilen ein wenig.

    Lieber Lonely, nutze die Zeit mit Deiner Mutter. Die zweite Hälfte meiner Geschichte soll Dir noch lange erspart bleiben.

    Ich wünsche Dir und mir einen Weg aus dem Tal.

  • Hallo Nico danke dass du deine/eure Geschichte geteilt hast und mein Beileid für deinen Verlust…ich kann es mir derzeit kaum vorstellen wie es ohne meinen Vater weiter gehen soll, über das weitere mag ich mir garnicht Gedanken machen... Ich weiß es ist der Lauf der Dinge, den wir leider nicht verändern können, aber trotzdem bietet mir diese Einsicht keinen Trost. Man mag zwar meinen, dass man durch die Diagnose einer unheilbaren Krankheit vor Jahren genug Zeit hatte sich auf den Moment vorzubereiten, aber dem ist leider nicht so...wir haben nie über diese Eventualität geredet, es war ein Tabuthema und ich bzw. wir als Familie haben es so akzeptiert, wenn man nicht über das Ende spricht, dann wird das Ende nicht kommen, so war es in der Theorie...durch den Schlaganfall ist leider auch das Sprachzentrum komplett ausgefallen, wir konnten diesen Punkt und viele andere folglich nicht mehr besprechen, er konnte mir keine letzten Worte schenken, nur ich ihm...ich wurde quasi per Handzeichen in den letzten Wochen seines Lebens sein gesetzlicher Betreuer, er war klar im Kopf, aber handlungsunfähig und oft am weinen, er wollte es nochmal versuchen auch das zu schaffen, aber es war ihm oder uns nicht gegönnt...Häusliche Pflege, Pflegedienst, alles war schon in die Wege geleitet, aber es kam nie zur Umsetzung...

    Ich musste auch feststellen, dass man mit der Vorerkrankung, die er hatte leider schnell abgeschrieben wird, so wie es auch bei der Diagnose damals war. Leider hatten die Ärzte dieses mal Recht, aber keinen interessiert wirklich die Tatsache was man durch Willen und Glauben schaffen kann, wenn man es will, er war der lebende Beweis, dass man mit der richtigen Einstellung alles schaffen kann..mein Idol, mein Vorbild...

    Das mit dem "Trost" spüre ich leider tagtäglich auch, derzeit ist mein einziger Trost die vielen Gespräche mit meiner Mutter, die quasi der einzige Mensch ist der die Geschichten nachvollziehen kann. Wir können uns über die Dinge austauschen, die sonst keiner kennt oder nachvollziehen kann. Das spendet mir oder uns Trost...aber der Übergang in den Alltag ist ein einziger Alptraum, man soll bzw. muss ja funktionieren. ich hinterfrage tagtäglich die Wichtigkeit von gewissen Sachen im Leben, die noch vor kurzem irgendeinen vermeintlichen Sinn ergeben haben. Hätte ich mir vorher darüber Gedanken gemacht, hätte ich mehr Zeit mit ihm gehabt? Warum kommt die Einsicht immer wenn es zu spät ist...Die Fragestellung wird mir niemand beantworten können in diesem Leben, aber ich kann es auch nicht einfach verdrängen...

    Ich habe das Gefühl, dass Leute auch aus dem näheren Umfeld, die (Gott sei Dank) nicht das selbe Schicksal ertragen mussten kein bzw. kaum Verständnis dafür haben,
    wieso man überhaupt trauert, wenn man doch eine "eigene" Familie hat, ich selber habe sowohl Vater als auch Mutter auch immer als eigene Familie gesehen und ein Teil davon ist weg,
    nichts wird mehr so wie es war. Ein Teil von mir ist mit ihm gestorben...





  • Ich habe das Gefühl, dass Leute auch aus dem näheren Umfeld, die (Gott sei Dank) nicht das selbe Schicksal ertragen mussten kein bzw. kaum Verständnis dafür haben,

    wieso man überhaupt trauert, wenn man doch eine "eigene" Familie hat, ich selber habe sowohl Vater als auch Mutter auch immer als eigene Familie gesehen und ein Teil davon ist weg,
    nichts wird mehr so wie es war. Ein Teil von mir ist mit ihm gestorben...


    Liebe Lonely,

    Dein Verlust tut mir sehr leid. Danke das du uns deine Geschichte erzählst...


    All deine Gefühle und Emotionen sind völlig normal. Außenstehende können es oft nicht nachvollziehen, wenn sie nicht etwas ähnliches erlebt haben. Ja, und selbst dann empfindet nochmal jeder ganz unterschiedlich. Und genauso unterschiedlich ist der Umgang mit Trauer.

    Schön, dass du deine Mutter hast, mit der du deinen Schmerz teilen kannst.


    Fühl dich hier im Forum willkommen und schreib jederzeit was dir auf der Seele lastet <3

    Isabel

  • Danke für die nette Aufnahme. Ich weiß nicht was ich von dieser ganzen Situation halten soll, ich habe das Gefühl, dass alles zusammenbricht. Mittlerweile wirkt sich das Schicksal sogar auf die eigene Partnerschaft aus...es ist ja quasi vor kurzem passiert und jetzt soll man schon wieder zu 100% funktionieren? Bei meinem verstorbenen Haustier hatte ich das Gefühl, dass mein Herz explodiert und jetzt ist mein geliebter Papa weg und man soll sich auf die Zukunft fokussieren als wäre nichts großartig passiert? Ich verstehe die Welt nicht mehr, es fühlt sich so an als wäre er der Anker gewesen, der alles zusammen gehalten hat und jetzt bricht das Kartenhaus in sich zusammen....

  • ja genau...Ich meine ich erwarte ja nicht, dass man so trauert wie ich. Wahrscheinlich kann man das auch garnicht wenn man das aus "Schwieger-Sicht" betrachtet, aber wenigstens das Verständnis Dafür haben dass es momentan halt wichtig ist Zeit zu investieren im Sinne von häufiger am Friedhof zu sein, dem anderen Elternteil beistehen etc. anstatt die Sommerurlaubsplanung zu machen oder zu gucken wann man sich evtl. wohnlich verändert etc.pp. Ich habe das Gefühl dass man in ganz anderen Welten unterwegs ist...sollten einen nicht schlechte Zeiten zusammen schweißen....ist das normal?

  • Man kann sich das oft wie einen Weg vorstellen. Deine Welt ist stehen geblieben. So wie deine Vorhaben und Pläne. Für andere die entfernter betroffen sind, geht der Weg oft schneller weiter. Das heißt, sie stehen an einem ganz anderen Punkt, und aus dieser Sicht sprechen sie auch. Deshalb entstehen da die meisten Missverständnisse.


    Ich finde die Kommunikation an dieser Stelle am wichtigsten. Klar auszusprechen wo man steht, wie man sich fühlt, und was man braucht. Wir wünschen uns oft das das gegenüber empathisch genug ist, das selbst zu spüren, aber das ist nicht immer der Fall.

    Wenn das Sprechen schwer fällt, könntest du es auch mit einem Brief an ihn versuchen.


    Ich wünsch dir das ihr einen gemeinsamen Weg findet <3 und tröstende Grüße :30:

    Isabel