Guten Morgen,
ich habe hier des Öfteren etwas von "Trauerwellen" gelesen. Vorgestern hat mich so eine dann wohl auch voll erwischt.
Klar, mein Lebensinhalt ist erst vor Kurzem verstorben, logisch, dass alles noch in meinem Kopf ist, aber am Montag habe ich wieder verspürt, welch schwere Aufgabe jetzt vor mir liegt.
Bin aus Langeweile nachmittags zu unserem großen Edeka nach Kempen gefahren, aus Gewohnheit parkte ich dort, wo wir immer geparkt haben, vielleicht war das schon ein Fehler. Im Geschäft begegneten mir natürlich auch die Gänge, wo sie stets unterwegs war, sie war in den ersten beiden Jahren wirklich sehr mobil mit ihrem Rollator, irgendwie auch eigenständig, so dass ich sie oftmals dort suchen musste.
Mit 56 Jahren vom Rollator abhängig zu sein ist schon sehr bitter, aber sie hat fast bis zum Schluss immer daran geglaubt, dass sie noch mal wieder vernünftig laufen und radeln kann.
Der Hammer kam dann erst beim Öffnen der Heckklappe meines VW Golfes, da war etwas, mit dem ich gar nicht mehr gerechnet hatte. Dort hinter dem Sitz lag ihr alter Gehstock, ich nenne ihn mal den "Gehstock der Hoffnung". Dieser hatte ihr nach ihrer Hirnblutung und der anschließenden Reha in der Bonner Godeshöhe so sehr geholfen wieder selbstständiger zu werden. Teilweise musste sie ihn gar nicht mehr benutzen und nahm ihn nur noch zur Sicherheit mit.
Dieser Gehstock sollte eigentlich der Neuanfang sein, weg vom Rollstuhl und Rollator, zurück in ein Leben mit akzeptabler Lebensqualität. So dachten wir zumindest, die Ärzte im Helios Klinikum Krefeld hatten ihr ja nach der Hirnblutung noch mitgegeben, dass sie eine wirklich gute Chance hätte, wieder gesund zu werden, zumindest diese Richtung wurde uns vorgegeben.
Es kam dann aber anders, habe hier ja schon viel zum Krankheitsverlauf geschrieben, die Hirnblutung hatte wohl den Hirntumor in ihrem Kopf auf den Bildern verdeckt, müßig darüber zu diskutieren, ob man dies nicht schon im Kontroll-MRT 3 Monate später hätte erkennen müssen.
Dieser Gehstock war immer noch im Auto, hatten diesen für alle Fälle immer noch dabei, hatte ich total vergessen.
Und dann kam diese Trauerwelle, mir wurde dann wieder richtig bewusst, dass es keine Hoffnung mehr gibt, sie den Kampf verloren hat.
Was habe ich gemacht, ich nahm den Stock und schmiss ihn in einen Altkleidercontainer, er musste raus aus meinem Blickfeld, vielleicht kann ein Bedürftiger diesen Stock besser nutzen, ich brauche ihn nicht mehr, genauso wenig wie ihren Rollator, den ich in die hinterste Ecke auf dem Dachboden gelagert habe.
Diese Trauerwelle hat mich den ganzen Tag noch beschäftigt, das Schlimme ist, das sich diese Ereignisse wiederholen werden. Ich habe den Großteil meines Lebens mit ihr verbracht, wir haben hier alles gemeinsam angeschafft, jede Tasse, jede Blume, jedes Möbelstück, auch den VW Golf.
Ich weiß echt nicht, wie ich das alles verarbeiten soll, aber ich kann doch vor meiner Vergangenheit nicht weglaufen, 31 Ehejahre haben mein Leben geprägt, ich kann mich nicht mehr neu orientieren, und das will ich auch nicht, zu innig war meine Beziehung zu ihr.
Eins plus Eins ergibt Eins
Liest sich vielleicht etwas wunderlich, aber so war es halt, uns gab es nie alleine, uns gab es immer nur Zusammen.
Bin im Moment etwas ratlos, auch wenn viele mir immer sagen, dass es irgendwann besser wird. Mag sein, aber gut wird es nie wieder.
Gruß
Tommi