Beiträge von Greteline

    Trauerhaus Löwenherz ist heute in die Kirche gegangen. Ich ging mit. Es war nur eine halbstündige Gesangsveranstaltung. Eigentlich sehr schön, aber ich habe keinen Ton herausbekommen, mir sind nur die Tränen gelaufen, die ganze Zeit.


    Danach ging es noch ins Trauerhaus, da gab es dann Tee und einen religiösen Input. Es ging um Hiob. Was soll ich sagen, ich habe keine gefestigte Haltung wenn's um Religion geht, aber ich bin froh dieses Trauerhaus gefunden zu haben und es tut mir gut in so einem geschützen Rahmen, aber doch unter Menschen zu sein.


    Ich bin so müde. Dieses dauernde Weinen erschöpft mich so.

    So. Ich habe mich angemeldet zu einem meet5- Treffen.


    Wir werden Boule spielen im Park, am Sonntag Vormittag. 4-6 Leute. Die Veranstalterin selbst hat vor 5 Jahren ihren Mann verloren, das gibt mir ein geschützes Gefühl.

    Es folgt das Programm für die nächste Zeit, wem dabei schwindlig wird überspringt besser die nächsten Zeilen.:)


    Heute: Arbeit, Einzeltrauergespräch, Theatergruppe

    Dienstag: Tüte packen mit Retro- Kleidung fürs Theater und zu Leonie bringen, Paket abholen, Arbeit, telefonieren, Sportkurs schnuppern

    Mittwoch: Arbeit, an der Kirche singen, dann vielleicht noch zum Treffen vom Trauerhaus Löwenherz

    Donnerstag: etwas früher zur Arbeit, basteln mit Eva (wurde nämlich verschoben)

    Freitag: Fahrradtour mit Sohn plus Freundin

    Samstag: brunchen mit Anja, dann puzzeln mit Edith

    Sonntag: Boule spielen, dann irgendwas mit Esther machen.

    Montag: Krankschreibung holen, Personalrat anrufen, nach Heidelberg fahren zur Schwester

    Dienstag: Heidelberg

    Mittwoch: wieder nach Hause

    Donnerstag: nach Bielefeld zur verwitweten Maren

    Freitag: Bielefeld

    Samstag: von dort aus zur anderen Schwester nach Münster

    wie lange ich dort bleibe weiß ich noch nicht


    Sabine, mit der ich heute mein Trauergespräch hatte, schlug vor dass ich mal ausprobieren könnte, ob ich mich wirklich einsam fühle wenn ich mal einen ganzen Tag alleine bin. Bis jetzt sei es ja nur eine Vermutung. Ich glaube, für mich ist es ein Unterschied ob ich freiwillig alleine bin, wie letztens als ich meinem Sohn sagte dass er nicht zu kommen braucht. Oder ob ich alleine bin weil einfach kein Hahn nach mir gekräht hat. Dann fühle ich mich vergessen von allen, und das ist nicht schön.


    Ach ja, mein Fernseher geht wieder.

    Guten Morgen...


    ja, so ist jeder anders...


    manchmal sagt mir der Verstand, dass ich zu schnell zu viel will.

    Ich fühle mich getrieben, aber das lässt sich nicht bremsen.

    Irgendwie ist es ja auch gut, daran merke ich, dass noch ein Lebenswille da ist.


    Ich habe Angst um mich.

    Alleine sein ist eigentlich nicht so schlimm, aber ich habe Sorge dass ich mich dann einsam fühlen könnte, und davor will ich mich bewahren.

    Und deshalb stopfe ich mir die Zeiten voll.


    Gestern bin ich Mitglied geworden bei Meet5. Da sind aber ausschließlich so frohgelaunte Treffen angekündigt. "Wir machen Lachyoga!" "Komödie!" Da traue ich mich ja gar nicht hinzugehen. Weil ich die Erwartung der Leichtigkeit nicht erfüllen kann. Vielleicht erstelle ich selbst ein ganz anderes Treffen. Traue mich aber nicht. Vielleicht kommt dann keiner.

    Liebe Elster, schau mal da rein:


    meine.patientenverfuegung.digital


    Man braucht schon etwas Zeit um sich da durchzuarbeiten. Ich finde sie aber sehr gut gemacht, auch wegen der kleinen Erklärvideos. Damit man auch versteht, was für eine Entscheidung man da überhaupt trifft.


    Mein Sonntag heute wird erträglich, glaube ich. Erst gehts ja zum Trauerfrühstück von 10- 12 Uhr. Am Nachmittag kommt jetzt wirklich der Sohn und richtet mir den Fernseher wieder ein (hoffentlich- auch er ist da nur so mittelbeholfen). Und am Abend kommt meine Freundin Eva mit einem Haufen Bastelzeug. Sie ist in so einer Adventskalender- Gruppe drin, wo jeder der 24 Teilnehmer 24 gleiche Päckchen packt und dann werden daraus 24 Adventskalender zusammengestellt, für jeden einer... und sie hat mich gefragt ob ich Lust habe ihr zu helfen. Sie will da irgendwas machen mit Hintergrund Aquarell und getrockneten Blümchen, habs nicht ganz kapiert.


    Was machst du heute, liebe Elster?


    Am allermeisten Angst habe ich vor den Ferien. Vor allen Ferien. Wochenenden sind auch schlimm, aber doch einfacher zu planen, und ich bin ja sehr aktiv auf der Suche nach Leuten mit demselben Problem wie wir, deshalb gehe ich ja gleich zum Trauerfrühstück. Aber die Ferien! Das ist eine ganz andere Sache. Wer fährt mit mir mal irgendwohin? Da muss man ja früh dran drenken, das geht ja los beim gleichzeitigen Urlaub- Einreichen.


    So. Jetzt muss ich mir mal die Haare trocknen, geduscht bin ich schon, und mir was anziehen. Dann gucken, wo ich da eigentlich gleich ganz genau hin muss. Zum Trauerfrühstück.


    TRAUERFRÜHSTÜCK! Das habe ich auch vor 7 Wochen nicht geahnt dass ich da hin muss.

    Jetzt habe ich erstmal "Panikattacke" gegoogelt. Ja, das wird es wohl gewesen sein. Dieses Wort hat gestern zwar niemand in den Mund genommen, aber trotzdem. Komisch, gell. Weil es ja so aus dem Nichts kam. Ich war ja eigentlich recht ruhig. Aber der Dauer- Stresspegel ist wohl einfach zu hoch.

    Spannend, dass ihr das alle kennt und auch schon erlebt habt. Für mich war es das erste Mal.


    Ja, liebe Trommlerin, ich hatte schon vor Kurzem nach körperlichen Auswirkungen bei Trauer nachgelesen. Ich glaube, es war sogar in deinem Wohnzimmer, wo ich etwas gelesen hatte was mich dazu brachte. Ich lese ganz viel in euren Wohnzimmern, auch wenn ich selber nur selten was schreibe. Wenn es dann aber akut ist und man hat weder Herzinfarkt noch Panikattacke jemals selbst erlebt ist die Einschätzung natürlich trotzdem schwierig.


    Und liebe Elster, ich bin beinahe ein bisschen belustigt, ich glaube du hast ein völlig falsches Bild von mir! Die Greteline kennt jeder im Gammelmodus. Das hat Ulrich auch so sehr an mir geliebt, dass ich so uneitel bin. Ich bin geocacher! Da klettert man auf Bäume, robbt durch Röhren, fällt in Pfützen, kratzt sich alles blutig an irgendwelchen Dornen... und hat auch noch Spaß daran.


    Ich bin heute mit Petra ca 5km gelaufen und hinterher hat sie mich dabei unterstützt eine Patientenverfügung zu machen. Digital, man muss sie aber auch einmal ausdrucken und "in echt" unterschreiben. Und wenn man dann das unterschriebene Blatt hochlädt bekommt man einen QR-code, den kann man zum Beispiel hinten in die Handyhülle und in den Geldbeutel tun. So kann jeder die Verfügung im Notfall schnell einlesen. Das finde ich gut.

    Liebe Elster, dochdoch, mein Sohn darf mich im Schlafi und im Gammelmodus sehen, aber ich hätte ja doch zumindest nochmal aus dem Bett aufstehen müssen, und schon dazu hatte ich keine Lust. Ich war einfach so sehr darauf eingestellt dass heute nichts mehr stattfindet.


    Aber dann hat doch noch eine ganze Menge stattgefunden.


    Ich lag hier im Bett auf dem Rücken, und plötzlich bekam ich so ein starkes Engegefühl auf der Brust, so alsob mir jemand den Brustkorb stark zusammendrückt. Das tat so weh dass ich nicht mehr liegen konnte, ich bin aufgestanden um zu gucken ob es dann besser wird, aber mir wurde eiskalt und schwindlig. Ich dachte wirklich, ich hätte einen Herzinfarkt, und ich war doch allein! Habe schnell gegoogelt und es schien zu passen, außerdem ist es wohl bei Frauen unspezifisch, und man soll die 112 wählen. Das habe ich auch gemacht. Habe mich zitternd zur Haustür geschleppt und diese schon mal angelehnt geöffnet. Mich auf den Boden gelegt auf die Fußmatte, Füße auf der Treppe ein bisschen hochgelegt. Dann meinen Sohn angerufen, der blieb dann in der Leitung bis der Krankenwagen da war. Ich konnte auch nur sehr stoßweise sprechen und atmen.

    Es wurde sofort ein kleines EKG gemacht und ein klassischer Herzinfarkt ausgeschlossen, sie nahmen mich mit in die Notaufnahme, dort wurden noch mehr Tests gemacht, Blutwerte usw...

    Es wurde nichts festgestellt. Psychosomatisch. Die Trauer sucht sich wohl ihren Weg. Nachts um 1:45 Uhr wurde ich wieder entlassen und bin mit dem Taxi heimgefahren.


    Und wieder ist mir eingefallen, dass ich immer noch keine Patientenverfügung gemacht habe.

    Ojeh. Das habe ich jetzt gleich mal gegoogelt. Tatsächlich, das gibts: Natriummangel durch viel Weinen. Davon hatte ich ja noch nie gehört. Womit man sich alles rumplagen muss! Das tut mir leid, Dieter. Als hätten wir nicht alle auch so schon genug zu leisten.


    Heute Abend hat sich für mich nichts mehr ergeben, bin allein. Das ist aber nur ein ganz kleines bisschen schlimm. Mein Sohn hat angeboten zu kommen, da war ich aber schon im Schlafi (früh, gell, jetzt ist es 19:50 Uhr).

    Vorige Tage irgendwann hieß es, die Sendeplätze im Fernsehen würden neu vergeben, bestenfalls würde man davon gar nichts merken... der beste Fall ist bei mir aber nicht eingetreten. Nichts geht mehr, und der Sohn war bereit gleich danach zu gucken. So bin ich also auch ein bisschen selber schuld dass ich allein bin. Wollte einfach nicht mehr aus dem Gammelmodus raus.


    ULI TOT ULI TOT ULI TOT ULI TOT ULI TOT ULI TOT ULI TOT ULI TOT ULI TOT


    Ich kann es immer noch nicht richtig glauben


    Wir sind dabei die Dankeskarten zu formulieren. Seine Trauerkarte hatte ich ja hier schon gezeigt. Habe ein bisschen nach Texten gegoogelt, aber irgendwie brauche ich was anderes. Es ist schwierig...

    Wieder der orangene Rand

    sein Name

    wieder ein Foto

    ein noch nicht fertig formulierter Text

    dann "Trauer ist Liebe, die nicht weiß, wohin"- das habe ich vorgestern zum ersten Mal gehört und ich finde, das stimmt genau

    und dann mein Name

    Guten Morgen,


    heute ist "Frischer Kaffee- Tag".

    Es ist schon komisch auf was für Ideen man kommt um Kräfte zu sparen.

    Ich koche weiterhin nur jeden 2. Tag frischen Kaffee, und am nächsten Tag gibts den Rest von gestern, wiedererhitzt in der Mikrowelle.

    Sollte man sich selbst nicht jeden Tag einen frischen Kaffee wert sein?


    Aus der Küchenspüle kommen kleine Fliegen.

    Halbherzig putze ich da ein bisschen rum, aber nicht gründlich genug, am nächsten Tag sind wieder welche da.


    Ich bin froh, dass wir im 1. Halbjahr das Wohnzimmer renoviert hatten.

    Der Fußboden war so kaputt, die Couch verschlissen, die Wand schmutzig.

    Gut dass es da jetzt so richtig schön ist, wie es mir gefällt.

    Es ist schlimm, wenn man in einem trostlosen Zimmer sitzen muss, und dann auch noch alleine.


    Heute habe ich außer Schule gar nichts vor. Wenn ich Glück habe meldet sich noch jemand bei mir. Wenn nicht gehe ich früh ins Bett.

    Morgen mache ich einen geocaching- Ausflug und am Abend bin ich eingeladen. Sonntag ist Trauerfrühstück, da gehe ich zum ersten Mal hin.


    Ich nehme immer mehr ab. Komisch eigentlich. Ich finde ich esse fast normal. Ich glaube, Trauer ändert etwas am Stoffwechsel. Oder sie kostet einfach unheimlich viel Energie. Es heißt ja auch "Trauerarbeit".


    Die Augen brennen, die Haut wird so trocken. Das kommt bestimmt von den vielen salzigen Tränen, die da dauernd drüberfließen. Da hilft keine Creme.



    Liebe Christine, liebe Ute, liebe Elster, liebe Trommlerin und liebe mayatocher,

    es ist so schön dass ihr alle hier immer wieder reinschaut und auch schreibt.


    Manchmal fällt es mir schwer, alles genau so zu schreiben wie ich es meine und dass es auch nur genau so verstanden werden kann.


    Ich war gerade beim Arzt. Ich soll am Montag, 6.10. morgens gleich kommen und dann schreibt er mich für diese eine Ferienbetreuungswoche krank.

    Ich meine, genau so hat es die Kreishausfrau ja gefordert. "Entweder gesund, dann vollständig leistungsfähig. Oder eben krank." Sie hat ja mein Kompromissangebot, dass ich jeden Tag für 3-4 Stunden komme, abgelehnt. Und 34 Stunden geht halt einfach nicht. Und ich bin jetzt sehr erleichtert, und wie Christine sagt: wir haben doch alle genug hinter uns.


    Das Treffen mit Nicole gestern Abend war ein guter Anfang. Nächsten Mittwoch gehen wir zusammen zu einer Gesangsveranstaltung, irgendwas mit einem Vorsänger und dann singen das alle nach, also, ich bin mal gespannt. Das findet wohl jeden ersten Mittwoch im Monat statt.

    Ein bisschen habe ich auch Angst davor. Dass die Mächtigkeit des Zusammen- Singens mich emotional überrollt und dass ich wieder weinen muss.

    Liebe Christine,

    sei mir bitte wieder gut! Das war ein absolutes Missverständnis in meinem Wohnzimmer! Und erst hier jetzt beim Schreiben auf deiner Seite erkenne ich zufällig, wie man hier richtig zitiert, wahrscheinlich war mein Text nicht so als Zitat erkennbar und du fühltest dich angegriffen. Das tut mir leid!<3:*

    Oh Christine, ich glaube das war ein Missverständnis! Ich hatte dich doch nur zitiert um zu zeigen, worauf ich jetzt antworte. Ich hatte nicht sagen wollen dass du mit irgendwas vorsichtig sein sollst! Du hast nichts falsches gesagt und musst nicht vorsichtiger sein! Puh, ist echt manchmal schwierig so im Schriftlichen.

    Liebe Christine, "Du solltest in Zukunft vorsichtig sein mit der Bemerkung, ,daß du Struktur in deinem Alltag brauchst .Das ist reine Privatsache."Dass ich Struktur im Alltag brauche, habe ich ja nur zu euch gesagt, nicht zu der Kreishaus- Frau.


    Die ist so schlimm. Sie hatte mal die Leitung in einem Kindergarten, wurde aber von da weggenommen, damit sie keinen Kontakt mehr zu Leutem von außen hat. Nun sitzt sie im Kreishaus und hat nun leider mit uns zu tun.

    Wir wissen, dass sie auch schon mit ihren Vorgesetzten Gespräche hatte, in denen ihr Umgang mit Menschen thematisiert wurde. Sie ist also kein unbeschriebenes Blatt.

    Meine Kolleginnen wollen ein mail verfassen, in dem sie ihre Verletzung der Fürsorgepflicht mir gegenüber ansprechen und dies auch direkt unter cc ihren Vorgesetzten und dem Personalrat übermitteln. Naja, mal gucken, ich halte das für heiße Luft. Wenn sich eine wirklich an die Arbeit machen soll sowas zu schreiben ist wahrscheinlich die Luft raus.


    "Hast du denn vor Ulrichs Tod voll gearbeitet?"- Voll geht bei uns ja gar nicht, vormittags sind die Kinder im Unterricht. Ich hatte bis Ende des letzten Schuljahres 20 Wochenarbeitsstunden, habe dann aber reduziert, einfach "weil ich es kann", ohne zu ahnen dass die Umstände sich so ändern würden.



    "Eine weitere Krankschreibung aufgrund des Vorfalls könnte Dir beruflich schaden."- das glaube ich nicht, liebe Ute. Ich will ja keine Karriere machen, sondern einfach meine 12 Stunden arbeiten und krankenversichert sein. Und ab dem 1.10. haben wir eine neue Chefin, dann haben wir mit dieser furchtbaren Frau hoffentlich nichts mehr zu tun. Wie sollte es mir schaden? Kündigen wegen Mehrarbeits- Unfähigkeit 5 Wochen nach dem Tod des Partners? Ich denke, dann schaltet sich der Personalrat ein. Zumal ich ja meine vertragliche Arbeitszeit angeboten habe und ihr das nicht genug war. Das ganze Kollegium kann das bezeugen.


    Egal. Ich gehe morgen früh um 11 Uhr zum Arzt und hoffe, dass er Verständnis hat.


    Heute Abend kommt Nicole zu mir, ich hatte euch von ihr erzählt. Sie hat vor 3,5 Monaten ihren Mann verloren. Der Kontakt zu ihr entstand über unseren Pfarrer, wir haben bisher einmal telefoniert und heute besucht sie mich. Bin gespannt.

    ach ja... Struktur...


    Mir ist gestern auf der Arbeit was Schlimmes passiert.


    Ich arbeite ja nur ganz wenig, 12 Stunden in der Woche.

    Nach Ulis Tod ließ ich mich nur eine Woche krankschreiben. Ich dachte, Struktur tut mir gut, die 2-3 Stunden pro Tag, das schaffe ich. Fällt hier jemandem schon was auf? Ja, ich muss jeden Tag erscheinen. Eigentlich hatte ich damit gerechnet einen oder zwei freie Tage zu haben, bei nur 12 Stunden. Das liegt daran, dass unsere Chefin in den Ferien in Rente gegangen ist und wir noch keine neue haben. Zuständig für uns ist jetzt erstmal eine völlig empathielose Frau aus dem Kreishaus. Und die hat uns diesen völlig gedankenlosen Dienstplan zusammengestellt und lässt auch kein bisschen mit sich reden.

    Zufällig ist das in meiner Situation ja auch gar nicht so schlecht. Ich habe jeden Tag ein bisschen Struktur, und diese 2-3 Stunden kriege ich hin.


    So. Jetzt kommts.

    Die Herbstferien nahen, und in der ersten Woche findet bei uns Ferienbetreuung statt.

    Die meisten der Kolleginnen haben selbst Urlaub in der Zeit ( eigentlich war Urlaubssperre, aber der alten Chefin war alles egal weil sie ja in Rente geht und hat alles bewilligt), und so sind wir nur zu dritt um diese Ferienbetreuung zu stemmen. Wobei es durchaus üblich ist, sich Verstärkung von anderen Schulen zu holen.


    Nun hat diese Kreishaus- Frau den Ferienbetreuungs- Dienstplan erstellt, und ich bin 34 Stunden in der Woche eingetragen!


    Ich habe ihr gesagt: "Das kann ich nicht. Das geht nicht. Ich kann nicht 7 Stunden am Tag arbeiten. Mit Kindern! Da muss man stabil sein, Nerven haben, gut gelaunt wirken, Machtkämpfe austragen."


    Sie: "Entweder gesund oder krank. Das ist hier keine Therapieeinrichtung. Sie kommen nicht hierher um Stabilität zu haben, sondern um Ihre Arbeit zu tun. Gesund heißt voll dienstfähig."

    Ich:" Voll dienstfähig bin ich ja, laut Vertrag 12 Stunden die Woche. Lassen Sie uns einen Mittelweg finden."

    Sie: "Ferienbetreuung ist was anderes. das hat mit der vertraglichen Arbeitszeit nichts zu tun" (weiß ich nicht ob das stimmt, wäre mit dem Personalrat zu klären)

    Ich: "Trotzdem. Es geht einfach nicht. Ich kann das nicht. Dann muss ich mich halt wirklich krankschreiben lassen, mein Arzt wird Verständnis haben. Aber damit ist ja niemandem geholfen. Es ist doch gut wenn ich zumindest ein paar Stunden da bin"

    Sie: "Ich lasse mich nicht von Ihnen erpressen."


    Damit endete das Gespräch.

    Sie hat kein bisschen verstanden was los ist. Sie sah wohl einen Machtkampf, den sie gewinnen will. Aber sie kann gar nicht gewinnen, denn es wird in keinem Fall so ausgehen dass ich 34 Stunden arbeite. Weil es wirklich gar nicht geht.

    Ich werde meinen Arzt bitten mir zu helfen. Entweder soll er mich komplett krankschreiben für die Woche oder vielleicht gibt es ja auch eine Bescheinigung, dass ich nur 12 Stunden arbeitsfähig bin.


    Es ärgert mich sehr. Es raubt so viel Kraft. ich brauche ein wohlwollendes Umfeld, diese Frau hat mich völlig aus der Bahn geworfen.

    Ich durfte letztes Jahr einen Korb voller Nüsse mitnehmen, die bei einer Freundin im Garten wuchsen. Habe den Korb bei uns vors Haus gestellt und mich am Küchenfenster gefreut dass die Eichhörnchen kamen. Kurz drauf beschwerte sich aber die Nachbarin, dass sie alle Nüsse bei ihr im Garten vergraben, sie hatte Sorge dass dort dann Setzlinge wachsen und dass dann schon wieder der Gärtner kommen muss...

    Es gibt komische Menschen. Eichhörnchen sind toll! Ich werde heute mal drauf achten und zählen, wie viele ich sehe.

    Jetzt bin ich wieder allein.

    Alle sind weg.


    Die Abschiedsfeier gestern war ... wenn es nicht so traurig wäre ... wunderschön.

    So persönlich.

    So liebevoll.

    So von Freunden getragen.


    Esther an der Harfe hat - das wusste ich vorher nicht- auch noch "Ich tanze mit dir in den Himmel hinein" gesungen, das hatten wir zusammen bei ihr im Gesangsunterricht geübt.


    Es war voll.

    Viele Leute sind gekommen.


    Nach der Feier gings direkt in den Nachbarraum zu Fleischkäs', Kartoffeln, Quark und Kuchen.

    Hat alles die Theatergruppe vorbereitet.

    So schön.

    Ich bin dankbar, dass ich solche Freunde habe.


    Ich heule.


    Gleichzeitig aus Trauer

    Gleichzeitig aus Dankbarkeit

    Gleichzeitig aus Selbstmitleid

    Gleichzeitig vor Erschöpfung


    Am meisten aber aus Trauer


    Gerade hat der Pfarrer hier angerufen, er bastelt an seiner Rede für morgen.

    Ich habe ihn noch mit ein paar Details gefüttert.

    Wenn wir wochenends mit dem Wohnmobil unterwegs waren zum geocaching, sind wir zum Wochenend- Abschluss oft bei Anja im Garten gelandet. Dort gab es dann Schweinebäckchen oder Bohnentopf aus dem Dutchoven. Anja und Ulrich haben sich gestritten darum, wer kochen darf. Ich musste nur essen. Und dazu gab es Anjas Pellkartoffeln mit Salzkruste. Die sind Ulrich nie gelungen. Die gibt es morgen auch, Anja macht einen großen Topf voll. Das kann nur sie. Mit Quark.


    Also, morgen wird es so sein:


    - aufstehen

    . gefrorenes Essen auftauen

    - mit meiner Schwester Ulrike frühstücken (sie ist ja jetzt unterwegs zu mir, wird bei mir schlafen, neben mir im großen Bett)

    - alle Schränke und Schubladen öffnen, in denen Ulrichs Sachen sind, in erster Linie Kleidung

    - denn irgendwann am Tag kommen Ulrichs Söhne, die sollen dann gucken was davon sie haben möchten

    - den Söhnen das Aufgetaute servieren

    - Zeug zurechtstellen, das um den Altar herum dekoriert wird (sein Fahrrad, Campingstuhl, Dutchoven, Ukulele, Seepferdchen)

    - das wird dann gegen 14 Uhr von der Theatergruppe abgeholt

    - heulen

    - um 16 Uhr geht die Feier los, ab dann werde ich durch den Rest des Tages geführt

    Danke, ihr Beiden.


    Ich weiß nicht was ich machen soll.


    Erinnert ihr euch an den Freund, von dem ich erzählt habe?

    Der mit dem Krebs? Der gesagt hatte: Kauft euch das Wohnmobil, und zwar JETZT?


    Er ist jetzt auch tot.

    Gestern.

    Dabei wollte ich ihn doch noch besuchen.

    Es war alles schon organisiert.

    Edith wollte mit mir hinfahren, weil ich doch nicht selber die Kraft habe 350km zu fahren bis Bielefeld.

    Am 4. Oktober wollten wir hinfahren.

    Und jetzt ist er tot.

    Auch tot.

    Maren, seine Frau, wünscht sich dass ich trotzdem komme.

    Und dass wir zusammen Fotos angucken.


    Das Problem ist: ich muss ja jetzt auch sehr auf mich achten.


    Ich weiß nicht, ob es mir gut tut, Fotos anzugucken.

    Ihr wisst ja, dass ich hier weitestgehend alles weggeräumt habe von Uli.

    Mir tut es nicht gut, in der Vergangenheit zu versinken.


    Vielleicht sollte ich ihr das genau so sagen?

    Liebe Maren, ich komme gerne zu dir, aber lass uns etwas machen was uns beiden gut tut.

    Spazieren gehen, etwas essen. Aber bitte keine Fotos angucken. Ich kann das nicht.


    Es ist gerade zu viel auf einmal.

    Um Stefan kann ich gar nicht richtig trauern, es ist zwar ein weiterer Stich ins Herz, aber Trauer habe ich gar nicht mehr übrig. Die Trauer braucht Uli auf.


    Morgen ist ja hier seine Abschiedsfeier, das wird auch nochmal schwer. Meine Schwester Ulrike kommt heute schon zu mir, sie muss auch weit fahren.

    Erinnert ihr euch , dass ich über unseren Pfarrer nun Kontakt habe zu einer anderen Trauernden, ungefähr in meinem Alter? Wir haben gestern über eine Stunde telefoniert. Ihr Mann ist seit 3,5 Monaten tot.

    Es ist ein Anfang. Sie wohnt im Nachbarort, nächsten Mittwoch besucht sie mich, und wir essen zusammen. Nichts tolles. Einfach Reste die ich aus der Schule mitbringen werde, die machen wir zusammen wieder warm. Mehr geht nicht, da sind wir uns einig. Ich habe heute auf den Speiseplan von nächster Woche geschaut: es wird am Mittwoch Rinderbraten, Klöße und Rotkohl geben.


    Ich bin ja dringend auf der Suche nach Leuten, denen es genau so geht wie mir. Vor Allem für die Freizeitgestaltung. Die Wochenenden.

    Im Moment kümmern sich ja viele Freunde um mich, ich werde eingeladen, mitgenommen irgendwo hin... aber ich weiß ja, dass das alles "nur" mir zuliebe geschieht, also, ich bin da sehr sehr dankbar und nehme alles an, aber ich muss ja auf Dauer zusehen, dass ich Leute finde, die genau so froh sind mich zu haben wie umgekehrt.

    Deshalb habe ich mich auch zum Trauerfrühstück im anderen Nachbarort angemeldet. Das findet an zwei Sonntagen im Monat statt. Ich habe mit einer sehr netten Trauerbegleiterin telefoniert um mich für dieses Frühstück anzumelden. Ich glaube, erst wollte sie mich ganz vorsichtig auf später vertrösten, dass mein Fall noch zu frisch sei. Ich konnte ihr glaubhaft versichern dass ich halt genau weiß was ich brauche, eben Leute in derselben Situation, möglichst altersähnlich, zur Freizeitgestaltung, denen auch klar ist dass man noch ein Leben vor sich hat das gestaltet werden muss. Da meinte sie, dass es doch sehr gut passt und hat mich auf ihre Frühstücksliste geschrieben. Genau solche Leute kommen da, die meisten so Mitte 50. Na dann.


    Ich weiß nicht ob ich alles richtig mache. Ja nein ja nein Ja nein ja nein Ja nein ja nein


    Manchmal denke ich, ich will zu schnell zu viel.
    Ihr seht mich nicht weinen.

    Ihr denkt bestimmt dass ich alles im Griff habe, so wie ich hier schreibe.

    Es wirkt vielleicht alles so durchdacht, reflektiert...

    Das Schreiben hilft mir, das Durcheinander im Kopf zu sortieren.

    Ich bin hässlich geworden.

    Eingefallen und blass.

    Tränensäcke.

    Der Spiegel erschrickt, wenn er mich sieht.

    Niemand, mit dem man gerne Zeit verbringt.



    Nachher kommt Bärbel, wir puzzeln zusammen.

    Meine Schwester hat gestern mein Bettzeug gewaschen, sie fand es roch komisch.

    Heute früh habe ich meine Heizungswartung machen lassen und im Gästebad wurde die schimmelige Silikonfuge erneuert, damit meine Tochter samt Mann und Kindern dort duschen können, wenn sie am Sonntag zur Abschiedsfeier kommen und hier übernachten.


    Komischer Aktivismus in den ich immer verfalle wenn es mir schlecht geht.

    Komisch, wozu ich die Kraft finde und wozu nicht.

    Liebe Christine,das ist doch ein schöner Beitrag, warum hätte ich das löschen sollen in meinem Wohnzimmer?

    Mir hilft es, wenn ich versuche, alles realistisch zu sehen. Mein Leben. Mein Drumherum. Das Leben der Anderen. Ich bin nicht die Einzige, die gerade durch ein Tal geht. Ein tiefes Tal. Hinter dem tiefen Tal kommt ein hoher Berg. Den muss man rauf. Das wird anstrengend. Irgendwann ist man oben.


    Wahrscheinlich sind Gipfel, die man früher erklommen hat, höher.Aber so ist es eben. Leider.