Liebe Manuela, liebe Christine,
meine ersten 3 offiziellen Arbeitstage habe ich also gut hinter mich gebracht. Ich bin groggy - fix und fertig. Hab jetzt bis Montag abend frei. DAnn meine erste Nachtschicht allein. Ich hab Bammel. Heute hatten wir ein menschliches Drama, das mich sehr berührt hat. Es war im Haus Lehrlingstest. Ein Bursch wurde von den Großeltern gebracht. Kaum wurden die jungen abgeholt, kam eine weinende Frau zum Empfang zu mir und weinte. Sie drückte mir ihr Handy in die Hand, damit ich der Frau am Telefon die Adresse vom Betrieb durchsage, ihr Mann liegt draußen im Auto mit Lähmungserscheinung. Er hatte einen Schlaganfall, die Rettung kam und nahm ihn mit. Oma blieb heulend zurück, da der Bursch mitten im Test saß. Wir alle sind kreuz und quer geschossen. Ich war wie gelähmt, hatte fast ein De ja vu von damals..... Die Frau hat so geweint, ich hab mich so zurück versetzt gefühlt. 2 Kolleginnen haben sich um den Patienten und die Frau gekümmert, ich hielt drinnen die Stellung. Ich war versteinert und verzweifelt. Alles kam in mir hoch. Ich ging dann als sich die Rettung einfand, wieder an meinen eigentlichen ARbeitsplatz ins Portierhäuschen zurück. Auf einmal ein Anruf, dass gleich die REttung kommt. Wir mögen den FAhrer die Route fürs Gelände zu geben, da ein Notfall in der Sanität war. Die Frau hatte Blutdruck von 240 zu 160. Als die Rettung kam und dann wieder mit der zurückgebliebenen Frau wegfuhr nochmal das gleiche. Die Rettung mit Blaulicht. Ich glaube, es war die gleiche Besetzung des Notarztwagens von meinem Super Gau.... Es war ein grausamer Tag. Mir wurde bewusst, dass ich noch lang nicht drüber bin. Hab so migelitten, mit der armen Familie.Ich weiß aber leider nicht, ob die beiden im selben KRankenhaus gelandet sind, was mit dem Burschen war....gar nichts. Ich fühlte mich einfach ZURÜCK AN DEN START.
Die nächste Woche wird noch mal super anstrengend, da sich zu meinen 2 Diensten 2 Schulungstage in Wien gesellt haben. Am Dienstag hab ich meinen ersten Therapietag. Meine Mami hält tapfer die Stellung, betreut meine Zwerge und mich. NEbenbei kommen täglich mein SOhn mit seiner Freundin zum Essen, und Oma kocht und kocht und kocht.... Sie liebt es so sehr, uns alle zu versorgen, dabei ist sie körperlich so angeschlagen, dass sie täglich so erschöpft ins Bett fällt wie ich.
Ich hab Angst vor dem, was noch kommen wird. Heute kamen alle möglichen Ängste in mir hoch. Ich bin ja Portier und darf meinen Arbeitsplatz nicht während meiner Schicht verlassen. Da ist die Angst, dass ein Anruf kommt, dass irgendwas passiert ist, und ich das Haus nicht sofort verlassen kann. Dass es Mutti schlecht geht, dass meinem Sohn etwas passiert, oder seiner Freundin, oder dass etwas mit meinen Zwergen los ist. Ich hab Angst vor meiner Angst. Ich hoffe so sehr, dass mir die Therapie hilft. Hoffe auch, dass nach der nächsten Woche ein wenig Ruhe und halbwegse Normalität in mein Leben kommt. Meine Mami muss ich nächste Woche heimbringen, da sie dann eine Woche Urlaub mit meiner Schwester macht. Dann bin ich wieder allein.
Liebe Manuela, ich freue mich, dass ich dich mit meinen Worten ein wenig trösten kann. Ich hab das Gefühl dich schon lange zu kennen. Es ist so schön zu lesen, wie sehr du an deinen Lieben hängst. Es ist halt heutzutage so selten, dass so ein inniges Verhältnis zu den Eltern besteht. Ich liebe meine Mami doch auch so sehr, ich hab so Angst sie zu verlieren. Mein Vati ist ja schon vor 25 Jahren verstorben, aber ich vermisse ihn trotzdem sehr. Er war mein Vati, mein Held, mein Tröster ...... immer für mich da. Er war um 27 Jahre älter als meine Mami, daher war er auch Opa in der gleichen Person. Er hat mich geliebt wie Vati und Opa in einer Person. Ich war das Nesthäkchen und wurde immer mit ganz viel Liebe verwöhnt.
Es ist ganz egal wie viel Zeit wir mit unseren Eltern verbringen, es ist niemals genug. So empfinden wir es. Unsere Eltern wissen aber, dass sie geliebt sind. Das weiß ich. Eltern und Kinder--- das ist ein Band, so intensiv, wie es mit keinem anderen Menschen auf der Welt je haben können. Die Liebe zu einem Partner ist auch extrem intensiv, aber eben anders. Wir sind aus ihrem Fleisch und Blut und ich glaube, da gibt es eine Seelenverwandtschaft, eine Energie .... die ist einfach immer da, auch wenn wir mal getrennt sind. Dein Päpelchen ist zwar gesundheitlich nicht fit, aber seine Seele ist nicht krank, die weiß genau, wie sehr du ihn liebst, weil er dich auch so innig liebt. Die Liebe kennt keine Grenzen, auch nicht ins Jenseits. Wir müssen nur lernen, damit hier damit umzugehen. Diese Grenzen hinüber im Herzen zu überwinden. Manchmal hab ich das Gefühl, meinen Mann ganz intensiv zu spüren. Gerade die letzten für mich doch sehr aufregenden Tage, saß er an meiner Seite und hat mir Kraft geschickt. Diese Hau-Ruckaktionen mit den Wienfahrten, die für mich zwar Horrorwege waren, habe ich dank seiner Hilfe doch irgendwie ertragen. So ist deine Mami von drüben bei dir, dein Päpelchen auf der herüberen Seite der Brücke...... Liebe ist einfach da. Unendliche Liebe. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Glaubst du, dass du die letzten Jahre ohne Hilfe von drüben so überstehen hättest können?
Meine Schwester hat mal mit automatischen Schreiben mit meinem Mann Kontakt gehabt, er meinte, dass er zu mir noch nicht durchdringen kann, da mein Schmerz einfach zu groß ist. Ich soll mir keine Sorgen machen, es geht ihm gut. Wie es in so vielen Büchern steht.....All unsere Lieben Vorangegangenen sind in einer besseren Welt, geborgen in Liebe, ohne Krankheit, ohne Schmerzen ohne Sorgen. Sie sind aber traurig, wenn sie unseren starken SChmerz spüren. An all das muss ich einfach glauben, denn sonst werde ich verrückt. Es kann nur so seín.
Ach liebe Manuela, ich drück dich ganz fest, denk an deine Mami und denk an die wunderschönen Jahre, die ihr hattet,---- denk an das Weinhaus, in das ihr alle gemeinsamt geht, wenn ihr alle wieder zusammen seid.
Ich versuche dir ein ganz großes Kraftpaket zu schicken..... Hoffe, dass es ankommt.
Ganz herzliche Grüße
Michi