Hallo liebe Hanna. Dein Bericht erinnert mich sehr an mich - einerseits mit den Höhen und Tiefen der Trauerbewältigung - andererseits mit deinem TUN in der Vergangenheit. Wir sind eben Menschen, die an die Liebe und das Gute glauben. Der Vater meiner Tochter (mein 2. Mann, mein Sohn war von meinem 1.) war meine absolut große Liebe. Ich weiß dass ich auch seine war, aber der Alkohol hat ihm leider zu sehr geschmeckt und im Rausch war er unausstehlich. Er war oft so böse und verbal extremst beleidigend, hat mich zwar nicht geschlagen, aber immer seine Macht gezeigt. Doch am nächsten Tag hat er oft geweint und hat versucht alles wieder gut zu machen. Wie oft hörte ich die Worte: "Dem würde ich die Koffer vor die Tür stellen usw. " Ich habe mich zwar geschämt, weil die Nachbarn ja vieles mitgekriegt haben, aber ich gab die Hoffnung nicht auf. Nur irgendwann war ich selber so am Ende, dass ich etwas ändern mußte. Du wirst das sicher kennen, man wird immer kleiner, denkt man ist selber schuld - dann hab ich mich scheiden lassen. Und auch nach einigen Jahren, als ich wieder eine Beziehung hatte, hab ich ihm vorm Gericht geholfen. Er drohte meinem Freund mit dem Umbringen und weil er schon eine Vorstrafe hatte, wurde er festgenommen. Bei der Verhandlung als ich ihn sah, hätte ich am liebsten nur geweint. Mir wurde eindringlich nahegelegt zu sagen, was er damals bei mir getan hat. Obwohl er auch oft an Möbelstücken seine Wut ausließ und ich wirklich Angst hatte, hab ich trotzdem gesagt, er hat mir nicht wirklich etwas getan. Somit mußte er nicht ins Gefängnis.
Ich hab ihn heute noch sehr lieb, das schöne ist, dass wir jetzt Freunde sind.
Hanna, zu deinem Selbstvorwurf, dass du nicht wahrgenommen hast, dass du das letzte Mal seine Stimme hörtest: Ich sah meinen Sohn 16 Tage vor seinem Tod zum letzten Mal. Durch Zufall schliefen er und meine Tochter bei mir in meiner neuen Wohnung. Ich mußte früh aufstehen, mein Gerhard lag auf der Wohnzimmercouch und schlief. Ich ging zu ihm und gab ihm ein Bussi auf die Wange und sagte leise, dass ich ihn lieb habe. Einerseits bin ich so dankbar, dass ich das erleben durfte, weil er ja seit nicht ganz 2 Jahren 60 km weit weg wohnte (vorher war er immer im selben Ort), andererseits kann ich nicht begreifen, dass er nicht mehr auf der Welt ist. Ich hab ihn auch nochmal sehen dürfen, aber kann mich fast nicht mehr erinnern, weil es so schrecklich war. Wenn du dein Kind da liegen siehst - wie du sagst - ich hab nur gewartet, dass er die Augen aufmacht.
Es ist jetzt über ein Jahr her, aber ich kann es immer noch nicht glauben. Aber wie du auch sagst - es muß weitergehen. Ich tu alles dafür, dass ich mein Leben meistere. Es ist nur so unendlich schwer!
Liebe Grüße und dir auch viel Kraft, Petra