Lieber Wolfgang,
nein, bei Dir ist ganz bestimmt Nichts locker und schon gar nicht Deine Gefühle. Ja, es ist eben sehr schwer nun immer wieder in der "ich" Form zu reden. Immer wieder zu sagen ... ich denke, ich habe erlebt, ich wünsche mir, ich werde Dies oder Das demnächst entscheiden - wo man doch jahrelang ziemlich Alles gemeinsam gemacht hat. Anbei gesagt etwas womit auch ich mich oft sehr schwer tue. Wie sollte es auch anders sein, wo mein Mann für quasi 20 Jahre der wichtigste Mensch in meinem Leben war und mit dem ich all diese Jahre sehr sehr intensiv gelebt und erlebt habe? Ganz egal ob es nun allesamt bodenlos glückliche Jahre waren oder es oft leider nicht so lief wie es hätte sein können.
Lieber Wolfgang, ja auch ich tue mich oft sehr schwer damit - wenn in Gesellschaft - mich mit dem ... wir, uns, er sagte einst, tat einst, entschied einst und, und, und einzuschränken aus dem selben Grund wie Du. Eben weil man seine Mitmenschen nicht damit nicht auf die Dauer nerven da sie ja nie selbige Beziehung zu unseren Lieblingsmenschen hatten wie wir.
Deswegen denke ich das es für uns Alle nun exrtrem wichtig geworden ist - egal wie irre schwer es oft fällt - raus in die weite Welt zu gehen um uns eigene Erlebnisse, Erfahrungen, Erfolge und Erinnerungen zu schaffen. Dies um eben nicht immer wieder nur unsere Vergangenheit beisteu-
ern zu können. Es mag komisch klingen, aber meine erste alleinige Reise über das letzte Weihnachten hinweg wäre ein gutes Beispiel. Ja, sie entsprach überhaupt nicht meinen Erwartungen, aber immerhin kann ich heute von etwas erzählen was nicht immer wieder mit Bezug auf meinen Mann anfängt. Lieber Wolfgang, es muß nicht gleich eine große Reise sein um den ersten "Spatenstich" zu machen. Es ist letztlich egal was man unternimmt um aus der eigenen heimischen Gefangenschaft rauszukommen. Das Ausschlaggebende ist das man mit dem Vergehen der Zeit immer mehr von sich, seinen eigenen Erlebnissen und neu gemachten Erfahrungen reden kann. Dann wirst Du sehen das Dein Umgeld auch deutlich besser damit umgehen kann wenn Du ab und zu Deine Frau erwähnst - weil es ja dennoch genug anderen Gesprächsstoff gibt als nur den Einen.
Und ja, mein lieber Wolfgang, die heimische Vertrautheit kann ich Dir auch sehr gut nach empfinden denn ich kann es kaum in Worte fassen wie sehr ich es heutzutage genieße nicht unbedingt vor die Tür zu müssen. Allerdings habe ich inzwischen angefangen die Tage die ich zuhause ver-
bringe eher als eine kleine "Belohnung" oder "Auszeit" an Stelle von Festklammern an vertrauter Geborgenheit. Ja, inzwischen erschaffe ich mir Gründe warum ich unbedingt 'mal wieder raus muß wenn 2-3 Tage in den 4 Wänden vergangen sind, und immer wieder hat es mir gut getan nachdem ich meinen inneren Schweinewolf überwunden hatte.
Ich drücke Dich ganz doll,
Hanna