• Liebe Greteline,


    diese Schläge mit dem Niewieder-Hammer bekomme ich auch immer wieder. Das wird auch so bleiben, vielleicht nicht mehr so oft und nicht mehr so hart. Aber sie werden uns bleiben. Die Seele ist verwundet und diese Wunde blutet mal mehr, mal weniger. Heilen wird sie nie.

  • Ihr seid so lieb. Es ist gut hier so verstanden zu werden, euch muss man nicht viel erklären, ihr wisst genau was los ist.

    Danke.


    Der Tag heute war schrecklich.

    Mein Sohn Daniel und seine Freundin Karly hatten verschlafen und kamen dadurch 90min später als verabredet, Und in dieser Wartezeit geschah genau das, wovor ich mich mit meinen vielen Aktivitäten die ganze Zeit zu schützen versuche: ich fühlte mich vergessen, ungeliebt und einsam.


    Und ich sah Ulrich am Tisch sitzen, so wie er da immer saß, und dann saß er da doch nicht und sein Platz war leer
    Und dann kamen, wie Trommlerin es so schön nennt, die "Schläge mit dem Niewieder-Hammer".

    Und so ging es dann eigentlich den ganzen Tag

    den ganzen Tag

    den ganzen Tag

    und dann gingen wir spazieren

    und ich hatte das Gefühl dass Ulrich hinter uns läuft

    und ich drehte mich um

    und da lief er doch nicht

    und schon wieder der Niewieder-Hammer

  • Liebe Greteline,


    Bisher habe ich noch nicht bei dir geschrieben, von daher kommt es vielleicht seltsam, wenn ich dir nach der ganzen Zeit, wo du hier bist jetzt erst sage, dass es mir unheimlich leid tut zu lesen, dass du deine Lebensliebe verloren hast.

    Auch wenn ich in deinem Wohnzimmer noch nicht geschrieben habe, habe ich alles aufmerksam gelesen, oft direkt mit dem Herzen, denn vieles kommt mir so sehr bekannt vor.
    Also bis auf das "Gehetzte" - da bin ich das genaue Gegenteil. 😅
    Aber da haben ja schon viele geschrieben, dass das absolut individuell ist und sich vielleicht sogar mit der Zeit ändert. Und das ist auch ganz genau so.

    Der Umgang mit der Trauer ist so individuell wie wir es sind und wie unser Verlust und wie die Liebe.
    Dennoch gibt es Gemeinsamkeiten. Dieser "Niewieder-Hammer" zum Beispiel. Oh, wie gut wir ihn alle kennen und verfluchen!
    Dann gibt es manchmal noch so kleine Gemeinsamkeiten ... ich erkenne mich zum Beispiel in deinen Zeilen wieder, wenn du von Ritualen schreibst.
    Das kann man kaum beschreiben, so dass Paare es verstehen, die das nicht kennen. Denn es geht nicht einfach nur um "Gewohnheit" oder noch schlimmer: "Routine". Sondern es sind Dinge, bei denen man sich fast verschwörerisch vorkommt. Wie junge Kinder, die mit der Taschenlampe unter der Bettdecke gemeinsam Pläne aushecken - wir gegen die Erwachsenen. Eine Geheimsprache, für die kein anderer eine Enigma hat. Auch das trifft es nicht ganz, aber es beinhaltet diese Unbeschwertheit in den Ritualen und das Zusammengeschweißte, die Verbundenheit.
    Und ja, die Unbeschwertheit ... die ist soooo oft - zumindest bei mir - Bestandteil dieses Niewieder-Hammers.

    Warum ich nun aber gerade heute doch bei dir schreibe, ist gar nicht so sehr der Niewieder-Hammer, sondern etwas ganz anderes.

    Es wird hier so oft von "Zeichen" geredet. So viele Seelen warten auf Zeichen und bekommen sie nicht (oder sehen sie nicht, bzw. nehmen sie nicht wahr). Andere kennen sie hingegen sehr gut, diese "Zeichen".
    Was genau sind Zeichen? Jeder hier wird dir darauf etwas anderes antworten. Denn die Zeichen sind genauso individuell wie all das, was ich oben beschrieben habe. Sie sind so absolut individuell und persönlich wie eure Liebe, euer Band es war - und IST.

    Man mag an gewisse Dinge glaube, oder auch nicht glauben. Selbst "Spiritualität" ist hochindividuell, besonders, ja, ganz besonders bei uns.
    Für so manchen ist das eng mit Glaube, also Religiosität, verbunden. Für andere ist es gleichbedeutend mit Esoterik oder zumindest Aspekten davon. Und es gibt noch so viele andere Richtungen und unzählige Nuancen dazwischen.
    Aber eines ist es nie: Spinnerei. Denn egal, ob es "wahr" ist oder nicht. Ob es greifbar, beweisbar ist oder nicht - das ist irrelevant. Denn es gibt hier kein "richtig" oder "falsch". Wichtig ist, dass es uns gut tut und das tut es, solange es nicht zu einem "Realitätsverlust" führt.

    Warum ich auf einmal von "Zeichen" spreche? Nun, deshalb:


    und dann saß er da doch nicht und sein Platz war leer

    und ich hatte das Gefühl dass Ulrich hinter uns läuft

    und ich drehte mich um

    und da lief er doch nicht


    Liebe Greteline,

    Ganz wichtig: Das Folgende ist mein Empfinden und meine Erfahrung. Ich erhebe null Anspruch, dass es irgendwas Allgemeingültiges ist, dass es allen so geht - oder auch nur einigen.
    Aber vielleicht kennt es der ein oder andere und dann könnte es für dich ein Trost sein. Ein Trost für etwas, wo es eigentlich keinen Trost gibt, keinen Trost zu geben scheint.
    Denn der Spruch "die Zeit heilt alle Wunden" ist Mumpitz, denke ich. Nein, sie heilt nicht. Aber sie mildert. Sie verändert. Sie transformiert. Wir hatten hier im Forum schon mehrfach den Vergleich zu Kintsugi, vielleicht sagt dir das was.

    Und diese Sätze von dir, die ich grad zitiert habe, gehen in ganz genau diese Richtung.
    Weißt du: Noch verbindest du das mit "Nie wider". Absolut verständlich. Und mehr als nur nachvollziehbar. Denn er wird nie wieder physisch dort sitzen oder hinter euch gehen. Brutal, unfassbar und schreiend, schreiend unfair!

    Aber dass du dieses Empfinden hast, dass er da sitzt oder hinter euch läuft ... DAS ist das Gefühl, das irgendwann mehr und mehr Raum einnehmen könnte gegenüber dem Nie-Wieder.

    Noch schreibst du: "Ich sah ihn da [...] und dann saß er da doch nicht"
    Wenn ich dir nun sage, dass sich bei mir in meinem Empfinden das sehr, sehr schnell gewandelt hat in "Ich sah in da ... und er war / ist da, aber anders".
    Wenn ich dir nun sage, dass ich denke, dass er dort hinter euch ging, dein Uli. Aber anders.
    Dann ist das vielleicht für dich im Moment absoluter Kokolores. Aber ich wünsche dir ganz, ganz doll, dass du eines Tages, vielleicht schon ganz bald, feststellen wirst, dass ich gar nicht so einen Kokolores rede, auch wenn es wie gesagt sehr, sehr subjektive Erfahrungen sind.

    Nein, es bringt den geliebten Menschen nicht zurück. Er ist das, was er ist. (Ich selbst habe kein Problem damit, es auszusprechen, aber ich weiß, dass es hier genug Seelen gibt, die um dieses Wort herum lavieren, daher spreche ich es in anderen Wohnzimmern wenn es nicht um meinen Schatz geht, nicht ungefragt aus.)
    Aber es ist ein unglaublich beruhigendes Gefühl, wenn sie - unsere Liebsten - uns wissen lassen, dass sie nicht "weg" sind. ✨💖



  • Liebe Greteline,

    Sonnenente hat es so schön behutsam ausgedrückt. Ich bin meist eher der "mitderTürinsHausfallen"-Typ. Darum geb ich meinen Senf nicht dazu.

    Wenn es für dich stimmig ist und du den Gedanken zulassen möchtest, dann möchte ich dich ermutigen zu glauben. Du hast keinen Nachteil davon. Wenn es nämlich nicht stimmt, dass sie uns begleiten (was ich persönlich ablehne, weil ich es einfach besser weiß!), dann ist es doch auch egal, wenn du in dem Fall irrtümlich geglaubt hast, dass er es tut. Der Gedanke soll aber gut tun und dich tragen. Den Niewieder Hammer kann er nicht verhindern, denn der ist körperlich. Da tut alles weh und man kann sich nicht verstecken. Aber die empfundene Einsamkeit kann er eines Tages lindern. Heute wohl noch nicht. Aber wie Sonnenente schrieb: die Trauer wird milder, verändert sich langsam und wird irgendwann auf längere Strecken erträglicher.
    Jetzt hab ich doch ein bisschen gesenft. Ich kann scheinbar nicht anders. Ich glaube einfach mit allem was ich bin an meine Unterschrift.

    Unsere Toten sind nicht abwesend nur unsichtbar,

    sie schauen mit ihren Augen voller Licht in unsere Augen voller Trauer.

    Es gibt ein Wiedersehen auf einer anderen Ebene.

    Und die Seelen unserer Vorausgegangenen begleiten uns

    Aurelius Augustinus

  • Liebe Greteline,


    ging mir gestern genauso. Bei einer Radtour mit Ursels Schwester und ihrem Mann hab' ich mich ständig umgedreht weil ich das Gefühl hatte dass sie wie früher hinter mir fährt. Auf dem Heimweg kamen mir auf einem bestimmten Stück gestern zum ersten Mal nicht wie sonst die Tränen. Was aber nichts heißt, weil die Trauerverarbeitung eben kein linearer Prozess ist.

  • Danke.

    Liebe Sonnenente, ich lese auch ganz viel und in allen Wohnzimmern. "Dazu sind sie da", wie Christine immer so schön sagt. Und nur ganz sporadisch schreibe ich dann selber da was rein.


    Gestern Abend hatte ich wieder so eine Panikattacke. Dieses Mal wusste ich ja wenigstens was es ist. Sie kam wieder ganz plötzlich, wieder dieser Brustschmerz, Kälte, Schwindel, Übelkeit. Bekomme ich das jetzt jeden Freitag? Ich kam mir vor wie ein heulender Wolf, gut dass das Fenster zu war. Die Nachbarin, die beim letzten Mal gesagt hatte, wenn das nochmal passiert soll ich sie anrufen, egal welche Zeit, hatte ihr handy auf stumm gestellt.


    Ich habe versucht ruhiger zu atmen, irgendwelche Konzentrations- Fingerübungen gemacht, irgendwelche Punkte massiert und irgendwann hörte es auf. Dann fing es aber wieder an. Und dann habe ich eine halbe Tavor genommen, ich habe noch ein paar.


    Als ich letzte Woche in der Notaufnahme war,wurde da auch Blut abgenommen. Als Nebenerkenntnis kam heraus dass ich eine Unterfunktion der Schilddrüse habe. Da kann ein Zusammenhang bestehen! Auf jedem Fall sage ich das dem Hausarzt, wenn ich am Montag dort bin.


    So, jetzt muss ich mich fertig machen: Brunch mit Anja bei Sun flower um 9 Uhr. Bis später!