Liebe Akelei,
warum wieder? Weil der Trauerprozess nicht linear verläuft, sondern die Trauernde in ihren Phasen vor und zurückwechseln.
Du must dir das vorstellen, wie bei einem Weg der spiralförmig den Berg hinaufführt. Du gehst ein Stück, er erledigst auf diesem Weg jene Aufgaben, die du gerade bewältigen kannst und lässt auch Aufgaben teilweise unerledigt, weil sie dir gerade zu viel sind. Trotzdem gehst du immer weiter. Und manchesmal muss du ein Stück zurückgehen und jene Aufgaben erledigen, die früher liegen geblieben sind. Dafür schaffst du aber den Weg nach oben, den du wiederholen musst, sehr viel schneller, weil ja schon viele Aufgaben von vorher auch schon erledigt worden sind, die kannst du jetzt links liegen lassen. Manchmal ist es so, dass du gut vorankommst und dann kommst du an eine Stelle, von der du gut auf den direkt daruntergelegenen bereits gegangenen Weg hinunterblicken kannst und du erkennst Dinge wieder, hast Angst, dass du erst ganz am Anfang bist, dabei bist du ja schon viel weiter und stehst direkt darüber in der Kurve.
Ich denke, du bist grad wieder zurückgegangen in die Phase des Nicht-Wahrhaben-Wollens, das hat mit dem sich nähernden Jahrestag zu tun, der ist nämlich in genau so einer Kurve, in der du nach unten blickst auf den Todestag und da kommen die Erinnerung und auch das Durchleben von damals wieder ein Stück weit zurück! Durch das Wieder-Durchleben erledigst du Traueraufgaben, die dir damals zu schwer waren, du du links liegen lassen musstest ... und trotzdem hast du eine erste große Hürde geschafft, nach diesem 1. Jahrtag!
Kannst du mit diesem Bild was anfangen?

Al
Christine