Beiträge von Dieter

    Na ja, das ist wohl mehr ein allgemeines Problem, betrifft nicht nur Trauernde. Aber der Trauernde hat das Glück schon erlebt, misst alles daran, ist nicht mehr so offen dem Leben und den Überraschungen gegenüber wie ein Siebzehnjähriger. Es geht wohl nicht anders: er muss vergessen können, er muss Herr über seine Erinnerungen werden, er muss seine Seele blankputzen. Klar, muss jeder, aber er besonders.

    Dieselbe Frage anders gestellt: Schneebedeckte Berge, die sich in einem See spiegeln. Symbole des Glücks. Wer kann, alleine auf seiner Bank sitzend, das Glück genießen? Braucht nicht jeder einen Menschen neben sich, mit dem er seine Freude teilen kann, ja dessen Freude erst zu seiner Freude wird? Was sind Symbole des Glücks OHNE das Glück? Ist eine schöne Landschaft oder ein schönes Bild oder eine schöne Musik irgendetwas wert OHNE jemanden, mit dem ich meine Freude teilen kann?

    Hallo, liebe Leute,


    die Urlaubszeit hat wieder begonnen. Vier Jahre sind seit dem Tod meiner Frau vergangen, nach Reisen war mir in dieser Zeit nicht zumute, schon gar nicht in Gegenden, in denen ich mit meiner Frau besonders glücklich war. Inzwischen kann ich mir vorstellen, gerade dorthin zu fahren, um sozusagen auf einer höheren, zeitlosen Ebene dort mit ihr zusammen zu sein. Vielleicht meine ich auch nur Erinnerung, weiß nicht genau. Mich würde sehr interessieren, wie ihr das für euch entschieden habt. Wer inzwischen eine neue Bindung eingegangen ist, für den stellt sich die Frage wohl nicht.


    Schönen Abend
    Dieter

    Das Leben kann doch noch schön sein. So entzückende Bilder von der anmutigen Garbine Mugurusa! Ich saß noch lange vor dem Bildschirm und klatschte Beifall und freute mich wie ein Schneekönig.

    Schon klar, liebe Christine. Jeder trauert anders. Der Sohn, der seine Mutter verloren hat, hat ja noch, und das in erster Linie, seine Frau. Er steht ziemlich stabil da. Der Mann, der seine Frau verloren hat, hat alles, vielleicht sogar sich selbst, verloren. Zwischen diesen beiden Situationen gib es offenbar kein Verstehen. Aber eine allgemeinmenschliche Einfühlung sollte es schon geben.

    Danke, liebe Freunde. Ich fürchte, ich konnte nicht richtig darstellen, was ich eigentlich meine. Es geht mir nicht um Anerkennung für Leistungen oder um Hilfe bei Arbeiten. Das geht viel tiefer. Als Mensch, dem die Hälfte seiner Identität genommen wurde, bin ich auf Bestätigung angewiesen, um zu erfahren, wer ich überhaupt noch sein kann. Ganz einfaches Beispiel: dem Kind, das seine Puppe verloren hat, sagt man: Schade um deine Puppe, aber du hast so einen schönen Teddybär, ich wollte, ich hätte so einen schönen Teddybär. Also, so würde ich jedenfalls reden. Um Bestätigung und Stärkung dessen, was noch übriggeblieben ist, geht es. Um ein neues Selbstverständnis, um eine neue Lebensanschauung überhaupt. Wenn zwei Bäume sich viele Jahre lang umeinander geringelt haben und zusammen wie EIN Baum waren, und einer fällt weg, dann steht der übriggebliebene verdammt wackelig da. Wem sage ich das, wisst ihr ja.

    Hallo Leute,


    ich muss doch mal eure Meinung dazu hören. Ich bewohne nach dem Tod meiner Frau unser landschaftlich sehr schön gelegenes Häuschen allein, pflege es so gut ich kann und das große Grundstück dazu. Jetzt im Frühling ist alles besonders hübsch und nett anzuschauen. Vor kurzem waren Sohn und Schwiegertochter zu Besuch bei mir, meint ihr, da sagt mal einer: "Schön wohnst du hier, beneidenswert, und du schaffst das alles ganz allein? Überhaupt toll, dass du so alleine klarkommst." Merkt denn keiner, wie hungrig ich nach solchen Worten bin, wo mir der Boden unter den Füßen weggezogen wurde und ich nicht mehr weiß, wer ich überhaupt bin und welchen Sinn das Ganze noch hat? Dass mein Selbstbewusstsein im Eimer ist? Normale, gesunde Menschen, engste Vertraute eigentlich, ohne so ein bisschen Einfühlungsvermögen? Wenn ich mal das Gespräch in diese Richtung bringe: ich glaube nicht, dass sie verstehen, was ich eigentlich meine. Ich bin jetzt froh, dass sie wieder weg sind.

    Na ja, ich sitze eigentlich selten "nur so" vor der Kiste. Es gibt ja auch schöne Filme, aber es ist eben nicht die Wirklichkeit. Wenn man wieder mal miserabel geschlafen hat, ist man sogar dafür dankbar. Und dass man in Ruhe gelassen wird und nichts MUSS. Ich habe genug tun müssen in meinem Leben, jetzt will ich mir nicht selbst im Nacken sitzen. Schwer zu verstehen, ist ja auch ein bisschen widersprüchlich.

    Liebe Leute,


    ich weiß, dass man dazu nicht viel sagen kann. Alle Moralpredigten habe ich mir ja schon selbst gehalten. Ich wollte nur mal beschreiben, wie alles zum Problem werden kann, wenn kein Sinn mehr da ist. Das ist wahrscheinlich manchen von euch auch nicht fremd.


    Ich finde es so toll, wie ihr euch Mühe gebt, danke! "Schmeiß die Kiste weg" (Katarina) hat mir besonders gefallen.

    Es gibt ja Leute, die haben Blei im Hosenboden. Ich würde so gern mal wieder für zwei Wochen an den Bodensee fahren, wo ich so oft mit meiner Frau war. Aber wenn ich mir vorstelle, was alles dafür nötig ist: Zimmer besorgen, Fahrplan studieren, Post abbestellen, den Nachbarn Bescheid sagen, die Gastkatzen enttäuschen, Dauerparkplatz für das Auto bestellen, zum Bahnhof fahren, mich über den Fahrkartenautomaten ärgern, mich über volle Züge ärgern, mich über Menschen am Handy ärgern, mich über schlechtes Zimmer und unfreundliche Vermieter ärgern, allein am Ufer sitzen und so tun, als interessiere mich das Buch in meinen Händen, die Stunden bis zum Abendbrot zählen... , dann wird das Blei in meinem Hosenboden schwerer und schwerer, und ich denke: nee, heute nicht, heute bitte nicht, ich will jetzt Snooker sehen, O'Sullivan braucht Snooker. Das ist meine verdammte Welt, pfui Teufel!


    Schönen Sonntag wünscht dir Marsue!


    Liebe Marsue,


    ich will doch niemandem etwas unterstellen. Sicher glaubt jeder, immer sein Bestes zu geben. Aber sein Bestes ist nicht immer sein Bestes. Man kann sich jahrelang aufopfern und wird doch einmal müde und unaufmerksam und trifft falsche Entscheidungen. Ich möchte meinen Fall hier nicht schildern, das ist eine endlose Geschichte. Es "zerfrisst" mich auch nichts, aber ich bin auch nicht mit mir im Reinen, ich setze mich immer wieder "damit" auseinander. Ich möchte mir nicht alles glatt reden, nur um meine Ruhe zu haben. Wenn mir im richtigen Moment der richtige Instinkt gefehlt hat, dann nenne ich das so und muss damit leben. Ich war eben nicht "wach" genug, sonst hätte ich sehen können, dass man seine Frau nicht in einem eiskalten Februar in die Reha schickt. Und in die falsche Klinik.


    Am Sonntagnachmittag ist es am schlimmsten, geht es euch auch so?

    Liebe Leute, ihr gebt euch so Mühe, und ich danke euch sehr dafür. Ich las irgendwo, dass die Seele sich selbst ihr Schicksal sucht. Das ist schwer zu verstehen, aber ich glaube, ich verstehe es ein bisschen. Es sieht nur so aus, als ob jemand auf diese oder jene Weise, unter diesen oder jenen Umständen gestorben ist. Das ist nur vordergründig und nicht das Eigentliche. Das Eigentliche ist, dass die Seele das so und nicht anders wollte. Sie hatte eine Aufgabe und hat die Aufgabe erfüllt und ist gewissermaßen fertig.

    Liebe Katarina,


    ich sehe den Hans im Glück mit gemischten Gefühlen. Er ist für mich auch der Trottel, dem sein (seelisches) Glück in den Brunnen gefallen ist. Hätte er doch besser aufgepasst. Hätte ich doch besser aufgepasst, als meine Frau starb - vielleicht hätte ich es verhindern können.

    Liebe Monika,


    hast ja Recht, der Satz war etwas unbedacht. Wenn man das Weinen etwas weiter fasst, dann weinen sicher auch Tiere. Ich denke mal, wer eine Seele hat, der kann auch weinen. Und Tiere haben sicher eine Seele. Nicht alle vielleicht: mein innerer Schweinehund hat keine. Was ich eigentlich sagen wollte: Trauer ist kein Schnupfen, Trauer hat eine Würde.

    Ich habe jetzt viel Zeit zum Fernsehen. Das meiste ist ja Schrott, aber mittendrin liegt manchmal ein kleiner Diamant. Z.B. dieser (heute gehört): "Wenn du weinst, bist du echt." Was für ein Satz. Vom Lachen kann man das nicht immer sagen, und auch vom Weinen muss man erst einmal das Schauspielen und das Zwiebelschneiden abziehen. Kein Tier kann weinen. Das Weinen ist etwas Menschliches, auf das wir uns etwas einbilden können. Wilhelm Schmid (auch im Fernsehen entdeckt) sagte etwas von Unglück als Schatten des Glücks, ich hoffe, ich verstehe ihn richtig: das Unglück als Hintergrund, als Ergänzung, als Vervollständigung des Glücks (oder des Lebens) begreifen. Und akzeptieren. Wenn du weinst, bist du echt. Mehr kann man doch nicht von sich verlangen.


    Ich muss mich bei meinem Dackel entschuldigen. Der kann sehr wohl weinen. Das ist das Menschliche an ihm.

    Hallo Christine,


    danke für dein Willkommen. Tut mir leid, dass ich so mit der Tür ins Haus gefallen bin. Ich gehe also zurück zur Garderobe und hänge mit eurer Erlaubnis meinen Trauermantel dort auf. Poesie ist der Trauer nicht wichtig, aber die Trauer kann manches in Bildern sagen, wo die Sprache versagt. Ich glaube nicht, dass ich mich oft zu Wort melden werde, aber es ist gut zu wissen, dass ich es jederzeit tun kann.


    LG Dieter


    es ist jetzt AUCH die Liebe, die in Deinem Herzen für immer bleiben wird.


    Sicher, Trauerstern. Trauer ist ja Liebe. Nur nicht stumpf werden. Lieber manchmal die Wand anheulen als stumpf werden. Vielleicht legt sich irgendwann die Liebe auf alles. Wie ein Stück Würfelzucker, das sich in einem Meer auflöst und alles ein bisschen süßer macht.