Servus ihr Lieben,
will also ein wenig Ordnung in meinen Kopf bringen - ich fürchte das wird jetzt lang. Wer also im Moment keine Zeit oder vielleicht auch Kraft hat - lesen verschieben oder natürlich auch ganz streichen (obwohl mir ein wenig "Senf" schon schmecken würde )
Und ich muß wohl ein "wenig" ausholen.
1980 starb meine Oma in Rumänien. Ich war im 5. Monat schwanger und stand nach fast 1000km Autofahrt (abwechselnd mit Vati) an ihrem offenen Sarg. Eigentlich hatte ich nur einen Gedanken: "Warum hast du nicht auf dein erstes Urenkerl gewartet?" Zum Glück war meine Tante so "weise", meine Mutter daran zu hindern mir zu "helfen", und ich hatte lange Zeit, mit Oma alleine zu sein. Konnte ihr vieles sagen, was in den wenigen Tagen die wir miteinander verbringen durften (18 Jahre lang 3 Wochen im Jahr) nicht gesagt wurde. Und konnte ihr auch irgendwie ihr Urenkerl "zeigen". Ich glaube fest daran, daß sie Thomas "gesehen" hat - von diesem Tag an wußte ich ganz bestimmt, daß ich einen Sohn bekommen werde. Ich fuhr zwar mit Tränen in den Augen 2 Tage nach dem Begräbnis aus der Stadt (mein Vater war nicht fähig zu fahren) und es tat weh, ich vermisse sie auch heute noch, trotzdem war (und ist) es irgendwie "okay" (ihr wißt, was ich meine?)
1982 dann Opa: an seinem letzten Abend saß ich noch an seinem Bett, streichelte ihn und sagte ihm: "Es wird alles gut" Und er "Ja, Mädel, alles wird gut werden" - Er meinte es wohl anders als ich.
Am nächsten Morgen sagte mir Mutti am Telefon, daß er in der Nacht noch einen Herzinfarkt hatte, und bereits bei der Ankunft im Spital tot war.
Wiedermal war für mich "eine Sonne vom Himmel verschwunden". Ich konnte mich nicht wirklich von ihm verabschieden, habe nur beim Begräbnis seinen Sarg gesehen - oder eigentlich auch das nicht - ihr kennt das, ich war nicht "da".
Nur wenige Tage später bat mich Omi, ihr dabei zu helfen, die Kleidung von Opa "wegzuräumen", sie könne sie nicht mehr sehen.
Heute frage ich mich, ob sie mir vielleicht damit helfen wollte, das Unabänderliche zu akzeptieren. Denn sonst wurde außer dem Ehebett, das einer Schlafcouch für Omi weichen mußte, nichts in der Wohnung verändert, solange sie lebte. Auch Opas Platz am Eßtisch blieb (stillschweigend aber wie selbstversändlich) immer unbesetzt.
Ich folgte ihrer Bitte, aber auch dabei war ich nicht "anwesend", legte mechanisch Kleidungsstücke zusammen, als wenn sie von einem Fremden gewesen wären.
Es war insgesamt eine schlimme Zeit - Thomas war ja grade zwei Jahre alt, er war brav, aber ein sehr aufgewecktes Kind, das mich doch ziemlich forderte. Und die Firma, bei der mein Mann arbeitete meldete Insolvenz an. Wurde zwar dann doch "aufgekauft", und mein Mann behielt seinen Arbeitsplatz, aber das war lange Zeit nicht sicher, und wir suchten schon nach einer neuen Stellung für ihn
- es war einfach keine Zeit für mich. Eine Zeitlang funktionierte ich nur, hab aber meinen Schmerz sehr schnell vergraben. Und dachte zwar mit Wehmut aber doch lächelnd an Opa zurück. Wenn ich überhaupt darüber nachdachte, war ich wohl eher froh, seinen Tod "so gut verkraften zu können".
Und dann kam das Jahr 1993 - natürlich wieder nicht nur ein "Problem" alleine. (es war auch zwischendurch absolut nicht "Ruhe" in der Familie - aber das würde wohl wirklich hier den Rahmen sprengen. Will ja nicht meine ganze Lebensgeschichte erzählen )
Es begann damit, daß bei Mutti ein Knoten in der Brust festgestellt wurde, sie wurde operiert und war noch nicht ganz wieder auf dem Damm, als Omi ins Spital kam. Sie hatte schon einige Zeit Herzprobleme, starb aber dann innerhalb weniger Tage an Lungenentzündung.
Und wieder war keine Zeit - meine Cousine hatte zu unserer Großmutter das gleiche Verhältnis wie ich es zu Opa gehabt hatte, sie hatte ihre Ansprechpartnerin verloren - ich half ihr, so gut ich konnte.
Die Wohnung von Omi mußte bis zum Ende des nächsten Monats geräumt werden, keiner hatte das Geld "übrig" die Miete länger zu bezahlen.
Mutti und ich waren die einzigen, die nicht arbeiteten - also packten wir alles zusammen. Die Männer machten dann an den Wochenenden die "Schwerarbeit". Ich weiß es nicht mehr wirklich, aber ich glaube es standen uns zwar oft die Tränen in den Augen, aber richtig geweint haben wir wohl nicht. Ich hätte glaub ich, nicht mehr die Kraft gehabt, weiterzumachen.
Und wieder ging das Leben einfach weiter - mit etlichen "Zwischenfällen" bis zum Beginn des heurigen Jahres.
Als eben der Arzt Mutti sagte: "Wir können für ihren Mann eigentlich nichts mehr tun, er ist "austherapiert" (was ist das eigentlich für ein Wort!) und dann 14 Tage später meine Tante starb.
Soweit die "Tatsachen".
Und jetzt sitze ich hier und frage mich: "Warum kommt das nach so vielen Jahren jetzt hoch?
Blöde Frage - hab grade alles was ich schrieb einmal durchgelesen.
Ich muß es wohl anders formulieren: Eigentlich trauere ich ja jetzt schon um meinen Vater, obwohl er noch hier bei uns ist. Aber:
fällt mir die Vergangenheit jetzt auf den Kopf, weil ich - wie Tina so schön schrieb - mein Herz für die Trauer geöffnet habe?
Oder suche ich mir (wiedermal) eigentlich nur einen "Ausweg" um mich nicht mit dem befassen zu müssen, was voraussichtlich in nicht allzu langer Zeit passieren wird - dem Tod meines Vaters.
Ich weiß nicht, eigentlich will ich nur alles hinter hir haben. Und da kommen schon wieder die "Schuldgefühle" hoch, die - mein Verstand weiß es sehr wohl - unsinnig sind. So wie Linda mir ganz am Anfang schrieb:"Wir wünschen ihnen ja nicht den Tod, sondern nur Erlösung"
Aber mein Herz - es tut so weh.
Jutta
@ chrisu: ist schon sehr, sehr lange her, das war 1974 (hab im Thread von traurigetina darüber geschrieben) und seinen Tod hab ich ziemlich gut verarbeitet - auch wenn es lange gedauert hat.