Hallo,
ich bin neu in diesem Forum und möchte mich vorstellen.
Ich heiße Gabi und wohne in Berlin. Ich bin 38 Jahre alt. Zur Zeit "begleite" ich meine Mutter. Ich glaube, sie möchte sterben.
Ich habe diesen Benutzernamen gewählt, weil meine Mutter mich immer so genannt hat. Das ist schon lange her. Leider besteht zwischen ihr und mir nicht das Mutter-Tochter-Verhältnis, das sie sich gewünscht hat. Ich versuche mein Bestes, achte darauf, dass es mir dabei noch einigermaßen gut geht. Aber das, was mir möglich ist, ist nicht viel und war für meine Mutter zu wenig.
Nun hat sie Krebs. Sie ist eh schon sehr krank. Sie hat u.a. schweres Rheuma, Osteop., kann kaum noch laufen oder gar mit den Händen was machen. Sie hat sich immer gewünscht, dass ich mehr für sie da bin aber ich konnte nicht.
Sie liegt seit 3 Wochen im Krankenhaus. Es ging alles ganz schnell. Im Sommer wurden Lebermetastasen und Lungenkarzinose diagnostiziert. Blutwerte deuteten auf Leberkrebs aber die Punktion erbrachte dahingehend kein Ergebnis. Seit 4 Monaten suchen Ärzte den Primärkrebs, um die passende Chemo zu starten. Zwischenzeitlich - d.h. aufgrund der Lungenkarzinose - füllte sich außerhalb der Lunge Flüssigkeit und drückte die Lunge zusammen, so dass sie auch nur noch schwer Luft bekam. Erst im Krankenhaus stellte man das endgültig fest und zog die Flüssigkeit ab. Das muss aber ständig getan werden, da ihre Krankheit diese Symptome verursacht. Die Prozedur ist schmerzhaft - ohne Betäubung am Krankenbett, 20 Minuten siten und nicht bewegen, da die Nadel sonst in die Lunge sticht. Seit Wochen hat sie keinen Appetit mehr. Aufgrund ihrer Bauchspeicheldrüsenunterfunktion kann sie nicht mehr alles essen. Jetzt ist sie fast gar nichts mehr. Abends ein paar Bissen vom Brot. Sie wird mit einer Nährlösung zusätzlich intravenös ernährt.
Sie hätte eine Lungen-OP und die Chemo vor sich. Die Chemo wollen die Ärzte ungern machen, da sie schon ganz mager ist.
Heute hat meine Mutter der Ärztin das Versprechen abgenommen, dass sie sie nicht operieren wird. Meine Mutter möchte ins Hospiz. Sie will sterben!
Mir hat sie das nicht gesagt, ich weiß das von einer Bekannten, die heute bei ihr war.
Ich weiß gar nicht wie ich mich fühle. Ich bin sauer, dass sie so schnell aufgibt. Ist das wirklich ihr Wunsch oder hofft sie, dass ich sie überrede durchzuhalten. Und wenn ja, wofür. Ihre Freundin ist vor 3 Jahren gestorben. Sie ist alleinstehend und hat nicht viele Bekannte. Ich fühle mich nicht in der Lage, mich so intensiv um sie zu kümmern. Bitte versteht das nicht falsch. Ich bin kein schlechter Mensch. Ich weiß nicht, warum ich meiner Mutter nicht nah sein kann.
Ich habe noch einen Bruder. Der kümmert sich nur um sich und sonst um niemanden. Aber über den mag ich weiter nicht reden.
Als ich vor ein paar Tagen an ihrem Bett saß, - sie kann kaum noch reden -, hatte ich ein merkwürdiges Gefühl. Sie sagte ganz wehmütig: "Mh, das war's!" Ich war auf einmal ganz traurig oder eher mitfühlend, weil ich das Gefühl hatte, sie hätte aus ihrem Leben gern mehr gemacht. Es war eine Mischung aus Schuldgefühlen, dass sie sich und ich ihr vieles nicht ermöglichen konnte und Angst, irgendwann einmal genauso wehmütig zu sein - am Ende meines Lebens. Dabei war das nur mein Eindruck. Vielleicht denkt sie gar nicht so.
Was soll ich tun? Ich kann damit nicht umgehen.
Wir haben nie über Dinge, die uns berühren gesprochen. Nie in den Arm genommen oder getröstet. Nie gesagt, dass wir uns lieb haben. Und nun kann ich das auch nicht tun. Vieles in ihrem Beisein ist mir unangenehm. Zur Zeit scheint es sehr schwierig...
Sie will einfach nicht mehr leben. Es wäre das Beste, ihren Wunsch einfach zu akzeptieren? Aber bin ich dann eine gute Tochter, die nicht um ihre Mutter kämpft? Ich war wohl nie die Tochter, die sie sich gewünscht hat. Sie war wohl nicht die Mutter, die ich mir gewünscht habe aber wohl die Mutter, die mir vorbestimmt war...
Ich war immer ziemlich kühl zu ihr. Warum nimmt mich das denn jetzt alles so mit?
Danke fürs Lesen. Wenn ihr mir antworten mögt, freue ich mich.
Liebe Grüße
Mama's Schneckchen