Liebe Sternenkinder-Mama,
du weißt ja, dass bis vor kurzem totgeborene Kinder entweder fremden Verstorbenen "beigelegt" wurden oder aber, da sie in vielen Bundesländern unter 500g nicht als "Leiche" gelten und somit auch nicht dem Bestattungsgesetz unterliegen, im medizinischen Sondermüll/im "ethischen Müll" landeten. Die Sammelbestattung von Früh- und Totgeburten war ein Schritt weg von der anonymen Fremdbeilegung hin zu: Geben wir diesen Kindern einen Platz auf dem Friedhof, wo sie von ihren Familien besucht werden können. Hinter der Idee der Sammelbestattung stand auch das Bedürfnis, eine Bestattungsform zu finden, bei der weder für die Eltern noch für zuständige Behörden oder Sozialämter massive Kosten entstehen.
Ich persönlich kläre Eltern immer genau über die Möglichkeit der Sammelbestattung und der Individualbestattung auf und stelle fest: Einige entscheiden sich für die Individualbestattung und bezahlen die dadruch entstehenden Mehrkosten gerne für ihr Kind. Andere entscheiden sich für die Sammelbestattung, das hat mit den Kosten und auch mit den Folgekosten (Erhaltungs- und Nutzungsgebühren des Grabes) zu tun, aber nicht nur. Grundsätzlich sind die Kosten der Individualbestattung bei Fehl- oder Frühgeburten aber wesentlich geringer als bei der Bestattung eines Erwachsenen. Nicht, weil der Aufwand, den wir haben, geringer ist (es ist sogar oft wesentlich mehr Aufwand), sondern, weil wir einfach weniger verrechnen. Das was verrechnet wird, müssen wir verrechnen, um wenigstens kostendeckend zu arbeiten. Der Gewinn bleibt dabei meist aus.
Was du beschreibst stimmt. Ich würde mir aber wünschen, dass du weniger anklagend formulierst. Weder Ämter, noch Krankenhäuser, Hebammen, Ärzte, Gesundheitsämter oder Friedhofsverwaltungen erschaffen absichtlich bösartige "Konzepte" und Strukturen, um Trauer zu erschweren oder zu kränken, wie es in deinem Posting oder auf deiner Website oft durchklingt. Es ist eher so, dass die Wichtigkeit des Abschiedes vom Kind noch nicht so lange bewusst ist. Die Wichtigkeit des Abschieds vom Verstorbenen ist insgesamt auch ein relativ neues Thema in der Trauerpsychologie, sodass hier erst Schritt für Schritt Änderungen und Verbesserungen möglich sind, die sich eben in den einzelnen Ämtern, Institutionen und Bürokratien erst durchsetzen müssen.
Ich beginne z.B. damit, dass ich durch Vortrags- und Lehrtätigkeit zunächst einmal ein Bewusstsein beim Personal schaffe und die Umsetzung dauert dann einfach, tw. müssen ja wirklich verschiedene Gesetze überarbeitet werden. Das alles geht nicht von heute auf morgen, es braucht Zeit. Wenn ich aber zurückblicke, hat sich in den letzten 10 Jahren gewaltig viel verbessert.
Ich bin keine Freundin der Sammelbestattung, aber für viele Eltern ist das eine stimmige Bestattungsform. Ich weiß auch, dass ein "totes Kind", das ich individualbestatten lasse, weniger kostet als ein Kind, das am Leben bleibt. Das ist ein absolut geschmackloser Vergleich, ich weiß: Aber die Kosten für die Bestattung belaufen sich bei uns auf maximal ca. 1.500 Euro (wenn es wesentlich mehr wird, dann weil großer Extraaufwand nötig war) in den meisten Fällen ist es aber wesentlich weniger! Soweit ich weiß, ist das die Summe (1500 Euro), die wir beim lebenden Kind allein für die Windeln bezahlen. Viele Eltern von totgeborenen Kindern wollen nicht mehr als den Sammelbeisetzungsbeitrag bezahlen.
Das Bewusstsein für den Wert der Individualbestattung muss sich erst durchsetzen und zwar, - neben den Menschen, die in Behörden, Ämtern und Institutionen arbeiten - beginnend auch bei den Eltern, die heute immer noch dazu tendieren, ihrem tot geborenen Kind (v.a. bei Fehlgeburten) keinen Namen und keinen Platz in der Familie oder in einem eigenen Grab zu geben. Das betrifft nicht alle, aber doch einige. Das ist aber nicht anzuklagen, sondern einfach einmal festzustellen, um dann sanft, Schritt für Schritt bessere Wege zu finden. Ein weiser Mann hat zu mir einmal gesagt: "Wenn du im Motorboot sitzt und die anderen im Paddelboot, dann kannst du sie anschreien was du willst, sie werden dadurch nicht schneller werden, weil dazu etwas Wichtiges fehlt." Du kannst jetzt viel Geld in die Hand nehmen und ihnen ein Motorboot kaufen, aber wenn sie nicht lernen, damit zu fahren, dann gibt es noch viel mehr Probleme: Sie können es nicht starten oder sie fahren damit gegen einen Wellenbrecher und zerschellen. Ich hoffe, du verstehst, was ich damit meine: Weniger laut anklagen, nicht gleich alles über den Haufen hauen wollen (damit schafft man sich Widerstände statt Kooperationspartner), an Stelle dessen: Mit gutem Beispiel vorangehen, schauen, wo man Stück für Stück die Situation verbessern kann, aufklären und auf Multiplikatoren bauen.
Liebe Grüße
Christine