Ihr Lieben,
mein Herz schmerzt jedesmal, wenn ich lese wie es euch allen geht. So wie mir. Täglich neu in den unterschiedlichsten Schattierungen. Mal heller, dann mal wieder schwarz wie die Nacht finster. Momentan bin ich etwas ans Bett gefesselt. Ich vermute mal die dritte Runde Corona hat mich erwischt, aber die Tests sind nun alle und ich setze gerade keinen Fuss vor die Tür. Von jetzt auf gleich 39 Grad Fieber, Halsschmerzen, kein Geschmack, kein Geruch und fieser Hautausschlag. Zu allem Übel auch noch so ein Mist. Braucht keiner.
Gerade ist ein lichter Moment, so dass ich etwas lesen und schreiben kann.
Am 02. April sind es nun 4 Monate, dass mein Hase aus dem Leben gerissen wurde. Das waren unsere Spitznamen. Hase 1 und Hase 2.
Gestern inmitten eines Fieberschubs war ich so wütend auf dieses Leben, warum dieses Elend passieren musste, warum ich immer noch da bin und er nicht. Hab hier mit letzter Kraft alles rausgebrüllt. Mein Hund war etwas irritiert, aber es musste raus.
Vor ein paar Wochen habe ich auf einem Seminar durch Zufall einen Mann kennengelernt, dessen Frau nun fast 2 Jahre tot ist. Es hat so gut getan sich mit jemandem live zu unterhalten, der einen verstehen kann und der diese ganzen Prozesse und das Gefühlschaos nachvollziehen kann, das in mir tobt. Nach zwei Jahren ändert dieser Mann gerade sein komplettes Leben und wandert aus. Hielt es auch nicht mehr im alten Zuhause aus mit all den Erinnerungen. Moral von der Geschichte war, dass wir an diesem Seminarwochenende beide jeweils eine Heulattacke voreinander hatten und obwohl dies ein Wildfremder war, hat es gut getan. So wie mein gestriger Wutanfall. Es muss alles irgendwie raus.
Am nächsten Dienstag startet meine Zoom Trauergruppe für Leute unter 50, die ihren Partner verloren haben. Hatte sehr schnell nach dem Unfall nach einer jungen Gruppe gesucht, um Menschen in einer ähnlichen Lebenssituation zu finden. Ich hatte noch überlegt, ob ich mich wirklich darauf einlassen soll, aber mich nun dafür entschieden. Ich kann von dem Thema nicht davonlaufen und ich merke, dass es mich eher voranbringt mich zu konfrontieren. So wie es hilft mich hier im Forum auszutauschen. Zu erkennen, dass man nicht alleine ist und sich mit Menschen auszutauschen, die einem zuhören und die verstehen wie ich mich fühle. In meinem engen Umfeld gibt es niemanden bzw. will ich Leuten mit meiner Gefühlsachterbahn nicht auf den Zeiger gehen. Von einigen habe ich mich im Laufe der letzten Monate zurückgezogen, da es immer wieder verstörende Kommentare gab, die auch mit Entschuldigungsansätzen ins Reich der absoluten Entgleisungen gehören. Zuletzt traf ich mich mit einer Freundin im Restaurant, die paar Semester Psychologie studiert hat. Sie guckte mir tief in die Augen (da ahnte ich schon, dass gleich großer Bullshit kommt), als hätte ich einen Dachschaden und wollte mir zum Tod meines Lebensgefährten weismachen, dass doch alles für etwas gut sei. Sie konnte froh sein, dass mir nicht die Hand ausgerutscht ist. Ich habe sie gefragt, ob das ihr Ernst sei und sie mir gerne erklären soll, für wen das jetzt gut war. Für ihn, für mich, für sie etwa? Für Niemanden (!!) wars gut! Immerhin hat sie sich zum Ende des Abends entschuldigt. Da war der Ofen eh schon aus bei mir und ich war froh, als die Rechnung kam. Aber hier kennen ja viele solche sensiblen Zeitgenossen. Hab besagter Freundin noch mitgegeben, dass mir in dem Fall Menschen lieber sind, die mir direkt sagen, dass sie mit dem Thema Tod ein Problem haben oder die, die rein gar nichts sagen.
Nun geht die Husterei wieder los. Muss mich hinlegen.
Virtuellen Drücker an alle,
Jussi