Erst die eine dann der Andere

  • Guten Abend an alle, ich habe mich nach einigen Überlegungen nun doch in diesem Forum angemeldet, da ich das Gefühl habe nicht mehr zu wissen wo ich mit meinen Emotionen hin soll.


    Zuerst ist meine Oma, an der ich sehr hing am 8.11.21 verstorben. Der Weg da hin war lang und schwer. Ich habe sie viel gepflegt und letztlich musste ich im Juni feststellen, dass sie nach einem Krankenhausaufenthalt (bei dem sie auf starke Beruhigungsmittel gesetzt wurde) nicht mehr pflegen konnte. Zwischendurch hat sich ihre Schwester viel um sie gekümmert aber auch sie ist 77 und kann eine stark pflegebedürftige Frau nicht so pflegen, wie sie es braucht. Nun an dem Zeitpunkt des Einzuges in das Heim wurde es jeden Tag ein bisschen schlechter, bis sie letztlich Nahrung und Wasser verweigerte. Ich war die letzten Tage und auch kurz vor ihrem Tod noch bei ihr. Sie war nicht mehr ansprechbar und es war nur noch eine Frage der Zeit. So kam der Tag dann auch. Ich war zwar mental irgendwie drauf vorbereitet doch es traf mich trotzdem stark, da sie der Mensch war der mich bedingungslos akzeptiert hat, im Gegensatz zu meinen Eltern.

    Eine Zeit später am 23.11 fand nun endlich die Beerdigung statt. Mein leiblicher Vater nahm mich das erste mal so wirklich von sich aus in den Arm und sagte mir als wir hinter der Urne her liefen „du hast es am schwersten von uns allen“. Ich schaute ihn nur ungläubig an und fragte „warum?“ „weil das nicht das letzte mal war“. Ich weiß was er meinte doch in dem Moment war es irgendwie nicht so richtig real. Leider kam er nicht mehr mit zum Leichenschmaus. Ich hatte mich zugegeben die Monate und Jahre davor immer wieder über ihn geärgert. Er kam nicht mit seine Mutter (meine Oma) besuchen, hat sich damals nicht um mich kümmern können also hat mich seine Schwester adoptiert, gern mal meinen Geburtstag vergessen, Verantwortung gescheut und sich generell am liebsten um nicht so viel gekümmert. Allerdings konnten wir auch nie klärende Gespräche führen. Letztlich bekam ich einen Tag nach der Beerdigung meiner Oma einen Anruf von seinem Arbeitskollegen ob ich wüsste was mit ihm sei. Ich stand in dem Moment vor der Tür des Steinmetzes um den Grabstein meiner Oma auszusuchen. Ich wollte ihn erreichen doch nur die Mailbox war dran. Also rief ich im Krankenhaus an und hatte plötzlich einen Oberarzt am Telefon der mir mitteilte, dass er nach 1,5 Stunden Reanimation um 10.20 Uhr verstorben sei. Es war wie ein Schlag oder besser ein Stich in mein Herz. Ich wusste nicht wie ich mit der Situation umgehen sollte und fing nur an zu weinen. Der Arzt bat mich noch vorbei zu kommen, sollte ich den Wunsch hegen mich zu verabschieden. Das tat ich schlussendlich auch, da auch die Kripo Infos von mir haben wollte um ein Fremdverschulden auszuschließen. Allerdings habe ich mich nicht getraut das Tuch von seinem Kopf zu ziehen. Die kalten und blassen Hände und Füße waren genug. Außerdem hatte ich vor gut 14 Tagen erst meine Oma tot in ihrem Bett gesehen. Die ganze Arbeit blieb an mir hängen. Das räumen des Zimmers und der Wohnung, der ganze Papierkram etc. Zu allem Überfluss bin ich aktuell dabei meine Bachelorarbeit zu schreiben. Das Studium hat er mir ermöglicht, da es ein Studium neben dem Beruf ist, ist es sehr teuer. Jetzt bin ich traurig, dass er nie meinen Abschluss miterleben kann oder die Urlaube, die wir geplant haben. Oder Gespräche führen, die jetzt für immer nur in meinen Gedanken bleiben.


    Es tut mir leid, dass der Text so lang geworden ist. Ich kann den Schmerz der Trauernden hier nachempfinden und möchte Allen mein herzliches Beileid aussprechen. Ich platze vor Emotionen und hab keine Idee wohin damit. Wut, Trauer, Enttäuschung,… Es gibt so viel was ich ihm noch hätte sagen wollen. Meiner Oma natürlich auch, aber ihr hab ich in den letzten Wochen besonders immer wieder gesagt wie toll sie doch war. Immer wenn ich ihr in wachen Momenten sagte „deine Blaubeerpfannkuchen waren die besten der Welt“ hat sie ein wundervolles Lächeln im Gesicht gehabt. Ich wünschte ich könnte es noch ein Mal sehen.


    Liebe Grüße

  • Liebe Lyan,

    Es ist schön das du hier bist.

    Ein Betrag ist nie zu lang....

    Lass dich erst mal in den Arm nehmen und dich halte und auffangen.

    Es ist sehr schlimm was dir passiert ist.

    Auch wenn der Verstand weiß....

    Wenn es passiert ist es immer überraschend.

    Man ist nie darauf vorbereitet, das Herz ist immer überrascht.

    Und dann gleich doppelt.... Ich fühle mit dir und wir alle können erahnen wie es dir geht.

    Schreib deine Gefühle und Gedanken nieder. Wir sind immer bei dir.

    LG

    Rienchen :24:

  • Liebe Lyan,

    Erst Mal ein Willkommen von mir.

    Jeder von uns hat ähnliches erlebt.

    Es ist aber sicher besonders schwer, wenn mehrere Trauerfälle so kurz nacheinander folgen.

    Fühle Dich also verstanden.

    Es ist immer jemand da, wenn Du ihn brauchst.

    Liebe Grüße

  • Guten Morgen,


    danke für eure Worte. Zugegeben spendet es mir etwas Trost zu wissen, dass die Leute hier ähnliches erlebt haben und immer einen schweren Verlust hatten. Doch ich wünschte wir müssten das alle nicht erleben.

    Vielen Dank für eure Anteilnahme


    Liebe Grüße

  • Liebe Lyan,

    mein Beileid zu deinen Verlusten. Hier im Forum kannst du schreiben was dir auf dem Herzen liegt. Wann immer dir danach ist und es wird dir immer jemand antworten. Mir hat das Schreiben hier schon viel geholfen.

    Was ich auch als hilfreich weiterführe ist so eine Art Tagebuch. Dort habe ich meinem Mann einen Brief geschrieben. Habe aufgeschrieben welche Gesten, Worte usw ich mit Joachim verbinde. Eben alles was ich für wichtig halte und mit keiner dritten Person besprechen möchte.

  • Liebe Steffi, danke für deinen Tipp. Ich hab auch schon darüber nachgedacht Briefe oder Gedanken zu verfassen. Ich gebe euch Recht. Das Schreiben über die Verluste hilft ein wenig aber manchmal frage ich mich, ob der Schmerz auch aufhört. Solange man beschäftigt ist gehts einigermaßen, doch abends im Bett kommen dann die Gedanken an das was man noch sagen oder tun wollte. Gehts euch ähnlich ?

  • Liebe Lyan,

    ich würde dir jetzt gerne schreiben dass es schnell besser wird und aufhört weh zu tun. doch wenn du in den verschiedenen Wohnzimmern liest, merkst du auch schnell dass es leider nicht so ist.

    Alle hier sind auf ihrem Weg der Trauer. Manche erst seit kurzem andere schon eine Weile. Wir unterstützen uns hier gegenseitig. Schreiben was uns hilft, tauschen Gedanken aus, geben Anregungen, doch am Ende muß man seinen eigenen Weg finden und gehen. Du must sehen was für dich stimmig ist und gut tut.

    Was uns hier alle noch eint, ist die Hoffnung mit unserer Trauer leben zu lernen.


    Steffi

  • Hallo Lyan,

    es tut mir sehr leid, dass du so zeitnah hintereinander deine Oma und deinen Vater verloren hast.

    Ich kann mir vorstellen, dass die Umarmung deines Vaters (trotz allem) ein besonderer Moment war und eine ebensolche Erinnerung für dich sein wird.


    Hier kannst du deine Emotionen rauslassen. Du wirst verstanden und bist nicht allein.

    Kiry

  • Danke für all die lieben Worte.
    Liebe Ameliea, ich glaube dir sofort wenn du sagst du könntest auf die Erfahrung verzichten. Man fragt sich dann immer nur „warum ich?“, „warum jetzt?“.

    Ich kann gar nicht sagen, was so wirklich „hilft“ gegen die Trauer. Ich möchte glauben, dass beide an einem Ort sind, an dem wir uns irgendwann wieder sehen.
    Ich möchte auch allen die hier schreiben mein herzliches Beileid für eure Verluste aussprechen.


    Liebe Grüße

  • Guten Abend Lyan,


    ich kann dir so gut nach empfinden, was du fühlst.

    Auch ich habe in nicht mal vier Wochen zwei geliebte Menschen verloren.
    Er meinen Papa und dann meinen Mann.

    Aber es gibt gerade nichts, was dich mit Worten trösten könnte.

    Deswegen würde ich dich einfach mal ganz lieb in den Arm nehmen, wenn ich darf.

    Lass einfach alles raus was dir in den Sinn kommt, denn mir persönlich hilft es wirklich, hier auf das Forum gestoßen zu sein.


    :24::30:

    Lg Hexe