Liebste Amitola,
ich danke Dir für Deine lange und sehr sehr liebevolle, einfühlsame Post die mich sehr bewegt hat als ein Mensch der vermutlich im Angesicht von häuslicher Gewalt nicht wegschauen würde - und leider gibt es viel zu wenige davon.
Auch danke ich Dir von Herzen für Deine Empfehlung mir therapeutische Hilfe zu hohlen, aber ich kann Dich trösten das ich inzwischen schon sehr sehr Vieles von dieser Zeit recht gut verarbeitet habe. Dies vermutlich weil ich damals fast akriebisch Tagebuch schrieb, und mich einer Selbsthilfe Gruppe anschloß als er mich verließ. Es tut mir leid das Du das ein wenig misverstanden hast, aber obwohl mein Mann so manche Brutalitäten richtig gut drauf hatte hat er mich nie geschlagen, dafür aber oft genug unsere Möbel mit aller Wucht tracktiert. Kann dadurch bestätigen das die vom schwedischem Einrichtungshaus beim besten Willen nicht klein zu kriegen sind. Nein, mein Mann achtete stehts darauf das ich nicht einmal ein gekrümmtes Haar vorzuweisen hatte, denn er wußte was eine Anzeige für ihn als Ausländer bedeutet hätte. Eher war seine Spezialität Psych-Terror den er meist spät Abends bis in die frühen Morgenstunden praktizierte bis ich dermaßen übermüded war das ich keine Kraft mehr hatte Widerstand zu leisten.
LIebe Amitola, ich denke Du ahnst es das ich über diese Zeit endlose Seiten füllen könnte, aber wie Du es selber sagtest es ist geschehen, es läßt sich nicht rückgängig machen und gehöhrt nun einem Teil meiner Vergangenheit an der keinen Platz mehr in meinem hier und heute haben soll. Du kannst sicher sein das ich das damals Erlebte nie unter den Teppich kehren würde weil sie mich letztlich sehr geprägt hat, aber Dank der Tagebücher die ich schrieb habe ich wirklich sehr viel davon gut verarbeitet. Es mag komisch klingen aber ich schrieb damals Alles sehr bewußt auf um eines Tages nie in die Falle zu geraten wo die Zeit Alles heilt und vergessen läßt. Ja, und das Aufschreiben hat mir auch sehr geholfen das Erlebte noch einmal Revue passieren zu lassen bis es verarbeitet und abgehakt war.
Oft wurde ich gefragt warum ich ihn nicht schon vor Zeite verlassen hatte, aber das ist leider eine sehr logische Frage für Jemanden der nicht in solchen Schuhen steckt. Tatsache jedoch ist das meist die "bösen" Zeiten erst dann einsetzen wenn der "Täter" es auf leise, unauffällige und vorgespielte liebevolle Weise sein "Opfer" komplett entmündigt und ihm Alle Chancen frei zu kommen genommen hat. Wenn der Zeitpunkt gekom-
men ist wo das "Opfer" kaum noch Kraft und Mut hat sich zu wehren und einfach nur noch heilfroh ist wenn ein wenig Ruhe herrscht. Liebe Ami-
tola, der Grund warum sehr viele Frauen die sich in solcher Situation befinden nicht zur Polizei gehen oder mit gepackten Koffern abhauen. Leider mußte ich auch in der Zeit erfahren das man als "Opfer" tatsächlich kaum Hilfe bekommt es sei denn man wurde krankenhausreif geschlagen. Ich bin nämlich einmal zur Polizei geflüchtet als mein Mann mir drohte mich "alle zu machen" wenn ich ihm nicht gehorchte. Ja, und die Polizei lachte mich nur aus weil ich nicht einmal einen mickrigen blauen Fleck vorzuweisen hatte. Meine ganze Nachbarschaft wußte Bescheid, denn besonders Nachts war sein Gebrülle und ständiges lautes Knallen der Türen kaum zu überhöhren, aber kein Mensch fragte jeh was los war. Ja, man fing wortwörtlich an mir schon von der Ferne aus dem Wege zu gehen.
Irgendwann höhrte der ganze Spuk wieder von alleine auf und ich denke Du kannst Dir gut vorstellen wie erleichtert ich war, denn wärend dieser Zeit entdeckte ich auch das ich im Fall einer Scheidung der absolute Verliehrer gewesen wäre. Dies weil ich voll mit im Kredit für das Haus hang, nach etlichen Besüchern beim Arbeitsamt schnell mitbekam wie aussichtslos meine Chancen auf dem Arbeitsmarkt waren, und da er seine Rente aus dem Ausland bekam hätte er sich zu jeder Zeit im fernen Ausland absetzen können um mir keinen Unterhalt mehr zahlen zu müssen. Wie gesagt, war ich folgedessen froh das sich bei uns die Situation wieder einigermaßen eingerenkt hatte. Ja, zu meinem Erstaunen ließ er mich glauben das er sein Fehlverhalten erkannt hatte und bitter bereute. Ja, und er gab sich richtig Mühe mit mir eine gute Beziehung zu führen. Sogar ein gemeinsamer Urlaub zum baldigen Jahreswechsel war plötzlich in Planung. Was ich aber zu dieser Zeit nicht ahnte war das er mir diese Kehrwende nur glaubhaft gemacht hatte um in aller Ruhe seine Affaire zu genießen. Ja, und zum selbigen Weihnachten knallte er mir dann vor die Nase das er schnellstmöglichst die Scheidung und den Verkauf unseres Hauses haben wollte da er zum Jahreanfang zu seiner Neuen ziehen wollte. Ich ließ ihn ziehen weil ich wußte das ich keine Wahl hatte, und darauf hin folgten die grausigsten sieben Monate meines Lebens. Wann immer er nach Hause kam ging der einstige Terror wieder von Vorne los, obwohl ich ihn ohne Worte tun und machen ließ und die Jenige die Tag für Tag versuchte ein Haus zu verkaufen was ich als mein Zuhause sehr liebte. Obwohl ich es war die sich um Makler, Anwälte und ziemlich Alles kümmerte wärend er es sich mit seiner Tussi herrlicht gut ergehen ließ.
Ja, und dann kam der Tag wo mich wieder einmal ein Anwalt fallen gelassen hatte weil er sah das kein großes Geld von mir zu hohlen war, und an dem der Makler mich anrief um mir zu sagen das er einen Käufer für unser Haus gefunden hatte. Und das mein Mann am nächsten Tag zuhause sein würde um mit mir und dem Kunden die Verträge zu unterzeichnen. LIebste Amitola, wenn es jeh ein Tag in meinem Leben gab wo ich einfach nur noch tod umfallen wollte war es genau dieser Tag, denn inzwischen waren auch die letzten aller meiner Ersparnisse aufgebraucht. Also schleppte ich mich nach Hause und fand dort zu meiner großen Überraschung meinen Mann vor. Dieses Mal aber nicht wie schon so sehr oft auf Kravall gebürstet, sondern total in sich zusammen gefallen und grauenvoll aussehend am Eßtisch sitzend. Im Flur stand sein gesamtes Gepäck.
Um eine lange Geschichte kurz zu machen stand ich plötzlich zwischen zwei Entscheidungen. Haus behalten, Scheidung vom Tisch - ihn aber im Gegenzug auf seinen letzen Weg begleitend. Oder Haus verkaufen, Scheidung durchziehen und wir Beide als ultimative Verliehrere dastehend.
Nun ja, Dank all meiner vorangegangenen Postings weißt Du ja wie ich mich entschieden habe, und ehrlich gesagt habe ich das nie bereut auch wenn es ein sehr schwerer und trauriger Weg war. Hätte ich meinen Mann nicht wieder aufgenommen wäre er elend und sich alleine überlassen verreckt da ihn ja als absehbarer Pflegefall niemand haben wollte. Und das wäre eine Schuldgefühl gewesen was mich für den Rest meines Le-
bens gequält hätte. Nicht zu vergessen das durch eine Scheidung meine gesamte Existenz auf unwiederufliche Weise weg gewesen wäre. So nahm ich ihn wieder auf aber nicht als meinen einstigen Lieblingsmenschen, sondern als einen Menschen in Not der meine Hilfe brauchte und genau dieses Denken ließ mich ihn so liebevoll, achtsam und bestmöglichst bis zu seinem Tod zu begleiten. Kurioserweise waren es genau
diese letzten 3.5 Jahre die mir erneut sehr dabei halfen die Reste einer sehr üblen Zeit mit ihm zu verarbeiten, da durch seine voranschreitende Krankheit plötzlich ganz andere Dinge im Vordergrund standen und wichtig waren. Ja, und irgendwann hat das Andere angefangen zu verblassen.
Der Grund warum ich Dir heute Abend so offen und ehrlich darüber schreiben konnte ohne das es mir dabei großartig weh getan hat. Bis heute gibt es Situationen die mich an damals erinnern, aber das kommt und geht meist binnen weniger Minuten und sind nun eher Kleinigkeiten. Ich würde es auch nicht komplett ausschließen das ich mich noch einmal in meinem Leben Hals über Kopf verlieben könnte, aber dennoch weiß ich jetzt schon das ich so etwas mit deutlich weniger Naivität und Überbegeisterung angehen würde als einst in meiner Vergangenheit.
Und vielleicht kann ich nun recht gut mit meiner Vergangenheit leben da ich von Natur aus kein ewig nachtragender Mensch bin, besonders wenn es um etwas geht was sich nicht mehr ändern läßt. Ja, ich würde sogar so weit gehen das ich meinem Mann den ewigen Frieden gönnen würde, denn seit er verstorben ist habe ich einen großen Teil des Meinigens wieder gefunden. Ich kann wirklich mit Hand auf dem Herzen sagen das ich ihm in unserer Ehe immer wieder all Das geliefert habe was er nicht konnte, und das ich ihn nicht hätte besser auf seinem letzten Weg begleiten können. Auch kann ich nun gut mit dem Gedanken leben das all Das was ich von ihm geerbt habe - bis auf die Schulden - mir zusteht weil ich hart dafür gearbeitet habe und es mir eben nicht zufällig in den Schoß gefallen ist. Und vielleicht kann ich auch jetzt schon wieder so gut nach Vorne gucken weil ich weiß das ich meine "Pflicht" als Ehefrau, Freundin, Partnerin und Wegbegleiterin nicht hätte besser erfülllen können.
Liebste Amitola, nun habe ich wieder einmal mehr als ellenlang geschrieben, aber mir war es sehr wichtig das Du es verstehst warum ich heute manchmal ein wenig kaltschneuzig, berechnet und emotionslos schreibe. Dies weil ich eben Dank all Dem was ich Dir geschrieben habe es mir im Verlauf der Zeit zur Angewohnheit gemacht habe Emotionen knallhart von nackten Tatsachen zu trennen. Und ja, dennoch kann ich ab und zu über meinen einstigen Lieblingsmenschen trauern weil er auch einst eine sehr andere Seite hatte, die leider wärend der letzten gemeinsamen Jahren sehr verlohren ging. Und wenn ich nun dabei bin mich und mein Leben völlig umzukrempeln, ist dies nicht um ihn komplett aus meinen Gedanken und Erinnerungen auszuradieren, sondern einfach um nicht in der Vergangenheit gefangen zu bleiben.
So, nun habe ich Dich warscheinlich völlig platt geschrieben und werde Schluß machen um den anderen Lieben auch noch eine Chance zu lassen. Sei in Gedanken liebevoll gedrückt,
Hanna