Meine Mutter ist heute früh verstorben

  • Hallo,
    ich bin neu in diesem Forum und möchte mich vorstellen.
    Ich heiße Gabi und wohne in Berlin. Ich bin 38 Jahre alt. Zur Zeit "begleite" ich meine Mutter. Ich glaube, sie möchte sterben.


    Ich habe diesen Benutzernamen gewählt, weil meine Mutter mich immer so genannt hat. Das ist schon lange her. Leider besteht zwischen ihr und mir nicht das Mutter-Tochter-Verhältnis, das sie sich gewünscht hat. Ich versuche mein Bestes, achte darauf, dass es mir dabei noch einigermaßen gut geht. Aber das, was mir möglich ist, ist nicht viel und war für meine Mutter zu wenig.


    Nun hat sie Krebs. Sie ist eh schon sehr krank. Sie hat u.a. schweres Rheuma, Osteop., kann kaum noch laufen oder gar mit den Händen was machen. Sie hat sich immer gewünscht, dass ich mehr für sie da bin aber ich konnte nicht.


    Sie liegt seit 3 Wochen im Krankenhaus. Es ging alles ganz schnell. Im Sommer wurden Lebermetastasen und Lungenkarzinose diagnostiziert. Blutwerte deuteten auf Leberkrebs aber die Punktion erbrachte dahingehend kein Ergebnis. Seit 4 Monaten suchen Ärzte den Primärkrebs, um die passende Chemo zu starten. Zwischenzeitlich - d.h. aufgrund der Lungenkarzinose - füllte sich außerhalb der Lunge Flüssigkeit und drückte die Lunge zusammen, so dass sie auch nur noch schwer Luft bekam. Erst im Krankenhaus stellte man das endgültig fest und zog die Flüssigkeit ab. Das muss aber ständig getan werden, da ihre Krankheit diese Symptome verursacht. Die Prozedur ist schmerzhaft - ohne Betäubung am Krankenbett, 20 Minuten siten und nicht bewegen, da die Nadel sonst in die Lunge sticht. Seit Wochen hat sie keinen Appetit mehr. Aufgrund ihrer Bauchspeicheldrüsenunterfunktion kann sie nicht mehr alles essen. Jetzt ist sie fast gar nichts mehr. Abends ein paar Bissen vom Brot. Sie wird mit einer Nährlösung zusätzlich intravenös ernährt.


    Sie hätte eine Lungen-OP und die Chemo vor sich. Die Chemo wollen die Ärzte ungern machen, da sie schon ganz mager ist.
    Heute hat meine Mutter der Ärztin das Versprechen abgenommen, dass sie sie nicht operieren wird. Meine Mutter möchte ins Hospiz. Sie will sterben!
    Mir hat sie das nicht gesagt, ich weiß das von einer Bekannten, die heute bei ihr war.


    Ich weiß gar nicht wie ich mich fühle. Ich bin sauer, dass sie so schnell aufgibt. Ist das wirklich ihr Wunsch oder hofft sie, dass ich sie überrede durchzuhalten. Und wenn ja, wofür. Ihre Freundin ist vor 3 Jahren gestorben. Sie ist alleinstehend und hat nicht viele Bekannte. Ich fühle mich nicht in der Lage, mich so intensiv um sie zu kümmern. Bitte versteht das nicht falsch. Ich bin kein schlechter Mensch. Ich weiß nicht, warum ich meiner Mutter nicht nah sein kann.


    Ich habe noch einen Bruder. Der kümmert sich nur um sich und sonst um niemanden. Aber über den mag ich weiter nicht reden.


    Als ich vor ein paar Tagen an ihrem Bett saß, - sie kann kaum noch reden -, hatte ich ein merkwürdiges Gefühl. Sie sagte ganz wehmütig: "Mh, das war's!" Ich war auf einmal ganz traurig oder eher mitfühlend, weil ich das Gefühl hatte, sie hätte aus ihrem Leben gern mehr gemacht. Es war eine Mischung aus Schuldgefühlen, dass sie sich und ich ihr vieles nicht ermöglichen konnte und Angst, irgendwann einmal genauso wehmütig zu sein - am Ende meines Lebens. Dabei war das nur mein Eindruck. Vielleicht denkt sie gar nicht so.
    Was soll ich tun? Ich kann damit nicht umgehen.
    Wir haben nie über Dinge, die uns berühren gesprochen. Nie in den Arm genommen oder getröstet. Nie gesagt, dass wir uns lieb haben. Und nun kann ich das auch nicht tun. Vieles in ihrem Beisein ist mir unangenehm. Zur Zeit scheint es sehr schwierig...


    Sie will einfach nicht mehr leben. Es wäre das Beste, ihren Wunsch einfach zu akzeptieren? Aber bin ich dann eine gute Tochter, die nicht um ihre Mutter kämpft? Ich war wohl nie die Tochter, die sie sich gewünscht hat. Sie war wohl nicht die Mutter, die ich mir gewünscht habe aber wohl die Mutter, die mir vorbestimmt war...
    Ich war immer ziemlich kühl zu ihr. Warum nimmt mich das denn jetzt alles so mit?


    Danke fürs Lesen. Wenn ihr mir antworten mögt, freue ich mich.


    Liebe Grüße
    Mama's Schneckchen

  • Hallo Gabi,


    so wie ich die Situation deiner Mutter jetzt mal als Laie einschätze, sieht es mit Heilungschancen sehr schlecht aus, oder? Wenn das so ist, kann man ihr Leben durch OPs und evt. Chemotherapien so lang erhalten, wie es eben möglich ist und ihr durch Schmerztherapie u.a. noch das in ihrer Situation mögliche Maximum an Lebensqualität geben. Im Moment sieht es so aus, als hätte deine Mutter aufgegeben, weil sie sich nicht denken kann, dass diese lebenserhaltenden Maßnahmen noch so viel Qualität für sie bringen können, dass sie eine gute restliche Zeit verbringen kann. Die Medzin heute macht es möglich, - durch OPs und Therapien - , den Tod unter Umständen Jahre hinauszuzögern. Manche schaffen es, trotzdem es keine Chance auf Heilung gibt, diese Zeit (seien es Monate oder Jahre) gut zu verbringen.
    Vielleicht magst du deine Mutter mal fragen, warum sie so schnell aufgibt. Vielleicht mag sie sich OPs, Therapien usw. einfach nicht mehr zumuten, vielleicht hat sie beim Sterben ihrer Freundin zu viel mit ansehen müssen, vielleicht hat sie auch ganz andere Gründe ....


    Mich würde in erster Linie interessieren, warum du deiner Mutter nicht nah sein kannst, wie du schreibst. Ich denke nicht, dass das an dir alleine liegt und ich glaube nicht, dass du dir hier Schuld geben sollst. Das liegt auch an deiner Mutter und an der Beziehung, die ihr seit deiner Geburt habt. War sie dir je nahe? Wenn nicht, wie sollst du es umgekehrt sein können?


    Wie wäre es denn für dich, wenn alles sehr rasch ginge? Hättest du neben deiner beschriebenen Wut und Trauer vielleicht auch einerseits Erleichterung und andererseits Schuldgefühle, weil weder du noch dein Bruder weiter für sie da sein müssten?


    Ich glaube nicht, dass es richtig wäre, sie zum Weiterleben zu "überreden". Ich würde sie fragen, warum sie aufgibt und vielleicht sind ihre Gründe so gut, dass du sie dann beim Sterben begleiten kannst (so weit es dir möglich ist) ohne Wut und Schuldgefühle. Und vielleicht wäre dieses Gespräch mit ihr eine erste Brücke zwischen euch, die dann auch mehr Nähe ermöglicht?


    Alles Liebe
    Christine

  • Hallo,
    zuerst möchte ich euch, Chris und Christine für eure Antworten danken.


    Das Krankenhaus rief mich heute früh an und sagte mir, dass meine Mutter heute gegen 8 Uhr eingeschlafen ist.
    Die Ärztin sagte, dass 20 Minuten eher noch eine Schwester bei ihr war und sie schon schwer atmete.
    Seit gestern lag sie in einem Einzelzimmer mit Sauerstoff, intravenöser Ernährung und Schmerzmittelgabe. Für die Verlegung in ein Hospiz war sie nach Meinung der Ärzte nicht mehr in der Lage.


    Ich war gestern Nachmittag noch bei ihr. Sie schlief fast die ganze Zeit, öffnete ein paar Mal die Augen, versuchte zu sprechen, sie war schon sehr schwach. Ich hätte nicht gedacht, dass es so schnell geht aber nach Auskunft der Ärzte hätte sie noch 24h oder mehrere Wochen, bis sie erlöst sei. Auch die Ärztin war der Meinung, dass meine Mutter fast gar keine Genesungschancen hatte. Sie war zu schwach, wollte eine wichtige OP nicht mehr machen lassen und sei dabei doch ganz klar und resolut in ihrer Entscheidung gewesen.


    Ich war dann heute Mittag bei ihr. Sie lag ganz friedlich da. Ich habe ihr einen Engel, aus einem Blatt geschnitten, auf die Brust gelegt und eine Engelskarte an ihr Fußende. Ich bin nicht sehr gläubig aber ich hoffe, dass die Engel ihr helfen auf ihrer kommenden Reise. Ich strich ihr über die Stirn und Haare. Das habe ich glaube ich noch nie gemacht. Sie hätte es gebraucht. Zuneigung, Liebe, Wärme. Ich war nicht in der Lage. Das macht mich wütend und traurig zugleich. Aber auch meine, unsere Unfähigkeit hat Gründe. Ich werde nun damit leben, hoffen, dass ich in Zukunft "klüger" bin.


    Ich habe gestern Abend noch online einen Wunsch in einen Wunschbrunnen gelegt. Eigentlich kindisch aber ich glaube, er ging in Erfüllung. Ich habe mir gewünscht, dass sie friedlich einschläft und in Frieden ruhen kann und dass wir uns beiden verzeihen.


    Heute früh bin ich um 8 Uhr aufgewacht. Es ist ein komisches Gefühl, nun zu wissen, dass meine Mutter einschlief, als ich aufwachte.


    Christine, ich habe nie erfahren, was zwischen mir und meiner Mutter vorfiel als ich noch klein war. Es war immer ein Gefühl. Ich habe einige Male versucht mit ihr zu reden aber ich habe es wohl nicht richtig gemacht, denn das Gespräch endete immer sehr emotional. Ich habe nur mein Gefühl. Ich hatte mal eine begleitete Tiefenentspannung, die zur Ermittlung von Erfahrung im Säuglingsalter durchgeführt wurde. Ich fing während der Sitzung an ganz stark zu zittern und auch nach der Rückführung war mir eiskalt. Der Therapeut meinte, dass ich eine traumatische Erfahrung erlebt habe, als ich noch sehr klein war. Er riet mir zu einer Traumatherapie. Ich habe mich dahingehend aber nicht mehr gekümmert.
    Es gibt neben meinen Gefühlen auch viele Gegebenheiten, die mich ahnen lassen, dass die Verbindung zwischen meiner Mutter und mir zur einem Zeitpunkt nachhaltig gestört wurde.


    Der Tag heute war sehr schlimm. Mein Freund tröstet mich. Ich trage es zeitweise mit Fassung und dann aus heiterem Himmel ist "Waschbäralarm".


    Wie habt ihr getrauert? Gibt es Phasen, wo es einem mit dieser Endgültigkeit besser geht und dann widerum nicht? Sicher.
    Habt ihr das alles alleine bzw. im Familienkreis bewältigt oder habt ihr euch "Hilfe" geholt?
    Ich bin für jeden Tip dankbar.


    Grüße von Mutti's Schneckchen

  • hallo liebes schneckchen,


    ich drück dich erstmal von ganzen herzen! mein beileid!


    deine geschichte kommt mir sehr bekannt vor, auch ich hatte eine sehr "eigenartige" beziehung mit meiner mama. ich liebte sie über alles und behauptete immer, wie toll doch unsere beziehung war. doch als ihr leben zu ende ging, wurde mir bewusst, wie unbewusst wir doch miteinander gelebt haben. sie war immer sehr zurückhaltend und ruhig, leider auch ein resultat aus meiner kindheit.


    liebes schneckcken, sei nicht wütend oder traurig, ich bin mir sicher, dass dich deine mama bedingungslos geliebt hat und immer auf dich aufpassen wird. manchmal weiß man erst was man verloren hat, wenn es nicht mehr da ist.... ich hätte sooo viele fragen an meine mama und bin oft traurig darüber, dass ich so wenig über sie weiß.


    das mit dem wunschbrunnen kenne ich, das hab ich bei meinem papa gemacht und es ging in erfüllung. und ich bin sehr dankbar dafür!


    ich finde es auch sehr schön, wie du dich von deiner mutter verabschiedest hast, das hat es bestimmt um einges leichter gemacht, für euch beide.


    wie ich getrauert habe?
    mir ging es leider nach dem tod von mama elendig und ich muss zugeben, dass ich nicht weiß, wie ich das erste halbe jahr verbracht habe. es ging an mir vorbei. ich ließ die trauer jedoch zu. ich war teilweise sehr wütend, weil ich unendlich viel gefühle hatte, die ich einfach nicht zuordnen konnte und andererseits war ich sooo traurig, dass ich sehr viel weinte. es verging kein abend, wo ich nicht weinend im bett gelegen bin und mir wünschte, ich hätte es nur geträumt.


    durch die krankjeit meiner mama, die immer sehr ungewiss war, konnte ich mit dieser endgültigkeit sehr gut umgehen, denn daran kann selbst ich nichts mehr ändern. sie war fort und erlöst. genau das hat mir sehr viel geholfen, und im gedanken ist sie jeden tag bei mir.


    im familienkreis hab ich mir keine hilfe geholt und auch keine hilfe erwartet. es versteht mich keiner, denn ich bin einzelkind und meine onkel und tanten gaben ihr bestes. aber ich hab nie nach hilfe gerufen, ich bin irgendwie stärker geworden und gewachsen. was ich immer noch sehr gerne mache, ist mit gleichgesinnte zu reden, die mich verstehen. das hilft mir ungemein. ich war letztes bei christine, wo ich ihr alles aus meinem leben erzählte und mir ging es so gut dabei.


    ich wünsche dir für die nächste schwer zeit alle kraft der welt und bin im gedanken bei dir.


    melde dich einfach, wenn dir danach ist - wir sind immer für dich da!!!!


    alles liebe
    petra

    Und alles was bleibt ist Liebe, diese Liebe lässt euch niemals sterben.
    Mama & Papa - ich liebe euch!

  • Hallo mein liebes Schneckchen!


    Ich möchte mich zunächst Petra anschließen und dir mein
    Beileid zum Tod deiner Mutter aussprechen.
    Auch wenn sie gestern kaum noch bei sich war, hat sie sicher
    gemerkt, daß du bei ihr bist und ihr über das Haar und
    das Gesicht streichst. Ich finde es wunderschön, wie du
    dich von ihr verabschiedet hast.
    Meine Geschichte kannst du unter "Mama bleibt Mama" nachlesen und ich muß dir, wie Petra sagen, daß es mir nach
    Muttis Tod saudreckig ging und immer noch geht. Ich stand
    und stehe immer noch komplett neben mir. Meine Mutti ist
    von einer Sekunde auf die andere so aus dem nichts nachts
    neben mir im Bett liegend gestorben.
    Auf die Frage, ob es jemals besser wird mit dem Schmerz
    kann ich dir leider keine Antwort gegen. Bei meiner Mutti
    ist es jetzt 1 1/2 Jahre her aber von Besserung keine
    Spur und bei meinem Vater werden es am Samstag 15 Jahre,
    da geht es so einigermaßen, obwohl ich auch bei meinem
    Vater heute immer noch Phasen habe, wo ich sehr,sehr traurig
    bin. Ich helfe mir jetzt, indem ich mich für ein Trauerseminar angemeldet habe, wo heute der 2. Abend ist.
    Ich hoffe, das bringt ein kleines bißchen Linderung.
    Vielleicht wäre das auch das Richtige für dich, wenn
    eine gewisse Zeit vergangen ist, denn in den nächsten Tagen
    und Wochen wirst du sicher viele Dinge zu erledigen haben
    und kaum zum nachdenken kommen. Der Schmerz und die
    Fassungslosigkeit setzt erst nach und nach ein.
    Ich wünsche dir jedenfalls für die nächste schwere Zeit
    alles Gute, viel,viel Kraft und wenn dir danach ist,
    schreibe einfach drauflos.
    Alles Liebe
    Claudia

  • es tut mir so leid für Dich!
    Meine Mutter ist im September gestorben.
    Seit damals rumort es ganz heftig in mir. Es geht von "Kopf hoch und weitermachen" bis hin zu "das Leben ist doch ein fürchterlicher Irrtum..."
    Zu Deinen Fragen:
    Wie ich trauere? Ich weiß es nicht... Ich mache einfach... versuche mich zu erinnern an die guten Zeiten... rede mit meinen Schwestern... besuche das Grab... - weh tut einfach die Endgültigkeit!!! Und das soll man sagen dürfen! Was ich auch fühle, dass Zeit heilend ist. Man integriert Gefühle in sein Leben, wächst vielleicht ein bischen.
    Ich habe Angst gehabt, dass mit dem Ende der Trauer auch das Vergessen kommt - das stimmt aber nicht!!!
    Gibt es Phasen? Ja ja ja... kannst Du ja schon aus dem vorhergehenden Absatz herauslesen! Ich kann sie schwer beschreiben, aber es gibt dazu ja sogar wissenschaftliche Arbeiten... Mir hat das (fallweise) geholfen, dass alles auch auf eine rationale Ebene zu heben
    Alleine, mit Familie oder anderer Hilfe? Nun ja - ich habe zwei ganz liebe Schwestern und einen noch viel lieberen Mann - es hilft alles nichts - ich habe wahrgenommen, dass es Lebenssituationen gibt, die unteilbar sind. Es hilft schon zusammen zu sitzen und zu reden oder zu schweigen - aber abnehmen konnte mir keiner etwas... Da geh ich alleine durch.
    liebes Schneckchen - ich bin ungefähr in Deinem Alter, die Geschichte, die Du geschildert hast, ist ungefähr wie die meiner Mutter - habe kein schlechtes Gewissen und kein schlechtes Gefühl - ich glaube unsere Muttergeneration war sehr streng zu sich selbst... da kannst Du nichts dafür! Versuche die schönen Geschichten in den Vordergrund zu stellen - ich hab soviel geheult, weil ich an die schönen Geschichten gedacht habe und das hat wirklich geholfen... lege vielleicht mal kurz die Störungen beiseite und erinnere Dich an die feinen Situationen - so wie Du schreibst, hast Du Deine Mutter sehr lieb gehabt und sie Dich auch - nimm ein Stück von dieser Kraft mit...
    Es wird Zeiten geben, wo Du mehr Kraft hast, dann kannst Du Dich mit den Störungen auseinandersetzen!
    Ich wünsche Dir alles Gute!
    Eva

  • Hallo Schneckchen,


    auch von mir: Herzliches Beileid und für die kommenden Tage viel Kraft!
    Ich kann gut verstehen, wie das ist, wenn man merkt, dass man keinen Zugang zu einem Elternteil hat und den Brückenschlag einfach nicht schafft.
    Und deshalb finde ich es besonders schön, wie du dich von deiner Mutter verabschiedet hast und ich hoffe, dass die Zuwendung, die du deiner verstorbenen Mutter schließlich noch geben hast können, deine Schuldgefühle ein bisschen mildern kann.


    Alles Liebe
    Christine

  • Ich danke euch allen sehr sehr.


    Im Moment inhalliere ich euer Geschriebenes und hoffe es hilft. Ihr seid so lieb. Es tut gut, wenn man sich austauschen kann. Obwohl ihr ja auch in einer Trauerphase steckt, habt ihr dennoch ein tröstendes Wort für mich. Dafür bin ich sehr dankbar. Es lässt mich ein bisschen zum Licht schauen.


    Meine Vorwürfe sind sehr groß und ich kann mir einfach nicht verzeihen. Ich habe meine Mutter für vieles verantwortlich gemacht. Ich war unbarmherzig und kühl zu ihr. Sie hätte Liebe und Wärme gebraucht, sie hätte eine Tochter verdient, die sich liebevoll um sie kümmert, auf sie zugeht, eine Freundin ist. Das alles war ich nicht. Mich hat sie nicht verdient. Ich bin so wütend über mich. Ich habe das Gefühl ich könnte jeden Moment explodieren.


    Für mich wäre es daher wohl eher sinnvoll, mich einer Trauergruppe oder einem Trauerbegleiter anzuschließen und über meine Gefühle, Selbstzweifel und -Vorwürfe zu sprechen.


    Ich weiß nicht, ob sie mir noch verziehen hat. Ich hoffe. Sie ist nun an einem besseren Ort, umgeben von Engeln. Sie ist wieder zu Hause. Ihre Zeit auf Erden war mit viel Schmerz und Leid verbunden, mit wenig Liebe und viel Schufterei. Nun wird sie geliebt und hoffentlich - nein bestimmt - auch oft in den Arm genommen.
    Meine kleine Mutti...das Engelchen.


    Das Schneckchen

  • Hallo liebes Schneckchen!


    Es ist angenehm zu lesen, wenn man mit einem Beitrag einem
    anderen trauernden Menschen vielleicht ein kleines bißchen
    Trost spenden kann.
    Ich bin fest davon überzeugt, daß dir deine Mutti (ich finde
    deine letzten Worte "meine Mutti das Engelchen"), so
    lieb, daß ich selbst schon wieder weinen könnte,noch verziehen hat. Ich selbst habe nach dem Tod von Mutti Bücher
    gelesen und das letzte, was bei einem Sterbenden (angeblich)
    aussetzt ist das Gehör. Wenn du noch mit ihr geredet hast
    und das hast du laut deinem ersten Bericht von heute morgen,
    hat sie das sicher noch irgendwie wahrgenommen und dir verziehen. Du machst dir solche Vorwürfe, weil du schreibst,
    du warst kühl zu deiner Mutti und sie hätte viel mehr Liebe
    und Wärme gebraucht.
    Schneckchen, ich muß dir sagen, daß ich mich selbst auch
    mit Vorwürfen quäle, weil ich mir immer denke, ein gesunder
    Mensch (ich bin seit meiner Geburt gehbehindert), wäre
    vielleicht schneller beim Telefon gewesen und hätte Notarzt
    und Rettung verständigen können und meine Mutti wäre womöglich zu retten gewesen. Diese Vorwürfe quälen mich auch. Und auch ich denke mir, obwohl ich bei Mutti zu Hause
    gelebt habe, bis zu ihrem letzten Tag, sie hätte sich eine
    bessere Tochter als mich verdient. Ich habe mich (obwohl
    ich manches selbst tun hätte können) von vorne bis hinten
    bedienen lassen, achtete viel zu wenig auf Mutti an den
    Tagen, an denen es ihr schlecht ging (sie war schwer herzkrank) und wenn es darum ging, ihr einen Wunsch zu erfüllen, habe ich mich wohl nach Kräften bemüht, das zu tun.Aber auch das war zuwenig, denn es gab viele Dinge bei
    denen ich mir dachte, das oder jenes können wir auch noch
    zu einem späteren Zeitpunkt erledigen.
    Diesen späteren Zeitpunkt gab es leider nicht mehr.
    Aber ich bin an Muttis Bett gesessen und bei der Verabschiedung beim Sarg gestanden, und habe sie angefleht,
    Mutti, bitte,bitte hilf mir, ich weiß nicht wie ich weiterleben soll. Du siehst also irgendetwas muß es anscheinend doch geben, denn ich habe die letzten 1 1/2 Jahre überstanden - frag mich nicht wie, aber ich habe sie
    überstanden.Und das wir unseren lieben Verstorbenen mehr
    Liebe und Wärme geben hätten können, ich glaube, dieses
    Gefühl hat im Nachhinein fast jeder!!!!! Im Grunde genommen
    kann man einem Menschen, den man lieb hat nie genug Liebe
    und Wärme geben. Aber ich bin davon überzeugt, daß dir deine
    Mutti alles verziehen hat, daß sie jetzt auf dich schaut und
    dir in der kommenden schweren Zeit von oben herab beisteht.
    Alles Liebe
    Claudia

  • liebes schneckchen,


    genau diese worte, die die anderen schreiben, haben mir sehr viel geholfen, ich war auch fasziniert, wieviele es gibt, die genauso fühlen und denken wie ich.


    bitte mach dir doch keine vorwürfe! das ist das letze, was sich deine mutter wünscht. du hast ihr bestimmt mehr gegeben, als du dir vorstellen kannst - bist ihre tochter gewesen und bist es immer noch. sie liebt dich genau so wie du bist. sei nicht wütend auf dich, akzeptiere dich - du konntest selber nicht aus deiner haut, aus welchen gründen auch immer.


    eines bin ich mir ganz sicher - deine mutter hat dir verziehen, sonst wäre sie nicht gegangen. sie wusste, jetzt ist alles okay und das bist ja sehr oft bei ihr am krankenbett gewesen, das war ihr beweiß genug.


    sie ist jetzt bestimmt an einem sehr schönen ort, wo es ihr gut geht. das denke ich bei meiner mama auch immer, sie hatte es auch ihr leben lang sehr schwer und hat viel geschuftet und lange gelitten. und ich wünsche ihr von herzen, dass sie nun ein besseres "leben" hat, auch wenn sie mir unendlich fehlt.


    und ich muss claudia recht geben, in nachhinein meint man immer, man hätte noch viel viel mehr machen können. aber im grunde war das schon sehr viel, was wir getan haben. sie geben uns nun die kraft, diese schwere zeit zu überstehen, denn auch ich frage mich oft, wo ich für all diese dinge in meinem leben die kraft hernehmem soll, aber sie ist immer da.


    ein trauergespräch ist für dich bestimmt sinnvoll, es tut dir bestimmt sehr gut über deine zweifel, deine wut und deine gefühle zu reden.


    alles liebe!
    petra

    Und alles was bleibt ist Liebe, diese Liebe lässt euch niemals sterben.
    Mama & Papa - ich liebe euch!

  • Hallo ihr Lieben,
    ich möchte euch erneut danken, für die hilfreichen Worte, die ihr gefunden habt und die Umarmung! Das tut gut!


    Gestern ging es mir verhältnismäßig gut wieder. Ich sprach vorgestern Abend noch mit einer lieben Freundin, habe ihr auch von meinen Selbstvorwürfen und Zweifeln erzählt, halt alles das, was sich ein Hirn in so einer Ausnahmesituation ausdenken kann. Meine Freundin (Elke) und ich kennen uns seit knapp 4 Jahren. Das ist noch nicht lange aber wir haben schon unendlich viel miteinander durchgemacht. Von Liebeskummer und Scheiß-Job-Frust über zu bewältigende Emotionen aus der Kindheit. Ich glaube, wir haben uns schon oft sehr gut zugehört und "therapiert" - falls man das so sagen kann. Elke kennt auch den Weg, den ich besonders in den letzten Jahren mit meiner Mutter gegangen bin. Ich habe schon an meinen Gefühlen gezweifelt und gesagt, dass ich mir das vielleicht alles eingebildet habe. Aber Gefühle und Emotionen kommen nicht ohne Grund. Ich habe immer gespürt, dass sie eine Ursache haben und Elke kennt mich auch ein wenig. Sie hat mir gesagt, was mein Bauch weiß aber verdrängt hat, weil mein Verstand so stark ist. Und um es auf den Punkt zu bringen: Zu einer gut oder weniger gut laufenden Beziehung - sei es Partnerschaft, Freundschaft oder familiäre Beziehung - gehören immer zwei.


    Im Moment laufe ich mit dieser alten und wieder neuen Erkenntnis ganz gut. Aber wie ich schon in einem anderen Posting las, ist die Trauerzeit wie eine Spirale. Ich weiß, dass ich wieder zweifeln werde aber jetzt habe ich zumindest schon eine kleine Erklärung dafür.


    Chris: Du fragst, was ich gefühlt habe, als ich mich verabschiedete? Als ich am Montag Nachmittag bei ihr war, schlief sie fast nur. Ich habe mich merkwürdig gefühlt, irgendwie optimistisch, dass das schon noch wird und gleichzeitig voller Angst, die ich wohl nicht wahrhaben wollte. Ich hätte einfach nur ihre Hand nehmen müssen. Ich fing einige Male an zu weinen, unterdrückte es aber wieder. Nun, und als ich am Dienstag Mittag bei ihr war, sie war schon verstorben, fühlte ich mich eher ohnmächtig, voller Selbstvorwürfe und Zorn, dass ich so unnachgiebig war - am Tag zuvor - all die Jahre. Dass ich nicht fähig war, klüger, gescheiter zu sein. Nicht fähig war, das Muster, was meine Mutter und auch ihr Mutter hatten, zu durchbrechen, so lange es meiner Mutter nützt. Nun könnte ich daran arbeiten aber nun nützt es meiner Mutter nicht mehr.
    Das macht mich jetzt gerade wieder ganz schön traurig.


    Eine andere Sache gibt mir noch zu denken:
    Ging es euch auch so, dass ihr euch von eurem Partner (wir leben noch in separaten Wohnungen) etwas zurückgezogen habt. Mir geht das so. Ich habe ihn lieb aber seitdem es Mutter so akut schlecht ging, konnte ich mich nicht mehr so recht auf ihn freuen oder mich auf ihn einlassen. Er fragt mich, wann er mich wiedersieht aber ich kann ihm die Frage nicht beantworten. Es ist, als ob ich nicht weiter als den nächsten Tag planen kann. Ging euch das ähnlich? Geht das wieder vorbei?


    Ganz liebe Grüße
    Das Schneckchen

  • Hallo Schneckchen,
    zu Deiner Frage: mir ging/geht es ganz ähnlich. Ich hab ja schon geschrieben, dass ich einen ganz lieben Mann habe und er war/ist mir eine ganz große Stütze. Er hat meine Mama auch sehr gerne gehabt - aber als das alles passiert ist, war ich ihm soooo fern.
    Ich habe manchmal das Gefühl, wie hinter Glas zu sein... Das dauert noch an (es wird ein bischen weniger) und ich glaube es hängt ein bischen damit zusammen, dass für mich das ganze Geschehen so unteilbar ist. Es ist einfach meine Geschichte.
    Übrigens meine Mama hätte vorgestern Geburtstag gehabt...
    Sie hat immer Maus zu mir gesagt...
    Alles Gute an Dich, Eva

  • Hallo Schneckchen,
    erst einmal meine Aufrichtiges Beileid!
    Der Schmerz der sich nun langsam in Dir breit macht kommt ganz nahe an einer Ohnmacht.Ich weiß nicht ob Du noch einen Vater hast oder Geschwister.Wenn Du alleine bist wirst Du wohl Deine Mama den letzten Weg was die Beerdigung an geht begleiten müssen.Ich weiß aus eigner Erfahrung das man am Anfang einfach nur funktioniert.Man erledigt all das unangenehme und kommt nicht zur ruhe.Wahrscheinlich ist es eine Art Schutzfunktion von unserem Körper damit wir nicht total aus der Fassung geraten.Vielleicht hast Du in meinem Theard mal gelesen.Mein Bruder starb vor neun Wochen.Nichts ist mehr wie es war.Mir blieb leider nicht viel Zeit mit ihm da unsere Mama uns bewußt mit Lügen auf abstand hielt.Zu groß war das risiko das das Familiengeheimnis rauskam.In mir ist ein Gefühl als würde mir soviel schöne Momente mit ihm fehlen...
    Was Deine Mama und Deine unvollständige Kindheit an geht so mußt Du für Dich ganz alleine entscheiden ob Du all das nun einfach verzeihen und vergeben kannst.Manchmal ist es nicht gut wenn man nach seiner Vergangenheit fragt.Ich hab an dem Tag der Beerdigung meiner Mutter ein Gefühl entwickelt das nahe der Gleichgültigkeit kommt.Als ich vor dem Bild in der Leichenhalle meines Bruder saß wurde mir bewußt das sie niemals ein erfülltes Leben leben wird.Sie wird irgendwann mal ganz schwer von dieser Welt gehen und ich glaube das ist Strafe genug für sie.Warum soll ich sie noch dazu anklagen?Was sollte mir das bringen.Es würde mich in keinsterweise irgendwie bei der Bewältigung meiner Kindheit oder gar bei meiner Trauer unterstützen.Im Gegenteil.Ich weine oft leise in die Zeit.Ich weiß das irgendwann auch dieser Schmerz erträglicher wird.So wie auch für Dich.Diese Trauer wird Dich reifen lassen,unbewußt.Durch den Tod von Fränk gingen mir unendlich viele Türe auf.Und ich glaube das der Tod von ihm auch was positives hatte.Erlebe,durchlebe diese Zeit voller Schmerzen,Wut und Tränen bewußt.Deine Mama ist von Dir gegangen.Das bringt einem an den Rand des unerträglichen.Vielleicht magst Du ja mir noch näheres erzählen.Vielleicht magst du auch gerne mit mir telefonieren oder private Emails schreiben.Ich bitte Dir gerne meine Hilfe an.Mir hilft dieses Forum sehr.Da sind Leute die mich ohne viel Worte verstehen.
    Auch ich habe mich und das auch noch nach diesen neun Wochen von meinem Partner distanziert.Wir wohnen auch getrennt wie Du.Er ist für mich,so verrückt wie es klingen mag,der letzte mit dem ich meine Trauer bereden möchte.Ich hatte seit dem auch keine Zärtlichkeiten mehr.....Ob das vorbei geht weiß ich nicht....
    Ich wünsche Dir viel Kraft und in Gedanken drücke ich Dich ganz feste,Waldfee

  • Ja Chris da hast Du recht.Man ist gar nicht fähig Hilfe anzunehemen.Alleine schon weil man sich nicht erklären will.Doch wenn man hier das angebot bekommt mit jemanden zureden ist das was anderes.Wir alle haben die gleiche erfahrungen und wir müssen uns nicht viel sagen.Zu wissen das da jemand wäre der genauso leidet und empfindet tut einfach nur gut.
    Übrigens finde ich Deine Antworten wie Du schreibst immer sehr tröstend.
    Gruß Patricia

  • Hallo,


    gestern Mittag fand die stille Urnenbeisetzung statt.
    Es war nur ein kleiner Kreis Trauernder.
    Die Familie (mein Vater+Freundin,mein Bruder,mein Freund,ihre Mutter), 2 Freunde und Bekannte.


    Mein Bruder und ich haben ihr noch etwas in die Urne gelegt. Einen gebastelten Filzengel, einen Blattengel, eine Engelskarte, ihre Mini-Kastanie, ihr Engelanstecker, ein Bild von ihr). Dabei sah ich gleich, dass statt der Callas, die ich bestellt hatte, irgendwelche andere Blumen bei den Rosen steckten. Keiner sagte mir vorher Bescheid und anscheinend war es auch nicht möglich, sich vorher zu erkundigen, ob Callas erhältlich sind. Hätte ich das gewusst, hätte ich noch einen Strauß Callas gekauft, denn das waren ihre Lieblingsblumen. Ich bin vom Bestattungsinstitut enttäuscht und werde nochmal dort anrufen.


    Der Redner hat seinen Job allerdings sehr gut gemacht. Es war eine sehr würdevolle Beerdigung. Wir saßen aufgrund des kalten Wetters erst im Haus und gingen nach seiner Rede zur Grabstelle. Er hat die weltliche und philosophische Ansicht vom Sterben, Zurückgelassenseins und "was bleibt" aufgegriffen (wie ich ihn darum gebeten habe) und auch von persönlichen Erfahrungen gesprochen. Mein Bruder saß neben mir und fing bei den ersten Worten gleich zu weinen an. Bei dem Abschiedssatz "Wir wünschen dir Frieden..." überkam es mich dann auch. DEN hatte meiner Mutter meiner Meinung nach zu Lebzeiten nicht und so war es für mich umso trauriger, dass sie ihn erst im Tod finden würde.


    Dann ging es bedächtig zum Grab. Ein wenig störte mich, dass alle auf einmal anfingen zu reden - nicht innhalten und schweigen konnten. Der Redner sprach leise mit meinem Bruder. Dafür bin ich ihm wirklich dankbar, denn mein Bruder brauchte Beistand. Es ist schon merkwürdig und irgendwie verstehe ich meinen Bruder nicht. Zu Mutters Lebzeiten hat er sich nicht um sie kümmern wollen. Immer Ausreden parat. Und nun..., bereut er nun seine damligen Entscheidungen und Äußerungen? Mutter war sehr oft tief traurig und fragte sich und mich, ob und was sie nur falsch gemacht hat, dass mein Bruder so geworden ist...


    Nach der Trauerfeier gingen wir (die Familie) dann Essen. Komischerweise sprachen wir nicht von Mutter. Und im Nachhinein kann ich mich auch nicht erinnern, dass ich an sie gedacht habe.
    Nur in den letzten Tagen fragte ich mich oft, ob sie schon verbrannt wurde und wie das so ist. Wie verbrennt eine Leiche? Was bleibt?
    Und dann natürlich die Fragen bzgl. des Sterbens:
    Was denkt man zum Schluss? Denkt man überhaupt noch etwas? Hört der Mensch auf zu denken, bevor er seinen letzten Atemzug macht, so dass er gar nicht spürt, dass oder wie er stirbt? Oder ist es ihm bewusst, dass er nun stirbt?


    Der Redner sagte, was bleibt, sind die schönen, guten Momente und die negativen Erinnerungen verblassen. So würde das Gehirn funktionieren.
    Ich habe mir oft eine andere, eine liebevolle Mutter gewünscht, so dass ich nicht wirklich tiefe Trauer aufgrund des Verlustes empfinden kann. So langsam kommt ein Gefühl von "Freiheit", dass ich aber noch zu verdrängen versuche. Vielleicht, weil ich es nicht wahrhaben möchte. Ich muss mich nie mehr rechtfertigen vor ihr. Was mich traurig macht ist eher, dass sie zwar zufrieden tat, sich diese Zufriedenheit aber oft mehr aus einem Arrangieren und nicht aus dem Verwirklichen eines Wunsches, einer Sehnsucht, dem Erreichen eines Zieles ergab. Oder vielleicht habe ich nur andere Wünsche, Sehnsüchte und Ziele für mein Leben. Zumindest ist mir mehr möglich als ihr je möglich war. Sie hat sich aufgeopfert, konnte nicht ausreichend gut für sich sorgen, wurde krank. Das macht mich traurig.


    Aber jeder ist seines Glückes Schmied. Jeder muss Entscheidungen treffen und am Besten solche, die er später nicht bereut oder aber aus "echten" Gründen diese Entscheidungen treffen und dann dahinter stehen. Vielleicht war sie doch zufriedener, als ich dachte...


    Ich wünsche euch eine friedliche und besinnliche Weihnachtszeit und dass alle eure Lieben bei euch sind.


    Gruß
    Gabi

  • Liebe Gabi,


    bis auf die Sache mit den Callas, scheint es eine sehr schöne Abschiedsfeier gewesen zu sein, das freut mich!


    Wie du die Beziehung deines Bruders zu eurer Mutter beschreibst, muss noch eine viel größere Distanz zwischen den beiden gewesen sein als zwischen dir und deiner Mutter. Dass er jetzt erst ganz offen mit Gefühlen reagiert, kann ich mir gut vorstellen. Wahrscheinlich wird es ihm (wie ja dir auch) grad jetzt sehr schmerzlich bewusst, was alles ungesagt und ungetan geblieben ist. Oder er trauert - ähnlich wie du - um eine Mutter, die er nicht gehabt hat, weil er sie sich anders gewünscht hätte. Wichtig ist, dass er einfach weinen konnte. Das ist ja nicht selbstverständlich - gerade bei Männern.


    Ich höre Schuldgefühle heraus, wenn du sagst, dass du keine richtige Trauer verspürst, sondern sogar Freiheit. Wie geht es dir jetzt damit?
    Trauer ist kein Zustand oder kein Prozess, indem nur ein einziges Gefühl da ist, vielmehr ist Trauer oft ein wildes Mischmasch an Gefühlen - grad wenn die Beziehung zu einem wichtigen Menschen nicht ganz einfach war: Da ist Schmerz und natürlich Trauer, aber oft auch Angst, Aggression und Wut. Und bei vielen taucht auch Erleichterung auf und eben auch Befreiung. Alles darf hier seinen Platz haben.


    Trennung kann Gefühle von Angst, Verlust, Schmerz, Wut …. verursachen, aber eben auch Befreiung/Freiheit bedeuten. Freiheit kann sich positiv anfühlen oder eben das Gefühl von Angst und Trauer vergrößern. Welche Gefühle schlussendlich überwiegen, ist bei jedem anders: Manche haben Angst vor der Freiheit, weil sie sich alleine und in die Welt hineingeworfen fühlen, machen fühlen sich befreit ganz im positiven Sinn. (Sich nicht mehr rechtfertigen zu müssen, ... das hat was! Das kann ich sehr gut nachvollziehen!)
    Wichtig ist, denke ich, dass Trauer und Gefühle von Freiheit und Befreiung sich gegenseitig nicht ausschließen.


    Ich wünsche dir und deiner Familie morgen und in den nächsten Tagen eine Weihnachtszeit, in der alles Platz haben kann, was an Gefühlen auftaucht. Und ich bin sicher, dass da auch der ein oder andere Engel da sein wird, stimmt’s?


    Alles Liebe
    Christine

  • Hallo,


    vor 2 Tagen hatte ich einen Traum. Ich träumte von meiner Mutti. Sie starb ja im November 2007 nach langer chronischer und kurzer schwerer Krankheit. Wir hatten - wie ich damals schon schrieb - nicht das beste Verhältnis. Sehr distanziert von meiner Seite aus.
    Der Traum war aber sehr schön und ich fühlte mich ihr nahe.


    Also...
    "Ich befand mich in der Straße, wo meine Mutti damals lebte - gegenüber ihrem Wohnhaus auf der anderen Straßenseite. Die Straße ist eine recht breite Straße. Meine Mutti war zuerst auf meiner Seite der Straße. Dann lief sie Richtung Ampel und überquerte die Straße auf die andere Seite. Während sie von der Ampel zu ihrem Hauseingang zurücklief, winkte sie mir die ganze Zeit zu. Sie ging in den Hauseingang - die Tür stand offen und ich konnte hineinblicken. Dann wollte sie die Treppe bis zu ihrer Wohnung in den 3. Stock nehmen (sie fuhr aber früher immer mit dem Fahrstuhl). Das Treppenhaus war in meinem Traum auch etwas anders angelegt. In meinem Traum war es so, dass ich es von meinem Standpunkt aus gut sehen konnte. Also sah ich, wie Mutti ihre Handtasche am Fuße der Treppe abstellte und hinaufstieg. Ich war zwischenzeitlich auf ihre Straßenseite gegangen, ging aber wieder zurück auf die andere Seite, um besser sehen zu können, wann Mutti in ihre Wohnung kommt. Die Fenster ihrer Wohnung, konnte ich sehen, waren mit Vorhängen zugezogen - also würde sie sie aufziehen und ich würde wissen, dass sie angekommen ist. Als ich wieder zum Haus schaute, waren die Vorhänge plötzlich aufgezogen und statt eine Wohnung zu sehen, hatte die Hausverwaltung (mittlerweile) Muttis Wohnung umgebaut. Die Wohnung war nun Bestandteil eines mehrstöckigen Restaurants. Meine Mutti war nicht mehr zu sehen."


    Was ich an dem Traum schön finde, ist, dass sie mir zuwinkte. Sie ging über die Ampel auf die andere Seite und winkte "Auf Wiedersehen". Das finde ich so schön, weil wir uns nicht verabschieden konnten. Ich war zwar am Tag vor ihrem Tod noch bei ihr am Bett gesessen aber so richtig verabschiedet haben wir uns nicht. So hat sie es jetzt getan. Und jetzt kann ich es auch gut annehmen - mittlerweile. Manchmal freue ich mich sogar, sie irgendwann vielleicht einmal wiederzusehen. Das war nicht immer so. Das ging anfangs sogar soweit, dass ich sie - falls es das überhaupt gibt - nach ihrem Tode nicht in meiner Nähe haben wollte. Ich "vereinbarte" nach ihrem Tode still und leise mit ihr, dass, wenn sie mich besuchen möchte, bitte in der Küche am Esstisch auf mich wartet. In der Zwischenzeit gewann ich allerdings auch etwas Abstand zu den Erfahrungen aus der Kindheit (da keiner mehr etwas erklären oder ändern kann). Das bringt wohl die Zeit mit sich. Und die Zeit bringt auch etwas Sanftmut und den Wunsch zu verzeihen. bzw. den Wunsch, verzeihen zu lernen.


    Viele Grüße von Schneckchen

  • hallo schneckchen,


    das war wirklich ein sehr schöner traum - du konntest dich verabschieden UND du fühlst dich jetzt wohl dabei.
    ich bin oft fasziniert, was man so alles träumt und was alles im unterbewusst sein so passiert.
    du hast deiner mama verziehen, das finde ich wunderschön, jetzt kann sie in ruhe ihre wege gehen und ihr werdet euch irgendwann wieder sehen. ja die zeit, sie verändert einen, man sieht viele dinge mit anderen augen. ich war oft wütend auf meine eltern, dass sie mich so früh alleine gelassen haben, dafür schämte ich mich wiederum wieder. doch mit der zeit lernte ich es anzunehmen und zu verstehen. ich habe so viel gerlernt durch den tod meiner eltern.


    danke, dass du uns deinen traum mitgeteil hast, ich träume auch sehr oft von meiner mama, leider kann ich den traum nie wiedergeben. doch ich spürte sie und das fühle ich dann oft den ganzen tag.


    alles liebe
    petra

    Und alles was bleibt ist Liebe, diese Liebe lässt euch niemals sterben.
    Mama & Papa - ich liebe euch!

  • Liebes Schneckchen


    Ich weis nicht wie oft ich in den letzten Tagen deinen Traum immer und immer wieder gelesen habe. Ich habe ihn deshalb immer wieder gelesen weil ich mir grad so Gedanken mache. Gedanken deshalb,weil auch ich vor längerer Zeit einen Traum von meiner Mutti hatte und er ähnelt in einigen Dingen deinem Traum.


    So wie bei dir stand meine Mutti zuerst auf meiner Strassenseite , so wie bei dir verschwand auch sie in einem Haus und von der anderen Strassenseite hat auch sie mir zugewunken.


    Irgendwie denke ich mir es kann kein Zufall sein dass sich ein Traum so ähnelt und deshalb frage ich mich schon seit einiger Zeit ob es doch ein Leben nach dem Tod gibt und sich viele auf diese Art verabschieden? Dein Traum hat mir wieder Kraft gegeben.


    Wenn du wissen willst wie mein Traum abgelaufen ist,musst du nur meinen ersten Beitrag hier im Forum lesen.


    Liebe Grüsse Christa