Es hört nie auf...

  • Ich habe vor bald 4 Jahren meinen Sohn verloren, er war 18 Jahre alt.
    Ständig höre ich von meiner Umgebung, wie stark und tapfer ich doch bin, dass ich überhaupt noch lachen kann, aber niemand weiß, wie es in mir aussieht... In jeder Sekunde vermisse ich ihn, der mein Lebensmensch war.


    Als ich meine Eltern verloren habe, war es traurig, doch so ist das Leben, dass Kinder den Eltern nachschauen. Aber umgekehrt ist es anders, man denkt ständig daran, wie alt er jetzt wäre, was er machen würde, wie sein Leben aussehen könnte und so weiter. Es ist als wenn es gestern gewesen wäre...


    Trauer ist dann ein Bestandteil des Lebens, sie ist integriert, und die Zeit heilt doch nicht alle Wunden.


    Wer hat ähnliche Erfahrungen gemacht, einen so schweren Verlust erlitten?


    Morgaine

  • Liebe Morgaine!


    Möchte dich hier im Forum herzlich Willkommen heißen und dir meine aufrichtige Anteilnahme an deinem so großen Velust aussprechen. Das kann ich mir gut vorstellen, dass deine Gedanken immer bei deinem Sohn sind. Bei dem Tod eines Kindes reißt es einem einen Teil von seinem eigenen Herzen heraus, nicht wahr? Auch wenn man "scheinbar" halbwegs "normal" weiterlebt, so sind doch der Schmerz und die Sehnsucht deine Begleiter.


    Möchtest du uns ein bißchen von deinem Sohn erzählen? Ist er plötzlich gestorben od. hatte er eine Krankheit?


    Hier im Forum sind einige, die auch ihr Kind verloren haben und du dich sicher von ihnen am meisten verstanden fühlst.


    Sei gans besodners lieb gegrüßt


    Linda

  • Ich danke für die herzlichen, verständnisvollen und mitfühlenden Worte!
    Ja, ein Teil des eigenen Lebens geht mit dem Kind, mit dem man sich doch so vebunden fühlt und das man vor allem beschützen möchte, nur um dann die eigene Macht- und Hilflosigkeit zuerfahren.


    Mein Lucas war der Sonnenschein für alle, die ihn gekannt haben - bis zu dem Tag, als er mit 14 Jahren heroinabhängig wurde. Es folgten 3 Jahre, in denen wir gemeinsam dagegen angekämpft haben; dann hat er äußerst erfolgreich einen Entzug und anschließend eine einjährige Langzeittherapie gemacht. Er war wieder der Alte, hat die Maturaschule besucht und nebenbei gejobbt. Als die Zeit der Therapie um war ist er wieder mit Sack und Pack bei mir eingezogen, (anscheinend) hoffnungsfroh und voller Pläne. Am nächsten Tag, es war Christi Himmerfahrt, wollte ich ihn ausschlafen lassen; dann hat es mir aber doch zu lange gedauert, und ich bin in sein Zimmer gegangen. Da ist er gelegen, wunderschön, schon seit Stunden tot, an einer Überdosis gestorben, und ich war ganz allein mit meinem toten Kind, habe ihm in die Augen geschaut, die offen waren und so weit in die Unendlichkeit geblickt haben...
    Heute weiß ich, dass er sich absichtlich den "Goldenen Schuss" gesetzt hat, weil - und das hat er mir noch einige Tage vorher gesagt, doch habe ich es nicht richtig verstanden gehabt - er mir und sich das nicht mehr antun wollte, andererseits hat er aber das Gefühl gehabt, nicht clean bleiben zu können. Also ist er zum Sterben zurück zu mir gekommen. Denn in all der schlimmen Zeit hat er mir immer wieder gesagt, wie lieb er mich hat und wie unglücklich er ist, dass er mir all das angetan hat. Ich habe ihm verziehen, ihm das auch gesagt, aber er konnte sich selber nicht verzeihen. Und trotz allem verdient diese seine Entscheidung Respekt, war es doch sicherlich nicht der leichtere Ausweg.


    Das Leben ist weitergegangen, aber es wird nie mehr so sein, wie es einmal war. Heute denke ich mehr an die wunderbaren 14 Jahre, in denen dieses Kind, mit dem ich aufs innigste verbunden war, sein Leben genossen hat - Torjäger bei seiner Fussballmannschaft, Turniersieger beim Judo, Vorzugsschüler im Gymnasium, aber immer mit Leichtigkeit, spielerisch, mit Freude an allem. Die Leere, die bleibt, kann wohl niemals jemand oder etwas füllen.


    Morgaine

  • Hallo Morgaine


    Schön wie Du die Gedanken von Deinem wunderbaren Sohn beschreibst. Bis er 14 ist.


    Ein herzliches Beileid auch von mir. Ein Kind zu verlieren, ist wohl das schlimmste. Wenn dann noch so viel Aufopferung hinzukommt wie von Dir, um vieles noch schlimmer. Erkennen zu müssen, dass sich diese vielen Mühen Lucas doch nicht halfen, einfach furchtbar. Aber ich Denke, Dein Lukas war ein ganz starkes Kind. Dein Lucas wusste das Leben von der schlimmsten Seite. Er durchlebte diese Zeit schon sehr jung. Traf darauf hin für sich die Entscheidung. Ob die Richtige ist nicht zu beurteilen. Für Lucas selbst ist es die Richtige, weil er Dich nicht mehr verletzen wollte. Das ist eine ganz liebe Geste von Ihm. Dass es auch noch Andere Wege gibt, ist in diesen jungen Jahren noch nicht erkennbar. Lucas hat Dich sehr lieb.


    Ganz viele Kraftpakete möchte ich Dir hinzustellen. Schreib immer wann Du möchtest. Wir werden Dir und Deinem Lucas zuhören. Willkommen hier im Forum.


    Sei von mir lieb Gegrüßt


    chan

  • Hallo Morgaine!


    schön das du ins Forum gefunden hast, Willkommen!


    mein tiefstes Mitgefühl zum vorausgehen deines Sohnes!


    Du hast sicher recht mit dem satz : Die Leere, die bleibt, kann wohl niemals jemand oder etwas füllen. In diesen 15Monaten konnte ich es auch nicht füllen, und ich ahbe das gefühl, je mehr zeit vergeht desto schlimmer wird die leere!!!!


    alles liebe maki


  • Ihr Lieben,


    danke für eure Worte des Mitgefühls!


    Nein, es hört auch nach so langer Zeit nicht auf, es ist immer noch, als ob es gerade geschehen wäre. Ich fühle mich verlassen, habe oft das Gefühl, nach Lucas zu suchen, wo immer er jetzt auch sein mag. Und ganz schlimm sind die Träume, in denen er lebt, z.B. gerade seine Schultasche ins Vorzimmer gefetzt hat und hereinkommt, mit diesem Lächeln... Oder zu Weihnachten, Geburtstag (der gleich nach Allerheiligen ist), Todestag...


    Andererseits will ich gar nicht vergessen, denn so lebt er irgendwie in mir weiter.


    Bis jetzt habe ich noch nie mit jemandem gesprochen, der auch so etwas ertragen muss. Tröster gibt es genug, doch ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele nahestehenden Menschen sich damals nicht getraut haben, mit mir darüber zu sprechen, sie haben lieber gar nichts gesagt als etwas "Falsches", sie waren einfach zu betroffen - vor allem die, die auch Mütter sind. Ist vielleicht eh besser, denn so Sprüche wie "das Leben geht weiter" oder "die Zeit heilt alle Wunden" möchte ich ohnehin nicht hören. Erst in der letzten Zeit trauen sich manche, mit mir darüber zu reden. Habt ihr auh solche Erfahrungen gemacht?


    Es grüßt euch ganz lieb
    Morgaine

  • Liebe Morgaine,


    zuerst ein herzliches Beileid zum Verlust deine Sohnes. Ich denke, es ist das Schlimmste, was einer Mutter passieren kann, ein Kind zu verlieren.


    Mein Sohn ist nun 17 Jahre alt, aber ich wüßte nicht, wie es mir ginge, wäre er auf einmal nicht mehr da.


    Bei dir sind es 4 Jahre her, aber die Zeit kann keine Wunden heilen. Das ist auch so ein Spruch, der manchen über die Lippe kommt "die Zeit heilt alle Wunden..."


    Früher wußte ich auch nicht, was es heißt einen geliebten Menschen zu verlieren; seit mein Mann an Krebs gestorben ist, weiß ich leider erst, was es heißt zu trauern oder auch zu spüren, wie sehr man seinem Schicksal ausgeliefert ist und im Grunde nichts machen kann.


    Bei mir sind es 1 1/2 Jahre her, als mein Mann uns verlassen mußte und manchmal kommt mir das wie eine Ewigkeit vor oder es erscheint mir auf einmal so, als wäre es gestern gewesen.


    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Leute sich nicht trauen, über einen Verstorbenen zu sprechen. Vielleicht haben sie Angst, man könnte in Tränen ausbrechen oder es wäre einen unangenehm, darüber zu reden ?! Ich kann es nicht sagen. Aber ich rede gerne über meinen Mann, weil es viele schöne Erinnerungen gibt und er so in dem Erlebten "weiterlebt".


    Nach aussen hin merkt man mir die Trauer auch nicht an; ich bin ein anderer Mensch geworden. Nichts ist mehr so wie früher, weil unsere lieben Verstorbenen fehlen.
    lg
    Regenbogen

  • Liebe Morgaine!


    "Hoffnungsfroh und voller Pläne". Dann findest du deinen Lucas tot im Bett. Ach Gott. Welch schrecklicher Moment. ;( :13: Gerade da, wo du glaubtest, nun gehe es bergauf. "Seine Entscheidung verdient Respekt" - dieser Satz hat mich auch sehr berrührt. Du verstehst deinen Sohn wirklich.


    Die Leere, die Lucas zurück gelassen hat, kann niemand füllen. Da hast du Recht. Dieses riesengroße Loch wird immer bleiben. Ja, das Leben geht weiter, zumindest für all die anderen. Wie soll man "normal" weitermachen, wenn das Wichtigste im Leben fehlt? Man kann nie mehr so unbeschwert sein. Aber ich hoffe sehr für dich, dass dieser riesengroße Schmerz annehmbarer wird für dich, dass er lebbar wird.
    Er war ein toller Junge, so wie du in beschrieben hast. Total sportlich und gut in der Schule. Von wem hat er das geerbt, dass er so leicht durch die Schule kam? Von dir?
    Wie ist es dir gegangen, wenn du ihm bei den Judokämpfen zugeschaut hast? (Mein Sohn macht auch Judo). Bist du da auch immer nervös gewesen? Haben sich die Termine oft überschlagen, mit Fußball und Judo?


    Ja, viel zu wenig wird von den anderen über den Verstorbenen geredet. Ich glaube, es stimmt so, wie Regenbogen geschrieben hat. Manche Leute wollen nicht, dass man in Tränen ausbricht. Aber für wen ist es unangenehm?


    Liebe Morgaine, hier drinnen sind wir für dich da. Erzähl uns noch mehr von deinem Sohn, wir hören gerne zu.


    Alles, alles Liebe


    Linda

  • Liebe Morgaine!


    als Mutter weiß ich genau wie es Dir geht, auch nach 20 Jahren wird es nicht anders sein. es sind unsere Kinder die FEHLEN. diese leere wird uns keiner und nimmad und garnichts füllen können, und es soll auch keiner. diesen schmerz kann uns nichts stillen, das schafft auch keiner. das erst jetzt die menschen anfangen darüber zu reden , dich zu fragen , kann ich nach empfinden- weil sie der meinung sind du hast es überstanden!!!! nach vier jahren ist doch klarr oder?!!! ach meine liebe, wir können unsere kinder niiiiiiie vergessen auch wen wir es wollen, wie soll den das gehen??!!!.


    schreib was immer dich bedrückt, wir sind DA


    alles liebe, maki

  • Hallo Morgaine


    Das mit dem großen Schweigen um uns herum, erlebt man immer wieder. Aber auch das eigentlich immer freundlich gemeinte "Sprücheklopfen" erlebt fast jedes/r von uns. Es gibt sogar einen eigenen Thread im Forum darüber. Wobei mit der Zeit hört man da eh nicht mehr hin. Man weiß, da wird einfach nicht Hineingedacht, sondern (nur) Gut Gemeint. Das Gegenüber empfindet nicht so, wie wir selbst.


    Dein Schreiben erzählt, wie gut Du Deinen Sohn kanntest, und doch nicht von seiner Last befreien konntest. Kinder haben in diesem Alter oft Ihre eigenen Wege. Zumindest sie versuchen sie zu erklimmen. Auch Dein Sohn hat für sich den Seinen Weg genommen, um alles zu befreien. Noch viel zu Jung um zu erfahren, was das ist. Dein Schmerz muß unendlich groß sein. Aber sein Schmerz ist befreit. Der Schmerz mit sich selbst, den er hatte. Trotz Liebe zu Ihm, und trotz Sonnenschein den er selbst verbreitet hat. Es ist schön, wenn dieser Sonnenschein von Ihm, in einem Herzen weiter getragen wird. Von Dir.


    Schließe mich Maki an. Schreib immer wann du willst. Es ist schön Dir und Deinem Sohn zuzuhören.


    Sei von mir lieb Gegrüßt


    chan