Die Angst nach dem Tod eines Nahestehenden

  • Guten Morgen,


    vor wenigen Tagen ist mein Bruder gestorben. Derzeit habe ich den größten Schock überwunden, aber extreme Angst davor, dass anderen, die ich liebe, etwas zustoßen kann. Ich möchte aber zugleich niemanden mit dieser Angst "terrorisieren" bzw. darin einsperren, vor allem, weil ich ja weiß, dass man das was passieren muss, sowieso nicht verhindern/aufhalten kann. Trotzdem fällt es mir sehr schwer, diese Angst irgendwie aufzulösen, wie seid ihr damit umgegangen? Was konnte euch helfen die Angst zu überwinden? Wieder zuversichtlich in den Tag zu gehen und nicht im Hintergrund mit einer weiteren Katastrophe zu rechnen?
    Danke für eure Antworten. :)
    Ela

  • Liebe Ela,
    ich will Dir meine aufrichtige Anteilnahme zum Tode Deines Bruders aussprechen. Hattet ihr ein recht gutes Verhältnis soweit ich verstehe.
    Ja Ela, versuch doch wieder zuversichtlich in den Tag zu gehen.
    Alles alles Liebe und Gute sendet Dir
    Josef

  • Guten Morgen liebe Ela!


    Erstmal ein herzliches Willkommen bei uns, es ist gut, dass Du zu uns gefunden hast, hier kannst Du Dir alles von der Seele schreiben, hier ist immer jemand, der Dir schreibt, der zuhört und einfach da ist.
    Es tut mir sehr leid, dass Du Deinen Bruder verloren hast...es ist ja alles noch so frisch.
    Magst Du darüber schreiben was passiert ist?


    Der erste Schock ist vorbei, und nun ist die Angst da wieder einen Verlust zu erleiden....das ist nach einem Tod eines so nahestehenden Menschen ganz normal, dass man diese Angst hat, dass wieder etwas geschehen könnte.
    Wenn man so einen Verlust im eigenen Kreise noch nie erfahren hat, denn meist hört und erlebt man das ja vorher nur bei anderen, dann weiss man damit nicht umzugehen. Aufeinmal klopft der Tod an die eigene Türe....


    Nein, man kann es leider nicht aufhalten. Ich weiss leider kein Patentrezept wie man diese Angst "abstellen" kann....
    Wieder zuversichtlich an den Tag rangehen und nicht im Hintergrund mit einer neuen Katastrophe rechnen, ja das sollte man versuchen, aber es ist nach einem erlittenen Verlust verdammt schwer, weil die Angst im Hintergrund weiter lauert.


    Als ich meine Mami vor 4 Jahren so plötzlich verloren habe, da war diese Angst, nun auch mein Päpelchen zu verlieren, mein ständiger Begleiter. Eben das ja irgenwann der Tag kommen wird, wo ich auch ihn verlieren werde....Und der Tag kam dann auch....


    Ich denke, man solte versuchen, den Menschen, die einem am Herzen liegen, viel Zeit und Liebe zu widmen. Versuchen, die aufkommende Angst des erneuten Verlustes nicht zu übermächtig werden zu lassen, sondern zu geniessen und sich zu freuen, dass diese Menschen noch da sind...vielleicht auch mit den Menschen über diese Ängste reden...


    Es tut mir leid, dass ich Dir nichts Besseres sagen kann.....


    Fühl Dich dennoch gedrückt
    Deine Manuela

    Memento
    Vor meinem eigenen Tod ist mir nicht bang,
    nur vor dem Tode derer, die mir nah sind.
    Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind?
    Allein im Nebel tast ich todentlang
    und lass mich willig in das Dunkel treiben.
    Das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben.
    Der weiß es wohl, dem Gleiches widerfuhr -
    und die es trugen, mögen mir vergeben.
    Bedenkt: Den eignen Tod, den stirbt man nur;
    doch mit dem Tod der anderen muss man leben.

  • Danke für eure Antworten und die Anteilnahme. :)
    Mein Bruder hat sich leider selbst zugrunde gerichtet (durch Alkohol), insofern sind die Gefühle sehr ambivalent. In gewisser Weise kam es trotzdem überraschend, da er sich viele Jahre auf einem, wenn auch sehr niedrigen Niveau, sozusagen gehalten hat. Meine Eltern trifft es am härtesten, ich war mehr auf Distanz, aber trotzdem ist es jetzt schwierig für mich, vielleicht auch wegen des totalen Gefühlschaos. Leider sind meine Eltern auch nicht mehr die Jüngsten und gesundheitlich schon seit Jahren angeschlagen, ihnen bin ich auch sehr nahe. Ich hoffe einfach mal, wir haben noch einige Jahre zusammen und können diese intensiv nutzen.
    Es stimmt wohl, dass man lernen muss, mit dieser Ungewissheit zu leben und zugleich zu akzeptieren, dass die, die wir lieben uns von einen Tag auf den nächsten verlassen können. Das gehört genauso dazu, wie der Beginn der Liebe.
    Derzeit schlage ich mich auch sehr mit dem Fakt herum, dass mein Partner in knapp einer Woche eine neuntägige Reise unternimmt. Das war schon lange vor dem Tod meines Bruders geplant. Leider ist mein Partner selbst sehr sensibel und auch anfällig für Depressionen, er hat mich in den ersten Tagen liebevoll aufgefangen, aber am Wochenende ging es ihm sehr schlecht und er hat extrem erschöpft auf mich gewirkt. Ich hatte das Gefühl ihn entlasten zu müssen. Einerseits denke ich mir, dass ihm die Reise vielleicht Kraft gibt, andererseits redet er jetzt davon, dass er es sich nie verzeihen würde, wenn er abstürzt. Das ist mir keine Hilfe, wie ihr denken könnt. Ich möchte stark sein und ihn verreisen lassen können, in mir ist der Wunsch die Angst nicht so einen riesengroßen Platz einnehmen zu lassen, dass sie unser aller Leben beschränkt, aber andererseits wünsche ich mir, er würde hier bleiben und wir verreisen lieber später mal zu zweit. Ich habe ihm gesagt, er soll es entscheiden, ob er verreisen möchte, aber irgendwie habe ich das Gefühl, es könnte zu viel für mich sein...die Angst, wenn er weg ist.


    Danke sehr für euer Mitgefühl und eure Anteilnahme, eure helfenden Antworten.
    Ela

  • Liebe Ela,
    danke für Deine Zeilen. Es tut mir leid wegen Deinem Bruder. Ach der Alkohol ist eine schlimme Sache. Es ist schön zu hören, dass Du so ein gutes Verhältnis mit Deinen Eltern hast. Darf ich fragen wie alt sind Deine Eltern schon.
    Ich selbst habe auch ein wunderbares Verhältnis mit meiner Mutter. Ich versuche ihr soviel Zeit wie es nur geht zu geben.
    Alles alles Liebe und und viel Kraft will ich Dir schicken.
    Liebe Grüße Josef

  • Liebe Ela!


    Ja, der Alkohol hat leider schon viele Menschen zerstört....eben durch einen solchen Missbrauch....nicht das Glas Wein als Genuss....
    wenn ich lesen, was Du schreibst, dann fühle ich sehr mit Dir.
    Auch wegen der Sorge um Deine Eltern. Du schreibst, dass sie gesundheitlcih sehr angeschlagen sind, und sie mussten ihren Sohn hergeben, das ist für Eltern furchtbar....
    Auch die Sorge um Deinen Partner, ich kann es verstehen, aber vertrau drauf, dass alles gut geht!


    Zu Deinen Ängsten passt mein Vers gut, den ich unten eingeblendet habe. Hast Du ihn gelesen.
    Hier ist er:


    Memento


    Vor meinem eigenen Tod ist mir nicht bang,


    nur vor dem Tode derer, die mir nah sind.


    Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind?


    Allein im Nebel tast ich todentlang


    und lass mich willig in das Dunkel treiben.


    Das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben.


    Der weiß es wohl, dem Gleiches widerfuhr -


    und die es trugen, mögen mir vergeben.


    Bedenkt: Den eignen Tod, den stirbt man nur;


    doch mit dem Tod der anderen muss man leben.

    Memento
    Vor meinem eigenen Tod ist mir nicht bang,
    nur vor dem Tode derer, die mir nah sind.
    Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind?
    Allein im Nebel tast ich todentlang
    und lass mich willig in das Dunkel treiben.
    Das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben.
    Der weiß es wohl, dem Gleiches widerfuhr -
    und die es trugen, mögen mir vergeben.
    Bedenkt: Den eignen Tod, den stirbt man nur;
    doch mit dem Tod der anderen muss man leben.

  • Liebe Ela,
    herzlich willkommen bei uns und mein herzliches Beileid zum Tod deines Bruders.
    nach einem Verlust wird oft unser Vertrauen, dass "nur andere", aber "nicht mir" schlimme Dinge passieren können, zerstört. Dieses Vertrauen bauen wir auf, es schützt uns und ist natürlich eine Illusion. Wenn diese Illusion durch einen Todesfall zerstört wird, dann kommt die Angst und ein Teil der Trauerarbeit ist es auch, wieder Lebensfreude und Vertrauen aufzubauen, obwohl wir wissen, dass wir nicht unverletzbar sind. Das geht nicht von heute auf morgen, das ist ein Prozess.


    Die ersten Schritte, die dabei helfen wieder Sicherheit zu gewinnen sind:
    Versuche Struktur in deinen Alltag zu bringen: Steh immer zur selben Zeit auf, iss regelmäßig deine Mahlzeiten, gehe zu regelmäßigen Zeiten zu Bett. Das klingt primitiv, aber solche Regelmäßigkeiten vermitteln uns Sicherheit. Vertrautes schafft Vertrauen und ist gut gegen Gefühlschaos.


    Ganz langsam wirst du über das Realisieren den Schmerz stärker spüren, wenn der Schock weicht. Dann versuche, diese Trauer auch zu- und rauszulassen. Wenn du sie rauslässt, dann kommt danach eine Phase der Erleichterung, sie dient der Erholung. Versuch auch dir Gutes zu tun, was immer das ist. Und mit der Zeit wirst du, wie Manuela sagt, im Wissen, dass wir alle sterblich sind, lernen den Augenblick zu genießen und dich nicht dauernd auf das Ende konzentrieren. Aber das ist ein Prozess. Lass dir Zeit dabei!
    AL
    Christine